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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Zu Gast in der Hochschule von Leibo

N 28°16’13.3’’ E 103°34’34.9
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    Datum:
    21.04.2016 bis 24.04.2016

    Tag: 298 – 301

    Land:
    China

    Provinz:
    Sichuan

    Ort:
    Leibo

    Breitengrad N:
    28°16’13.3’’

    Längengrad E:
    103°34’34.9’’

    Gesamtkilometer:
    16.524 km

    Gesamthöhenmeter:
    30.814 m

    Sonnenaufgang:
    06:12 Uhr – 06:11 Uhr

    Sonnenuntergang:
    19:51 Uhr – 19:53 Uhr

    Temperatur Tag max:
    22°C

    Temperatur Tag min:
    17°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Elf Tage warten wir jetzt schon auf unsere Ersatzteile aus Deutschland. Laut Trackingnummer ist die Sendung schon seit sechs Tagen in Schanghai und sollte schon lange hier sein. Die Verzögerung liegt am chinesischen Inlandkurierservice der nicht bis zum Gebirgsort Leibo liefert. Seit Tagen hängt das Päckchen in der Provinzhauptstadt Xichang fest. Die Hotelmanagerin hat ihre Kontakte spielen lassen, weswegen die wichtigen Ersatzteile nun auf einem privaten Lastwagen über das Gebirge zu uns holpern. Ein Erdrutsch hat allerdings die Straße blockiert. „Morgen Abend wird es da sein“, übersetzt uns der Englischlehrer Richard und fragt ob wir ihm den Gefallen tun können morgen seiner Schule einen Besuch abzustatten. Am Abend vertiefe ich mich in die vor uns liegende Strecke. Durch den ungeplanten Zwangsaufenthalt wird es zeitlich nun sehr knapp den 500 Kilometer weiten Bogen in Richtung Westen zu ziehen. Dort wollten wir eigentlich die 3.000 Jahre alte kulturhistorische Stadt Dali aufsuchen. „Wenn wir die Teile morgen tatsächlich bekommen sollten, ich die Bremszange einbaue und ohne Schwierigkeiten mit neuer Bremsflüssigkeit befüllen kann, sind wir wieder startklar. Allerdings glaube ich nicht, dass wir es schaffen“, überlege ich. „Und was wäre die Alternative?“, möchte Tanja wissen. „Wir müssten von der Stadt Xichang direkt nach Süden fahren. Somit sparen wir uns 500 km und könnten uns mehr Zeit lassen.“ „Hm, klar würde ich Dali gerne besuchen aber wir haben ja schon viele tolle Orte in China gesehen. Abgesehen davon ergibt es keinen Sinn unter Stress zu reisen. Den haben wir in Deutschland zugenüge.“ Nach dem Motto weniger ist mehr, entscheiden wir uns noch an diesem Abend für die kürzere, noch knapp 1.000 km lange Strecke, bis nach Vietnam.

Am Morgen holt uns Richard mit drei seiner Musterschüler in der Hotellobby ab. „Es freut uns alle außerordentlich, dass ihr euch die Zeit nehmt, um meine Schüler zu besuchen und vor ihnen zu sprechen“, sagt Richard auf dem Weg zur Schule. „Das machen wir sehr gerne Richard. Wieviel Schüler unterrichtest du eigentlich?“ „Ich habe zwei Hauptklassen mit jeweils 70 Englischschülern. Heute ist allerdings nur eine Klasse da. Es gab schon eine Diskussion welche meiner beiden Klassen euch empfangen darf, aber der Zeitpunkt eures Besuchs hat entschieden. Wenn eure Ersatzteillieferung eintrifft werdet ihr sicherlich bald aufbrechen?“ „Ja, müssen wir. Es ist noch ein weiter Weg bis zur vietnamesischen Grenze und wir waren hier viel länger als geplant“, antworte ich und frage ihn ob die Schüler tatsächlich so viele Unterrichtstunden absolvieren müssen wie man uns in der Vergangenheit berichtet hatte. „Um 7:20 Uhr beginnt der Unterricht und geht bis abends um 21:30 Uhr.“ „Bis 21:30 Uhr? Das ist ja eine Ewigkeit.“ „Sind anstrengende Tage aber ich bin gerne Lehrer.“ „Und hast du am Wochenende frei?“ „Nein, nein. Der Samstag ist ein voller Unterrichtstag. Nur am Sonntag geht’s bis Mittag. Der Nachmittag ist für alle frei.“ „Unglaublich. Klingt fast ein wenig unmenschlich.“ „So ist es in China, aber heute ist ein ganz besonderer Tag weil ihr da seid. Seit ich meinen Schülern gestern von eurem Besuch berichtet habe sind sie richtig aufgeregt. Ich bin mir sicher, dass heute keiner fehlen wird. Ihr seid die ersten Ausländer die unsere Schule besuchen. Für meine Schüler ist das eine fantastische Gelegenheit ihr erlerntes Englisch auszuprobieren“, plaudert der engagierte Lehrer.

Schon an der Pforte werden wir höflich gegrüßt. Kaum betreten wir den Schulhof, sprinten zahlreiche Schüler auf die Balkone eines fünfstöckigen Gebäudes und jubeln uns zu. Auf der anderen Seite des Hofes, wo es keine Balkone gibt, tauchen unzählige von neugierigen Gesichtern auf. Der Jubel und die vielen Zurufe lassen uns glauben, dass alle 3.000 Schüler der Lehranstalt anwesend sind. „Ist fast so als wären wir Popstars“, sage ich zu Tanja schmunzelnd. Bevor wir uns in das Gebäude begeben, schießen wir ein paar Fotos mit Richard und seinen besten Schülern. Ein anderer Lehrer eilt mit seiner Kamera um uns herum und fotografiert die Gäste aus jedem Winkel. Gefolgt von einigen Lehrern und einer großen Schülertraube schreiten wir in das Haupthaus. „Bitte sehr“, winkt uns Richard mit einer ausladenden Bewegung in das Klassenzimmer. Kaum sind wir durch den Türrahmen geschritten braust uns heftiger Applaus entgegen. „Welcome! Welcome! Welcome!“, rufen die 70 Schüler des Klassenzimmers freudig, dass es uns vor Rührung fast die Tränen in die Augen treibt. Der Englischlehrer hebt beschwichtigend die Hände. Sofort tritt Ruhe ein. Richard erklärt woher wir kommen und dass wir mit dem Fahrrad von Europa bis nach China geradelt sind. Sofort brandet erneuter Applaus durch das kleine, überfüllte Klassenzimmer. „Alles Weitere werden euch Tanja und Denis persönlich berichten“, sagt er, worauf die 140 Hände nochmals aufeinander klatschen. Dann stellen wir uns persönlich vor. Aufmerksam lauschen die 17- bis 18-jährigen Mädchen und Jungen unseren Worten. Wir sprechen über unser Leben, über unsere bisherige 25-jährige Reise, die unzähligen Erlebnisse, über Gastfreundschaft, unterschiedliche Sitten, Riten und Gebräuche. Wir berichten von den unterschiedlichen Religionen, von Akzeptanz, Toleranz und Verständnis für einander. Wir erzählen den uns fixierenden 140 Augen, dass wir alle eins sind auf diesem Planeten. Das es keinen Unterschied zwischen einem Chinesen und einem Deutschen gibt. „Wir sind alle Erdenbürger, haben zwei Arme, zwei Beine, einen Kopf. Die Hautfarbe und Gesichtsform ist dabei völlig egal. Es geht darum, dass wir alle Menschen sind die auf einen wunderschönen blauen Planeten leben, den wir für die zukünftigen Generationen schützen müssen. Kriege müssen der Vergangenheit angehören. Wir haben das Zeitalter der Steinzeit schon lange hinter uns gelassen und müssen uns nicht mehr gegenseitig die Keulen auf dem Kopf schlagen, um uns am anderen zu bereichern oder ihn zu unterdrücken“, sage ich, worauf ein weiterer Beifallssturm losbrandet. „Ich war selber mal bei einer Eliteeinheit und habe schon damals bemerkt Pazifist zu sein. Der Weg des friedlichen Kriegers ist ein lebensfroher Weg, bringt Zufriedenheit, Glück und freudvolle Zukunftsperspektiven.“ Obwohl die Zeit drängt sprechen wir noch von Nahrung, deren Vergiftung durch Pestizide und chemische Dünger. Wir sprechen davon, dass du das bist was du isst. „Passt auf euer schönes China auf. Fortschritt ist nicht alles. Wenn es in Zukunft keine grünen Bäume und Sträucher mehr gibt, wenn vor lauter Smog keine Wolken mehr zu erkennen sind und ihr alle mit Atemschutzmasken herumlaufen müsst, wenn keine Biene mehr von Blüte zu Blüte fliegt, um sie zu bestäuben, weil es keine Blüten mehr da sind, wenn jeder noch so kleine Bach und großer Fluss wie der Jiangtsekiang verseucht ist, gibt es auch für China kein Morgen mehr“, sage ich und weiß, dass ich mich mit diesem Thema weit aus dem Fenster lehne. „Sie haben recht“, sagt eine Schülerin. Ich komme aus einem Dorf am Mahu Lake. Der war vor zwanzig Jahren ein wunderschöner klarer See. Heute ist er vergiftet und wir können nur noch verseuchten Fisch daraus angeln.“

Am Ende unseres einstündigen Vortrages fordert Richard seine Schüle auf uns Fragen zu stellen. Es dauert lange bis die schüchternen jungen Menschen ihre Hand heben. „Und sie waren wirklich Soldat einer Eliteeinheit?“, fragt einer der Schüler. „Ja.“ „Cool“, antwortet er, weshalb ich mich frage ob er verstanden hat worum es mir bei diesem kurzen Vortrag überhaupt ging. „Ob wir Menschen es jemals lernen werden in einem friedlichen Miteinander zu leben?“, geht es mir durch den Kopf. „Das was sie machen ist wundervoll. Ich möchte ihnen ein Geschenk übergeben“, sagt ein anderer Schüler, kommt langsam nach vorne und reicht mir einen Schlüsselring mit Karabinerhaken. „Das möchte ich ihnen als ein Andenken an uns schenken“, sagt er am gesamten Körper vor Aufregung zitternd. „Aber da ist ja noch ein Schlüssel dran“, antworte ich und reiche ihm seinen Wohnungsschlüssel zurück. „Xie xie“, bedankt er sich. „Xie xie“, bedanke ich mich ebenfalls. „Ich will auch Abenteurerin werden“, meldet sich ein Mädchen. „Dann glaube daran. Alles was wir uns bildlich vorstellen und zielstrebig verfolgen kann in die Realität umgesetzt werden“, antwortet Tanja freundlich lächelnd.

Die Stunde ist wie im Flug verstrichen. „Können wir noch ein Foto mit ihnen haben?“, fragen einige Schüler. „Gerne“, antworten wir und schlagen den Schulhof vor. Unter aufgeregten Gesprächen und Durcheinandergerede verlässt die Klasse ihr Zimmer. Draußen im Hof werden wir in allen erdenklichen Positionen abgelichtet. Freundlich lächeln wir in die Kamera des Schulfotografen der hauptsächlich der Geografielehrer an der Schule ist. Danach zücken viele ihr Smartphone, um ein eigenes Foto zu besitzen. Wir werden mit Komplimenten regelrecht überhäuft und würde Richard kein Einhalt gebieten, würde die Fotosession endlos weitergehen. Als wir uns von der Schule verabschieden rufen uns ihre Schüler von den Balkonen und Fenstern Glückwünsche jeglicher Art zu. Wir winken zurück und verlassen mit Richard die Schule.

Kaum sind wir wieder in unserer Unterkunft erhalten wir unser Paket mit der neuen Bremszange und Bremsbelägen. Umgehend hole ich mein Rad von der Lobby, rolle es in den Aufzug und bringe es in den fünften Stock. Obwohl ich bei Riese und Müller in verschiedenen Workshops gelernt habe wie man Bremsen neu befüllt, habe ich vor dieser Reparatur großen Respekt. Ich lese die Anleitung, die Magura mitgeschickt hat. Dann sehe ich mir ein Video im Internet an, in dem genau beschrieben wird wie man die Bremsen mit Bremsflüssigkeit neu befüllt und siehe da, es ist leichter als gedacht. Eine Stunde später funktioniert meine Vorderbremse einwandfrei. Um sicher zu gehen, dass auch nirgends Bremsflüssigkeit austritt, drehe ich mit meinem Super-Bike ein paar Runden durch die Straßen von Leibo. „Und?“, fragt Tanja. „Alles perfekt. Unsere Reise kann weitergehen“, antworte ich grinsend.

Am Abend suchen uns Gina, Kate, Lucy und Meli der Schulklasse auf, um uns ein Geschenk zu überreichen. So erhalten wir kleine Glücksbringer des hiesigen Yi Volkes…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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