Überquerung der Huashanberge
N 34°05’07.6’’ E 110°08’15.7’’Datum:
17.01.2016 bis 21.01.2016
Tag: 203 – 207
Land:
China
Provinz:
Shaanxi
Ort:
Luonan
Breitengrad N:
34°05’07.6’’
Längengrad E:
110°08’15.7’’
Tageskilometer:
94 km
Gesamtkilometer:
11.790 km
Luftlinie:
50 km
Durchschnitts Geschwindigkeit:
19.3 km/h
Maximale Geschwindigkeit:
44.1 km/h
Fahrzeit:
4:52 Std.
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Maximale Höhe:
1.700 m
Gesamthöhenmeter:
15.450 m
Höhenmeter für den Tag:
1.521 m
Sonnenaufgang:
07:44 Uhr
Sonnenuntergang:
17:53 Uhr – 17:55 Uhr
Temperatur Tag max:
minus 2°C
Temperatur Tag min:
minus 15°C
Aufbruch:
10:00 Uhr
Ankunftszeit:
16:15 Uhr
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Lange sitze ich über der Karte, um einen Weg um die vom Smog malträtierte Stadt Xi’an zu finden. „Ich will da auf keinen Fall zurück“, sagt Tanja. „So wie es aussieht, gibt es nur eine Alternative und die ist von hier über die Huashanberge in Richtung Süden. Wenn wir uns für diese Strecke entscheiden, müssen wir insgesamt 400 km Umweg in Kauf nehmen und vor allem liegen auf dieser Etappe, bis zur nächsten Großstadt Chengdu, 900 km Gebirge vor uns. Die kommenden 100 km könnten heftig werden. Da, schau dir die Struktur in der Karte an. Die ist sehr dunkel. Also geht es hoch hinauf. Keine Ahnung wie viel Höhenmeter sich die Passstraßen in diesem Bereich über die Berge schlängeln wird. Das wissen wir erst wenn wir dort sind. Die einfachere Route wäre von hier wieder zurück zur Kaiserstadt zu fahren. Bei dieser Strecke hätten wir bis nach Chengdu nur ca. 480 km Berglandland vor uns und vor allem ist dieser Weg um 400 km kürzer.“ „Egal, lass uns die Passstraße über das Gebirge nehmen. Da ist die Luft sicherlich entschieden besser und wer weiß, die Landschaft schöner. Mit unseren Akkus schaffen wir das doch oder?“, fragt Tanja. „Das ist, glaube ich, kein Problem. Mit je sechs Akkus sollten wir auch große Höhen überwinden können ohne liegen zu bleiben. Die Fahrt, die wir bereits über das bisherige Qin-Ling-Gebirge bewältigten, hat es uns bewiesen. Es hängt allerdings davon ab wie extrem und lange die Steigungen sind. Das kostet viel Power. Auch müssen wir daran denken, dass dort oben Schnee liegen könnte. Ohne Spikes auf den Reifen wäre dann eine Gebirgsüberquerung nicht möglich. Trotzdem muss ich dir recht geben. Die Tour über die Huashanberge, die ja noch immer zum Qin-Ling-Gebirge gehören, verspricht abenteuerlich zu werden und auf unserer Reise kommt es nicht auf ein paar hundert Kilometer Umweg an. Wir haben Zeit und wenn dort oben Schnee liegt finden wir eine Lösung. Notfalls kehren wir um. Hauptsache ist, dass uns dieser Trip durch China Spaß bereitet“, sage ich und gehe in die Detailplanung der kommenden Reisetage. Nachdem ich einen Ort namens Luonan, in ca. 100 km Entfernung von hier gefunden habe, sende ich die Koordinaten zu Lois, die jetzt den Job von Magaret bei Bosch in Shanghai übernommen hat. Sie war es, die uns vor Monaten anbot, bei der Suche nach einer Unterkunft, behilflich zu sein. Jetzt, nachdem Margaret das Unternehmen verlassen hat, ist Lois wieder mit vollem Eifer dabei, am Ende einer anstrengenden Tagesetappe einen Übernachtungsplatz für Ausländer, Hund und Räder zu finden. Gespannt warten wir auf ihre Antwort ob es in Luonan überhaupt Unterkünfte gibt und wenn ja ob sie einen Hund und Räder akzeptieren. Davon hängt jetzt ab ob wir diese Bergroute wagen. Schon eine Stunde später erreicht uns die freudige Nachricht. „I found a place for you three. Have a good trip.“ (Ich habe einen Platz für euch drei gefunden. Habt einen guten Trip) „Super, die Fahrt über die Huashanberge und das Qin-Ling-Gebirge ist gebongt“, sage ich triumphierend.
Am kommenden Tag brechen wir bei wunderbarem Sonnenschein auf. Nach zehn Kilometern verlassen wir die Hauptstraße und folgen einer kleineren in Richtung Süden. Vor uns erheben sich die respekteinflößenden, majestätischen Berge. „Da müssen wir drüber!“, rufe ich und bin mir in diesem Augenblick nicht sicher ob wir uns zuviel vorgenommen haben. Kaum trifft unsere Straße auf den Gebirgszug geht es nach oben. Erst noch gemächlich doch bald recht steil. Wir leisten uns den Luxus im Turbomodus hinauf zu strampeln. 8 km/h ist die maximale Geschwindigkeit. Unsere Boschmotoren müssen Höchstleistung bringen. „Welche Reichweite zeigt dein Bordcomputer?“, rufe ich Tanja zu. „Acht!“ „Acht?“ „Ja.“ „Meiner auch“, antworte ich und hoffe, dass wir bald oben sind, da wir ansonsten nie und nimmer 100 km schaffen. Während einer kurzen Rast schlage ich vor die ersten drei Akkus im Vollpowermodus durchzublasen. „Erst ab dem Vierten sollten wir uns Gedanken machen ob wir nicht in den Sportmodus runterschalten, um Energie zu sparen“, überlege ich als wir Akku zwei einsetzen. Wir radeln durch eine dunkle, kalte Schlucht, die links und rechts von massiven, steilen Felswänden begrenzt wird. Der Fluss, dem wir folgen, ist an den meisten Stellen zugefroren. Mittlerweile haben wir uns von 400 auf 700 Höhenmeter hochgearbeitet. „Was denkst du wie weit es nach oben geht?“, fragt Tanja. „Vielleicht auf 1200 m?“, schätze ich. „Pass bloß auf. Die Straßen sind stellenweiße spiegelglatt“, warnt Tanja. „Ich weiß“, antworte ich, weil die ins Tal fahrenden Lastwägen auch hier ihre Bremsen mit Wasser kühlen. „Die spinnen doch bei dieser Kälte Wasser auf ihre Bremsen zu spritzen“, sage ich, weil dann zwar die Bremsleistung erhalten bleibt, sie aber nichts nützt wenn sie auf blankem Eis dahinrutschen, um im schlimmsten Fall in eine zu Schlucht stürzen. Immer wieder stoppen wir, um bizarre Eisformationen zu fotografieren. Alle paar Kilometer kauert sich eine einfache Hütte am Straßenrand. Aus einem Schlauch spritzt Wasser. Es läuft auf die Straße und verwandelt sie in eine gefährliche Eisfläche. Das Wasser wird aus dem nahen Gebirgsfluss abgezapft und an die Lastwagenfahrer verkauft. Die wiederum füllen es in ihre Tanks, um damit die Bremsen zu kühlen. Ich vermute, dass die armen Bewohner dieses Tals somit ein wenig Geld verdienen. Wir halten an, um die bizarren Eisformationen zu fotografieren, die entstehen wenn das im hohen Bogen aus dem Schlauch spritzende Wasser auf den kalten Fels trifft und sofort gefriert. Erst jetzt bemerken wir mit unseren Bikes auf blankem Eis zu stehen. „Hier musst du höllisch acht geben. Zieh unter keinen Umständen die Vorderbremse“, warne ich Tanja als wir mit Schwierigkeiten versuchen unsere Delites auf die Straße zu schieben.
Mittlerweile befinden wir uns auf 1000 m Höhe und setzen den dritten Akku ein. Bis hierher legten wir gerade mal 25 km zurück. Das Thermometer zeigt 12 Grad minus an. Noch immer geht es unentwegt nach oben. Die Berge um uns herum sind atemberaubend schön und die Luft ist rein und klar. „Ein wunderbarer Radtag!“, frohlocke ich. „Ja, da hast du uns eine tolle Strecke herausgesucht“, lobt Tanja. Obwohl es anstrengend ist sind wir glücklich. Wir fühlen uns frei, unsere Lungen atmen saubere Luft, unser Herz schlägt kräftig und unsere Muskeln pumpen das Blut durch unseren Körper. Plötzlich ist wegen einem Bergrutsch die Straße kurzfristig gesperrt. Der Verkehr steht für eine Weile still. Wir entscheiden uns den unter uns halb zugefrorenen Fluss zu queren, um so den Stopp zu umfahren. Es ist etwas riskant, da es auf dem Eis am Flussrand recht glatt ist. Jedoch kommen wir mit unserem Road-Systemen selbst durch und über diese Barriere und setzen unsere Fahrt ungehindert fort.
Immer weiter winden wir uns nach oben. Natürlich, im Vergleich zum Himalaya, ist das hier nur ein Vorgebirge und trotzdem gehört diese Passstrecke zu einer der längsten Steigungen seit unserem Reiseaufbruch in Deutschland vor vielen Jahren.
Auf den 15.000 km von Deutschland bis in die Mongolei überquerten wir mit normalen Fahrrädern und Anhängern die schwäbische Alb, die Karpaten in Rumänien, den Ural in Russland, das Südsibirische Gebirge, das Sajangebirge in Sibirien, Teile des Baikalgebirges, des Bargusingebirges und Chamar-Daban-Gebirges am Baikalsee und, nicht zu vergessen, das endlose Bergland in der Mongolei. Wir waren gezwungen unsere Böcke zahllose Steigungen nach oben zu schieben. Eine absolute Schwerstarbeit. Aber hier, in diesem Bereich des Qing-Ling-Gebirges, würde unsere Fahrt ohne die Unterstützung des Elektromotors definitiv zum stehen kommen. Das bedeutet, wir besitzen dadurch die Chance die Limits des Machbaren massiv nach oben zu setzen, denn sollte der Motor ausfallen, wäre es undurchführbar unsere Roadtrains diesen langen Pass hinaufzuschieben. Wieder sind wir dankbar für die Technik die uns bisher nicht im Stich gelassen hat. Bei jetzt ca. minus 15 Grad, strampeln wir unsere Bikes bis auf 1.700 m Höhe. Erst jetzt, nach 40 km und dem Verbrauch von 3 1/2 Stromsammlern scheinen wir den höchsten Punkt erreicht zu haben. Noch liegen knapp 60 km vor uns. Da es jetzt bergab geht, entscheiden wir uns weiterhin im Turbomodus zu fahren. Eine gute Entscheidung, denn die Talfahrt, bis auf 900 m, ist lang und ohne wesentliche weitere Höhen. Wir benötigen für die gesamte Strecke nur noch eine Akkuladung…
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