Wie im Märchenwald

Die Sonne steht schon tiefer, als sich die schmale Landstraße in Serpentinen die Berge hoch und runter schraubt. Ich fühle mich in meinem Element, unseren 7-Tonner sicher und passiv über den Hochschwarzwald zu steuern. „War schon ein geiles Gefühl, mit den E-Bikes die Berge herunter zu hämmern“, äußere ich einen Gedanken laut der mich gerade gestreift hat. „Du meinst im Gebirge Chinas?“ „Unter anderem. Waren ja viele Gebirge auf unserer Rad- und E-Bike-Tour von Deutschland nach Thailand.“ „Stimmt, aber wieso kommst du im Schwarzwald aufs E-Biken?“, wundert sich Tanja. „Hm, die Serpentinen haben meine Gedankenwelt angeregt. Hier fahren wir mit der Terra bedacht über die schmalen Straßen und dort haben wir unsere Bikes in die Täler rauschen lassen.“ „Da waren wir aber auch nicht unvernünftig und bremsten die Bikes bei spätestens 60 km/h ab“, erinnert sich Tanja. „Schon irre, was einem alles durch den Kopf geht, wenn man die Chance hat, seine Gedanken wieder freien Lauf zu lassen“, sinniere ich weiter, als es immer steiler bergauf geht. Die Gebirgsstraße wird links und rechts von dichten Wäldern begrenzt. Die Wintersonne wirft mit einem letzten Kraftakt ihre feurigen Strahlen durch die Baumsilhouetten. Schweigend genießen wir die Fahrt. Wir kommen immer höher.

Plötzlich ist wieder alles mit einem zarten, hellen Weiß überzuckert. „Wie in einem Märchenwald“, sagt Tanja die Fahrt filmend. Dann gibt uns der Wald frei und wir erkennen die Vogesen, ein bis zu 1424 Meter hohes Mittelgebirge in Ostfrankreich. „Wow!“, ist Tanja über den unbeschreiblich schönen Blick begeistert. Wir parken die Terra so, dass wir aus dem Fenster den Blick über die Wolken genießen können. Um die Zeit vor dem Sonnenuntergang zu nutzen, ziehen wir uns warm an, packen einen kleinen Rucksack, um das Bergplateau des Blauen zu erkunden. Bei eisigem Wind erklimmen wir den eisernen Aussichtsturm und schießen ein paar Bilder. „Ist das dort unten Birgit?“, fragt Tanja auf eine Person mit Rucksack deutend, die in unsere Richtung unterwegs ist. Als sie uns auf dem Turm entdeckt, winkt sie freudig. „Das ist sie“, antworte ich. Birgit steigt die vereisten Treppen des Turmes hoch. Oben angelangt sehen wir uns zum ersten Mal live, denn wir hatten uns bisher nur über Instagram gekannt. „Euch gibt es also wirklich“, sagt sie lachend. Wir umarmen uns wie alte Freunde und plaudern ein wenig. „Lass uns in die Terra gehen. Da ist es viel gemütlicher als hier auf dem windigen Turm“, schlage ich vor.