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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Bis wir Gott verstehen

N 23°06’24.0“ E 144°28’10.8“
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    Tag: 187 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 578

    Sonnenaufgang:
    05:28

    Sonnenuntergang:
    18:46

    Luftlinie:
    24,4

    Tageskilometer:
    27

    Gesamtkilometer:
    5798 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    36° Grad, Sonne ca. 56°

    Temperatur - Nacht:
    18,6° Grad

    Breitengrad:
    23°06’24.0“

    Längengrad:
    144°28’10.8“

Neue Energie-Camp — 19.11.2002

Heute ist es wieder soweit. Nach einer längeren Rast als geplant geht unser ereignisreicher Marsch, durch ein Land in dem das Abenteuer sich mit der Unendlichkeit vereint hat, weiter. Um am heutigen Morgen keinen Zeitverlust zu unterliegen bereiteten wir in den vergangenen zwei Tagen schon alles vor. So holten wir mit Rowleys Ute die Sättel vom Damm und reihten sie neben einem Rindergehege unweit der Homestead auf. Gestern Abend schlichteten wir nahezu die gesamte Ausrüstung neben die dazugehörigen Sättel. Wieder haben wir alles fein säuberlich mit unserer Federwaage gewogen, um die Ladung der linken und rechten Satteltaschen bis auf ein Kilogramm genau anzupassen. Tanjas Ladplan lässt nicht zu, dass einer unserer Jungs einseitig belastet ist und somit in die Gefahr läuft sich unnötige Druckstellen zu holen. Wir sind wieder guter Dinge. Der Aufenthalt hier bei Jenny und Rowley hat uns viel Energie gespendet. Auch die Kamele konnten sich in den letzten zwei Wochen bis zum Rand voll fressen. Sie hatten eine gute Zeit, denn sie durften auf dem großen Gelände frei herumlaufen und sich an den leckeren Büschen und Bäumen nach Lust und Laune bedienen.

Bereits um 05:00 Uhr gesellen sich unsere beiden hervorragenden Gastgeber zu uns, um den Prozess des Ladens mitzuverfolgen. Es ist 06:30 Uhr als der Kamelzug marschfertig ist und auf mein Kommando wartet. Wir umarmen Jenny und Rowley und sind ihnen aus dem inneren unseres Herzens für ihre Liebenswürdigkeit, ihre lockere Art, ihre Freundschaft, ihre Ideen, der unvergleichlichen Großzügigkeit und dem uns entgegengebrachten Vertrauen dankbar. In einer kritischen Phase der Expedition haben sie uns mit offenen Armen empfangen und ein Paradies des Friedens und der Ruhe geboten. Nie werden wir die Beiden vergessen und sie, wie auch viele andere unserer vergangenen Gastgebern, bis zum Rest des Lebens in unseren Herzen mit uns tragen.

DER LETZTE RÜCKZUGSORT, DER LETZTE PRIVATE RAUM EINES MENSCHEN

„Camis walk up!“ ,rufe ich das Kommando und wie in den letzten Wochen, Monaten und Jahren setzen sich unsere Füße voreinander. Es ist ein wunderschöner Tag. Tief blauer Himmel wölbt sich über unsere Köpfe. Vögel zwitschern ihr frisches, lebensfrohes Lied, schwarze Papageien fliegen kreischend von Baum zu Baum und eine leichte Brise lässt unsere kraftvollen Lungen atmen. Die Schwäche, die negativen Gedanken, die tiefen Gründe der Psychohölle, die vor wenigen Wochen ihre gichtigen Finger nach uns greifen ließen, sind wie weggeblasen. Existieren nicht mehr. Wir fühlen uns wie neugeboren. Nicht mehr wie Menschen die ziellos durch einen langen, dunklen Tunnel getrieben wurden, ohne die Chance zu besitzen jemals wieder das lebensfrohe Licht des Tages zu erreichen. Bimbah war eine wichtige Zwischenstation, wichtiger als wir zu ahnen gewagt haben. Noch fällt es mir schwer zu beschreiben was unsere Herzen befreit hat. Es sind tiefe emotionale Geschehnisse. Geschehnisse die im inneren eines Menschen ihr Matsch austragen. Es sind die letzten Rückzugsorte der Psyche, der letzte private Raum eines Menschen. Es ist ein Ort in dem wir uns zurückziehen können wann immer wir wollen. Ein Ort des Friedens aber auch ein Ort des Kampfes in dem Schlachten ausgetragen werden die manchmal sogar über Leben und Tod entscheiden. Deren Ausgang entscheiden kann wie das zukünftige Leben weitergeht. Ob man auf der Bahn bleibt oder als uferloses Treibgut in die Unendlichkeit des Alls geschleudert wird. Wir alle halten es in unseren eigenen Händen, halten und formen unsere eigene Zukunft ohne das es uns Menschen bewusst ist.

Hier auf Bimbah hatte ich viele Gelegenheiten mich zu diesem Ort meines eigenen Selbst, des eigenen Seins, dem Zentrum von Allem Was Ist, zurückzuziehen. Viel habe ich nachgedacht, viel habe ich analisiert und so manche Hürden sind nach ewigen hin und herringen ans Tageslicht getreten, sind aus dem Tunnel der Dunkelheit nach draußen explodiert und vom Licht der Sonne zu Schutt und Asche verbrannt. Ich möchte hier nicht den Eindruck erwecken die letzten Monate durch eine Hölle meiner eigenen Psyche gelaufen zu sein, aber wie ich in den offenen und ehrlichen Texten der vergangenen Wochen beschrieb, hat sich in meinem innersten Ort, im letzten privaten Raum, ein Gewitter aufgebaut, welches ich nur schwer in Worte formen kann. Ich bin mir aber auch sicher, das ein jahrelanges, extremes Leben in der Wüste genau solche inneren Gewitter zusammenbrauen lässt. Ein Gewitter welches mit einer Schlacht vergleichbar ist. Eine Schlacht die sich wie ein Gewitter dann entlädt, wenn man es kaum für möglich hält.

Genau dieses Ereignis, genau diese Entladung der aufgebauten Spannung, die Explosion von der ich sprach, ist es, was mein inneres Sein ein wesentliches Stück weiter an das Licht der Sonne geschleudert hat. Es ist mit einer Befreiung vergleichbar, vergleichbar damit als würde eine unsichtbare Macht die erstarrten Fesseln um das Herz, die Fesseln um die Psyche, lösen.

Ohne jeglichen Zweifel bin ich meinem Lehrmeister der Wüste und der Mutter Erde für diese Befreiung meiner Psyche ungeheuerlich dankbar. Ich danke ihnen, leichter, mit noch weiterem Herzen, auf die nächsten Herausforderungen des Lebens schreiten zu dürfen. Ich danke der Wüste und der Mutter Erde, Tanja und mich mit bald eisernem Griff an all die Aufgaben der vergangenen Jahre geführt zu haben. Ohne diese oft gnadenlos wirkende Führung, aber auch den allumfassenden Schutz, wären wir nicht da wo wir heute sind. Womit ich meine, mehr inneren Frieden und inneren Reichtum zu besitzen.

Mir kommt es so vor als würden wir schon lange nicht nur einen Schritt vor den anderen setzen, um lumpige Kilometer zurückzulegen, sondern hautsächlich um zu lernen. Jeder Schritt trägt uns neuem Wissen, neuen Aufgaben, neuen Abenteuern und Herausorderungen entgegen. Mit jedem Schritt steigert sich das Verlangen danach unsere Erfahrungen, Erlebnisse und Erkenntnisse, an Euch liebe Leser, mitzuteilen. Ich weiß nicht warum ich hier einen Großteil meines Gedankengutes, einen Großteil meines Seins an Euch mitteile, aber irgendwie kann ich nicht anders. Irgendwie werde ich von einem inneren Antrieb dazu gezwungen. Mir ist auch nicht richtig klar ob diese Gedanken für viele von Euch von Interesse sind aber trotzdem schreibe ich sie wie in diesem Fall nieder. Oft sitze ich da und lasse unsere Erlebnisse Revue passieren, lasse sie wie ein Film vor meinem inneren Auge noch mal abspielen und plötzlich schreiben meine Finger solche Texte. Meist unterbreche ich mich dann bewusst, um nicht in die Gefahr zu laufen langweilig zu werden. Wie gesagt, es ist nicht leicht eine Geschichte zu erzählen ohne seine Zuhörer zu sehen, ohne eine unmittelbare Reaktion mitzubekommen auf die ich reagieren könnte. Auf der anderen Seite ist die Geschichte so wie sie ist, unverfälscht, offen und direkt. Es ist eine Geschichte dessen Drehbuch das Leben schreibt. Eine Geschichte in der wir selbst nicht wissen wie sie morgen weitergeht. Sie ist immer spannend und wird immer spannend bleiben. So sollte das Leben sein, spannend, interessant, voller Liebe und voller Lernen. Auch wenn es uns ab und zu an den Kragen geht, auch wenn wir ab und zu nicht wissen wo uns der Kopf steht, bin ich froh über jeden weiteren Tag dieses Lebens. Bin ich froh meinen und unseren Lehrmeister in Mutter Erde gefunden zu haben. Einen Lehrmeister der viele Namen hat. Mutter Erde wird uns nie belügen, sie ist ein Teil von uns und wir sind ein Teil von ihr. Wir kommen aus der Erde und gehen in sie zurück. Wir gehören zusammen und nicht mal der Tod kann uns scheiden. Mutter Erde ist ein Teil vom Universum, ein Teil von Gott und da wir eine Teil von ihr sind sind wir ein Teil von „Allem Was Ist“. Es eine simple Erkenntnis, es ist eine befreiende, mutspendende Erkenntnis, die uns Menschen immer weiter führt, immer weiter bis wir Gott aus dem tiefen Inneren unseres Herzens verstehen und leben.

MENSCHEN VERABSCHIEDEN SICH VON UNS & WARNUNG VOR WEITEREN GIFTPFLANZEN

„Da kommt ein Auto,“ ruft Tanja, worauf ich unsere Jungs auf die Seite des Tracks ziehe. Etwa 50 Meter vor uns hält der Jeep an. Mark, seine Frau Pam und der kleine Junge Clem steigen aus. Wir kennen sie bereits, da wir einen Abend auf Bimbah gemeinsam verbrachten und einen unserer Dokumentationsvideos ansahen. Sie kommen uns lachend entgegen. Mark ist der Manager von Goodberry Station. Er arbeitet für Rowley und Jenny die auch diese Farm zu ihren Besitz zählen. Die Familie ist extra herausgefahren, um die Karawane zu sehen. „Hast du jemanden an der Küste gefunden der uns am Ende der Expedition seine Gastfreundschaft anbietet?“ ,frage ich Mark. „Nein leider nicht Denis. Viele der Stationbesitzer konnte ich nicht erreichen. Ich hatte nur zu einer Station Kontakt. Sie befindet sich allerdings 200 Kilometer südlich von Bowen. Das ist bestimmt zu weit für euch?“ „Ja, 200 Kilometer bedeuten für uns zwei Wochen laufen, doch wenn wir nichts anderes finden müssen wir in den sauren Apfel beißen und diesen weiteren Umweg in Kauf nehmen.“ „Rufe uns einfach an wenn es soweit ist. Wir werden bestimmt eine Farm finden auf der ihr eure Expedition auflösen könnt,“ antwortet er. Nach ein paar Fotos verabschiedet sich die Familie von uns.

Es dauert nicht lange als Mark Kleinschmidt von der Lake Eyre Basin Behörde uns aufsucht, um ebenfalls ein paar Fotos zu schießen. Wir haben ihn vor einer Woche in Longreach kennen gelernt. „Ich hatte Kontakt mit einem Kamelmann in Südaustralien. Er organisiert Expeditionsreisen für Touristen. Er hat schon von euch gehört und ist eventuelle an euren Kamelen interessiert. Wenn er sich im Augenblick Expeditionskamele leisten kann, wird er sich mit Jo und Tom Kitchen in Verbindung setzten. Ihr habt ihre Telefonnummer ja in eurer englischen Webseite veröffentlicht.“ „Oh, das klingt gut Mark. Vielen Dank für die Information.,“ antworte ich und freue mich das die ABC Radiointerviews auf offene Ohren getroffen sind.

Wir befinden uns immer noch im Gespräch mit Mark Kleinschmidt als ein weiterer Jeep hält. Es ist unsere Traumfamilie. Wir begrüßen uns, stellen uns für ein paar Fotos bereit und wechseln ein paar Worte. Um unser heutiges Tagesziel zu erreichen können wir leider nicht lange reden. Wir verabschieden uns und folgen dem Track nach Muttaburra. Noch weitere Autos halten neben der Karawane. Wir werden wieder und wieder von der kommenden 1080 Pflanze (Desert Poison Bush oder Heart Leaf) gewarnt, die für Rinder, Schafe, Pferde und Kamele absolut tödlich ist. Es ist die gleiche Giftpflanze wegen der wir den Umweg nach Westerton Station gelaufen sind. Auf dem Weg zur Ostküste gibt es mehrere Gebiete auf der sie Zuhause ist und eine weitere Bedrohung für unsere Kamele bedeutet. „Wenn ihr auf dem Track bleibt, kann euch nichts geschehen,“ hat der Stationbesitzer von The Lakes Station uns am Telefon gesagt. Doch wissen wir bis jetzt noch nicht an welchen Orten wir mit dieser Giftpflanze zu rechnen haben.

Wir bedanken uns bei den Menschen die uns freundlicherweise vor dem Giftbusch warnen und laufen weiter. Noch sind wir sicher, denn nach unseren Informationen wächst der Heart Leaf Busch erst 50 Kilometer hinter dem Dorf Aramac.

Etwa einen Kilometer vom Track entfernt finden wir an dem von Rowley genannten Seitenarm des Thomson River einen Lagerplatz unter einem riesigen Eukalyptusbaum. Eine große Känguruhorde nutzt diesen schattigen Ort ebenfalls als Ruheplatz. Kaum sehen die Tiere uns herannahen, hüpfen sie in weiten Sprüngen davon.

Nachdem wir unser Lager aufgebaut haben und die Tiere beim Fressen sind hören wir Motorengeräusche. Ein Jeep quält sich über die holprige trockene Graslandschaft in unsere Richtung. Es ist Rowley der uns auf seinem Heimweg noch mal besuchen möchte. „Hallo! Wie geht es euch am ersten Lauftag?“ ,fragt er lachend. „Die Muskeln jammern,“ antworte ich scherzhaft. Wir unterhalten uns ein wenig über die schöne Zeit auf Bimbah und es dauert nicht lange, bis er auch schon wieder gehen muss. „Benötigt ihr noch Wasser?“ ,fragt er noch. „Hm, es sind nur noch 80 Kilometer bis nach Aramac. Eigentlich haben wir genug,“ antworte ich nachdenklich. „Es ist nicht gut da draußen durstig zu sein,“ entgegnet er. „Du hast recht, 10 Liter mehr können die Kamele tragen. Wir haben sie heute eh schon verbraucht,“ entschließe ich mich dann, nehme einen leeren 10 Literbeutel und fülle ihn an seinem Jeep auf. Dann verabschieden wir uns höchstwahrscheinlich zum letzten Mal von unserem Gastgeber und winken dem davon holpernden Toyota hinterher.

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