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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Unverhoffter Jurtenabbau

N 51°33'337'' E 099°15'341''
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    Tag: 266

    Sonnenaufgang:
    06:26

    Sonnenuntergang:
    20:19

    Gesamtkilometer:
    1341

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    8°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 2°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 15°C

    Breitengrad:
    51°33’337“

    Längengrad:
    099°15’341“

    Maximale Höhe:
    1981 m über dem Meer

Bei kaltem Wind und starkem Schneetreiben eile ich schon am frühen Morgen zum Blockhaus eins, um nachzufragen ob unsere Nachbarn einen Lastwagen für den Abtransport unserer Jurte organisieren konnten. „Ja wir haben einen Lastwagen der morgen kommen wird“, meint Tsaya. „Oh, morgen“, antworte ich über den anscheinend ernstzunehmenden frühen Termin überrascht. Nur fünf Minuten später hat sich der hundertprozentige sichere Lastwagentermin in Luft aufgelöst. „Er kann nicht kommen weil er für Jadetransporte mehr Geld bekommt. Leider gibt es in ganz Tsagaan Nuur nur 4 Lastwägen mit Allradantrieb. Deswegen ist es bald unmöglich zu dieser Jahreszeit einen zu mieten. Ein weiterer Grund ist auch weil die Bewohner des Ortes im Frühjahr beginnen Holz für den Winter zu schlagen und dieses mit den LKWs abtransportieren lassen. Die Fahrer können auf diese Weise zwei bis drei Holzladungen pro Tag transportieren, wodurch sie weit mehr verdienen als eine Fahrt in die Taiga, um eine Jurte abzuholen“, höre ich als würde Tsaya die Fahrer in Schutz nehmen. „Ist ja in Ordnung. Und was machen wir jetzt?“, frage ich mich innerlich über Shagai ärgernd der sich nicht um seine Jurte kümmert und nun doch alles uns überlässt. Natürlich könnte uns die Jurte nun völlig egal sein. Wir könnten ausziehen und sie in der Taiga stehen lassen. Aber da wir sie auch ins Tuwa-Camp verfrachteten liegt die moralische Verantwortung das Filzhaus wieder an seinen Ursprungsort zurückzubringen bei uns.

Nach weiteren Telefonaten erklärt sich Ultsaans Schwager Hohood bereit unsere Jurte mit einem Four-Gun (Allradbus) abzuholen. „Passt sie da rein? Der hölzerne Fußboden ist doch viel zu groß“, gebe ich zu bedenken. „Wenn ihr ihm das Gleiche bezahlt wie für den Lastwagen bringt er sie unter. Zur Not fährt er zweimal“, erklärt Tsaya. „Ein Four-Gun kostet im Normalfall 80.000 Tugrik, (46,-€) der Lastwagen hingegen 120.000 Tugrik. (69,- €) Nein, das ist zu teuer“, antworte ich. In einem weiteren Telefonat reduziert Hohood seinen Preis auf 110.000 Tugrik. (62,- €) „105.000 Tugrik (60,- €) und wir sind im Geschäft“, unternehmen ich einen erneuten Verhandlungsversuch. „Okay, ich komme für 100.000 Tugrik“, (57,- €) verblüfft mich seine Antwort. „Abgemacht. 100.000 Tugrik und er bringt die gesamte Jurte raus. Wann wird er kommen?“ „Heute.“ „Heute?“, frage ich erschrocken. „Er muss morgen nach Mörön fahren. Heute oder nie.“ „Okay heute. Wann wird er da sein?“ „In drei Stunden“, meint Tsaya als wäre es das Normalste der Welt. „Drei Stunden. Wie sollen wir da unseren gesamten Haushalt auflösen?“ „Mach dir keine Gedanken. Wenn er kommt werde ich ihm erstmals zu Essen geben. Das schafft ihr schon“, sagt sie. „Gut, dann bis später. Ich bin ab sofort sehr, sehr beschäftigt“, antworte ich, eile zu unserer Jurte und hoffe das uns Hohood nicht sitzen lässt oder den Termin wieder ändert.

„Hohood wird in drei Stunden da sein“, erschrecke ich Tanja als ich in unsere Behausung trete. Dann nimmt es Tanja gelassen und beginnt sofort ihre Küche in Kisten zu packen. Wie ein flinkes Wiesel spurte ich nun zwischen unserer Jurte und unserem großen Zelt hin und her welches wir gestern zum Test das erste Mal aufgebaut haben. Da ich letztes Jahr beim Niederschreiben unserer Erlebnisse unter dem starken Wind litt und keinen Schutz vor ihm fand, hatte unser Zeltsponsor schnell reagiert und uns ein sturmsicheres Hauszelt geschickt. Weil wir ab Mörön wegen den hohen Bergen umdisponierten und unseren Pferdewagen zurücklassen mussten hatten wir für das 20 Kg. schwere Zelt keinen Platz in den Packtaschen. Und jetzt stellt sich dieses Zelt doch tatsächlich als ein Segen heraus. Der Plan ist das wir bis zum Umzug unser gesamtes Habe von der Jurte in das Zelt schlichten und auch dort schlafen. Das wird zwar kalt aber eine andere Chance besitzen wir nicht. Im Frühjahrscamp leben wir ja in einem Tipi in dem man wieder ein Feuer entfachen kann. Bis dahin müssen wir uns warme Gedanken machen. Um 15:00 Uhr ist unsere Jurte leer. Nur noch das Wandan, Bilgees Bett und der Ofen stehen in unsere einst wunderschönen und urgemütlichen Behausung. „Ein Jammer hier ausziehen zu müssen“, sage ich ein wenig wehmütig. „Ja, war eine schöne und sicherlich unvergesslich Zeit“, erwidert Tanja. „In so einem behaglichen Heim werden wir lange nicht mehr wohnen. Denke dass ein Tipi im Vergleich recht ungemütlich und kalt ist.“ „Aber sicherlich eine interessante Erfahrung.“ „Ohne Zweifel“, antworte ich worauf wir vielleicht zum letzten Mal in unserem Leben eine eigene Jurte verlassen. Kaum stehen wir draußen weht uns nasser Schnee ins Gesicht. Umgehend beginnen wir mit dem Abbau der mobilen Behausung. Ultsan, Hohood und einige anderen helfen uns weswegen die Jurte in 15 Minuten in ihre Einzelteile zerlegt ist und von Hohood sogleich in den Four-Gun geschlichtet und gestopft wird. „Ein echter Packkünstler“, meine ich lachend als er in dem Allradfahrzeug auf den Rücken liegt und mit beiden Füßen gegen Filzmatten presst, um auch noch den kleinsten Winkel zu nutzen. Als der Innenraum bis zum Dach vollgestopft ist verschnüren die Tuwa und Hohood den in sechs Teile zerlegten Holzfußboden auf dem Dach. Kaum sind die Bodenteile verladen springt Ultsans Schwager ins Auto und braust davon. „Sain jawaaraj!“ („Gute Reise!“), rufen wir ihm noch hinterher als das graue Fahrzeug auch schon vom verschneiten Wald verschluckt wird.

Tanja und ich stehen nun im feuchten Schneetreiben und wissen im ersten Moment nicht wie uns geschehen ist. „So schnell kann man sein Haus verlieren“, scherze ich. Dann gehen wir fröstelnd in unser Zelt. „Und was machen wir jetzt?“, fragt Tanja in dem Chaos von wahllos herumstehenden und aufeinander geschlichteten Gepäckstücken stehend. „Versuchen Ordnung in das Durcheinander zu bringen“, antworte ich mich ebenfalls kaum rühren könnend. In dem großzügigen Schlafteil des Zeltes liegen bereits unsere Isomatten. Damit wir einigermaßen gerade liegen glich ich den extrem unebenen Boden mit Filzmatten und Kleidungstücke aus. „Schaut doch gemütlich aus“, sagt Tanja. „Stimmt, aber verdammt kalt“, antworte ich da der gefrorene Untergrund wie eine Gefriertruhe strahlt. „Ist ja nur für eine Nacht. Morgen geht es ins Frühjahrscamp und dort wohnen wir im Tipi“, meint Tanja. „Ich hoffe“, antworte ich eine ungute Ahnung verspürend.

Als Tanja Bilgee zu den Pferden begleitet, um für Mogi der dort Wache hält das Futter zu tragen, räume ich unser gesamtes Zelt wieder aus und schlichte alle Bretter unseres einstigen nun zerlegten Wandan als Untergrund hinein. Auf diese Weise besitzen wir auch im Vorzelt eine gerade Fläche auf der ich nun unsere Habe ordne so das sogar zwei Klappstühle Platz finden. „Fast ein bisschen gemütlich“, freut sich Tanja als sie vom Bilgees Außencamp zurückgekehrt ist und sich in einen der Stühle sinken lässt. In unsere wärmste Kleidung gehüllt sitzen wir nun in unserem neuen Heim und öffnen eine Flasche Bier die wir von Hohood aus Tsgaaan Nuur mitbringen haben lassen. „Eisparty“, scherze ich an dem halb gefrorenen Hopfengebräu schlürfend. Ich schenke gerade den zweiten Becher voll als Bilgee wieder auftaucht. „Na ihr habt es ja schön hier“, sagt er lachend. Wir bieten ihm sogleich einen Becher Bier an. „Weil du deinen Deel in Tsagaan Nuur gelassen hast wollte ich fragen ob ich dir meinen leihen soll. Es ist doch viel zu kalt in diesem Zelt“, sagt er fürsorglich. „Danke der Nachfrage aber es geht schon. Du brauchst den Deel mehr als ich denn ich habe einen Schlafsack“, antworte ich. Bei minus 10 Grad sitzen wir nun da, blasen beim Sprechen Kondenswolken, essen Erdnüsse und trinken Bier. Um 21:00 Uhr verlässt uns Bilgee, um ins Außencamp zu gehen. Dort verbringt er die Nächte im kleinen Zelt und wacht über die Pferde. Wir verziehen uns in die Schlafkabine und kuscheln uns in die Schlafsäcke. Weil wir die letzten vier Monate in der warmen Jurte verbracht haben sind wir diese Kälte nicht mehr gewohnt. Auch wenn das Thermometer in dieser Nacht nur auf minus 15 °C fällt.

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