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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Wilder Kamelbulle greift an

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    Tag: 47 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:24

    Sonnenuntergang:
    17:37

    Temperatur - Tag (Maximum):
    28 Grad

Edgar Kampf-Camp — 01.08.2001

Heftiger Wind bläst die ganze Nacht über unser Camp. Selbst am Morgen hört er nicht auf und lässt uns frösteln. Unser erster Gang ist wie üblich zu Goola und Istan. Erwartungsvoll öffne ich sein Maul und freue mich über unseren Behandlungserfolg. „Er ist Madenfrei,“ sage ich stolz. „Hurra! ,jubiliert Tanja und lacht aus dem tiefen Inneren ihres Herzens. „Ich habe dir gesagt, dass wir es schaffen werden diese Scheißdinger zu besiegen,“ ruft sie freudig. Wir reichen Goola einige Mohrrüben die er hungrig vertilgt. Dann biete ich ihm Wasser an welches er in kleinen Schlucken schlürft. „Du wirst den Tod bekämpfen,“ meine ich zuversichtlich und streichle seinen Hals.

Wasser, wertvoller als Gold

Wieder im Camp operiert Tanja mir einen Spinifexstachel aus der Verse den ich mir gestern eingetreten habe. Da Spitzen des Grases hautfarben sind kann ihn Tanja nicht sehen. Zähne zusammenbeißend sitze ich da und gebe ihr Anweisungen wo es am meisten schmerzt. Eine halbe Stunde stochert sie mit der Nadel in meinem Fußballen herum bis sie endlich fündig wird und den Übeltäter beseitigt. Guter Dinge setze ich mich dann in den Schatten eines kleinen Bäumchens und arbeite an meinen Aufzeichnungen während Tanja unsere Jungs hütet. Als sie zurückkommt baut sie eine Buschdusche nach ihren eigenen Geschmack. In eines der Wasserauffanggruben die wir während des Unwetters gegraben haben legt sie ihre Plastiktischdecke. Die Ränder der mit Clowns bedruckten Tischdecke beschwert sie mit unseren Source Wassersäcken, so dass das gesamte Loch damit ausgelegt ist. Mit viel Phantasie könnte man ihre Konstruktion auch als Buschbadewanne bezeichnen. „Was hältst du von unserem Badezimmer? Sieht doch gut aus?“ ,fragt sie voller Stolz. „Phantastisch, besser als jedes Fünfsternehotel. Du hast ja sogar deine Geburtstagstischdecke vom Afghan Rock Camp benutzt.“ „Ja ich wollte es besonders gemütlich haben und auf diese Weise verschwenden wir keinen Tropfen Wasser. Wir können es danach wieder herausschöpfen und den Kamelen zum trinken geben,“ antwortet sie, zieht sich aus und steigt hinein. Wie ein kleines vergnügtes Kind freut sie sich nach 23 Tagen das erste Mal duschen zu dürfen. Becher für Becher schöpft sie sich das Wasser über ihren Körper, wäscht sich die Haare und singt so laut das die Kamele die Ohren spitzen. Eine halbe Stunde später bin ich an der Reihe. Auch ich empfinde die Dusche als ein ausgesprochen wohltuendes Ereignis. Nachdem ich ein paar Liter Wasser über meinen verschmutzten Körper gegossen habe setze ich mich auf den Boden des Erdaushubes und somit in eine Art Badewanne. Es fehlt nur noch eine Quietschente und mein Badevergnügen wäre perfekt. Erst hier draußen in der Wüste wird mir wieder bewusst wie kostbar jeder Tropfen Wasser ist und wie wenig der Mensch letztendlich benötigt, um sich zu reinigen. Ich sitze da in meiner braunen Pfütze und blick auf die Ebene in der es so weit das Auge reicht kein Wasser gibt. Erst vor 17 Tagen schien hier alles unterzugehen und jetzt würden wir ohne unsere Vorräte in 24 Stunden verdursten. Wenn ich mir vorstelle wie viel Wasser wir Menschen zum Duschen oder Baden benutzen und nicht einmal darüber nachdenken woher es kommt und wie lange die Vorräte ausreichen werden? Durch die Überbevölkerung und der damit immer größer werdenden Umweltverschmutzung werden auch die Wasservorräte unserer Mutter Erde knapp. In Indien haben wir erlebt wie sich Menschen in einem heißen, trocknen Sommer wegen Wasser bekämpften. Es kann nicht mehr all zu lange dauern bis solche Kriege um Wasser öfter werden und unser Nahrungsmittel Nummer eins kostbarer sein wird als Gold. Keiner von uns Menschen scheint diese Gefahr kommen zu sehen. Zumindest gehen wir alle mit der größten Köstlichkeit auf Erden um als würde sie niemals ausgehen, als wäre es völlig normal 50 Liter oder mehr für ein einziges Bad eines einzelnen Menschen zu verschwenden. Manchmal baden Menschen sogar jeden Tag und wenn ich hier in der Wüste darüber nachdenke wird mir ganz übel. Obwohl wir unser Duschwasser recyceln und danach unseren Kamelen zum saufen geben, empfinde ich ein schlechtes Gewissen das köstliche Trinkwasser über meinen Körper zu schütten. Ich sitze in meiner bräunlich gefärbten Lache und frage mich wann wir Menschen es soweit getrieben haben bis wir Kriege nicht mehr um Öl sondern um Wasser führen? Ob wir Menschen es rechtzeitig begreifen wo die wirklichen Schätze liegen? Ob wir es rechtzeitig begreifen werden unseren Unrat nicht in unseren eigenen Trinkbecher zu kippen? Nachdenklich steige ich aus meinem Luxusbad und laufe nackt und fröstelnd über unser Camp. Der Wind hat zwar nachgelassen bläst aber immer noch recht stark. Ich trockne mich ab und schlüpfe in meine schmutzige Kleidung. Dann schöpfe ich das Wasser aus der Duschmulde in einen Eimer, um es heute Abend unseren Kamelen anbieten zu können. Sie haben mittlerweile alle Durst und werden sich mehr als freuen. Erfrischt und seit über drei Wochen endlich mal wieder sauber setze ich mich wieder in den spärlichen Schatten des kleinen Bäumchens und schreibe weiter.

Er lässt mir keine andere Wahl

Es ist 17 Uhr als ich eigenartige Geräusche vernehme. Ein tiefes Blubbern lässt mich aufschauen. Was ist denn das? Ob unsere Kamele miteinander kämpfen? Nein das klingt anders, ganz anders. Das klingt wie die Kampfaufforderung wilder Kamelbullen. Als hätte mich ein Pfeil getroffen schieße ich in die Höhe und blicke in die Richtung des markerschütternden Lautes. Mich trifft fast der Schlag als ich einen Kamelbullen erspähe der kerzengerade auf Tanja und unsere Jungs zumarschiert. „Wilde Kamele greifen an!“ ,brülle ich aus Leibeskräften Tanja zu die gerade damit beschäftigt ist unsere Jungs loszubinden, um sie zum fressen zu führen. Tanja hört mich rufen und sieht fragend in meine Richtung. „Wilde Kamele!“ ,brülle ich und deute auf den angreifenden Bullen der noch ungefähr 200 Meter von ihr entfernt ist. „Binde unsere Boys fest!“ ,rufe ich noch, klappe den Laptop zu, lege ihn auf den Stuhl, rase zu meinen Schuhen und ziehe sie an. „Mein Gott gib mir genug Zeit. Gib mir bitte genug Zeit,“ sage ich leise und kann es einfach nicht glauben was wir in diesem Camp noch alles erleben sollen. Wie um mein Leben sprinte ich in unser Buschbüro, greife die Gewehrhülle, öffne den Reißverschluss und reiße die Marlin heraus. Kaum habe ich sie in den Händen haste ich über den Lagerplatz, springe über die Wassergräben und hetze durch das stachelige Spinifexgras. In der Zwischenzeit sind maximal zwei Minuten vergangen. Der brunftige Kamelbulle stürmt nun laut blubbernd in vollem Galopp auf Tanja und unsere Herde zu und es trennen sie nur noch knapp 50 Meter. „Huuuaaahhhh! Huuuaaahhh!“ ,brülle ich aus Leibeskräften direkt auf den Kamelbullen zurennend. Ich muss Tanja vor ihm erreichen denke ich noch und habe das Gefühl über die Grasbüschel zu fliegen. Rufus bellt aufgeregt und unsere Jungs blicken erregt auf den Bullen. Im Augenwinkel erkenne ich Tanja links neben mir. Ich bin erleichtert, denn nun muss der Bulle seine Aufmerksamkeit auf mich lenken. „Huuuaaahhh! Huuuaaahhh!“ ,schreie ich das es mir fast die Lunge zerreißt, doch der Bulle lässt sich kaum beeindrucken. Nur noch 20 Meter trennen uns und wir würden glatt aufeinander prallen. Natürlich ist mir bewusst, dass er mich einfach überlaufen und vorher in Stücke reißen würde. Wuuummm! Knallt es als ich im Spurt über seinen Kopf schieße. Der Bulle rast unvermindert weiter läuft aber 10, 15 Meter vor mir einen Bogen um mich herum. Nun haste ich parallel neben ihm her und treibe ihn auf diese Weise von unseren wehrlosen Kamelen weg. Keiner von ihnen könnte es mit einem wütenden, Einzelgänger seines Kalibers aufnehmen. Jeder unserer Kamele ist kastriert und somit haben sie auch ihren Umpf, also den wirklichen Kampfgeist verloren. Außerdem ist ein wilder unkastrierter Bulle viel kräftiger. Vor allem ist er kampferprobt und anscheinend auf der Suche nach einer neuen Herde. Wilde Kamelbullen in der Brunft setzen ihr Gehirn nicht ein sondern gehen wie ein Panzer auf ihre Gegner zu. Sie sind bereit zu töten, ohne nur mit der Wimper zu zucken und äußerst gefährlich. Wilde Kamelbullen sind der hauptsächliche Grund warum wir bewaffnet sind und unser ständiger Alptraum. Neben den Launen des Wetters und den vielen Gifttieren sind sie für eine Kamelexpedition in Australien das Gefährlichste was uns begegnen kann. Mir dieser großen Gefahr bewusst treibe ich das hochaggressive, laut blubbernde Tier neben mir her. „Rufus! Rufus komm her!“ ,befehle ich unserem Hund der neben Tanja ist. Rufus kommt erst nachdem ihn Tanja zu mir schickt. „Rufus, get him up! Get him up!” befehle ich ihm den Kamelbullen zu vertreiben. Rufus rast nun laut bellend hinterher. Wir beide haben diese Vertreibungstaktik schon auf der ersten Etappe dieser Expedition geübt und erfolgreich ein paar Kamele in die Flucht geschlagen. Der Angreifer scheint aber auch Rufus zu ignorieren, stoppt seinen Lauf, dreht sich um 360 Grad und kommt direkt auf mich zu. Wuuummm! Donnert es wieder aus dem Gewehrlauf doch der Bulle ignoriert den Warnschuss. Weißer Schaum kommt aus seinem Maul, bedeckt seinen Kopf und klebt sogar an seinem Körper. Der Schaum ist ein Sekret den brunftige Bullen ausscheiden und mich an meinen Kamelbullen in Pakistan erinnern. Wuuummm! Wuuummm! Setze ich zwei weitere Kugeln über seinen Kopf. Wieder ändert der Koloss seine Richtung, um nun wieder auf Tanja und unsere Kamelgruppe zuzurasen. „Ich muss ihn töten!“ ,schreie ich aus Leibeskräften um Tanja zu warnen. Gedanken rasen wie bei einer Schaltzentrale durch meine Gehirnwindungen und ich frage mich ob ich dieses wunderschöne Tier wirklich töten muss. Ich weigere mich dagegen und brülle ihn aus dem tiefen Inneren an. Er muss verstehen das er nicht überleben wird wenn er uns weiter angreift. Hier zählen die knallharten Gesetze der Natur, entweder du oder ich. Sollte er einen unsere Jungs erwischen wird er ihn zu Hackfleisch machen. Noch mal lasse ich meine tödliche Waffe sprechen und jage ihm eine Kugel über den Körper. Noch ca. 40 Meter dann hat er Hardie erreicht. Meine Lungen brennen mittlerweile als hätte ich Feuer geschluckt. Wie ein Hürdenläufer stürme ich in vollem Sprint über die Unendlichkeit der Grasbüschel, lade während dessen einige Patronen nach, bleibe abrupt stehen und ziele auf seinen Hinterkopf. Noch 30 Meter bis er unsere Kamele erreicht… 20 Meter. Ich konzentriere mich für einen Sekundenbruchteil, denn mir ist bewusst, dass es nicht einfach ist ein bewegliches Ziel tödlich zu treffen. Wuuummm, brüllt die Marlin auf und als hätte man dem angreifenden Giganten die Erde unter seinen Füßen weggezogen bricht er innerhalb eines Sekundebruchteil zusammen und bleibt bewegungslos liegen. Verblüfft über die gewaltige Durchschlagskraft der Waffe sprinte ich auf den toten Bullen zu. 10 Meter vor ihm bleibe ich stehen. Er bewegt sich nicht mehr, trotzdem schieße ich ihn noch zweimal in den Kopf, um ein eventuelles Leiden auszuschließen. Dann nähere ich mich ihm und sehe ihn mir aus nächster Nähe an. Es ist in der Tat ein wunderschönes, stolzes Tier das jetzt tot vor mir liegt. Eine Blutlache bildet sich unter seinem Kopf und seine Augen scheinen mich fragend anzustarren. Ich stehe da und kann meinen Blick nicht von dem immer größer werdenden Blutsee wenden. Tiefe Traurigkeit überfällt mich augenblicklich. Ich knie mich ab, lege ihm meine Hand auf den Kopf und entschuldige mich für meine Tat. „Du hast mir keine andere Wahl gelassen,“ flüstere ich. Seine großen raubtierähnlichen Zähne lassen mich sein Alter auf 10 oder 12 Jahre schätzen. Meine Augen gleiten über den vielleicht 1000 Kilogramm schweren Körper. Keine Narbe, keine Unebenheit weist sein dichtes Fell auf. Sein Höcker ist wohl geformt und seine Brust zeigt schwere, durchtrainierte Muskeln. „Was für ein schönes, stolzes Tier,“ sage ich zu Tanja die neben mir steht. „Ja, wunderschön. Schade das er sterben musste aber er hat dir keine andere Chance gelassen. Du musstest ihn töten um uns zu verteidigen. Mach dir keine Gedanken, das hast du gut gemacht. Er hat nicht gelitten,“ tröstet sie mich. Ich wische ein paar Tränen von meinen Wangen, nehme Abschied von dem Wesen was vor wenigen Minuten noch eine tödliche Bedrohung war und gehen mit Tanja zu unseren Jungs zurück.

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