Wasserfässer am Track sollen den Aborigines das Überleben garant
Tag: 26 Etappe Zwei
Sonnenaufgang:
06:31
Sonnenuntergang:
17:30
Luftlinie:
24,9
Tageskilometer:
26
Temperatur - Tag (Maximum):
30 Grad
Spinifex freie Fläche-Camp — 11.07.2001
„Huaaah ist das kalt. Bevor ich da raus gehe muss ich mir heute meine Thermounterwäsche anziehen,“ sagt Tanja mit schlotternden Zähnen. Tatsächlich ist es im Vergleich zu den letzten zwei Wochen wieder kühl. Auch ich benötige meine lange Thermounterhosen, eine kurzärmliche und eine langärmliche Fliesjacke bevor ich das Zelt verlasse. Nach dem Abbau unserer Schlafstätte setze ich mich an das kleine züngelnd Campfeuer. Schnell verarzte ich meine zwei Blasen, massiere die entzündete Sehne und schlüpfe in die Schuhe. Um 8 Uhr 40 bewegt sich die kleine Karawane wieder gen Osten. Wir kommen wie in den letzten zwei Tagen sehr gut voran. Der Wüstentrack ist gut gepflegt und ein oder zweimal am Tag kommt uns ein Jeep entgegen. Damit unsere Kamele nicht vom Schlag getroffen werden wenn so ein Fahrzeug an uns vorbeidonnert winkt Tanja dem Fahrer zu herunterzubremsen. „Wohin geht ihr denn?“ ,fragt der Mann hinterm Steuer. „Zur Ostküste,“ antwortet Tanja. Fast immer reagieren die Menschen sehr überrascht und wollen uns in ein Gespräch verwickeln. Leider müssen wir weiter und während ich auf die Karawane aufpasse gibt ihm Tanja ein paar Antworten. Wir erfahren, dass die Geländewägen nahezu alle von einer Jeepsafari auf der Canning Stock Route kommen die sich etwa 600 Kilometer östlich von hier von Süd nach Nord durch die Wüste zieht. Sie gilt als eine der härtesten Off Road Touren der Erde und ist gerade deshalb sehr beliebt. Leider ist sie im Augenblick wegen Hochwasser nicht vollständig befahrbar und das ist der Grund warum wir auf dem Kidsontrack ab und zu solch einer Jeepexpedition begegnen. Wir wussten schon vor Beginn dieser Teiletappe, dass es im Zentrum der Wüste große Überschwemmungen gibt und hoffen sie mit unseren Kamelen umgehen zu können. Natürlich folgen wir nicht der Canning Stock Route, müssen sie aber in ca. 600 Kilometer bei der Aboriginegemeinschaft Kunawarritji überqueren, um unser nächstes Etappenziel zu erreichen. „Viel Glück,“ wünschen uns die Menschen in ihrem Auto und brausen davon. Es dauert nicht lange und wir erreichen eine der ersten sechs Wasserfässer. Wegen eines tragischen Unfalles vor nicht all zu langer Zeit hat die Regierung die ersten 400 Kilometer am Kidsontrack Wasserfässer mit einem Fassungsvermögen von 200 Liter aufgestellt, um hauptsächlich Aborigines die mit ihrem Auto auf der Strecke liegen bleiben das Überleben zu gewähren. Immer wieder kommt es vor, dass Aborigines mit ihren völlig fertigen Fahrzeugen solche Buschstrecken benutzen und ihr Leben verlieren weil sie eine Panne haben. Auch hier am Kidsontrack sind mehrer Menschen verdurstet weil ihr Auto nicht mehr weiter wollte. Um sich vor der gnadenlosen Sonne und dem Verdurstungstod zu retten sind die Insassen aus Verzweiflung losgelaufen. Leider sind bis auf ein junges Mädchen alle verdurstet.
Bevor wir den 80 Mile Beach Caravan Park verlassen haben hat uns Ray noch mal aufgesucht. Ray hat für eine Ölbohrfirma den Kidsontrack wieder in Schuss gebracht und kennt sich in dieser Gegend gut aus. „Wenn ihr wirklich Wasser benötigt könnt ihr euch etwas aus den Fässern nehmen. Ich muss in den nächsten Tagen sowieso die Strecke abfahren und werde die Fässer wieder auffüllen,“ hat er uns angeboten. Obwohl wir wahrscheinlich aus eigener Kraft bis Kunawarritschji durchkommen ist es beruhigend zu wissen im Notfall mit Wasser rechnen zu können.
Die Unendlichkeit der Great Sandy Desert ist beeindruckend. Vor allem jetzt zu dieser Jahreszeit wo alles so wunderbar grün ist. Sie sieht friedlich aus und man kann sich kaum vorstellen, dass dieses Land so gnadenlos und hart sein kann. Nachdem was ich gehört habe kann sie sich in wenigen Stunden zu einem wahren Monster entwickeln und absolut tödlich sein. Ich setze einen Schritt vor den anderen und lasse meine Augen über diese Schönheit gleiten. Froh die perfekte Jahreszeit gewählt zu haben lächle ich sie an und freue mich auf eine gute Zeit. Hoffentlich wird es nicht zu heiß, oder zu nass und hoffentlich bleiben wir von den Buschfeuern und einer schlimmen Trockenheit verschont. Leichte Erhebungen erscheinen in dieser friedlichen Ebene wie ein markanter Punkt. Ich kann mir gut vorstellen wie sich die Ureinwohner dieses alten Kontinentes auf ihrer ewigen Wanderung daran orientiert haben. Sie sangen sich den Weg durch diese Endlosigkeit und ihre Lieder enthielten bestimmt die verschiedensten Merkmale die hier leicht auszumachen sind.
Um 14 Uhr 18 erreichen wir wieder unseren Lagerplatz. Zu unserer Freude finden wir mitten im Spinifexland größere unbewachsene Sandflächen die für unser Lager ausreichend sind. Es ist ein wunderschönes Camp. Aus dem lindgrünen Gras mit seinen strohfarbenen Samenstängeln erheben sich in unregelmäßigen Abständen rotbraune Termitenhügel. Oft denken wir einen Kamelrücken zu erkennen, sind aber jedes Mal von neuem erleichtert nur einen der Termitenhügel auszumachen. Weil wir länger als ursprünglich geplant am Caravan Park verbrachten, besitzen wir mehr gefriergetrocknete Nahrung von Reiter als kalkuliert. Deshalb gibt es heute einen leckeren Erbseneintopf. Um der Gefahr eines Buschfeuer vorzubeugen grabe ich ein tiefes Loch für ein kleines Feuer. Obwohl es jetzt relativ sicher ist beobachte ich die Flugbahn eines jeden Funken der die Feuerstelle verlässt. Zufrieden erkenne ich ihr verlöschen noch in der Luft.
Wir genießen also den Abend und freuen uns auf morgen. Da am Freitag mein Interviewtag ist erreichen wir morgen schon unser Rastcamp. Der Gedanke an frisch gebackenes Brot in der Glut des Feuers und nicht bereits um vier Uhr aufstehen zu müssen beflügelt uns und lässt uns lächelnd in die nahe Zukunft blicken.