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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Goola gesamtes Maul ist von Maden befallen

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    Tag: 45 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:25

    Sonnenuntergang:
    17:36

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30 Grad

Edgar Kampf-Camp — 30.07.2001

Kein Lüftchen regt sich. Absolute Windstille liegt über dem Camp und lässt uns realisieren wie warm es um diese Jahreszeit schon ist. Kaum haben wir uns angezogen eilen wir zu Goola und Istan. Wir bekommen einen Schreck als wir Goola wie von der Kugel getroffen im Gras liegen sehen. Er ist tot, schießt es mir durch die Gehirnwindungen. Doch als wir zu ihm treten hebt er seinen Kopf und sieht uns mit seinen treuherzigen Augen an. „Irgendwie sieht er heute besser aus,“ meint Tanja sich abkniend. „Ja ich habe auch den Eindruck. Vielleicht hat unser beten ja etwas geholfen?“ sage ich und untersuche Goolas Maul. Es ist total ausgetrocknet und sein Zahnfleisch sieht spröde und rissig aus. Tanja reicht ihm einen halben Apfel den er zu unserer Freude langsam und bedächtig frisst. „Gib ihm noch einen,“ flüstere ich als würde ihn eine laute Stimme davon abhalten einen weiteren Apfel zufressen. Wie in Trance öffnet er seine schlappen Lippen und lässt ihn sich ins Maul schieben. „Er wird nicht sterben. Ich glaube er wird durchkommen,“ sagt Tanja zuversichtlich. Insgesamt frisst Goola drei Äpfel und als er dann noch einen viertel Eimer Wasser schlürft bin ich auch optimistisch gestimmt. Ob er uns gestern über seinen nahen Tod sprechen hat hören? In der Tat kommt mir sein aufflackernder Lebenswille wie ein Wunder vor. Auf einmal beginnt er vorsichtig Nahrung zu sich zu nehmen. Auch wenn es nur drei Äpfel sind ist es ein Anfang und obwohl durstige Kamele ohne Schwierigkeiten 70 bis 80 Liter Wasser trinken können sind drei Liter ein Zeichen dafür das Goola sein Leben noch nicht aufgegeben hat. Unsere Laune steigt augenblicklich auf ein Hoch. Istan trinkt zu unserer Freude gleich 10 Liter. Guter Dinge begeben wir uns ins Camp zurück. Ich berichte Jo die Neuigkeiten übers Funkgerät. „Das klingt wirklich gut. Er wird es schaffen,“ freut sie sich und ich fühle wie erleichtert sie in diesem Moment ist. Wir unterhalten uns weiter über den Krankheitsverlauf unserer Tiere als Jo mir von dem Tierarzt berichtet. „Er meint, dass eine Lungenentzündung viele Monate dauern kann um auszuheilen,“ vernehme ich ihre Worte worauf mein kurzes Hoch sofort wieder in den Keller fällt. „Was? Mehrere Monate? Wir können doch unmöglich so lange hier bleiben,“ sage ich wie vom Schlag getroffen. „Ihr benötigt einen Plan B Denis.“ „Ja, Tanja und ich haben gestern darüber gesprochen aber ich weiß nicht wie er aussehen soll,“ antworte ich deprimiert. „Im Notfall müsst ihr mit sechs Kamele weiter und wenn sich Istan nicht erholt dann mit fünf.“ „Ich weiß Jo, aber das ist eine verdammt riskante Sache. Was ist wenn mitten in der Wüste ein weiteres Tier ausfällt? Wenn eines der Kamele eine giftige Pflanze erwischt? Wer soll uns dann helfen?“ „Ja Denis du hast recht. Vielleicht kommt es ja nicht soweit und die beiden erholen sich in den nächsten Wochen. Ihr dürft dann nur kurze Strecken zurücklegen, um sie nicht zu überfordern. Wie sieht es eigentlich mit euren Wasservorräten aus?“ „Da wir jeden Tag 10 Liter unter unseren Kamelen aufteilen besitzen wir nur noch 60 Liter. Spätestens am Donnerstag ist das Camp trocken,“ antworte ich nachdenklich. „Colin wird euch bald Wasser und Nachschub bringen. Ich rufe ihn gleich am Mobiltelefon an. Er ist in Port Hedland und besorgt auch Dinge für euch.“ „Ja ich weiß, ich habe mich mit ihm über Funk unterhalten. Er ist ein toller Mensch. Wir sind froh, dass er und seine Frau Jo und auch Stephen so hinter uns stehen. Ohne sie wäre die Situation hier lebensbedrohlich.“ Ja sie sind wirklich sehr hilfsbereit und äußerst großzügig,“ gibt sie mir recht.

Am Abend sehen wir wieder nach unseren Tieren. Routinemäßig hebe ich Goolas Oberlippe hoch, um die Madensituation zu prüfen. An einem seiner vorderen Eckzähne entdecke ich Blut. Bei genauerem Hinsehen bemerke ich einen Krater um den Zahn. Einer Eingebung folgend drücke ich gegen das verwelkt aussehende Zahnfleisch. Gleich mehrere fette Maden schieben sich am Zahnhals nach oben und scheinen mich anzukichern. Obwohl ich schon viel erlebt habe wird mir bei dem Anblick fast schlecht. Ich rufe Tanja die sofort zu mir eilt. „Sieh dir das mal an. Er hat Maden im Zahnfleisch.“ „Oh nein.“ „Oh ja, und es sieht so aus als wäre auch sein gesamter Rachen entzündet,“ antworte ich und begreife warum der arme Kerl kaum Nahrung zu sich nimmt. Bei der weiteren Untersuchung wird uns die Tragweite des Madenbefalls erst bewusst. Nahezu alle Zähne sind mit Maden unterhöhlt. Hunderte von kleinen Fleischfressern haben sich dort eingenistet. Der Tierarzt von Jo hat uns empfohlen Hydrogen Peroxide zu benutzen, um die Maden zu bekämpfen. „Cetrigen ( das antibakterielle Wundspray) ist zu stark,“ meinte Jo schon vor ein paar Tagen. Hydrogen Peroxide wird normaler Weise im Verhältnis eins zu 20 oder eins zu zehn gemischt ist es aber auch geeignet  kleinere Wunden zu desinfizieren. Da wir dieses Medikament seit geraumer Zeit mit uns führen ist es uns möglich Goolas Zahnfleisch damit zu spülen. Mit einer Spritze ohne Nadel befeuchte ich die Zahnhälse und hole die ekelhaften Maden heraus. Mit meinen Fingern lange ich tief in sein Maul, um alle Zahnhälse zu befühlen und zu untersuchen und die Maden herauszuquetschen. Überall entdecke ich weitere Madennester deren Anzahl mich regelrecht schwindelig werden lässt. „Ich glaube der Fall ist hoffnungslos,“ meine ich traurig und weis nicht wie ich gegen dieses krabbelnde Heer gewinnen soll. Goola jammert von Zeit zu Zeit als ich ihn einen weiteren gefüllten Eiterherd mit seinen Bewohnern ausdrücke. „Wenn er zubeißt sind meine Finger ab,“ sage ich ängstlich tief in seinem Gebiss arbeitend. Mir ist es ein Rätsel wie all die Fliegen in sein Maul gekommen sind, um ihre Brut dort abzulegen und warum das Zahnfleisch so spröde geworden ist. Überall hat er kleine Geschwüre im Maul und nun glaube ich das sein Zahnfleisch regelrecht zerfällt. Besorgt prüfe ich nun die Zähne, um zu sehen ob sie wackeln. „Zumindest sind sie noch fest,“ stelle ich leise fest. Als ich wieder einige der Übeltäter heraushole bin ich dem Aufgeben nahe. Tanja assistiert mir und hält Goolas Kopf nach unten indem sie ihn an seinem Nasenpflock festhält. Sie sieht mich trotzig an und sagt: „Wir geben ihn nicht auf. Wir werden diese Scheißdinger besiegen und Goola durchbringen.“ Okay, lass uns weitermachen,“ antworte ich am Ende meiner Kräfte. Eine halbe Stunde später glaube ich alle sichtbaren Maden entfernt zu haben. Die die noch im Kiefer oder an den Zahnhälsen leben bespritze ich mit dem Hydrogen Peroxide Gemisch. Dann bieten wir unserem leidenden Patienten Wasser an doch er nimmt nur ein paar Schluck. Er hat enorme Schwierigkeiten die Flüssigkeit in sich hinein zu schlürfen. Aber wenn ich an die vielen kleinen Geschwüre und das offene Zahnfleisch denke wundert es mich nicht. Wieder krabbeln wir am Abend in unser kleines Zelt und wissen nicht was der morgige Tag bringen wird. Wie lange werden wir hier noch durchhalten? Auch wenn die erste Etappe beinhart war und wir oft kurz vor unserem Zusammenbruch standen kommt mir diese Situation wie eine dramatische Steigerung des bereits Gewesenem vor. Ich liege auf dem Rücken drehe meinen Kopf zur Seite und blicke in das unendliche Sternenmeer. Mussten die Entdecker und Abenteurer vor unserer Zeit auch so leiden? Klar, viele von ihnen haben sich in das Outback begeben und kamen nie mehr zurück. Ich lege meine Hände zusammen und bete für Tanja, mich und die Tiere. Obwohl ich kein besonders gläubiger Mensch bin bete ich jeden Abend. Jeden Abend führe ich ein Gespräch mit einer Macht die mir kaum begreiflich ist, aber irgendwie fühle ich mich gut dabei.

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