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Mongolei/Ausgetrickst Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Wieder ausgetrickst

N 51°14'690'' E 099°30'865''
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    Tag: 328

    Sonnenaufgang:
    05:05

    Sonnenuntergang:
    21:39

    Luftlinie:
    7,04

    Tageskilometer:
    11

    Gesamtkilometer:
    1446

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    25 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    20 °C

    Temperatur – Nacht:
    5 °C

    Breitengrad:
    51°14’690“

    Längengrad:
    099°30’865“

    Maximale Höhe:
    1539 m über dem Meer

Um 4.00 Uhr am frühen Morgen setze ich unsere Pferde um. Der fremde Hund ist noch immer da und folgt mir dabei auf Schritt und Tritt. „Hast du kein Herrchen?“, frage ich. „Der Hund sieht mich etwas seltsam an. „Verstehe nichts. Bin Mongole“; scheint er zu sagen. Dann wiederhole ich die Frage auf Mongolisch worauf er mit dem Schwanz wedelt. Ich frage mich wie er über den Fluss gekommen ist. Auf der Fähre war er jedenfalls nicht. Als ich mich ins Zelt verziehe legt er sich vor die Tür. Mogi bellt ihn eifersüchtig an. Da er an seinem Pflock angekettet ist und auf die Pferde aufpassen muss genießt er nicht die Freiheit die sein vierbeiniger Kollege besitzt. Um 6:30 Uhr führe ich die Pferde erneut auf einen anderen Fressplatz und um 9:30 Uhr steht unser bezahlter Prinz auf. „Möchtest du einen Tee?“, fragt Tanja ihn. „Hooouuuu, dchinggiii, Hooouuuu, dchinggiii“, antwortet er. „Ist er jetzt ganz durchgedreht?“, frage ich Tanja. „Keine Ahnung was er damit meint“, sagt sie verwundert. „Ich glaube er singt. Er hat die Hörer seines Handys im Ohr“, stelle ich fest. „Odonbaatar! Odonbaatar!!!“, rufe ich laut worauf er mich lachend ansieht. „Nimm deine Ohrhörer raus!“, rufe ich und zeige mit Gebärdensprache was ich meine. Wieder lacht unser Mann, nimmt seine kleinen Kopfhörer aus den Ohrmuscheln und fragt; „Was?“ „Magst du Tee?“, wiederholt Tanja ihre Frage. „Tijmee“, antwortet er. Nachdem Frühstück erkläre ich ihm eindringlich das es so nicht weitergehen kann. „Wir haben dich für die Pferde eingestellt damit ich den Rücken für meine Dokumentation frei habe. Tanja ist auch mit ihren englischen Übersetzungen beschäftigt und kann nicht alles machen. Also sind die Pferde dein Job. Verstehst du das?“, frage ich. „Tijmee“, antwortet er lachend. „Wo ist deine Wasserflasche?“, fragt Tanja das entstehende Schweigen zu überbrücken weil sie damit beschäftigt ist das Essen und Trinken für den Tag zu packen. „Habe ich gestern verbrannt“, antwortet er. „Du hast was?“, fragt Tanja entsetzt. Ich habe sie verbrannt. Ich brauche tagsüber kein Wasser. Tee reicht mir“, erklärt er. „Nun, dann gibt es für dich nur Tee. Aber frage mich später nicht nach Wasser. Denis und ich haben je eine Wasserflasche. Damit müssen wir bis zum nächsten Camp auskommen“, erklärt sie ihm worauf er nur abschätzig lächelt.

Während er die Pferde bringt und sattelt baue ich die Zelte ab und verstaue wieder alles in den Seesäcke und Kuriertaschen, um sie fürs Laden verschnüren zu können. Wieder weist mich Odonbaatar auf meine schlechte Ladetechnik hin. „Okay, damit du mir nicht länger auf den Nerven herumspringst verschnüren wir heute Sharga nach deiner Technik. Mal sehen ob das Gepäck hält“, sage ich. Odonbaatar lächelt zufrieden.

Bereits zehn Minuten nach dem Aufbruch rutschen die Seesäcke. Wir unterbrechen unseren Lauf, um sie wieder gerade zu rücken. So geht es alle 20 Minuten. „Morgen laden wir wieder wie gehabt“, sage ich. Wir sind kaum eine Stunde unterwegs als Odonbaatar Durst bekommt und eine Pause einlegen möchte. Ich atme schwer durch und versuche mich zu beherrschen. „Dieser Typ ist eine echte Zumutung“, fluche ich leise. Tanja holt die Thermoskanne aus der Satteltasche und reicht sie Odonbaatar. Der setzt sich auf den Boden und trinkt gierig einen Becher nach dem anderen. Dazu isst er eine Tüte Kekse die Tanja ihm ebenfalls gereicht hat. Dann laufen wir weiter. Da er ständig mit seinem Handy telefoniert oder laut Musik hört nervt seine Anwesenheit. Von Vögeln oder anderen Tieren der Natur ist kaum noch etwas zu vernehmen. „Wenn sich das nicht ändert müssen wir ihn entlassen“, sage ich. Plötzlich hängt er weit zurück. So weit das Tenger Sehnsucht nach seinen Kollegen bekommt und Odonbaatar Schwierigkeiten bereitet. Auf einmal bricht Tenger los. Die Ladung verrutscht und zwingt uns zu einem wiederholten Stopp, um sie erneut zu verschnüren.

Nach zweieinhalb Stunden erreichen wir eine Hütte. Odonbaatar beschließt es für heute gut sein zu lassen. „Das ist doch viel zu früh“, lamentiere ich. „Die Pferde sind ebenfalls müde“, meint Tanja einlenkend. „Das mag schon sein aber wenn wir heute nur so kurz unterwegs sind müssen wir morgen mehr laufen. Das ergibt keinen Sinn“, entgegne ich. Odonbaatar setzt sich durch weswegen wir neben einem kleinen See unser Camp aufschlagen. Augenblicklich zieht ein heftiges Gewitter auf. Bei Windstärke acht fällt es mir nicht leicht unser großes Zelt zu errichten. „Ich brauche heute kein Zelt“, meint Odonbaatar. „Warum nicht?“, frage ich verwundert weil er gestern sein Stoffhaus sehr geliebt hat und sich davon kaum noch trennen wollte. „Ich muss auf die Pferde aufpassen. Da ist es nicht gut wenn ich im Zelt schlafe“, verblüfft mich seine Antwort. Anscheinend hat meine morgendliche Ansprache gewirkt. „Ich glaube ihm nicht“, stört Tanjas Aussage meine Laune die sich gerade etwas gebessert hat. „Warum?“, will ich wissen. „Siehst du die Baishin dort?“, fragt sie. „Was für eine Frage? Klar sehe ich die.“ „Denke er wird sich dort heute Nacht zurückziehen.“ „Hm, zuzutrauen ist es ihm“, überlege ich und frage Odonbaatar ganz direkt. „Denke du brauchst auch keine Isomatte weil es in der Baishin bequem ist?“ „Nicht sehr bequem weil ich auf dem Boden schlafe. Aber du hast Recht, ich benötige heute keine Isomatte“, verrät er sich. „Du wirst nicht in der Hütte schlafen sondern hier. Wir sind ein Team und müssen nachts auf die Pferde achten. Dafür bist du da. Hast du das vergessen?“ „Okay“, antwortet er weshalb ich glaube das nächste aufkommende Problem im Keim erstickt zu haben.

Nachdem unser Lager steht und Odonbaatar trotz des sturmähnlichen Windes ein Feuer entfachen konnte setzen wir uns zusammen in das Vorzelt, um etwas zu essen. Mit einem Mal näher sich ein Motorrad. Ein Mann und ein Kind treten in unser Zelt. Odobaatar bietet nach der Sitte des Landes den Beiden unsere Kekse und Tee an. Da der Fremde und seine kleine Tochter aus der angesabberten Tasse von Odonbaatar trinken, in der schon einige Keksteile aufgeweicht herumschwimmen, gibt Tanja ihnen eine frische Tasse und ein paar Kekse dazu. Es dauert nicht lange und der Fremde, seine Tochter und Odonbaatar verlassen unser Zelt. „Wo gehst du hin?“, frage ich unseren Mann weil er im Begriff ist sich kommentarlos aus dem Staub zu machen. „Ich gehe zur Baishin und werde dort bei meinen Freunden essen.“ „Aha, gut zu wissen. Und wann kommst du wieder?“ „Um 21:00 Uhr“, sagt er. „Okay. Na dann bis später“, antworte ich.

Grübelnd sitze ich in unserem Zelt. Langsam kommt mir der Gedanke das Odonbaatar schon seit Tagen diesen Aufenthalt hier bei seinen Freunden geplant hat. Das könnte der Grund dafür sein warum er gestern nicht in der Flussbiegung campen wollte. Denn hätten wir dort unser Lager aufgeschlagen wären wir durch die Furt des Seitenarmes gegangen und somit eine Abkürzung in Richtung Ringinlhumbe gelaufen. Erst der Umweg um den See zwang uns in die Richtung seiner Freunde. „Raffiniert, raffiniert“, murmle ich und hole meine Karten und den Navigationscomputer um die Koordinaten des jetzigen Standortes festzustellen. Schnell übertrage ich die Daten in die Karte und als ich bemerke heute wieder in Richtung Tsagaan Nuur gelaufen zu sein und nicht wie geplant in Richtung Ringinlhumbe bin ich erst mal sprachlos. „Er hat uns gelinkt“, sage ich zu Tanja. „Wie meinst du das?“, fragt sie. „Das ganze Theater mit dem gestrigen Campplatz und dem vermeintlich schlechten Gras war eine reine Lüge. Er hat uns bewusst hierher gelockt. Er wollte seine Freunde besuchen“, erkläre ich erregt. „Also haben wir einen Marschtag verloren?“ „Absolut. Der Prinz glaubt mit uns einen bezahlten Urlaub durchziehen zu können“, sinniere ich. „Und was wirst du jetzt tun?“ „Ich nehme die Karte, laufe zu dieser Baishin und sage ihm freundlich das er entlarvt ist. Er rechnet bestimmt nicht mit unserer Kenntnis zu wissen wo wir sind. Wahrscheinlich hat er noch nie von einem GPS gehört“, sage ich schnaubend und laufe los. „Denis?“ „Ja?“ „Bleib gelassen.“ „Ich bin gelassen. Sehr gelassen“, antworte ich und stapfe weiter.

Als ich die Baishin betrete hoffe ich damit ihn beim Wodkatrinken zu erwischen. Zu meiner Überraschung sitzt er auf dem Boden und trinkt Tee. Natürlich bin ich schon von Weitem von den Frauen und Kindern des Hauses gesehen worden. Deswegen ist mein Erscheinen keine unerwartetes Ereignis. Ich begrüße die Anwesenden freundlich, trinke meinen Tee der mir sofort angeboten wird und komme erst nach einiger Zeit auf mein Anliegen zu sprechen. Als ich die Karte auf dem Holzboden, der mit dem üblichen billigen Plastikteppich überzogen ist ausbreite, sieht ein älterer Mann erfreut darauf und deutet mit seinem Finger auf verschiedene Ortsnamen, Seen und Flüsse. Fast ehrfürchtig spricht er die alten russischen Namen aus die dort verzeichnet sind weil das Kartenmaterial bald 30 Jahre alt ist. Natürlich hätte ich gerne aktuellere Karten für unsere Pferdeexpedition besorgt aber ich konnte froh sein überhaupt geographische Navigationskarten von der Mongolei ergattert zu haben. „Hier ist Tsagaan Nuur. Da war unser gestriges Camp. Wir sind also wieder zurück gelaufen. Von hier nach Ringinlhumbe ist es genauso weit als vom gestrigen Lagerplatz. Du hast uns bewusst zu deinen Freunde geführt. Wenn das nochmal geschieht brauchen wir dich nicht mehr. In Zukunft sprich bitte über solche Alleingänge mit uns“, sage ich mit einem Lächeln im Gesicht, um unseren Mann vor seinen Freunden nicht zu sehr bloßzustellen. Als ich fertig bin frage ich; „Oilogloo?“ (Verstanden). „Tijmee“, antwortet er kleinlaut. „Wann kommst du um die Pferde festzupflocken?“ „Um 23:00 Uhr.“ Als du gegangen bist sprachst du von 21:00 Uhr. Komm bitte um 21:30 Uhr“, biete ich einen Kompromiss an.

Wieder im Camp diskutieren Tanja und ich das Für und Wieder einer Entlassung unseres Pferdemannes. „Wir könnten uns damit Feinde machen“, überlegt Tanja. „Ich weiß nicht. Aber wenn wir mit ihm weitergehen ist das für uns sehr aufreibend. Auch ist er im Falle der Pferdediebstähle keine Hilfe. Er pennt ja ständig und während den Wachschichten hält er bestimmt seine Augen auch nicht offen. Jetzt hat er uns sogar in eine falsche Richtung geführt.“ „Ich denke wir müssen seine Anwesenheit wie einen Freikauf von der Pferdemafia sehen“, überlegt Tanja „Odonbaatar hat doch nichts mit Pferdedieben zu tun.“ „Das nicht aber er ist Mongole und kommt aus dieser Gegend. Sein Bruder Boldor besitzt eine Herberge für Touristen. Er ist Tour-Guide. Es könnte sein das Diebe nicht gerade von solchen Leuten oder ihren Freunden Pferde stehlen wollen. Ich denke wir sollten ihm noch eine Chance geben und dann neu entscheiden“, erwidert Tanja.

Odonbaatar kommt mit einer halben Stunde Verspätung. Normal in der Mongolei. Deswegen sind wir diesbezüglich völlig gelassen. Nachdem er die Pferde an ihren Fressplätzen angepflockt hat möchte er wieder in die Baishin gehen, um dort zu übernachten. Jetzt reicht es Tanja. Sie fährt regelrecht aus der Haut und macht unseren Mann flott. „Okay ich bleibe heute Nacht bei den Pferden“, antwortet er, schnappt sich seinen Deel und setzt sich zu den Pferden. Kaum hat er dort seine Position bezogen erscheint sein Freund mit dem Motorrad. Nun sind zwei Männer bei unseren Tieren. Weil wir der Sache nicht trauen checken wir alle zwei Stunden seine Anwesenheit. Morgens um 4:00 Uhr hat er die Pferde wie vereinbart von den Pflöcken losgebunden. Ich sehe zu dem Platz an dem er sich gestern mit seinem Freund niedergelassen hat. Beruhigt stelle ich seine Anwesenheit fest.

Um 9:30 Uhr kommt plötzlich das Motorrad seines Freundes angebraust. Verblüfft sehe ich wie Odonbaatar vom Rücksitz absteigt und uns freundlich begrüßt. Ich blicke zu dem Ort an dem ich ihn gerade noch liegen habe sehen. Vermutlich hat er seinen Deel um 4:00 Uhr morgens raffiniert drapiert, um den Eindruck zu erwecken er würde dort schlafen. Wieder hat er uns ausgetrickst.

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