Skip to content
Abbrechen
image description
E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Danke, heute kaufen wir kein Federvieh – Sonntagsmarkt in Sin Ho

N 22°21’42.1’’ E 103°14’40.1’’
image description

    Datum:
    17.07.2016 bis 18.07.2016

    Tag: 386-387

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Lào Cai

    Ort:
    Sin Ho

    Breitengrad N:
    22°21’42.1’’

    Längengrad E:
    103°14’40.1’’

    Gesamtkilometer:
    17.582 km

    Gesamthöhenmeter:
    48.088 m

    Sonnenaufgang:
    05:32

    Sonnenuntergang:
    18:53 Uhr

    Temperatur Tag max:
    23°C

    Temperatur Tag min:
    19°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

„Oh meine Oberschenkel“, sagt Tanja, als sie am frühen Morgen langsam das Bett verlässt. „Was ist mit deinen Oberschenkeln?“, frage ich gähnend. „Muskelkater“, vernehme ich ihre Antwort. Als auch ich mich erhebe, spüre ich ebenfalls meine Beine, die sich nach der gestrigen Gebirgsüberquerung anfühlen wie zwei aufgepumpte Brückenpfeiler. Nach einem simplen Frühstück machen wir uns auf, um den Sonntagsmarkt dieses vom Rest der Welt weit abgelegenen Örtchens zu besuchen.

Der Nordwesten Vietnams war Jahrhunderte lang eine ferne, gebirgige und für viele Menschen nahezu unerreichbare geheimnisvolle Region. Man hörte nur fremdartige märchenhafte Geschichten, die langsam über das abgelegene tropische Gebirge, ins flache Küstenland sickerten. Mystische Geschichten über die hier lebenden Nomadenstämme, die sich seit ewigen Zeiten mit einer lebensfeindlichen Natur arrangierten. Die Volksstämme, die in den Bergregionen des Nordwestlichen Vietnams, Nördlichen Laos, im Südlichen Myanmar, Südchina und Nordthailand lebten, bezeichnete man als wild, brutal, barbarisch und schonungslos, ohne wirklich zu wissen wer sie waren und wie sie lebten. Sie betrieben kaum Handel mit der schwer zu erreichenden Außenwelt, waren bedroht von wilden Tieren, wie dem Tiger und giftigen Schlangen und einer erbarmungslosen Natur. Jahrhunderte isoliert entwickelte jedes einzelne Bergvolk eine eigenständige Kultur und eigenständige Sprache. Erst als die Franzosen damit begannen Vietnam zu kolonisieren, wagten sich vereinzelnde Reisende in diesen Landesteil und überbrachten atemberaubende Berichte aus einer bis dahin fremden Welt. Bis heute hat sich die Kultur der einzigartigen ethnischen Stämme wie der Thai, Muong, Knife, Lu, Khang, H’mong und Giay etc. zum größten Teil erhalten.

Umso mehr wir uns dem Sonntagsmarkt nähern, desto dichter wird das Treiben. Mopeds zwängen sich laut hupend durch bunt gekleidete Menschen. Verkäufer preisen rufend ihre Ware an, deren einfachen Stände sich bereits hier am Straßenrand reihen. „Hello! Hello!“, werden wir freundlich begrüßt. Die Sonne, die sich durch ein paar Gewitterwolken zwängt, lässt das chaotische Durcheinander im hellen Licht erstrahlen und leckt ein paar dampfende Pfützen weg. Undefinierbare exotische Gerüche mischen sich in die feuchtwarme Luft. „Da ist der Eingang“, sage ich auf einen roten Schriftzug deutend, den ich auf einen gemauerten Tor entdecke. Links davon sitzt eine in schwarzer Tracht gekleidete alte Frau auf dem Gehsteig. Zu ihren Füßen liegen zwei wie Würste zusammengeschnürte Hühner, in einem länglich geflochtenen Bastkorb. Auf der anderen Seite der schmalen Gasse hingegen warten Hühner laut gackernd in einem Drahtgeflecht auf ihre Käufer. Dazwischen stehen Plastikkörbe mit frischem Obst, türmen sich getrocknete Pilze, zusammen gebundene Wurzeln, getrockneter Fisch, bündelweise Nudeln, eingelegter Knoblauch, große und kleine Eier, Berge von frischem Gemüse und sogar frischen Blumen. Im Sog der Menschen werden wir in den inneren, mit Plastikfolien überdachten Teil des Marktes gedrückt. Zahlreiche Mopeds der vielen Verkäufer stehen hinter alten, angefaulten Holztischen. Die Luft im Schatten ist dampfig, atmet sich wie zähflüssiger Honig. Das Geschrei der vielen Menschen vermengt sich hier mit dem Gegacker zahlreicher Hühner, mit dem nach unten sausenden Hackbeil des Metzgers, dem schrecklichen Todesschrei einer Sau die vor unseren Augen abgestochen wird. Frösche und Kröten hupfen in Töpfen und Körben unaufhörlich gegen die unnachgiebige Begrenzung, um ihrem unausweichlichen Schicksal doch noch zu entfliehen. Chcht! Chcht! Chcht!, zischt das scharfe Messer durch Fleischklumpen die in einer kleine Waage landen. In großen, mit abgestandenem Wasser gefüllten Plastikschüsseln, dümpeln Fische herum. Eine Hand greift in die nach Sauerstoff pumpenden Kiemen eines Fisches, reißt ihn aus seinem Element in die Höhe. Auf dem Steinboden landend zappelt er wie wild. Die Klinge eines Messers schneidet das Tier in zwei Hälften. Der Verkäufer lächelt mich an. Erschrocken erwidere ich seine Lebensfreude und laufe weiter. Wasser, Unrat und Abfall verwandeln den Boden zu einer Rutschbahn. Zwei in bunter Tracht gekleidete Bäuerinnen unterhalten sich angeregt, andere halten je ein Huhn auf ihrem Schoß und strecken es und entgegen. „Danke, heute kaufen wir kein Federvieh“, sage ich fröhlich, obwohl mir die Gerüche und das Geschrei des einen oder anderen Tieres ein wenig auf den Magen geschlagen sind. Von unzähligen Armen und Ellebogen geschuppst und gedrückt geht es weiter durch den Schmelztiegel unterschiedlichster Stämme, die teils an ihrer verschiedenartigen traditionellen Bekleidung und Kopfschmuck zu erkennen sind. Die Meisten von ihnen mussten ihre Waren über viele Kilometer aus den nahen Bergen in einfachen Tragegestellen heranschleppen, um sie hier anbieten und verkaufen zu können. Von den mehr als 8 Millionen Menschen, der über 50 ethnischen Minderheiten, leben noch heute 50 Prozent in Armut. Ihre Behausungen bestehen oft aus dunklen Bretterhütten, ohne Holzboden und ohne fließend Wasser. Viele der Bergmenschen besitzen kein Bett und schlafen auf dem harten Boden. Die medizinische Versorgung in diesen abgelegenen Regionen ist mangelhaft oder gar nicht existent. Seit Jahrhunderten hat sich da kaum etwas verändert. Und trotzdem vermitteln uns die Menschen einen stolzen und glücklichen Eindruck. Mit Selbstbewusstsein tragen die Frauen ihre selbstgewobenen Trachten und Kopftücher. Jede hat sich für den Sonntagsmarkt in Schale geworfen. „Willst du ein Huhn“, sagt eine Frau erneut uns das Wesen entgegenstreckend. „Không, cảm ơn“, (Nein danke) antworten wir kopfschüttelnd. Zwei Männer sitzen neben ihr am Boden, einer stopft etwas Tabak in den Kopf einer Wasserpfeife, nimmt einen brennenden Holzspan, um den Tabak zu entzünden. Dann zieht er kräftig an dem Bambusrohr. Es ertönt ein pfeifendes Blubbern. Der Bauer hält den Rauch für ein paar Sekunden in seinen Lungen und stößt ihn in einer großen Wolke aus. Nach einem zweiten Zug schnippt er den restlichen Tabak mit dem Finger weg und reicht das Rohr seinem Freund. „Đi thôi“, (Lass uns gehen) drängt die Frau mit dem Huhn auf dem Arm ihren Mann das Rauchen zu beenden. Weil unser Frühstück heute Morgen recht dürftig ausgefallen ist, knurrt uns der Magen, weswegen auch wir uns aufmachen den Sonntagsmarkt zu verlassen, um in diesem Ort eines der wenigen einfachen Restaurants aufzusuchen…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

This site is registered on wpml.org as a development site.