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AUFGELADEN zu den Polarlichtern im hohen Norden - 2020

Worauf es im Leben ankommt

N 69°19'28.8" E 16°07'05.7"
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    Datum:
    01.10.2020

    Tag: 060

    Land:
    Norwegen

    Ort:
    Andenes

    Tageskilometer:
    232 km

    Gesamtkilometer:
    5444 km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Fähre
    0

    Brückenüberquerungen:
    13

    Tunneldurchfahrten:
    10

    Sonnenaufgang:
    07:04

    Sonnenuntergang:
    18:39

    Temperatur Tag max:
    14°

    Temperatur Nacht min:

    Aufbruch:
    11:30

    Ankunftszeit:
    17:00

 

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

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In unserem Reiseleben haben wir viel gesehen. Wenn ich dabei an unsere E-Bikereise durch China denke, sehe ich die ungeheure und verbrecherische Verschmutzung, die Verseuchung der Atemluft, die Verschmutzung der Flüsse und das gnadenlose Niedereisen der Berge vor mir. Ich sehe die Menschen, die in den Städten ohne Atemmaske nicht mehr ihr Haus verlassen können. Kinder, die sterben, weil sie keine frische Atemluft mehr haben. Chinesen, die aus den Rocky Mountains Luft in Pressluftflaschen einfliegen lassen nur damit ihre Kinder für ein paar Stunden am Tag saubere Luft und keinen chemischen Cocktail einatmen können. Ich sehe Städte, in der die Sicht kaum hundert Meter betrug, obwohl kein Regen, kein Nebel und keine Wolke am Himmel war, um nur einen winzigen Bruchteil davon zu nennen, was wir an menschlichen Freveltaten gesehen und erlebt haben. Im Gegensatz scheint hier im Norden Norwegens die Welt noch in Ordnung zu sein. Welch ein Labsal für die Seele, für unsere Augen, für unser Gemüt. Ein Paradies, das wir um jeden Preis erhalten müssen. Auch wenn ich mir ernsthaft Gedanken darüber mache, wie viel Menschen wir durch unsere Beschreibungen und unsere Reise durch diese letzten Paradiese dieser Erde dazu motivieren, auch hierher zu fahren, und dazu beitragen, dass auch hier alles den Bach runter geht. Und trotzdem sehe ich es als unsere Aufgabe und Pflicht, als Dokumentarist darüber zu sprechen und zu schreiben, dass es solche Paradiese im 21 Jahrhundert noch auf unserer Mutter Erde gibt. Es sind die wahren Juwelen, die wahren Schätze, der wahre Reichtum, den wir Menschen besitzen, auch wenn viele, die dort draußen in den Städten leben, immer mehr vergessen, worauf es im Leben eines Menschen wirklich ankommt. Für mich und Tanja kommt es darauf an, unsere Lebensplattform Mutter Erde zu erhalten. So zu erhalten, dass unsere Kinder, die Kinder der Menschen, weiterhin Freude daran haben, hier zu leben. Wenn wir von er Aussichtsplattform, auf der wir gerade stehen, in den Fjord blicken, auf dessen glatten, klaren und sauberen Wassern sich die rotbraunen Häuser spiegeln, als gäbe es sie zweimal, wenn ich im Gezeitenstrom zwischen dem schmalen Durchgang zweier Inseln sehe, mit welcher Kraft das Lebenselixier Wasser durchströmt, wie sich auf dem Gezeitenstrom malerisch schöne, wellenförmige Muster bilden und wenn wir sehen, mit welcher Zauberkraft der Sonnenstern die bunten Blätter der Herbstbäume mit einem Windzug in den blauen Himmel streut, wissen Tanja und ich, worauf es ankommt und erkennen mit jedem Atemzug die wahren Schätze der gesamten Menschheit, egal welcher Hautfarbe, egal welcher Sprache und auf welchen Kontinent unsere Brüder leben.

Ab der Stadt Sortland folgen wir der Landstraße Fv 82 bis zu ihrem absoluten Ende an die äußerste Nordspitze von Vesterålen. Dort, auf der Insel Andøya, am Fischerhafen des Städtchens Andenes empfangen uns hübsche Häuser, die zu dieser Jahreszeit auf uns völlig verlassen wirken. Kein einziger Tourist ist in dem sonst gut besuchten Hafenviertel zu sehen. Die Unterkünfte und kleinen Pensionen haben geschlossen. Die Straßen sind menschenleer. „Ob es hier überhaupt noch Walsafaris gibt?“, fragt sich Tanja. Wir kommen uns vor, als würden wir ein Museum durchfahren, indem irgendwann einmal in längst vergangener Zeit Menschen gewohnt haben. Die Sonne steht kurz vor 17:00 Uhr schon tief, weswegen die schönen, meist weiß gestrichenen Holzhäuser in einem angenehm warmen Licht erstrahlen. Wir parken die Terra unweit des vierthöchsten feuerroten Leuchtturmes Norwegens, der wegen des zunehmenden Schiffsverkehres bereits 1859 errichtet wurde. „Lass uns mal durch das Viertel laufen. Vielleicht finden wir ja noch einen Veranstalter, der uns raus aufs Meer bringt, um Pottwale zu sehen“, schlägt Tanja vor. „SEA SAFARI“ ist in großen Buchstaben über dem Eingang eines der hübschen Häuser geschrieben. Wir drücken den Türgriff. „Abgeschlossen“, sage ich enttäuscht. Als wir weiterwollen, öffnet sich plötzlich die Tür. Ein junges Pärchen begrüßt uns freundlich. „Wir haben leider geschlossen“, sagt die Frau. Wir erfahren, dass die beiden aus England kommen und hier erst vor ein paar Tagen einen Job angenommen haben. „Wir wollen den arktischen Winter hier erleben.“ „Und was werdet ihr arbeiten, wenn alles geschlossen ist?“, interessiert es mich. „Wissen wir noch nicht, „wir haben eine kleine Unterkunft bekommen, in der wir uns erst mal zurechtfinden müssen. Dann treffen wir unseren Arbeitgeber. Mal sehen, was wir für ihn tun sollen“, erklären sie. „Und die Walsafaris sind für dieses Jahr tatsächlich schon eingestellt?“, fragt Tanja. „Ich glaube, dass dieser Veranstalter hier für die Saison zugemacht hat, aber es gibt noch einen anderen größeren Veranstalter. Versucht es doch dort einmal“, empfehlen sie. Wir bedanken uns, wünschen den beiden viel Glück und machen uns weiter auf die Suche. Neben dem Leuchtturm entdecken wir ein grau-gelbes Gebäude, dass das Walsafarizentrum zu sein scheint. Tatsächlich öffnet sich die automatische Glastür, als wir davorstehen. Drinnen gibt es ein Restaurant und Café, indem vier Gäste sitzen. Die Rezeption, an der man anscheinend Tickets für eine Walsafari buchen kann, ist nicht besetzt. „Schau mal, da ist eine Infotafel“, deutet Tanja auf einen Aufsteller. „Unser nächster geplanter Trip findet morgen ab 10:45 Uhr statt“, liest Tanja. „Super! Welch ein Glück!“, rufe ich freudig. „Hoffentlich haben sie noch einen Platz für uns drei“, sagt Tanja. „Bestimmt. Kann mir nicht vorstellen, dass sie während Corona und noch dazu in der Nachsaison ausgebucht sind. Weiß gar nicht, woher die Gäste kommen sollen. Hier ist doch alles wie ausgestorben“, antworte ich. Zuversichtlich morgen auf eine Walsafari gehen zu dürfen, steigen wir wieder in die Terra, fahren hinter das Gebäude auf einen kleinen Schotterplatz und parken direkt am Kai…

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