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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Wie Flugdrohnen über der Passstraße und hammerharte Auffahrt in die Skurrilität

N 22°03’24.1’’ E 103°09’19.2’’
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    Datum:
    19.07.2016 bis 20.07.2016

    Tag: 388 – 389

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Điện Biên

    Ort:
    Muong Lay

    Breitengrad N:
    22°03’24.1’’

    Längengrad E:
    103°09’19.2’’

    Tageskilometer:
    65 km

    Gesamtkilometer:
    17.647 km

    Luftlinie:
    35 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    17.8 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    54.5 km/h

    Fahrzeit:
    3:13 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt / Schotter

    Maximale Höhe:
    1.600 m

    Gesamthöhenmeter:
    48.603 m

    Höhenmeter für den Tag:
    515 m

    Sonnenaufgang:
    05:34 Uhr

    Sonnenuntergang:
    18:53 Uhr

    Temperatur Tag max:
    28°C

    Temperatur Tag min:
    21°C

    Aufbruch:
    09:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    15:30 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Es hat die ganze Nacht wie aus Eimern geschüttet. Ist schon ungerecht. Manche Erdteile leiden unter Wasserknappheit, während das Nass hier in den Bergen Nordvietnams endlos vom Himmel fällt. Auch heute fressen die Monsunwolken die wunderschöne Landschaft von der Haut unserer Mutter Erde. Kilometerlang treten wir unsere schweren Rösser durch eine triste, graue und nasse Gebirgswelt. Erst 400 Meter tiefer, in einer Höhe von 1.200 Meter, reißt der Nebel auf und gönnt uns Blicke auf eine Welt die man eher aus Erzählungen von Fantasie- und Märchenwelten kennt. Wir werden nicht müde die Naturschönheiten, das üppige Grün der Reisterrassen, die Bananenplantagen und den tropfenden Urwald, durch den sich rauschende Flüsse ziehen, zu bestaunen. Haarnadelkurve für Haarnadelkurve geht es ins Tiefland. Immer wieder trifft die schmale Gebirgsstraße dabei an den Abgrund, weshalb unsere Blicke in das Tal fallen. Es fühlt sich so an als würden wir in einer Flugdrohne über die sich unter uns windende Straße fliegen. „Wow! Atemberaubend!“, sagt Tanja fasziniert. Unsere E-Bikes gleiten weiter nach unten, immer tiefer, so dass wir bei der traumhaften Fahrt darauf achten müssen in keinen Glücksrausch zu verfallen. „Juhhuuuu!“, juble ich über die 37 Kilometer lange Talfahrt. „Nicht so schnell!“, warnt mich Tanjas Ruf. „Ja, ja, ich pass schon auf!“, antworte ich. Plötzlich funktioniert die Rückbremse nicht mehr richtig. Ich halte sogleich an. „Was ist los?“, fragt Tanja, die wenige Minuten später hinter mir zum stehen kommt. „Ich muss meine Bremsbeläge erneuern“, antworte ich. „Was? Das hast du doch erst vor zwei Tagen gemacht.“ „Ja, aber mittlerweile haben wir 2.500 Höhenmeter überwunden“, erkläre ich. Nach der kurzen Routinearbeit geht es weiter in die Tiefe. Schon lange haben wir die Wolkendecke über uns gelassen. Es wird zusehend wärmer. Wir beginnen zu schwitzen. Jungs, die auf ihren Wasserbüffeln reiten, kommen uns entgegen. „Hello! Hello!“, rufen sie winkend. Wir schießen ein paar Fotos und schwingen uns wieder in den Sattel. Nach 37 Kilometer Abfahrt erreichen wir das Tiefland. Die subtropische Temperatur scheint uns hier kochen zu wollen. An einer Kreuzung treffen wir auf die asphaltierte Hauptstraße. Aber auch diese ist kaum befahren. Nicht so wie in China. Vor allem dürfen wir in diesem Land saubere Luft atmen. Es gibt keine Kohlekraftwerke, keine verseuchten Flüsse. Die Menschen in Vietnam werfen anscheinend nicht so viel weg wie im Land der Mitte. Zumindest nicht in dieser Region. Obwohl auch in diesem Land viele Plastiktüten genutzt werden, ist die für unsere Weltmeere und deren Bewohner tödliche Krankheit anscheinend noch unter Kontrolle. Die vietnamesischen Bauern nutzen häufig noch Bananen- oder andere Blätter um Dinge darin einzuwickeln.

Seit einiger Zeit radeln wir durch das fruchtbare, weite Tal des Sông Đà, der in der chinesischen Provinz Yunnan entspringt und nach 800 km in den Roten Fluss mündet. „Ich dachte Sông Đà heißt Schwarzer Fluss?“, fragt Tanja. „Ja und?“ „Der Fluss ist doch gelbbraun und nicht schwarz?“ „Liegt wahrscheinlich an den vielen Regenfällen der letzten Zeit. Das Hochwasser hat viel Erdreich mitgenommen“, antworte ich. Wir überqueren eine neue Brücke die uns über einen Seitenarm des Sông Đà führt. Etwas tiefer in der Schlucht entdecken wir Reste der alten Brücke, die mittlerweile eingestürzt ist. „Hast du das Schild gesehen?“, frage ich Tanja. „Ja, sieht nach einem edlen Schuppen aus. Denke wir sollten uns das Hotel mal genauer ansehen“, antwortet sie, weswegen wir eine weitere Brücke queren die uns auf die andere Seite des Schwarzen Flusses bringt. Im Augenwinkel entdecke ich eine heruntergekommene Hinweistafel und ziehe die Bremsen. Ein Pfeil deutet auf eine schmale, sehr steile Gebirgsstraße, deren Belag teils aufgeplatzt ist. „Sieht irgendwie nicht einladend aus“, meine ich. „So kaputt wie das Schild und die Straße auf mich wirken glaube ich nicht dass das Hotel noch in Betrieb ist“, vermutet Tanja. „Hm, weiß nicht“, überlege ich und frage eine Frau die gerade mit ihrem Moped vorbeidüst ob da oben in den Bergen ein Hotel ist. „Vâng đó là một khách sạn!“ (Ja da gibt es ein Hotel) verstehen wir. „Das ist viel zu steil für uns. Da kommen wir mit unseren Rädern nie rauf. Lass uns weiterfahren. Vielleicht finden wir in dem Ort da vorne eine andere Bleibe für die Nacht“, überlegt Tanja. Weil ich zögere fügt sie noch hinzu; „Und wenn das Hotel dort oben geschlossen ist müssen wir wieder umkehren. Sei mir nicht böse aber die Straße ist viel zu gefährlich. Da fahre ich nicht rauf.“ „Ich kopple den Anhänger ab und scoute für uns den Weg und das vermeintliche Hotel aus. Vielleicht ist es dort oben ja recht schön und wenn da Busse rauf kommen schaffen wir das auch. Du kannst ja solange hier warten“, schlage ich vor und setze meinen Willen in die Tat um. Obwohl ich nun ohne Anhänger im dritten Gang und im Turbomodus strample, pumpen sich meine Oberschenkel derart auf, dass ich glaube sie könnten jeden Augenblick platzen. Dann, nach einer langgezogenen Kurve erreiche ich einen kleinen Parkplatz. Ich stelle mein Bike ab und blicke über eine steile Treppe nach oben. Auf dem Gebäude prangt eine Reklametafel mit dem übergroßen Lettern Hote. Das L ist anscheinend vor einiger Zeit rausgefallen und wurde nicht ersetzt. „Hm, sieht nicht gut aus“, murmle ich und begebe mich in ein offen stehendes Gebäude gegenüber des Parkplatzes. Tatsächlich empfängt mich da eine geschmackvoll und edel eingerichtet Hotellobby. „Hallo! Hallooo! Ist da jemand?“, rufe ich. Schritte nähern sich aus dem Inneren. Ein junger Mann begrüßt mich zuvorkommend. „Ist das Hotel in Betrieb?“, frage ich. „Yes, of course!“, freut es mich zu hören. Nachdem ich frage ob ich eines der Zimmer sehen kann führt mich der offensichtlich einzige Angestellte durch die riesige Anlage. Als wir an einem großen, noch dazu sauberen Swimmingpool vorbeikommen, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen. Dann betrete ich ein dunkles, nach Moder und Schimmel muffelndes Zimmer. „Nicht gut“, sage ich. „Die Luxuszimmer kosten 500.000 Dong (19,85 €) inklusive Frühstück“, entschuldigt sich der junge Vietnamese. „Gut, dann zeigen sie mir bitte eines ihrer besten Zimmer.“ Als ich wenig später vom zweiten Stock eines sauberen und großen Raumes direkt auf den Pool blicke, und ich den Preis um 100.000 Dong (3,97 €) herunterhandeln kann, sage ich ohne zu wissen, wie ich die Anhänger hier hoch bringen soll, zu.

„Ist ein Hammer Zimmer und es gibt ein riesigen Swimmingpool für uns alleine“, schwärme ich als ich wieder zu Tanja runtergedüst bin. „Und wie sollen wir die Anhänger rauf bringen?“, will sie wissen. „Als erstes fahre ich deinen Hänger hoch während du mit Aaci hier unten wartest. Dann komme ich wieder, nehme Ajaci an die Leine, um seinen leeren Hänger hochzuziehen.“ „Und ich schaffe mein Rad mit Gepäck da rauf zu strampeln?“ „Nur das Rad ohne Anhänger aber mit Satteltaschen rauf zu fahren ist kein Problem“, verspreche ich.

Euphorisch klicke ich Tanjas schweren Anhänger an mein Rad und trete in die Pedale. „Viel Glück!“, ruft mir Tanja hinterher. Schon nach hundert Meter glaube ich nicht mehr weiterzukommen. Ich schalte in den ersten Gang und hämmere mit voller Kraft mein Bike weiter in die Höhe. Da das bereits meine zweite Hotelanfahrt ist, übersäuert meine Oberschenkelmuskulatur total. Krämpfe bahnen sich an, aber bei der extremen Steigung ist mir klar nach einem Stopp keinen zweiten Versuch mehr zu besitzen. Obwohl ich die Satteltaschen in der Lobby gelassen habe ist diese Auffahrt ein unmenschlicher Kraftakt. Meine Lungen rasseln derart, dass ich mich nicht wundern würde wenn sie urplötzlich blutend und zuckend vor mir auf dem groben Straßenbelag liegen würden. „Uuuuaaahhhh! Nicht aufgeben!“, brülle ich mich selbst motivierend an. Ich schaffe es um die Kurve und sehe den kleinen Parkplatz. Nur noch 50 Meter, 30 Meter. „Yes!“, rufe ich völlig außer Atem und laut japsend als mein Bike vor der heruntergekommenen Lobby zum stehen kommt. Fünf Minuten später habe ich mich wieder einigermaßen erholt, kopple den Hänger ab und lasse meinen Bock erneut zu Tanja hinunter rollen, um Ajaci und seinen Trailer zu holen.

Die dritte Hochfahrt ist weniger anstrengend als gedacht. Auch Tanja tritt ihr Bike ohne große Schwierigkeiten die ca. einen Kilometer lange, steile Hotelanfahrt nach oben. Nach einer Verschnaufpause entladen wir Tanjas Rad und die Anhänger und müssen unser gesamtes Gepäck über eine vierzigstufige, steile Treppe nach oben tragen. Von dort geht es noch mal in den zweiten Stock des Gebäudes. Als wir nach endlos langer Zeit alles im Zimmer verstaut haben, reißen wir uns die Klamotten vom Leib, ziehen unsere Badesachen an, springen unter die Dusche und dann in den Pool. „Yes! Yes! Yes!“, frohlocke ich und pruste wie ein Walross. „Ha, ha, ha. Was für ein geiles Gefühl nach der harten Anfahrt so belohnt zu werden!“, jauchzt Tanja. Als einzige Gäste des großen Resorts planschen wir nun mitten in den Bergen von Nordvietnam, in einer kaum zu beschreibenden Kulisse, von Palmen umgeben, in einem riesigen Swimmingpool. Die Situation ist derart skurril und abgefahren, dass wir vor Glück unaufhörlich lachen.

Am Abend verlassen wir unser schönes, klimatisiertes Zimmer, steigen die vielen Stufen nach unten, um als einzige Gäste in dem Speisesaal, der einst für Großveranstaltungen gebaut wurde, essen zu gehen. Auf dem Weg durch die Lobby fällt unser Blick auf ein paar riesige Einweckgläser. „Sind das da drin Schlangen?“, fragt Tanja. „Tatsächlich, die haben da ein paar Kobras eingelegt“, antworte ich. Na wenn sie die nicht in unser Abendessen kochen?“, scherzt Tanja…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

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