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RED EARTH EXPEDITION - Stage 2

Kampf um die Vorherrschaft zwischen Wesen und Wesen

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    Tag: 27 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:30

    Sonnenuntergang:
    17:29

    Luftlinie:
    25,6

    Tageskilometer:
    26

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30 Grad

Edgar Kampf-Camp — 12.07.2001

Während des Beladens bewundern wir den leicht glühenden Sonnenaufgang. Ich halte immer wieder mal inne und blicke in die weite Ebene. Kann ich am Horizont einen Bergzug ausmachen? Konzentriert untersuche ich die Unregelmäßigkeit in der sonst so flachen Landschaft. Nach längerem Hinsehen stelle ich eine lange, kaum sichtbare Wolkenfront fest. Vielleicht kommen ziehen sie ja in unsere Richtung und spenden uns ein wenig Schatten. Meinen Gedanken nachhängend hebe ich den nächsten Ausrüstungssack in die Satteltaschen als Tanja plötzlich ruft: „Oh Gott, Sebastian frisst unser Mittagessen!“ Ich kann es im ersten Augenblick nicht glauben. Tatsächlich zieht unser Leitkamel gerade seinen Kopf aus unserem Vesperbeutel und streckt ihn kauend in die Höhe. Wie von der Tarantel gebissen sprinte ich nach vorne. „Ähhh Sebastian spinnst du!“ , brülle ich und sehe wie er im Begriff ist den gesamten Plastikbeutel mit Rosinenkuchen, den uns Sandy mit auf dem Weg gegeben hat, zu verschlucken. Blitzschnell greife ich ihn an der Führungsleine, während er vor Schreck den Plastikbeutel nach vorne würgt und mir ins Gesicht spuckt. Aufmerksam untersuche ich den jetzt mit Speichel verklebten Beutel und stelle zu meiner Zufriedenheit fest, dass der Inhalt zwar zu Mus gebissen ist aber das dünne Plastik offensichtlich keine Löcher aufweist. „Den können wir zum Glück noch essen,“ rufe ich, halte den Beutel triumphierend in die Höhe, um ihn Tanja zu zeigen. Dann sehe ich mir den Vesperbeutel an, um ihn auf weitere Verluste zu inspizieren. Außer einem Apfel konnte unser gefräßiger Sebastian nichts ergattern.

Um 8 Uhr 10 befindet sich unser kleiner Zug des Lebens schon auf dem Track. Es ist noch angenehm kühl zu dieser Tageszeit was uns schnell voranschreiten lässt. Gegen Mittag sind wir müde und freuen uns auf das Rastcamp. „Nur noch zwei Stunden,“ sage ich. „Ah, ich bin ganz schön kaputt. Ein schöner Gedanke morgen nicht um vier Uhr aufstehen zu müssen.“ Am frühen Nachmittag schreiten wir über eine kaum sichtbare Neigung. Auf der rechten Wegseite entdecke ich einen vielleicht zehn Meter hohen kleinen Erdaufwurf mit einem einzigen fetten Busch auf seiner Spitze und ein paar Felsen außen herum. Mit dem Fernglas betrachte ich mir das Gelände vor uns, um die Futtersituation für unsere immer hungrigen Kamele zu studieren. „Wir nehmen diesen Hügel als unseren Rastplatz. Dort unten sieht es nicht so gut aus,“ meine ich und deute den Weg entlang. Vorsichtig führe ich die Karawane über das dichte Spinifex in Richtung Hügel. Viele saftig, grüne Pflanzen wachsen hier wonach sich unsere Jungs den Kopf verdrehen. Hinter der Erhebung glaube ich den richtigen Ort fürs Wochenende gefunden zu haben und lasse die Tiere absetzen. Sebastian brüllt wie immer wenn er sich setzen muss und entladen wird. Heute allerdings jammert er ganz besonders schlimm und laut. Es ist so unangenehm, dass ich glaube meine Nerven werden jeden Augenblick in Stücke springen. „Halt die Klappe!“ ,brülle ich ihn an, worauf er noch lauter und schrecklicher jammert. Wenig später will ich wie jeden Tag die Nasenleine von Edgars Nase abmachen. Behutsam streichle ich ihn dazu am Hals und lasse meine Hand immer höher Richtung Kopf gleiten. Es ist jedes Mal eine ewige Prozedur. Als ich dann meine Hand über seinen Kopf auf den Nasenrücken bewege, brüllt er unverhofft, reißt sein Maul weit auf und schwingt seinen massigen Kopf wie eine Kanonenkugel von links nach rechts. Tanja und ich können gerade noch rechtzeitig auf die Seite springen bevor uns sein großer Schädel die Knochen im Körper bersten lässt. Wieder versuche ich an seinen Nasenpflock heranzukommen und wieder schleudert er seinen gewaltigen Schädel wie verrückt gegen mich. Ich springe zur Seite, werde diesmal aber leicht am Schienbein erwischt. Wut kommt in mir hoch und ich schieße nach vorne, um diesmal seinen Nasenrücken ohne das Geduldspiel zu greifen. Edgar weicht aus, trifft mich an der Schulter und als er meinen Kopf bei seinem Versuch aufzuspringen nur um haaresbreite mit seinem zubeißenden Rachen verfehlt, rufe ich verzweifelt: „Das Plastikrohr, ich brauche das Plastikrohr!“
Tanja sprintet davon und holt es, doch Edgar nimmt nicht die geringste Notiz davon und gebärdet sich wie ein ungebändigtes Monster. Innerhalb weniger Sekunden bricht ein Kampf zwischen uns aus worum es nur noch darum geht wer hier der Leitbulle ist. Während Edgar versucht mich zu beißen oder mit seinem um sich schleudernden Kopf außer Gefecht zu setzen, reagiere ich mit Schnelligkeit. Ich weiche hoch konzentriert jeder seiner Bewegungen aus, um Augenblicke danach nach vorne zu schießen um seine Nasenrücken zu greifen. Immer wieder verfehle ich mein Ziel. Meine Lungen beginnen zu brennen und meine Muskeln schmerzen schrecklich, doch bin ich nicht gewillt diesen Kampf aufzugeben. Jeden Tag haben wir es seit Wochen mit gutem Zureden versucht. So lange wir den Trainingspfosten hatten an den wir ihn  binden konnten ging es auch gut, doch hier im Busch hat Edgar bemerkt, dass er durch ein geschicktes Ausweichen gute Chancen hat davon zukommen. Ich kann ihm das unmöglich durchgehen lassen, sonst wird er früher oder später einen von uns beiden schwer verletzen. Er muss trotz seiner Angst merken, dass wir seine Meister sind. Der Kampf zwischen Edgar und mir ist also nicht ein Kampf zwischen Mensch und Tier in dem der Mensch auf jeden Fall die Oberhand behält, sondern ein Kampf zwischen Wesen und Wesen die beide gleich gute Möglichkeiten besitzen zu gewinnen. Natürlich ist alleine der Gedanke daran hier draußen in der Great Sandy Desert von seinem eigenen Kamel stark verletzt zu werden ein wirklicher Alptraum und kann leicht tödliche Konsequenzen haben. Wieder schieße ich nach vorne und bekomme diesmal seinen Nasenrücken zu fassen. Edgar bäumt sich auf und dreht mir seine Nase aus der Hand. Tanja steht mit dem Stock da und kann in diesem Augenblick unmöglich eingreifen. Sie beobachtet die schreckliche Situation, um mir im Notfall zur Seite zu springen. Endlich bekomme ich Edgars Nasenrücken zu fassen. Schnell greife ich auch mit meiner Linken nach und drücke auf diese Art mit all meiner Kraft die noch in meinen Knochen steckt den Kopf nach unten. Langsam schaffe ich es seinen Schädel auf die rote Erde zu pressen. Ich halte ihn nach unten bis Edgar jammernde Töne von sich gibt. „Er gibt auf,“ sagt Tanja. „Ja, schnaufe ich völlig fertig und mit zitternden Gliedern. Langsam lasse ich ihn los. Edgar hebt seinen Kopf und sieht mich mit großen Augen an. Anscheinend hat er nie mit diesem Widerstand gerechnet. Ganz behutsam und bewusst führe ich jetzt meine Hand auf seinem Nasenrücken. Edgar lässt mich ohne die geringste Gegenwehr zu zeigen gewähren. „Ich hoffe es war ihm eine Lektion und wir haben in Zukunft weniger Schwierigkeiten,“ sage ich kraftlos. Wir lassen ihn dann aufstehen und zum fressen gehen.

Als wir den Sattel von Jasper abheben, bemerken wir mit entsetzen auf seiner linken und rechten Schulter eine aufgerieben Stelle. Hardie hatte sich durch diesen Sattel auf der letzten Etappe zwei böse Wunden zugezogen. Obwohl wir den Sattel neu gestopft haben und er anders als bei Hardie sitzt, bekommt Jasper anscheinend jetzt schon ein ähnliches Problem. „Wir müssen die Polster versetzen,“ meint Tanja nachdenklich. „Ja, aber wie?“ „Das sehen wir uns morgen in Ruhe an.“ „Okay, du hast recht,“ antworte ich und wünsche mir einen weiteren Afghanpacksattel, um dieses schreckliche Wundreiben ein für allemal zu beenden. Leider sind wir jetzt schon in der Wüste und für solche Aktionen ist es zu spät. Wir können nur hoffen diese Satteldruckstelle durch das Versetzen der Polster zu eliminieren.

Nachdem wir alle Tiere entladen haben bereitet mir Tanja erst Mal einen Vitamingetränk. Schnell stürze ich mir die köstliche Flüssigkeit in die ausgedurstet Kehle. Obwohl ich jetzt am liebsten sitzen bleiben würde, um meinen gepeinigten Körper zu erholen, haben wir noch viel zu tun. Tanja geht den Kamelen nach die sich bei der Suche nach Fressen bedenklich weit vom Camp entfernen. Immer noch völlig Kraftlos und total verschwitzt schnappe ich mir die Schaufel und beseitige für unsere Campküche, das kleine Schlafzelt und unser Buschbüro die Spinifexgrasbüschel. Zwei geschlagenen Stunden führe ich den Kampf nun gegen das unangenehm stachlige Gras fort bis uns genügend Platz zu Verfügung steht. Dann baue ich unser Zelt auf. Tausende von Fliegen umschwirren mich und setzen sich in die Ohren, Augen Nasenlöcher und auf alle anderen freien Hautstellen. Prüfend blicke ich in den Himmel auf eine tatsächlich herannahende Wolkenfront. Auch die Vögel fliegen tief und jagen anscheinend sehr erfolgreich der Insektenfülle hinterher. Es wird doch keinen Regen geben? Ich blicke auf meine Uhr, das Barometer drastisch gefallen. Als Tanja vom Hüten zurückkommt erzähle ich ihr von meinen Beobachtungen. „Meinst du wir sollten alles für Regen präparieren?“ ,fragt sie. „Ich weiß nicht,“ antworte ich kraftlos und hebe ein tiefes Loch für ein Lagerfeuer aus. Dann sammeln wir Feuerholz und schlichten es neben dem Loch auf. Nur kurz muss ich das Feuerzeug unter einen kleinen Büschel Spinifexgras halten als es auch schon lichterloh brennt. Schnell züngelt unser Feuer aus der Grube. Während ich meine täglichen Aufzeichnungen und Navigationsdaten aufschreibe kocht Tanja Kartoffelpüree mit Schinken und Bohnen aus der Dose. Es ist finster als wir uns das schmackhafte Abendessen heißhungrig munden lassen.

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