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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Unter den Wüsteneichen

N 22°48’07.9’’ E 126°45’37.5’’
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    Tag: 111 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:10

    Sonnenuntergang:
    17:32

    Luftlinie:
    31,8

    Tageskilometer:
    39

    Temperatur - Tag (Maximum):
    35 Grad

    Breitengrad:
    22°48’07.9’’

    Längengrad:
    126°45’37.5’’

Nimby-Camp — 04.10.2001

Wie nach jeder längeren Rast fällt mir das Laden schwerer als normal. Trotzdem befindet sich unsere Karawane um 7 Uhr 15 auf dem Track. Debbie, die uns kurz vor Aufbruch im Camp aufgesucht hat, begleitet uns noch bis zum Straßenarbeiter-Camp. Als wir es erreichen verabschieden wir uns von ihr und wünschen uns gegenseitig viel Glück. Nur wenige Minuten danach fährt uns Ray mit seinem Toyota entgegen. Er nutzt die Gelegenheit um ein paar Bilder von der Karawane zu schießen und um sich ebenfalls von uns zu verabschieden. „Ich werde euch die nächsten Tage bestimmt irgendwo auf dem Track sehen,“ ruft er lachend und fährt davon.

Wir kommen gut voran. Die Sonne sendet ihre heißen Strahlen auf uns und wir genießen die letzten Kilometer auf den von den Straßenarbeitern gebauten Track. Am Vormittag erreichen wir die letzte Bastion der Straßenarbeiter. Als sie uns kommen sehen stellen sie alle zusammen ihre schweren Baumaschinen ab. Ray hat sie gestern abend dazu angewiesen, um unsere Kamele durch den Motorenlärm nicht zu erschrecken.

Don der Maori von Neuseeland, Peter der Aborigine und Mark und Darren zwei Weiße stehen auf ihren Maschinen und filmen und fotografieren den Anmarsch unserer Karawane. „Kamele udu!“ befehle ich den Tieren anzuhalten. Tanja und ich unterhalten uns noch ein paar Minuten mit ihnen bis wir uns gegenseitig nochmals viel Glück wünschen und uns nochmals verabschieden.

„War es nicht schön in diesem Camp?“ „Oh ja, wirklich sehr angenehm. Ich bin aber trotzdem froh wieder unterwegs zu sein,“ sagt Tanja mit kräftigen Schritten voranschreitend. „Ja ich bin auch immer wieder erleichtert, wenn es weitergeht. Seit dem Edgar Kampf Camp habe ich immer noch Angst wir könnten wieder an einem Ort für ewige Zeit hängen bleiben,“ antworte ich. Im Vergleich zu Tanja habe ich heute nicht gerade einen großartigen Tag. Schon seit wir unsere Lager verlassen haben schmerzt mir wieder der Ischias. Mit jedem Kilometer mehr wird es schlimmer. Auch brennt die Sonnen so derart auf unser Haupt, dass wir ungeheuerlich durstig sind. Gegen Mittag haben wir bereits unsere Zweiliterbeutel ausgetrunken und müssen einen 10 Litersack auspacken den wir in Sebastians Satteltaschen geladen haben. Das Vorwärtskommen ist jetzt entschieden schwieriger als in den letzten drei Wochen. Kurz vor Kunawarritji sind wir auf diesen ausgebauten Track gestoßen der in Zukunft die Aboriginedörfer miteinander verbinden soll und auch Alice Springs mit der Westküste. Am Anfang hat er mir gar nicht gut gefallen weil ich mir unsere Expedition nicht auf einen ausgebauten Weg vorstellen wollte. Nach wenigen Tagen habe ich mich damit abgefunden und jetzt wo ich mich daran gewöhnt habe hört der Track plötzlich auf und geht in eine aufgewühlte, weiche Sandpiste über. Wie durch hohen Schnee stapfen wir nun weiter und verbrauchen mit jedem Schritt mindestens doppelt so viel Energie wie zuvor. Yogi der Planierraupenfahrer hat mit seiner schweren Maschine eine breite Schneise durch dieses Dünenland gezogen die sich bis zu einem kleinen Aboriginedorf namens Nimby hinziehen soll. Ray hat mir erklärt, dass erst ein 10 Meter breiter Streifen durch das Wüstenland gebahnt wird. Dann kommen die schweren Lastwägen und kippen Schotter und Steine darauf. Der Schotter wird am Wegrand gefunden. Wenn er von den Räumfahrzeugen gleichmäßig auf den Untergrund verteilt ist wird er mit einer Walze in den Boden gepresst und die Wüstenstraße ist fertig. Jedes Fahrzeug und jeder Lastwagen der dann darüber fährt macht den Track besser und besser.

Müde stapfen wir auf Yogis breiten Streifen dahin und sehnen uns danach wieder auf einem kleinen, schmalen Wüstentrack laufen zu können. Links und rechts von uns wachsen auf einmal wunderschöne, hohe Bäume. Sie werden Wüsteneichen genannt obwohl sie mit einer deutschen Eiche nichts gemein haben. Es sind kräftige Nadelbäume deren Stämme von vergangenen Buschfeuern verkohlt sind. Ihre Kronen werden von 20 oder 30 Zentimeter langen, saftiggrünen Nadeln geschmückt und sind für unsere Augen die reine Wohltat. Im Schatten der Wüsteneichen halten wir von Zeit zu Zeit an, um unseren unaufhörlichen Durst zu stillen. Obwohl wir unsere Körper im Straßenarbeiter-Camp ausruhen konnten ist davon nichts mehr zu spüren. Wie eh und je leiden wir unter den Strapazen des Marsches. Yogis aufgewühlte Spur führt an den ersten kleinen Seen vorbei die durch die letzte Regenzeit entstanden sind und sich irgendwann vor uns zu einem riesigen Wüstensee vereinen sollen. Manchmal entdecken wir den alten, ursprünglichen Track auf dem einst auch einmal Robin Davidson gelaufen ist. Sie hat vor vielen Jahren als Frau alleine die gesamte Strecke von Alice Springs bis zur Westküste bewältigt. Damals verursachte ihr Alleingang ein riesiges Aufsehen. Sie schrieb ein spannendes Buch mit dem Titel Spuren und wenn wir hier schweigend entlang laufen muss ich öfter an ihre Geschichte denken. „Es ist schon verrückt wie schnell sich in unserer heutigen Zeit etwas ändern kann,“ sage ich nachdenklich. „Wie meinst du das?“ „Na ja, ich denke an Robin Davidson. Sie hätte damals bestimmt nie daran gedacht, dass aus ihren schmalen Track einmal eine Hauptverkehrsader werden wird die Alice Springs mit der Westküste verbinden wird. Nächstes Jahr werden hier viele Touristen entlang brausen und ich bin froh, dass wir noch auf dem alten Weg marschieren können. Irgendwann einmal wird hier ein asphaltierter Highway entlang führen und man kann sich dann wahrscheinlich kaum noch vorstellen das sich hier eine Expedition ihren Weg gebahnt hat.“ „Hm,“ antwortet Tanja kurz und blickt auf den weichen, roten Sand vor sich.

Da es bei Nimby ein Wasserloch gibt wollen wir es noch heute erreichen. Morgen ist unser Interviewtag und deshalb sind wir gezwungen dort mindestens einen Tag zu bleiben. Nach Aussage der Straßenarbeiter ist Nimby nur 30 Kilometer von unserem letzten Camp entfernt. Obwohl diese Entfernung innerhalb sechs bis sieben Stunden zu schaffen ist können wir nach 7 ½ Stunden immer noch keine Anzeichen eines Dorfes entdecken. „Es wäre Blödsinn hier irgendwo ein Camp aufzuschlagen wenn Nimby 100 Meter weiter über der nächsten Düne ist,“ äußere ich mich laut schnaufend. „Stimmt, es wäre schon gut wenn wir es heute erreichen.“ „Aber wie lange sollen wir noch laufen? Wenn es in der nächsten Stunde nicht auftaucht wird es zu spät, um unser Camp aufzubauen. Außerdem sind die Kamele bestimmt wieder schlecht gelaunt falls wir über ihre Fresszeit hinausgehen,“ sage ich mürrisch. Wieder verfallen wir in Schweigen und stapfen weiter. Die Sonne brennt in unseren Rücken als ich einen Sendemast hinter einer Düne hervorragen sehe. „Da vorne ist es,“ rufe ich erleichtert. „Hörst du das? Klingt wie ein Motor?, sagt Tanja. „Ja, das wird Yogi mit seiner Planierraupe sein,“ gebe ich ihr recht. Wir überqueren eine der vielen flachplanierten Dünen und sehen endlich die Hütten des Aboriginedorfes. Yogi entdeckt uns und stellt den Motor der Planierraupe ab. Auch er fotografiert ein paar Bilder von der Karawane und kommt uns entgegen. „Ich hätte nicht gedacht das ihr es heute noch schafft. Eigentlich wollte ich euch gestern eine Markierung etwa zwei Kilometer vor Nimby an einen Baum hängen. Ich dachte mir, dass hätte euch die restlichen Kilometer bis hierher einfacher gemacht. Ich kann mir vorstellen wie ärgerlich es für euch sein muss 500 Meter vor dem Ziel und dem Wasserloch zu campen. Leider habe ich es vergessen. Na ja, jetzt seid ihr ja da. Da hinten, am Ende der Häuser ist übrigens die Handpumpe. Ihr braucht nur meinen Spuren folgen,“ erklärt er uns worauf wir uns bei ihm bedanken und verabschieden. In der angegebenen Richtung entdecken wir einen Wassertank der aber völlig ausgetrocknet ist. Ich übergebe Tanja die Karawane und suche die Gegend nach der beschriebenen Handpumpe ab. Endlich finde ich sie unweit eines kleinen Sees und sumpfigen Untergrund. Wir schlagen unser Lager auf einen flachen, mit Windgras bewachsenen Hügel auf. Eine große Wüsteneiche wirft ihren angenehm kühlenden Schatten über uns während wir wie so oft mit letzter Kraft die Tiere entladen. Innerhalb eines einzigen Lauftages habe ich mir wiedereinmal eine Wolf gelaufen. Auch bin ich unter den Achseln wund was wahrscheinlich vom starken Schwitzen herrührt. Meine Sehne im Fußspann hat sich ebenfalls wieder entzündet und der Ischiasnerv gibt mir den Rest. Tanja leidet schon seit Wochen unter starkem Heuschnupfen und kann ihn nur durch Medikamente unter Kontrolle halten. Sie ist jetzt ebenfalls sehr müde und völlig ausgelaugt. Trotzdem muss sie die Kamele hüten während ich unser Zelt aufbaue. Millionen von Moskitos treiben mich fast zum Wahnsinn und zu meinem Entsetzen hängen unzählige von Sandfliegen an unserem gelben Moskitozelt. Als ich es einräume fliegen die hungrigen Blutsauger zu Massen in das Innere. Ich schließe so schnell als nur möglich den Reißverschluss und schwöre mir sie später, nach dem Sonnenuntergang zu vernichten.

Moskitogeschwader machen uns das Leben zur Hölle

Als wir dann da sitzen und unsere Suppe und das Reiteressen löffeln werden wir unentwegt an allen freien Hautstellen von Moskitos gestochen. Selbst durch die Hosen, vor allem kurz überm Schuh, da wo die Hose aufhört hämmern die verfluchten Blutsauger ihre Stacheln in unser geplagtes Fleisch. Unsere Hände, der Nacken, die Augen, Nase, das gesamte Gesicht und Stirn sind ein begehrter Angriffspunkt der Stechmücken die in dieser Seenlandschaft zu Billiarden prüden. Natürlich sprühen wir uns mit Moskitomittel ein. Selbst unsere Hemden und Hosen lassen wir nicht aus, doch für diese nimmersatten Vampire gibt es immer einen Hautfleck, aus dem sie etwas von unserem kostbaren Lebenssaft absaugen. Wir können nur hoffen, dass es hier mitten in der Wüste keine Moskitos gibt die den Ross River Virus übertragen. (Tag 169 Etappe Eins beschrieben) Neben den Stechmücken fliegen uns Motten und anderes Fluggeziefer in die Teller so das der Abend unter der wunderschönen Wüsteneiche zu einem perfekten Alptraum wird. „Oh nein, schau mal da vorne. Da ist doch wieder ein Buschfeuer,“ sagt Tanja nach Osten deutend. Ich blicke auf und sehe wie sich ein orangefarbenes, gelbes Licht wie ein Oval über die nächtliche Buschlandschaft wölbt. Für wenige Augenblick schlägt mir das Herz bis zum Hals, denn genau in diese Richtung müssen wir gehen. „Ich glaube es nicht. Dort gibt es doch keine Menschen. Es kann also keiner angezündet haben. Blitzschlag ist auch auszuschließen denn es gab kein Gewitter,“ sage ich ehrfürchtig und ängstlich auf die glühende Lichterscheinung blickend. „Sie mal es bewegt sich richtig schnell.“ „Ja, aber so schnell kann sich kein Buschfeuer fortbewegen. Das ist unmöglich.“ „Es kommt auf uns zu.“ „Viel zu schnell.“ Und plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen. „Mein Gott Tanja es ist der aufgehende Mond,“ lache ich erleichtert auf. Wenige Augenblicke später erhebt er sich über der von Büschen und Bäumen ausgefransten Horizontlinie und scheint uns in seinem glühendem Rot anzugrinsen. Fasziniert beobachten wir den Mondaufgang in der Wüste. Für einige Zeit wirkt er riesig groß auf uns und man könnte ihn ohne weiteres mit einer überdimensionalen Blutorange vergleichen bis seine tiefe Rotfärbung immer mehr verblast und er wieder wie ein normaler Vollmond aussieht.

Schon um 19 Uhr schlüpfe ich in unser Zelt. Diesmal habe ich Tanja geschlagen und betrete die von Sandfliegen und Moskito verseuchte Stoffbehausung als Erster. Ob sie mich absichtlich gewinnen hat lassen? Wie auch immer, ich muss die Scheißdinger hier töten sonst werden wir übernacht von ihnen ausgesaugt. Mit meinem Schlafshirt. Drücke ich gegen die Zeltwand und kann auf diese Weise viele zerquetschen. Eine von ihnen wert sich allerdings. Sie lässt sich einfach direkt in mein Auge fallen. Sofort beginnt es zu brennen und zu tränen. „Was für ein Tag? Was für ein Leben? Warum tun wir uns das an?“ ,verfluche ich diesen Moment und setze meine Jagd auf die Fluggeschwader fort bis ich sie bis auf den letzten Mann in mein Nachthemd erquetscht habe. Befriedigt und mit einem langen und lautem Seufzer lege ich mich auf die Isomatte. Nachdem unser Nachtquartier vom Feind gesäubert ist kommt Tanja hineingeschossen. „Schnell Eingang zu!“ ,rufe ich. „Ja, ja, ich mach ja schon,“ antwortet sie und legt sich ebenfalls mit lautem Stöhnen ab. „Wie geht es eigentlich den Kamelen?“ ,möchte ich wissen. „Die Armen leiden auch unter den Stechmücken. Jafars Nase war völlig bedeckt von ihnen. Auch in den Achselhöhlen sitzen die Dinger und saugen das Blut aus unseren Jungs.“ „Wenigsten haben sie ein Fell und werden nicht überall gestochen,“ entgegne ich und bin froh nicht wie ein Kamel die Nacht im Freien verbringen zu müssen. Dann nehme ich mir wie jeden Abend noch mal die Stirnlampe, um jeden Quadratzentimeter des Zeltes abzuleuchten. Die Moskitos sind manchmal derart clever, dass sie es immer wieder schaffen sich so lange hinter einer Stofffalte, dem Schlafsack oder sonst etwas zu verstecken, bis wir in Ruhe und Frieden schlafen. Dann, wenn wir wehrlos sind, kommen sie hervor und saugen sich gnadenlos voll. Am nächsten Tag hängen sie mit fetten Bäuchen, völlig überfressen an der Zeltwand und wenn ich sie töte hinterlassen sie einen hässlichen Flecken an der Wand. Da wir unser Haus nicht streichen können bleiben diese Flecken eine ewige Erinnerung an einen Moskito den ich auf meiner abendlichen Jagd übersehen habe. Noch bevor ich einschlafe höre ich das helle, ekelhafte und hässliche Surren ganzer Moskitoverbände die versuchen in das Innere unseres Palastes zu gelangen. Noch nie in meinem Leben habe ich es so laut vernommen und mich graut es schon wieder davor morgen früh diesen letzten sicheren Ort des Rückzuges verlassen zu müssen.

Er will nicht sterben

Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, reißt es mich aus meinen ohnmächtigen Tiefschlaf. „Habe ich wieder geträumt?“ ,frage ich mich selbst leise. Verworren schüttle ich den Kopf und lausche in die Nacht. Außer dem schrecklichen Summen der Moskitos ist nichts zu hören. Angespannt horche ich weiter in die Finsternis und will nicht glauben mich getäuscht zu haben. Ob ich anfange Geister zu hören? Es muss an der Überanstrengung liegen. Ich bin gerade wieder im Begriff meinen ausgelaugten Körper abzulegen als der tiefe, so wohlbekannte Brunftschrei mir erneut durch die Knochen fährt. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… “Aufstehen Tanja, wir werden wieder angegriffen,“ rufe ich. „Was ist los?“ „Wilde Kamelbullen greifen wieder an. Schnell raus.“ Für wenige Sekunden überlege ich mir ob ich es wagen kann mich ohne den Schutz jeglicher Bekleidung in die Moskitohölle begeben zu können. Dann gebe ich mir einen Ruck, reiße den Reißverschluss auf und stürze mich nach draußen. Sofort wird mein Körper von den Stechmücken angegriffen. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, treibt es mich zur rasenden Geschwindigkeit. Ich ziehe mir so schnell es geht mein Hemd über, schlüpfe in meine Schuhe und sprinte mittlerweile routiniert zu Sebastians Sattel, um die Marlin zu holen. Tanja ebenfalls routiniert rast an mir vorbei, um die Schusslampe aus den kleinen Rucksack zu nehmen. Ich bin im Begriff in Richtung des angreifenden Bullen zu hasten als mich unzählige von Moskitos peinigen. Im Laufen schlage ich einen Bogen an unseren kleinen Tisch vorbei. Schnell sprühe ich mich mit dem dort stehenden Moskitomittel ein und hoffe innig, das in diesen Sekunden keiner unserer Jungs von dem wilden Monster dort drüben gebissen wird. „Ääääaaahhh! Ääääaaahhh!“ ,brüllen Tanja und ich aus Leibeskräften auf eine ungewöhnlich große Silhouette zustürmend. „Nicht so nah ran,“ warnt mich Tanjas Ruf. Ich habe seinem Kopf im Visier als er von Hardie abläst und in unsere Richtung rast. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, dröhnt es mir durch Mark und Bein und plötzlich habe ich Schwierigkeiten ihn einfach abzuknallen. „Ääääaaahhh! Ääääaaahhh!“ brülle ich aus Leibeskräften, um ihn zur Flucht zu zwingen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er außerhalb der Brunftzeit seinen Angriff fortsetzen wird. Vielleicht hätte ich den Bullen vor ein paar Tagen nicht zu töten brauchen? „Nicht so nah ran!“ ,höre ich Tanja hinter mir rufen. Der Bulle weicht tatsächlich zur Seite aus. Ich rase ihn hinterher. Plötzlich bleibt er stehen, dreht seinen mächtigen Kopf zu mir das ich fast zu Eis erstarre. Uns trennen Maximum zehn Meter. Ich hebe die Waffe um einen Warnschuss abzugeben. Klick macht es als der Schlagbolzen die Patrone trifft. „Was ist denn? Hat sie eine Ladehemmung? Schnell schieß!“ ,ruft Tanja. In meiner Nervosität habe ich vergessen den Sicherungshebel auf entsichern zu stellen. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, dröhnt es als der Bulle seinen Kopf dicht auf den Boden senkt und in Angriffsstellung an uns vorbeirast. Wuuummm, spuckt die Marlin Feuer worauf der Bulle stehen bleibt und uns ansieht. Wuuummm! Wuuummm, donnert es und er bricht zusammen. Stumm reißt er sein Maul auf als würde er mich anklagen. „Schnell schieß noch mal,“ ruft Tanja, denn sie möchte ihn von seinen Leiden befreit sehen. Klick, schlägt der Schlagbolzen auf den leeren Patronenschacht. „Verdammt ich habe keine Munition mehr,“ rufe ich und hetze wie ein Irrer über das stachelige Gras zum Camp zurück. Meine Hose liegt vor dem Zelt. In Windeseile hole ich aus meinem Gürtel die Reservepatronen. Noch im Sprint zurück lade ich das Gewehr. Sofort schieße ich ihm in den Kopf, doch immer noch lebt das Tier und röchelt. Ich schieße noch mal in den Kopf und beobachte wie er seinen letzten Atem aushaucht. Fix und fertig stehe ich da und blicke auf den mächtigen Körper. „Ich kann es nicht fassen, er wollte einfach nicht sterben,“ sage ich leise zu Tanja die auf der anderen Seite des Bullen steht. Ihr Nachthemd flattert wieder im Wind und wird vom Mond beschienen. Es ist eine gespenstische Szene die sich nun schon seit Monaten wiederholt. Respektvoll nähere ich mich dem Kadaver, um ihn auf die Einschussstellen zu untersuchen. Ich befinde mich gerade zwei Meter vor ihm als er urplötzlich mit seinen Beinen um sich schlägt. Sie wirbeln wie Hubschrauberrotoren durch die Luft und seine tellergroßen Füße trommeln gegen seinen mächtigen Körper. Erstarrt verharre ich in meiner Bewegung, reiße das Gewehr hoch und schieße ihn noch mal in den Kopf. „Das war knapp,“ sagt Tanja kreidebleich vor Schreck. „Verdammt knapp,“ antworte ich und würde mich am liebsten übergeben. Durcheinander, geschockt, müde und von den Moskitos völlig zerstochen stolpern wir zu Hardie. „Er ist in Ordnung,“ flüstert Tanja. Dann schlüpfen wir wieder in unser Zelt. Hellwach liege ich da, kratze mich wie wild und denke über den Bullen nach bis ich endlich wieder einschlafe.

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