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RED EARTH EXPEDITION - Stage 2

Werden wir in einem Wüstensee ertrinken?

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    Tag: 29 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:29

    Sonnenuntergang:
    17:31

    Temperatur - Tag (Maximum):
    15 Grad

Edgar Kampf-Camp — 14.07.2001

Die gesamte Nacht trommelt der Regen auf unser Zelt und lässt absolut alles klamm werden. Rufus liegt in dem winzigen Vorzelt (Apside) und zieht sich vor dem hereinfließenden Wasser soweit zurück, dass er mit seinem Hintern an meinem Rücken liegt. Wir bleiben bis um neun Uhr liegen, denn aufstehen macht keinen Sinn. Als der Regen für wenige Augenblicke kurz nachlässt ziehe ich meine feuchten Kleider an und begebe mich zum Funkgerät das draußen neben den nassen Küchenboxen steht. Schnell funke ich Jo an, um ihr über unsere Situation zu berichten. „Es regnet ohne Ende. Ich hoffe es wird nicht schlimmer,“ rufe ich in das Handmikrofon. „Ich fühle mit euch, es muss sehr unangenehm sein,“ antwortet sie mit besorgter Stimme. „Meinst du die Nässe macht den Afghanpacksätteln etwas aus?“ ,möchte ich wissen. „Wenn sie nicht im Wasser stehen dürften sie es ohne Schaden überstehen.“ „Nein, wir haben sie auf das Spinifexgras getragen so liegen sie nicht direkt auf dem Sand.“ Auch heute ist das Wetter zu schlecht und wir beenden nach kurzer Zeit den Kontakt. Ich schalte das Gerät ab, schließe den Deckel, um es vor den Regen zu schützen und sprinte über den nassen Untergrund zum Buschbüro. Durchnässt und fröstelnd krieche ich hinein. Schnell ziehe ich meinen Poncho aus der offensichtlich nicht wasserdicht ist und lege ihn auf den sandigen Boden. Um ein wenig Wohnlichkeit zu verspüren haben wir das bodenlose Zelt mit Kameldecken ausgelegt. Damit wir die Decken nicht völlig verdrecken lassen wir unsere schmutzigen Schuhe am Rand stehen. Wir essen Müsli und trinken heißen Tee. „Hoffentlich wird der Regen nicht stärker,“ sage ich und beobachte mit Skeptik die dünne Zeltbahn. Das Wasser schießt in Strömen hinunter und fließt dicht neben uns in den Sand. Der starke Wind lässt das Zelttuch laut flattern und weht das herunterrinnende Wasser auf unsere Beine. Obwohl es zu dieser Jahreszeit warm sein sollte und keinen Regen geben dürfte frieren wir fürchterlich. „Mein Gott lass es nicht schlimmer werden,“ sagt Tanja leise. Große Pfützen bilden sich um das Buschbüro herum und Tropfen fallen in diesem Augenblick auf die Tastatur meines Laptops. „Ich bin froh, dass er wasserabweisend ist,“ sage ich und wische mit einem kleinen Handtuch in den Schreibpausen den Bildschirm und Tastatur trocken. Während Tanja die Nerven hat in ihrem Buch zu lesen unterbreche ich meine Tätigkeit und sehe wie gebannt auf eine Pfütze die sich unaufhaltsam zu unseren Füßen unter das Zeltdach frisst. Rufus liegt mit seinem Hintern zitternd im Wasser und sieht mich bittend an diese Katastrophe endlich abzustellen. Ich werde von Minute zu Minute nervöser. Die zwei Wassereimer die wir unter je eine ca. 1 ½ Meter Zeltbahn unserer nassen Behausung gestellt haben sind bereits bis zum Rand voll. Ein unangenehmes Gefühl zwingt mich unter der Zeltbahn des Buschbüros zu blicken. Schnell inspiziere ich unser Schlafzelt. „Ach du Schreck! Sieh dir das an, unser Schlafstätte schwimmt jeden Augenblick davon!“ ,rufe ich, springe auf, ziehe mir die Regenhaut über den Kopf und meine Schuhe an und verlasse in panischer Geschwindigkeit unsere ebenfalls gleich untergehende Bastion. Regen peitscht mir ins Gesicht und innerhalb weniger Minuten bin ich bis auf die Haut durchnässt. „Ich komme!“ ,höre ich Tanja rufen während ich mir die Schaufel greife und in rasender Geschwindigkeit versuche einen Wassergraben um unser Schlafzelt zu ziehen. Kaum habe ich eine Schaufelfüllung nassen schweren Sand in die Luft geschleudert, fließt ein Sturzbach in das kleine Loch. Wieder und wieder stoße ich die Schaufel in den roten Sand, um den Wassergraben zu vergrößern. Ich arbeite wie ein Irrer, versuche unsere Habseeligkeit vor einer Flut zu retten vor der man sich kaum noch retten kann. Mittlerweile ist Tanja neben mir. „Was soll ich tun?“ ,brüllt sie in das Unwetter. „Kein Ahnung!“ ,höre ich mich antworten und wüte wie besessen. Da sie im Augenblick nur mit einer weiteren Schaufel helfen könnte und wir keine besitzen rast sie geistesgegenwärtig ins Buschbüro zurück und holt die Filmkamera, um einige dieser furchtbaren Momente festzuhalten. Ich blicke ihr in einer Verschnaufpausen hinterher und entdecke mit Entsetzen das wir uns in einem riesigen See befinden der sich über das gesamte Land zu erstrecken scheint und von Sekunde zu Sekunde steigt. Ist dass das Ende unseres Seins? Das Ende unserer Expedition? „Nein! Nein! Neiiiiin! Das darf doch nicht wahr sein!“ ,brülle ich fassungslos und außer Atem. Ein heftiger Windstoß schlägt mir wie eine Ohrfeige ins Gesicht. Wieder blicke ich auf, um mich vor Erschöpfung auf den Schaufelstiel zu stützen. „Ach du Scheiße, sieh dir das an! Das Buschbüro ist zusammengebrochen! Um Himmels Willen der Computer ist klatsch nass!“ ,schreie ich erschüttert. Sofort stelle ich meine Arbeit ein, werfe die Schaufel weg und rase zu unseren Habseligkeiten die nicht nass werden dürfen. Tanja jagt mir hinterher. „Wo sind denn die verdammten Zeltheringe?“ ,rufe ich völlig niedergeschmettert. „Da, da unten liegt einer,“ antwortet Tanja und reicht ihn mir. Der starke Wind hat die Zeltverspannungen aus dem nassen Sand gerissen und die Zeltheringe durch die Luft geschleudert. Bald mutlos stecke ich drei der Heringe in den labbrigen, haltlosen Boden und das Zelt steht wieder. Ich möchte gerade aufatmen als eine weitere starke Böe das Buschbüro ein zweites Mal einreißt und in den matschigen See wirft. Wieder ist der Computer und das dazugehörige Netzteil, die Autobatterie und meine Schreibunterlagen dem peitschenden Regen ausgesetzt. „Tanja, schnell, kriech unter die Zelthaut und halte die Stange nach oben. Ich muss irgendwelche Taschen holen und sie auf die Zeltheringe stellen!“ brülle ich in das Getöse des Wetters. Im rasenden Tempo trage ich die wasserdichte Kabel und Batterietasche, Tiermedizintasche, unseren Medizinkoffer, die zwei Wassereimer und Wassersäcke herbei, stecke einen Hering nach dem anderen in den absolut aufgeweichten haltlosen Sand und beschwere jeden einzelnen mit den mitgeschleppten Gegenständen. Nach wenigen Minuten steht das Zelt wieder und wird vom Wind gebeutelt. „Wie sieht es da drin aus?“ ,rufe ich. „Alles klatsch nass,“ höre ich Tanjas Antwort. „Kannst du den Computer retten?“ „Ich versuche ihn mit einigen der Decken trocken zu bekommen.“ „Okay.“ Sofort laufe ich wieder zur Schaufel und ziehe einen Graben um das Buschbüro. Wasser fließt von der kleinen Erhebung zu uns herab. Das etwa 50 Zentimeter tiefe Loch der Feuerstelle ist bis zum Rand vollgelaufen und nicht mehr als solches zu erkennen. Mit dem Sandauswurf versuche ich die Zuflüsse zum Camp zu stoppen. Nach einer halben Stunde sieht es aus als hätten Soldaten im Kriegseinsatz einen Schützengraben um ihre Stellungen gezogen. Langsam bekomme ich das Gefühl wieder her der Lage zu werden. Der große See ist fürs erste vom Camp abgeriegelt und das Wasser neben den Zelten in die Gräben geflossen. Bald torkelnd vor Überanstrengung setze ich meine Grabarbeiten fort bis ich meine nicht mehr tun zu können. Kraftlos schlüpfen wir bis auf die Unterhosen durchnässt in das nasse Zelt ohne Boden zurück. Der Regen hat ein klein wenig nachgelassen und der riesige See der Ebene ist wie ein Spuk verschunden. Auf meinem Klappstuhl hat sich eine Pfütze gebildet und alle Decken sind nass. Tanja findet in einem Rucksack noch ein trockenes Thermounterhemd und gibt mir ihren Pullover. Auf den Stuhl lege ich als Isolierung eine feuchte Decke und dann mache ich mich an die Schadenserkennung. Wie durch ein Wunder hat die Technik inklusive das Toughbook von Panasonic, welches uns die Firma IME gesponsert hat, durchgehalten. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich reibe ihn mit dem kleinen Handtuch, was ich sonst immer für meine Füße verwende, trocken und stecke ihn in den Pelicankoffer. Es schüttet weiterhin wie aus Eimern und ehrlich gesagt leiden wir unter der Situation fürchterlich. „Ich hoffe nicht hier in einen der Wüstenseen zu ertrinken,“ sage ich niedergeschlagen. „Hoffentlich nicht. Wir sollten positiver denken. Aber wie du mir schon mal erzählt hast sterben mehr Menschen in der Wüste durch den Ertrinkungstod als durch verdursten,“ meint Tanja grübelnd. „Stimmt,“ antworte ich schlotternd. „Wie es wohl den armen Kamelen ergeht?“ „Sie werden schrecklich frieren.“ „Ich glaube sie haben Hunger,“ meint Tanja ebenfalls am ganzen Körper zitternd.

Am Nachmittag regnet es weiterhin ohne Unterbrechung. Tanja lässt es sich nicht nehmen in das unwirtliche Wetter zu gehen, um nach den Kamelen zu sehen. Zwei Stunden später kommt sie zurück. „Und wie geht es unseren Jungs?“ „Ach sie frieren in der Tat schrecklich. Eigentlich wollten sie nichts fressen. Goola, Istan und Jasper sitzen nur apathisch herum. Es ist wirklich schwer sie zum Aufstehen zu bewegen. Abgesehen davon ist es harte Arbeit die Knoten der nassen Beinseile zu öffnen. Das Blöde Spinifexgras stachelt auch fürchterlich wenn ich mich abknien muss, um die Seile an den Sträuchern wieder festzubinden.“ „Komm her,“ sage ich. Wir umarmen uns und drücken uns lange ganz fest. „Wir werden das schon schaffen.“ „Klar,“ antwortet sie und legt ihren Kopf auf meine Schulter.

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