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Mongolei/Keine Nachtwache Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Haben wir einen Schwachkopf eingestellt?

N 51°13'465'' E 099°25'131''^
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    Tag: 327

    Sonnenaufgang:
    05:06

    Sonnenuntergang:
    21:39

    Luftlinie:
    14,81

    Tageskilometer:
    23

    Gesamtkilometer:
    1435

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras, Stein

    Temperatur – Tag (Maximum):
    22 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    18 °C

    Temperatur – Nacht:
    5 °C

    Breitengrad:
    51°13’465“

    Längengrad:
    099°25’131“

    Maximale Höhe:
    1705 m über dem Meer

Seit Tagen endlich im Tiefschlaf. Plötzlich reißt mich das Klingeln meines Handys aus meinen Träumen. „Denis. Komm bitte sofort. Da stehen zwei Männer auf ihrem Motorrad direkt vor mir. Sain bajtsgaana uu (Guten Tag) erklärt sie beherrscht und begrüßt die Männer während sie mit mir telefoniert. „Bin sofort bei dir“, antworte ich von der Matratze schießend. Ich bin gerade angezogen und im Begriff die Jurte zu verlassen als sich mein Mobiltelefon erneut meldet. „Entwarnung. Sie sind weitergefahren. Die haben mir einen echten Schrecken eingejagt. Sind mit ihrem Motorrad direkt auf mich zugefahren. Ich sprang zur Seite weil ich im ersten Moment dachte sie fahren mich über den Haufen. Dann hat der Fahrer nur wenige Zentimeter vor mir gehalten und mich angesprochen. Es war eine gute Idee von dir Mogi am Halsband zu halten. Denke die haben gedacht somit vor unserem Hund geschützt zu werden. In der anderen Hand hatte ich das Handy am Ohr und mit dir gesprochen. Wenn sie etwas Böses im Schilde führten waren sie damit abgeschreckt. Außerdem besitze ich ja noch das Pfeffergas. Das hätte ich ihnen als nächstes serviert“, erklärt Tanja noch immer aufgeregt. „Bist du in Ordnung?“, frage ich besorgt weil ich weiß wie furchteinflößend so eine Nachtwache sein kann. Noch dazu wenn man unverhofften Besuch von Betrunkenen bekommt. „Ja, ja. Die Männer sind weggefahren. Konnte noch lange das Rücklicht des Motorrades verfolgen“. „Okay, ruf mich bei der kleinsten ungewöhnliche Regung an“, sage ich und kann wegen dem Geschehnis nicht mehr einschlafen.

Da wir heute Tsagaan Nuur verlassen wollen wecken wir Odonbaatar schon um 8:00 Uhr. Wir nehmen ein einfaches Frühstück zu uns. Dann beginne ich unsere gesamte Ausrüstung in die Seesäcke und Kuriertaschen zu verpacken. Mogi, der hier endlich mal seine Freiheit genießt und nicht an der Kette hängt, springt aufgeregt um uns herum. Plötzlich höre ich Gezeter. Mogi rast an mir vorbei, seine Beute sicher im Maul haltend. Dalai kommt um die Ecke und deutet erregt auf unseren Hund. „Mogi! Komm sofort her! Das kann doch nicht wahr sein“, sage ich als er sich untertänig vor mich setzt. Mit spitzen Fingern nehme ich ihm eine vollgeschissene Kinderhose aus dem Maul und trage das unansehnliche Ding zu Dalai, die sich bei mir freundlich bedankt.

Um 12:00 Uhr ist alles verstaut und zum Verladen auf die Pferderücken bereit. „Schlechte Ladetechnik“, sagt Odonbaatar und möchte die großen Seesäcke anstatt der Länge nach, quer auf die Pferderücken verschnüren. „Anfänglich hatten wir die Säcke auch quer gepackt. Sie sind aber ständig gerutscht. Diese Ladetechnik hat bisher 1.500 Kilometer gut gehalten. Bilgee entwickelte sie“, erkläre ich und lasse mich nicht beirren. Ein Grund, um das Engagement Odonbaatars Hilfe nahezu völlig einschlafen zu lassen. Er steht nun neben mir und macht kaum einen Finger krumm. „Na das kann ja heiter werden“, sage ich leise in meiner Sprache. Shagai verabschiedet sich von uns. „Bis in zehn Jahren“, scherzt er. „Wer weiß“, antworte ich lachend. Seine Frau Dalai ist über unser Gehen traurig. „Passt auf euch auf. Und, vielen Dank für alles was ihr uns gegeben habt“, sagt sie. „Keine Ursache. Vielen Dank für eure Gastfreundschaft. Die Zeit bei euch war unbeschwert und glücklich“, antworte ich an das schwierige Zusammenleben mit Ayush denkend.

Obwohl wir massiv an Ausrüstung abgespeckt haben sind Sharga, Tenger und Bor trotzdem schwer beladen. Um 13:30 Uhr verlassen wir nun zum ersten Mal auf dieser langen Reise einen Ort ohne unseren Bilgee. Sofort heftet sich ein Hund an unsere Fersen. „Wenn er merkt von uns nichts zu bekommen wird er bald wieder umkehren“, sage ich und weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht welches Durchhaltevermögen dieser Hund an den Tag legen wird.

Weil Naraa noch immer zu schwach ist will Tanja sie nicht reiten. Aus solidarischen Gründen führe ich meinen Sar ebenfalls hinter mir her obwohl wir ausgemacht haben das Tanja und ich ihn im Wechsel reiten. Als wir den ersten Berg überqueren, der Tsagaan Nuur im Nordosten begrenzt, liegen wieder zwei Betrunkene im Dreck. Die Beiden sind aber derart beieinander, dass sie erst gar nicht versuchen wieder ihren Bock zu besteigen.

Nach vierstündigem Fußmarsch erreichen wir einen breiten Fluss. Der Fährmann bringt unsere Pferde sicher über das Wasser. Auf der anderen Seite finden wir in einer Biegung des Flusses das saftigste Gras seit zehn Monaten. Odonbaatar kundschaftet die Biegung aus. Als er zurückkommt sagt er; „Kein gutes Gras. Wir müssen weiterziehen.“ „Was? Kein gutes Gras?“, sage ich verblüfft, weil es von unserem Standpunkt aus in der Flussbiegung vor Grün regelrecht strotzt. „Außerdem kommen wir hier nicht über den Seitenarm des Flusses. Er ist für die Pferde zu tief. Wir müssen außen herum laufen“, erklärt er auf einen See deutend in den der Seitenarm mündet. „Halt bitte mal mein Pferd und Mogi“, sage ich zu Tanja nun selber die Biegung in Augenschein zu nehmen. Als ich dort ankomme meine ich mich im Paradies zu befinden. Das grünste Gras aller Zeiten. Pferdefutter für mindestens eine Woche. Noch dazu liegt überall Feuerholz herum. Ich nehme einen dünnen Baumstamm, um die Tiefe des Seitenarms zu checken. An seiner flachsten Stelle ist er kaum mehr als einen halben Meter tief. Kopfschüttelnd laufe ich zu Tanja und Odonbaatar zurück. Als ich Tanja von dem traumhaften Fressgründen und der Furt berichte zieht Odonbaatar schon weiter. „Halt wir bleiben hier“, sage ich worauf er nicht reagiert. „Er hat gesagt dort drüben ist es viel besser“, meint Tanja. „Besser? Besser als hier kann es gar nicht sein“, antworte ich über die eigenartige Reaktion unseres Pferdemannes gereizt. „Er wird schon wissen wo es gut ist. Schließlich kommt er aus der Gegend“, versucht mich Tanja zu beruhigen. „Ich glaube nicht dass er weiß wo es gut ist. Ich verstehe ihn nicht“, meine ich ärgerlich ihm folgend. „Wenn du der Meinung bist hier ist es besser ruf ihn zurück“, fordert mich Tanja auf. „Was soll’s“, antworte ich mürrisch dem Mann weiter folgend.

Nur fünf Minuten später erreichen wir einen Lagerplatz der nicht annähernd solch saftiges Gras bietet. Als wir alle Pferde abgeladen haben entdecke ich eine böse Druckstelle an einem Rückenwirbel von Bor. „Sieht übel aus“, stelle ich fest und zeige die Verletzung unseren Pferdemann. „Dsügeer, dsügeer“, (okay, okay) meint er nur und wendet sich ab. „Nichts ist hier dsügeer“, ärgere ich mich. „Denke ich sollte die Pferde ab morgen selber satteln“, meine ich und betrachte mir das abgefressene Gras unserer Lagerstelle. „Vielleicht ist das grüne Gras in der Biegung nicht für Pferde geeignet?“, frage ich jetzt verunsichert. Da der Fluss sich nur 100 Meter von uns entfernt befindet und ich auf der gegenüberliegenden Uferseite das gleiche grüne Gras wie in der Flussbiegung entdecke, die unser Mann verschmäht hatte, frage ich Odonbaatar ob das Gras dort drüben nur für Rinder und Schafe aber nicht für Pferde gut ist. „Sehr gutes Fressen für Pferde“, antwortet er, worauf ich noch mehr verwirrt bin. „Also entweder er ist nicht ganz dicht in der Birne oder er führt was im Schilde“, vermute ich. „Warum?“, fragt Tanja. Na weil er uns von sehr guten Fressgründen auf diese abgegraste Weide führt. Weil die Furt dort passierbar ist und weil das Feuerholz an jenem Ort ebenfalls entschieden besser ist als hier“, antworte ich. Kaum ist das Gepäck abgeladen hat unser Mann Hunger. Er will nicht mal warten bis die Zelte errichtet sind. Es muss sofort gegessen werden. „Gut, dann essen wir eben gleich und bauen die Zelte später auf“, gebe ich nach und frage mich mittlerweile wer hier der Boss ist und warum wir diesen Menschen überhaupt dabei haben.

Nachdem der erste Hunger gestillt ist baue ich unser großes Zelt auf. Dann trage ich die gesamte Ausrüstung hinein. Odonbaatar denkt nicht mal darüber nach mir bei der Schlepperei zu helfen und ich bin zu stolz ihm jeden Handgriff befehlen zu müssen. Dann zeige ich ihm wie er sein Zelt aufstellen soll. Nachdem es einzugsbereit ist gebe ich ihm noch die Isomatte damit er nicht auf dem blanken Boden liegen muss. Kaum ist sein Lager fertig krabbelt er hinein, um sich hinzulegen. „Und wer hütet die Pferde?“, frage ich. „Hier gibt es keine Diebe“, ist seine Antwort. „Woher willst du das wissen?“ „Ist meine Heimat. Ich kenne mich hier aus. Außerdem kenne ich hier jeden. Mir klaut keiner Pferde. Sollte eines fehlen brauche ich nur meine Leute anzurufen. Dann bekommen wir das Pferd zurück“, erklärt er, schließt den Reißverschluss und legt sich hin. „Und wann gedenkst du die Pferde anzupflocken?“, frage ich durch die Zeltbahn. „Um 23:00 Uhr.“ „Dann ist es zu dunkel. Wir müssen sie noch bei Tageslicht für die Nacht fertigmachen“, erwidere ich bekomme aber keine Antwort mehr. Verdutzt stehe ich da und weiß nicht wie ich darauf reagieren soll. „Er hat mich einfach stehen gelassen“, sage ich als ich wieder bei Tanja bin. „Wollte er die Pferde nicht wenigstens tränken?“, fragt sie. „So wie es aussieht nicht.“ „Na dann müssen wir das tun“, antwortet sie worauf wir unsere Tiere zum Fluss führen damit sie ihren Durst stillen können.

Tuya spring aufgeregt herum und spielt. Er scheint der Einzige zu sein dem die Reiseetappe gefällt. Neugierig geht er zum kleinen Zelt in dem Odonbaatar ruht und knabbert an den Zeltschnüren herum. Odonbataar kommt aus seiner Behausung geschossen und schlägt unserem kleinen mit der flachen Hand auf den Hintern. Tuya reißt die Augen auf und rennt erschrocken zu seiner Mama. „Nein! Aufhören!“ rufen Tanja und ich gleichzeitig. Nun wissen wir warum Tuya in den letzten Tagen scheu geworden ist. „Dieser Schwachkopf schlägt unser Baby“, schimpfe ich. „Uutschlal“, entschuldigt er sich und verzieht sich wieder ins Zelt.

Um 22:00 Uhr wecke ich Odonbaatar. „Es ist Zeit die Pferde zu holen und anzupflocken“, sage ich. Nach einer Weile kommt er tatsächlich aus dem Zelt, lässt sich auf einen Hügel nieder und bleibt dort wie versteinert sitzen. „Entweder ist er eingeschlafen oder er hört mit seinem Handy Musik“, vermute ich auf die Silhouette deutend. Tanja und ich sammeln unsere Pferde zusammen und pflocken sie in Zeltnähe an die etwa 10 Meter langen Seile. Auf diese Weise besitzt jedes Tier einen große Radius, um sich satt fressen zu können. Um den Pferden aber die Möglichkeit zu bieten noch mehr zu fressen werde ich in der Nacht und am Morgen aufstehen um die Haken zu versetzen. Eigentlich die Aufgabe des Pferdemannes. Der sitzt aber noch immer wie eine Salzsäule auf seinem kleinen Hügel. Langsam gehe ich zu ihm, um zu sehen was er da treibt, denn Meditation ist für diesen Menschen sicherlich ein Fremdwort. Als ich näher komme bemerke ich seine nach vorne gefallenen Schultern und Kopf. Anscheinend kann Odonbaatar in jeder Position zu jeder Zeit in einen Tiefschlaf verfallen

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