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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Wesen aus der Vorzeit hängen am Türrahmen

N 23°18’28.1“ E 144°22’24.5“
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    Tag: 185-186 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 576-577

    Sonnenaufgang:
    05:29

    Sonnenuntergang:
    18:44-18:45

    Gesamtkilometer:
    5771

    Temperatur - Tag (Maximum):
    40° Grad, Sonne ca. 60°

    Temperatur - Nacht:
    21° Grad

    Breitengrad:
    23°18’28.1“

    Längengrad:
    144°22’24.5“

Bimbah-Camp — 17.11.2002 – 18.11.2002

Die letzten Tage auf Bimbah sind angebrochen. Der Gedanke an den Weitermarsch ist wegen der Hitze und der noch vor uns liegenden Strecke nicht gerade beflügelnd. Trotzdem versuchen wir wieder unseren alten Elan zu bekommen und sprechen uns selbst Mut und Kraft zu. Ich sitze gerade in einem Nebentrakt des Wohnzimmers, um an dieser Geschichte zu schreiben als mich plötzlich lautes Hundegebell aufschrecken lässt. Jenny, Tanja und ich schießen aus unseren Stühlen, um nach draußen zu sehen. „Die jagen eine Echse!“ ,ruft Jenny die Terrassentür aufreißend. Wie von der Tarantel gestochen stürmen wir ins Freie. Die fünf Farmhunde und natürlich auch Rufus hetzen eine riesige Echse über den grünen Rasen des Gartens. „Haut ab! Haut ab! Lasst sie in Frieden!“ ,befehlen wir der aufgebrachten Hundemeute brüllend. Die etwa 1 ½ Meter lange Echse schießt auf das Haus zu. Einer der Hunde beißt sie, worauf sie ihren gefährlichen Schwanz durch die Luft schleudert und ihn nur um Haaresbreite verfehlt. Der peitschende Schlag ihres Schwanzes kann mit Leichtigkeit jedem Hund alle Beine brechen. „Lasst sie in Ruhe! Mein Gott, lasst sie!“ ,schreien wir durcheinander. Das Chaos ist perfekt. Der Waran faucht gefährlich laut, dass es uns das Blut in den Adern gefrieren lässt. Jack, der Arbeitshund, versucht wieder seine Zähne in das Reptil zu jagen. Ich hechte herbei und boxe dem aufgebrachten und keifenden Jack mit einem kräftigen Faustschlag. „Pass auf seinen Schwanz auf!“ ,ruft Rowley der in der Zwischenzeit aus seinem Büro gestürmt ist, um uns zu Hilfe zu eilen. Endlich hat der Hund genug und trollt sich widerwillig davon. Rufus sitz am ganzen Körper zitternd unter einer Bank und beobachtet die eigenwillige Szene. Die kleine Haushündin Woopy kläfft immer noch ärgerlich. Auf einmal rast die große Echse auf die Terrassentür zu und klettert den Metallrahmen der Glastür hinauf. „Sie denkt die Tür ist ein Baum. Man muss wirklich aufpassen, dass diese Warane in ihrer Panik nicht an einem Menschen hoch rasen. Das ist schon einigen Menschen geschehen und sehr schmerzhaft. Vor allem, wenn sie innerhalb eines Sekundenbruchteiles an deinem Kopf angelangen und sich mit ihren messerscharfen Krallen in dein Gesicht und Augen bohren. Schaut euch seine scharfen Krallen an. Wenn die sich ins Fleisch graben, na dann gute Nacht,“ sagt Rowley ernst.

Da dieses aus vergangenen Zeit wirkende Wesen jetzt wie eine Versteinerung an der Tür hängt, nutzen wir die seltene Gelegenheit sie genau zu inspizieren. „Sind in der Tat scharfe Krallen. Mein Gott, wenn ich daran denke, dass sie auch mich als Fluchtbaum wählen hätte können, wird mir ganz anders,“ äußere ich mich respektvoll. „Was ist, wenn sie sich gleich überlegt ins Haus hineinzuflüchten?“ ,frage ich. „Wäre nicht gut. Ich hole schnell einen Besen. Vielleicht kann ich sie damit vertreiben?“ ,antwortet Rowley und verschwindet in der Küche während ich in unser Zimmer rase, um mir die Kameras zu schnappen. Es dauert nicht lange, bis wir wieder am Ort des Geschehens sind und Rowley versucht die Echse mit dem Besenende zu vertreiben. Chchchchch! Chchchchch, faucht sie laut und will den Türrahmen nicht loslassen, doch plötzlich bewegt sie sich. „Ohhhh, ooohhh,“ wimmert unser Gastgeber ängstlich, denn wenn die krokodilähnliche Kreatur erst mal im Wohnzimmer ist wird es eine große Herausforderung sein sie wieder aus dem Haus zu befördern. „Vielleicht sollten wir die Schiebetür schließen?“ ,schlage ich vor. Ohne viel Worte zu verlieren schiebt Rowley die Tür, an der der Flüchtling hängt, gegen den Rahmen. Die Echse hält sich weiterhin mit eisernem Griff fest, bis die sich schließende Glastür kaum noch Platz für ihre Krallen lässt. Blitzschnell zieht sie einen Fuß nach dem anderen zurück, wodurch Rowley in der Lage ist die Tür ganz zu zuschieben. „Puuuhh, das hätten wir geschafft,“ atmet er erleichtert aus und verschwindet wieder in seinem Büro. Tanja und ich sitzen nun vor der geschlossenen Glastür und sehen uns den Waranus Giganteus, so lautet sein lateinischer Name, genau an. Er klammert sich an dem Moskitogitter fest, welches an der Außenseite der Glastür gespannt ist. Seine Krallen haben das feste Netz zerrissen. „Schau dir seinen Bauch an. Sieht aus wie bei einer Schlange,“ stelle ich fest. „Hm, und seine Zeichnung kommt einem wunderschönen Gemälde gleich,“ antwortet Tanja. So sitzen wir noch eine weitere halbe Stunde vor dem Zufallsterrarium, bis sich der Waran von der Scheibe gleiten lässt und sich über den saftigen Rasen langsam davon macht.

AUS DEM MÄRCHENBUCH ENTSPRUNGEN

Am Abend sind wir von der Nachbarstation Fairfield zum Essen eingeladen. Obwohl wir wegen unserem baldigen Aufbruch mit den Vorbereitungen stark beschäftigt sind, nehmen wir die Einladung der äußerst netten Familie an. Rowley fährt uns hin und nutzt somit gleich die Gelegenheit, um uns die vor uns liegende Strecke zu zeigen. „Ab hier gibt es die nächsten fünf Kilometer nichts mehr zu fressen. Alles ist abgegrast und trocken. Ihr solltet dort drüben an dem Seitenarm des Thomson River campen. An seinen Ufern wachsen noch genügend Briklybüsche die eure Kamele gerne fressen,“ erklärt er mit einer weiten Handbewegung auf das tote Land deutend.

Nachdem ich die Tagesroute und das Camp in meinem GPS markiert habe fährt uns Rowley zu den Macintosh. Wir werden mit offenen Armen und herzlichem Lachen empfangen. Kaum betreten wir den Garten läuft uns ein kleines Kalb über den Weg. „Willst du es füttern?“ fragt Margot, unsere Gastgeberin. „Gerne,“ antwortet Tanja mit strahlendem Lachen. Emily, die zwölfjährige Tochter, bringt sofort eine Flasche mit Milch. „Hier,“ sagt sie mit sanften Lächeln, in angenehmer Stimme und reicht diese Tanja. Sofort saugt das Kälbchen hungrig an der künstlichen Zitze.

Die Sonne verabschiedet sich wie jeden Tag mit ihrem warmen Licht. Die Henne namens Amy quert mit ihrem Küken den Hof. „Freunde gaben sie uns, weil die anderen Hühner immer auf sie eingehackt haben. Sie hatte dort ein schreckliches Leben. Seitdem sie bei uns wohnt, geht es ihr besser. Leider ist sie eine Einzelgängerin geblieben. Auch unsere Hühner wollen ihr keine Gesellschaft leisten.“ ,erklärt uns Margot. „Warum hat sie denn nur ein Küken?“ ,möchte ich wissen. „Ach, das ist auch so eine traurige Sache. Sobald sie ein Ei legt, wird es von den anderen Hühnern zerstört. Aber zumindest ist sie jetzt stolze Mutter eines Kindes.“

Wir unterhalten uns in angenehmer Atmosphäre über unsere Reise als sich ein Känguru zu uns gesellt. „Darf ich vorstellen. Das ist Qantas,“ sagt Robert. Qantas ist ein junger Kängurubulle der ungeniert meine Hand greift und mit mir zu spielen beginnt. Als ich nach einiger Zeit glaube genügend mit ihm gespielt zu haben wende ich mich wieder dem Geschehen am Tisch zu. Qantas ist damit nicht einverstanden und möchte nun seine Boxkenntnisse ausprobieren. Da wir ein eigenes Känguru besitzen, weiß ich wie ich auf Qantas reagieren muss und halte ihm beide Arme nach unten. So kann er nicht hochspringen, um mich mit seinen Hinterfüßen zu boxen. Qantas windet sich allerdings und ich habe meine Mühe keinen seiner Schläge abzubekommen. „Lass das Qantas,“ schimpft Margot, steht auf und trägt den schweren, noch nicht ausgewachsenen, Jungen einfach davon.

Als wenig später ein Lämmchen blökend vorbeiläuft, komme ich mir vor wie in einem Tierparadies. „Er ist von seiner Mutter ausgestoßen worden. Wenn es zu trocken wird oder die Überlebensbedingungen für Schafe zu hart werden, kommt es vor, dass sie ihre Kinder zurücklassen. Sie sterben meist schon nach wenigen Stunden. Ich fand den Kleinen als ich mit meiner Räummaschine einen Weg gezogen habe. Er hat sich gefreut im klimatisierten Fahrgastraum mitzufahren und nun ist auch er ein Teil unserer Familie,“ erklärt Robert.

Dann freuen wir uns über die Bekanntschaft mit zwei Hunden und einer Kängurumutter die gerade von einem Buschausflug zurückkommt. Nervös steht sie am Zaun und blickt über das weite Land. „Was hat sie denn?“ ,frage ich Margot. „Sie vermisst ihr Junges. Heute ist sie das erste Mal ohne ihr Junges zurückgekommen. Ich denke ich lasse sie noch mal raus. Hoffentlich findet sie ihr Kind,“ meint sie und öffnet das Gatter. Sofort springt die Kängurumutter auf das weite Feld, bleibt abrupt stehen, reckt ihren Kopf in die Höhe und versucht die Witterung ihres Kindes aufzunehmen. Es dauert nicht lange, bis sie davon hüpft und im letzten Tageslicht verschwindet.

Nachdem es dunkel ist gehen wir ins Haus. Die zwei Töchter Emily und Mary beschäftigen sich mit Brettspielen. Der aufgeweckte elfjährige Junge namens Hugh hingegen kennzeichnet seine Rinder. „Das ist meine eigene Rinderherde. Ich habe 40 Kühe, 10 Kälber und 5 Bullen,“ erklärt er mir, während er auf jeden der Kieselsteine genau schreibt ob er ein Kalb, eine Kuh, ein Stier oder ein Bulle ist. Mit dem fachmännischen Blick eines zukünftigen Head Stockman (Chef der Jakeroos und Jilleroos) legt er seine Rinder in eine Plastikdose. „Das ist ihr Gehege,“ sagt der sympathische Junge mit seinem erquickenden Kinderlachen.

Selten in unserem Reiseleben sind Tanja und ich so einer Familie begegnet. Obwohl wir die Menschen kaum kennen scheinen sie alle zusammen einem Märchenbuch zu entspringen. Das wunderschöne, eigenwillige und friedliche Lächeln, was bald unaufhörlich alle Gesichter wiederspiegeln, lässt mich glauben, Menschen getroffen zu haben, die es nur in einem Traum zu geben scheint. Kaum sind wir so wohlerzogenen, aufmerksamen, liebenswerten und bescheidenen Kindern begegnet. Wir verbringen einen äußerst unterhaltsamen und angenehmen Abend. Mit großen Augen und staunenden Gesichtern hören die Kinder und Eltern den Erzählungen über einen Kontakt zu einem Kannibalen stamm in West Neuguinea, dem versuchten Mordanschlag in Guyana, dem Blutsuppeessen in der Mongolei, der Termitenjagd der Yanomami Indianern in Venezuela und vielen anderen Geschichten, zu.

Nach dem Abendessen verabschieden wir uns wie alte Freunde und glauben diese Menschen schon ewig zu kennen. Alle zusammen springen in den Jeep, um uns nach Bimbah zurückzubringen. Auf Bimbah angekommen umarmen wir uns noch mal und winken ihnen nach. Hugh darf sich ans Steuer setzen und den schwere Geländewagen nach Hause fahren. Auch die Töchter können schon Autofahren, was auf den Stations keine Seltenheit ist.

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