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Mongolei/Ringinlhumbe Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Der Prinz

N 51°06'521'' E 099°40'726''
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    Tag: 329

    Sonnenaufgang:
    05:05

    Sonnenuntergang:
    21:38

    Luftlinie:
    19,02

    Tageskilometer:
    23

    Gesamtkilometer:
    1469

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    17 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    14 °C

    Temperatur – Nacht:
    5 °C

    Breitengrad:
    51°06’521“

    Längengrad:
    099°40’726“

    Maximale Höhe:
    1539 m über dem Meer

Am heutigen Tag laden wir zum Unwillen unseres Pferdemannes wieder mit meiner Verschnürtechnik. Als wir aufbrechen ist die Stimmung gedämpft. Bedrohlich aussehende Wolken ziehen sich über der nahen Khoridol-Saridag-Bergkette zusammen an dessen Fuße die Ortschaft liegt. Wind kommt wieder auf und bläst uns mit beachtlicher Kraft entgegen. „Es wird bald regnen“, sage ich zu Tanja.

Fünf Kilometer vor Ringinlhumbe halten wir an. „Wo wohnt deine Familie?“, frage ich Odonbaatar, um sicher zu gehen nicht erneut einen Umweg laufen zu müssen. „Außerhalb von Ringinlhumbe“, antwortet er mürrisch. „Okay. Wie weit außerhalb?“, setze ich nach. „Etwa acht Kilometer.“ „Acht Kilometer? Das heißt wenn wir unsere Vorräte aufstocken wollen müssen wir acht Kilometer rein und acht Kilometer raus reiten. Das sind 16 Kilometer nur um ein paar Lebensmittel einzukaufen. Und wenn wir dann morgen weiter reiten möchten, müssen wir die acht Kilometer wieder zurück, weil der Weg auf der anderen Seite des Ortes über die Berge geht. Ist das richtig?“, frage ich gelassen. „Tijmee“, antwortet er. „Diesmal will er uns einen Umweg von 24 Kilometer einbrocken“, stelle ich fest. „Wegen mir müssen wir nicht in den Ort. Wir besitzen genügend Nahrungsmittel. Es geht nur um den Fleischvorrat von Odonbaatar“, erklärt Tanja. „Ein Mongole ohne Fleisch und Fett dreht nach wenigen Tagen durch. Das heißt wenn wir nicht in die Stadt reiten bekommen wir in absehbarer Zeit ein noch größeres Probleme.“ „Auf der anderen Seite könnten wir von hier aus direkt in die Schlucht einbiegen aus der wir letztes Jahr mit Bilgee gekommen sind. Von dort sind es nur knapp drei Reittage bis zum Khvsgol Nuur (Khovsgol See). Wenn wir diese Route nehmen sparen wir uns die Hin- und Herreiterei“, überlege ich laut. „Ich brauche mongolisches Essen. Außerdem wird es jeden Augenblick kräftig regnen. Dazu kommt, dass die Strecke durch die Schlucht ein Umweg ist. Es gibt eine Abkürzung über die Berge“, lamentiert unser Mann. „Du hast doch erst gestern Abend und heute Morgen bei deinen Freunden mongolisch gegessen“, meint Tanja worauf Odonbaatar beginnt herumzuschreien. „Er ist wie ein kleines Kind und möchte unbedingt Nachhause. Wenn wir jetzt in Richtung Tal abbiegen kreieren wir hier ein Theater welches wir nicht gebrauchen können. Unsere Pferde sind müde und benötigen dringend Wasser. Odonbaatar meint im Tal gibt es keines. Das stimmt zwar nicht, weil ich mich daran erinnern kann letztes Jahr zehn bis 15 Mal einen zugefrorenen Fluss gequert zu haben, aber es könnte sein, dass wir diesen heute nicht erreichen“, sinniere ich. „Also was sollen wir deiner Meinung nach tun?“, fragt Tanja müde. „Weiß ich nicht“, antworte ich von der Situation gestresst. „Auf der anderen Seite von Ringinlhumbe wohnt meine Schwester. Wir können heute zu ihr gehen“, schlägt Odonbaatar vor als hätte er unsere Konversation verstanden. „Okay. Lass uns zu deiner Schwester marschieren. Morgen führst du uns dann über die Berge“, antworte ich kurzentschlossen.

Müde erreichen wir nach insgesamt fünf Stunden Fußmarsch das Blockhaus von Odonbaatars Schwester. Ein etwas feister Mongole öffnet uns das wackelige Holztor zu seinem großen Hof der, wie alle Grundstücke in den kleinen Städten und Dörfern in diesem Teil der Mongolei, mit einem ca. zwei Meter hohen Bretterzaun umgeben ist. Laut sprechend hilft er uns beim Abladen der Pferde. Damit sie seinen Rasen nicht auffressen bindet er die Tiere sofort am Zaun fest. „Und ich dachte die dürfen sich hier am das saftigen Grün laben“, meine ich etwas enttäuscht. Sofort werden wir in die Baishin gebeten. Heißer Milchtee wird gereicht. „Meine Schwester ist Frauenärztin im örtlichen Krankenhaus und zurzeit in der Arbeit“, erklärt Odonbaatar auf einmal wieder bestens gelaunt.

„Magst du Fleisch?“, fragt mich der Schwager von Odonbaatar. „Nur wenn es nicht fett ist“, antworte ich. „Nicht Fett? Fett ist das Beste am Fleisch“, entgegnet er. „Vertrage ich nicht so gut“, sage ich. „Ach was. Du bist kein Mann. Für mich ist Fett sehr gut“, prahlt er und streicht sich genüsslich mit der rechten Hand mehrfach über seinen prallen Bauch.

„Holst du mir eine Schachtel Zigaretten aus dem Laden?“, fragt mich Odonbaatar. „Was soll ich?“, frage ich, weil ich glaube mich verhört zu haben. „Ich würde gerne rauchen und bräuchte Zigaretten.“ „Na dann hol dir selber welche“, antworte ich so freundlich wie möglich. Odonbaatar kramt seine Geldbörse hervor und holt ein paar Scheine heraus die er seinem etwa 13 Jahre alten Neffen in die Hand drückt. Der geht sofort los, um die Zigaretten zu besorgen. „Halt!“, brüllt Tanja urplötzlich, schnellt von ihrem Sitz hoch, das eine Teeschale zu Boden scheppert und rast wie von der Tarantel gestochen nach draußen. Alle Anwesenden, inklusive meiner Wenigkeit, sind von dem Ausbruch Tanjas vor Schreck erstarrt. Durch das Fenster sehe ich wie Odonbaatars Neffe gerade im Begriff ist Tenger aus den Hof zu führen. „Bring das Pferd augenblicklich zurück und binde es wieder an dem Pfosten an!“, schreit Tanja den Jungen an. Vor Schreck ebenfalls für Sekunden erstarrt verharrt er in seiner Bewegung. Dann bringt er das Pferd zurück. Tanja kommt wutendbrand wieder in die Baishin und funkelt Odonbaatar an. „Du kannst doch nicht einfach unser Pferd herleihen ohne mich oder Denis zu fragen. Unsere Pferde sind müde und werden nicht schnell mal zum Zigaretten holen genutzt. Ist das klar?“ Odonabaatars Grinsen versteinert. Dann nickt er. „Bleib gelassen. Wir wollen hier keine Probleme hochbeschwören“, versuche ich Tanja zu beruhigen. „So eine verdammte Unverschämtheit. Dieser faule Mensch will dich zum Zigaretten holen schicken. Das schlägt doch dem Fass den Boden aus. Und dann verleiht er einfach so unseren Tenger. Was bildet dieser Wicht sich eigentlich ein?“, flucht sie laut. „Ist ja gut. Du hast vollkommen Recht. Aber wir befinden uns noch immer in der Mongolei. Hier herrschen andere Sitten“, sage ich. „Auch hier schickt man seinen Arbeitgeber nicht einfach so zum Zigaretten holen und verleiht vor allem keine fremden Pferde“, schnaubt sie noch immer wütend. „Stimmt. Trotzdem sind wir erst gerade bei dieser Familie angekommen. Die Menschen hier können doch nichts für unseren dämlichen Pferdemann“, sage ich so gelassen wie möglich. In der Zwischenzeit ist der Junge ohne Pferd unterwegs, um die Klimmstengel zu besorgen.

Nach wenigen Minuten haben sich die Wogen wieder geglättet. „Eure Pferde müssen auf die Weide“, ermahnt uns die Mutter von Odonbaatar freundlich. „Ja wissen wir. Dafür ist dein Sohn verantwortlich“, antwortet Tanja ebenfalls freundlich. Sofort beginnt die Mutter mit ihrem Sohn zu schimpfen. Langsam erhebt er sich, um die Pferde auf die nahe Weide am Stadtrand zu bringen. „Ich begleite ihn“, sagt Tanja und verlässt die Baishin mit ihm. Es dauert nicht lange und Odonbaatar ist wieder da. „Wo ist Tanja?“, frage ich. „Bei den Pferden“, antwortet er. „Und wann gehst du?“ „In einer halben Stunde. Nach dem Essen.“ „Okay“, gebe ich mich zufrieden da ich davon ausgehe, dass er die heutige Nacht mit den Pferden verbringen wird und sich vorher erst mal kräftig stärken muss.

Zwischenzeitlich hatte ich die Gelegenheit mit dem älteren Bruder von Odonbaatar zu telefonieren. „Ich werde mich darum kümmern. Ja ich spreche mit ihm. Er wird seinen Job sauber ausführen“, verspricht Boldor der seit vielen Jahren als Tour-Guide unterwegs ist.

Nach einer Stunde steht unser Zelt im Hof der Familie auf dem grünen Gras. Die Ausrüstung ist eingeräumt und die Isomatten aufgeblasen. Ich blicke auf die Uhr und wundere mich wo Tanja bleibt. Als ich wieder in die Baishin gehe, um nachzufragen wie lange Odonbaatar Tanja noch dort draußen sitzen lassen möchte, wäscht der Prinz gerade sein Hemd. „Tanja ist auf der Weide und friert. Sie hat seit heute Morgen nichts mehr gegessen und ist vom Regen völlig durchnässt. Wann gehst du sie ablösen?“ „Gleich“, antwortet er. Da ich nicht weiß wo sich die Weide befindet kann ich Tanja nicht ablösen. Das ist der Grund warum ich immer wieder Odonbaatar ansprechen muss.

Die Anweisungen seines älteren Bruders anscheinend ignorierend wäscht der Prinz eine Stunde später seinen Körper in einer großen Schüssel mit heißem Wasser. Weil Tanja und ich seit über zehn Monaten uns nicht mehr mit so reichlich warmen Wasser reinigen konnten und unser Prinz gerade mal seit einer Woche von Zuhause weg ist, spüre ich wie sich ein Vulkanausbruch in mir anbahnt. „Tanja ist nun seit 2 ½ Stunden bei den Pferden und du wäscht dich da ungeniert, reinigst dein Hemd und schlägst dir den Bauch voll. Wann gehst du endlich und übernimmst deinen Job?“, frage ich zum wiederholten male so beherrscht wie möglich. „Sofort“, antwortet er. Bevor er die Blockhütte verlässt schenkt ihm seine alte Mutter noch ein neues T-Shirt so das unser Mann wie geschleckt aussieht. Dann bewegt er sich gemächlich aus der Hütte.

Um 22:00 Uhr kommt Tanja ausgefroren, zitternd und mit blauen Lippen zurück. Mittlerweile habe ich die Thermoskannen mit heißem Wasser gefüllt und ein Bier und Süßigkeiten gekauft. Tanja macht sich hungrig darüber und zieht sich trockene Kleidung an. „So ein Idiot“, flucht sie ungehalten. „Ist er“, gebe ich ihr Recht. „Prost“, sage ich. Auf eine hoffentlich bessere Weiterreise“, meine ich ihr meinen Becher entgegenhaltend.

„Denis? Mein Bruder braucht die Stirnlampe, seinen Regenmantel und die Isomatte“, fordert die Schwester von Odonbaatar den Reißverschluss unseres Zeltes öffnend. „Na dann soll er sich die Sachen holen“, entgegne ich. „Bringst du sie ihm? Er möchte die Pferde nicht alleine lassen“, antwortet sie nicht auf mich eingehend. „Kann nicht sein das ihm plötzlich etwas an unseren Pferden liegt“, meint Tanja. „Wer weiß? Vielleicht hat ihm seine Mutter ins Gewissen geredet und die Worte seines Bruders tragen doch Früchte“, antworte ich. Nachdem Tanja mir den Weg erklärt hat mache ich mich auf und bringe unserem Mann die Sachen.

Wieder im Zelt sagt Tanja; „ In deiner Abwesenheit war die Mutter von Odonbaatar hier und hat sich erkundigt ob du ihm das Gewünschte wirklich gebracht hast. Sie scheint sehr besorgt um ihn zu sein.“ „Kein Wunder. Er ist der jüngste Sohn. Die werden in der Mongolei immer verhätschelt. Vielleicht ist das der Grund für sein unverschämtes und verwöhntes Verhalten“, überlege ich.

Es regnet die gesamte Nacht. Um 4:00 Uhr steht Tanja auf und läuft zur Weide. Da wir Odonbaatar keinen Zentimeter mehr über den Weg trauen möchte sie prüfen ob er wirklich die Nacht bei den Pferden verbringt und sie mit seiner Anwesenheit vor Diebstahl bewacht.

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