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Mongolei/Mörön Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Ulzii will sein Geld

N 49°38'671'' E 100°11'496''
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    Tag: 68

    Sonnenaufgang:
    07:16

    Sonnenuntergang:
    19:02

    Gesamtkilometer:
    777

    Bodenbeschaffenheit:
    Staub/Schotter

    Temperatur – Tag (Maximum):
    20°C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    18°C

    Temperatur – Nacht:
    minus 5°

    Breitengrad:
    49°38’671“

    Längengrad:
    100°11’496“

    Maximale Höhe:
    1220 m über dem Meer

Nach der erholsamen und angenehm warmen Nacht gibt es ein einfaches Frühstück mit Tee Keksen und Weißbrot. Dann gehen wir wieder die Pferde tränken. In der Tat haben sie das gesamte Heu weggefressen. Saraa hat irgendwo eine Anzeige aufgegeben um nach Heu zu fragen aber bisher hat noch keiner reagiert. „Anscheinend haben die Städter keine Heuvorräte angelegt. Für wen und was auch?“, sage ich.

Plötzlich taucht Ulzii auf. „Hallo!“, begrüßen wir ihn so freundlich wie möglich. „Hallo!“, antwortet er ebenfalls freundlich. „Denis, ich möchte mein Gehalt“, sagt er. „Ulzii, kannst du dich an unsere Vereinbahrung erinnern die wir in Erdenet getroffen haben? „Kann ich“. „Wir hatten vereinbart dass der Trip von Erdenet bis Tsagaan Nuur geht.“ „Bis Tsagaan Nuur?“ „Ulzii, das hatten wir mehrfach unter Zeugen mit Taagi als sehr guten Übersetzer besprochen. Du hattest mehrfach gesagt dass du damit einverstanden bist. Fällt dir das jetzt wieder ein?“ „Ja“. „Nun, dann weißt du doch auch dass dein Gehalt gestrichen wirt wenn du während deiner Wachschichten die Pferde verlierst?“ „Ja.“ „Und das du kein Gehalt bekommst wenn du die Expedition frühzeitig verlässt“. „Was? Das weiß ich nicht“, sagt er empört. „Keine Panik, wir sind keine Unmenschen. Du bekommst trotzdem dein Geld. Aber nicht zu vergessen hatten wir dein Wort und Handschlag darauf uns bis nach Tsagaan Nuur zu begleiten. Außerdem hast du dein Wort nicht mal bis zu deiner Heimatstadt gehalten und bist einen Tag vorher ausgestiegen. Du hast uns dort draußen einfach sitzen lassen. Alleine dafür müsste man deinen Lohn streichen. Aber wie gesagt. Du bekommst dein Geld. Wir müssen vorher nur noch zur Bank“, erkläre ich. Wenig später zieht Ulzii wie ein kleiner trotziger Junge davon. Er verabschiedet sich nicht mal von uns. Diese Situation erinnert mich an seinen Onkel, der mit seinem Gehaltsvorschuss ab durch die Mitte ist. Ob das an der Familie liegt? Ist doch eigenartig. Ich möchte es nicht der mongolischen Mentalität zuschieben. Dafür haben wir zu viele tolle Menschen getroffen und Bilgee ist bis jetzt der Beweis dafür, dass es sehr zuverlässige Menschen hier gibt. Ulzii ist sich anscheinend nicht bewusst wie respektlos und ungezogen er sich uns gegenüber verhält. Auch gegenüber seiner Familie und Saraa, die ihn uns als sehr zuverlässigen Mann empfohlen hat. Solch ein Verhalten wirft auch meist ein schlechtes Licht auf den Vermittler. Wir sprechen mit Saraa darüber ohne ihr einen Vorwurf zu machen und ohne Ulzii bei ihr anzuschwärzen. Da sie aber seit 11 Jahren, so haben wirr gestern erfahren, im Touristengeschäft tätig ist, sollte sie wissen wie ihre Leute arbeiten. „Ich spreche mit ihm“, meint sie freundlich.

Wir richten unsere Jurte ein und chinesische Schrottware

Am Nachmittag gehen wir mit Saraa und Bilgee auf den Markt um die ersten Einrichtungsgegenstände für unsere Jurte einzukaufen. Nach wenigen Stunden haben wir einen sechs qm großen Teppich der im hinteren Teil der Jurte der Untergrund für unsere Schlafstelle sein soll. Für den vorderen Teil erstehen wir einen gleichgroßen Linoleumboden mit dem die Jurten heutzutage oftmals ausgestattet sind damit der herein getragene Schmutz leicht entfernt werden kann. Wir kaufen einen Kanonenofen, ein drei Meter langes Abzugrohr, eine Eisenzange für die Glut, einen Unterstand für den Ofen, Einen Wok den man in den oberen Teil des Kanonenofens setzen kann, Besen, Schöpfer, Wasserkanister und einiges mehr. Schwer bepackt bringen wir unsere Schätze zu Saraas Blockhaus. Da wir noch einen Tisch, Stühle, Regal, eine gute Axt, Motorsäge für den Winter, Schrauben, Nägel, Hammer und bald unzähliges mehr benötigen, um einen richtigen mongolischen Haushalt einzurichten, werden wir in den kommenden zwei Wochen fast täglich auf dem Markt sein. Leider ist das Einkaufen in diesem Land recht aufwendig. Oftmals bekommt man nicht das was man möchte und muss dafür in viele Geschäfte gehen. Abgesehen davon ist die Qualität aller Produkte grauslich schlecht. Nahezu alles wird in China produziert und die Mongolen scheinen den Abfall der chinesischen Wirtschaft zu bekommen. Alles, einfach alles was aus China kommt geht innerhalb von wenigen Tagen kaputt. Manchmal funktioniert es schon nicht wenn man es auspackt. Manchmal nur für wenige Einsätze. Es ist ein echter Graus. Das fängt an bei einem Rasierapparat den ich U.B. erstanden habe der schon bei der ersten Anwendung versagt. Wasserflaschen sind zum Beispiel undicht, egal wie fest man sie zuschraubt. Kanister platzen, Sägen sägen nur ein paar Stämme bis sie den Geist aufgeben. Bei unserer Axt hat sich sogar die klinge verbogen obwohl wir damit nicht auf Stein gehauen und nicht tausend Meter den Berg hinunter geworfen haben. Obwohl ich das ehrlich gesagt gerne getan hätte. Der teure Spannungswechsler für knapp 100,-€ hat gerade mal fünf Minuten gearbeitet. Dann war er tot. Bei Klappstühlen verbiegen sich nach kurzem Gebrauch die Aluminiumbeine. Schnüre und Teppiche franzen schnell aus. Stoffe verlieren nach der ersten Wäsche ihre Farbe. Scharniere und Karabiner rosten und brechen. Besen verlieren ihre Borsten und brechen ebenfalls. Die Aufzählung könnte ich endlos weiterführen. Es ist zum Haare raufen. Wie gerne hätte ich hier einen deutschen Baumarkt oder Fachhandel wo man meist die Qualität bekommt für die man bezahlt. Obwohl das Klump im Durchschnitt nicht viel kostet ist es am Ende sehr teuer weil gleich nach dem Gebrauch kaputt!!! Die Mongolen selber stellen kaum etwas her. Auch ihre traditionelle Kleidung der Deel kommt mittlerweile aus China. Ihre Tierfelle werden zu Dumpingpreisen nach China verhökert und kommen als teure aber zu schlechter Qualität verarbeitete Produkte wieder in das Land. Ein Witz aber leider kann darüber keiner lachen. Natürlich ist die furchtbare Qualität der Ware den Mongolen bewusst, jedoch hat der einzelne Bürger keine andere Wahl als das Zeug zu kaufen. Denn, es gibt nichts anderes. Außer Ware aus Russland. Die Qualität ist anscheinend legendär. Nur kann sich das hier wieder kaum jemand leisten. Die beste chinesische Motorsäge zum Beispiel kostet 120.000 Tugrik (68,57 €). Die billigste liegt bei 60.000 Tugrik (34,28 €). Wobei der Verkäufer ernsthaft davor warnt das Ding zu kaufen. Wahrscheinlich fliegt sie einem beim ersten Anlassen um die Ohren. Eine russische Motorsäge kostet hingegen 650.000 Tugrik (371,42 €). Weil ich beim Holzschneiden bei minus 30 oder 40 vielleicht 50 Grad keinen Ärger brauche hätte ich sie gekauft. Nur konnte ich das schwere Teil kaum heben. Diese Sägen sind höchstwahrscheinlich für Männer gebaut die ein Kreuz wie ein Grizzlybär haben. Also erstand ich die beste chinesische Motorsäge in der Hoffnung, dass sie ihren Job tut.

In der Zwischenzeit sind Saraas Mann und zwei Freunde damit beschäftigt die Jurte aufzubauen. Es ist ein altes, heruntergekommenes, total verstaubtes, an verschiedene Stelle gebrochenes und etwas baufälliges Ding, aber für unseren Aufenthalt hier reicht es aus. Für den Transport der Jurte von Freunden zu Saraas Platz zahlen wir 3,2 Tageslöhne also 20.000 Tugrik (11,42 €). Ein stolzer Preis aber sie ist ja auch ca. 400 Kilogramm schwer. Nach ca. zwei Stunden steht die typische mongolische Behausung im staubigen Garten von Saraa. Sofort rollen wir den Teppich- und Linoleumboden aus und tragen unsere gesamte Ausrüstung von Saraas Haus hinein. Begeistert über die erste eigene Jurteneinrichtung in unserem Leben stehen wir in unserem mongolischen Haus. Bilgee geben wir das eiserne Bettgestell welches ein Bestandteil der Jurte ist. Er schläft auf der linken Seite. Wir bauen unser Schlaflager hinterm dem Kanonenofen auf dem Teppich aus. Auf der rechten Seite stelle ich meinen Klappstuhl, den ich schon von Deutschland bis in die Mongolei geradelt habe. „Da kann ich prima schreiben“, sage ich meine Energiebox daneben platzierend. Ebenfalls auf der rechten Seite richtet Tanja ihre Küche ein. Wir bauen ein paar Blechboxen, die ich auf dem Markt erstanden habe, auf. „Das ist ein wunderbares Regal“, freut sich Tanja und beginnt sofort Lebensmittel, Teller und Töpfe hineinzuschlichten. Rechts neben der Tür finden Wasserkanister und eine Autobatterie Platz, die ich mit der Energiebox an die Solarpanel anschließe, welche sich auf dem Jurtendach befinden. Links neben der Tür haben wir eine Blechkiste für das Feuerholz gestellt. „Fürs erste nicht schlecht“, bin ich zufrieden. Bilgee lacht. „Zugeer, zugeer“, (ist okay, ist okay)freut er sich ebenfalls. „Das ist unser Reich für die kommenden zwei Wochen. Jetzt haben wir die Gelegenheit alles unter Realbedingungen zu testen. Wir werden schnell merken was wir noch für unsere Überwinterung benötigen“, meint Tanja. „Stimmt, und es ist ein guter Ort den gesamten Behörden und Genehmigungsaufwand zu erledigen“, ergänze ich.

Als es dunkel wird befeuern wir unseren Ofen zum ersten Mal. Kaum brennen die von mir gehackten Holzscheide wird es augenblicklich heiß. In so einer Jurte ist es entweder kalt oder heiß. Warm gibt es kaum. Man kann sagen es herrscht Saunaklima. In einem großen Topf kochen wir einen Kartoffeleintopf mit Gemüse. Wir sind gerade beim Essen als Saraa uns besucht. Sie setzt sich auf Bilgees Bett. Wie schon erwähnt ist so eine Jurte streng aufgeteilt. Die linke Seite, da wo Bilgees Bett steht, ist eigentlich den männlichen Gästen zugedacht. Da wir aber auf der Frauenseite alles voll stehen haben, setzen sich auch unsere weiblichen Gäste grundsätzlich auf das Bett. „Magst du auch etwas von dem Eintopf?“, fragt Tanja. „Oh vielen Dank. Ich habe schon gegessen“, lehnt Saraa höflich ab. „In den kommenden Tagen haben wir viel zu tun. Wir müssen den Bürgermeister einen Besuch abstatten und einige meiner NGO Mitglieder aufsuchen, um ihnen zu erklären warum ihr da seid und was wir in Zukunft zusammen unternehmen können“, sagt Saraa. (Die Abkürzung NGO kommt von englisch Non-governmental Organization). Saraas NGO kümmert sich um bessere, menschenwürdige Bedingungen in mongolischen Gefängnissen, um Halbweisenkinder, um Wideraufforstung der malträtierten mongolischen Wälder und um soziale und gesundheitliche Problem der Tsataans. Im Laufe des Gespräches arbeiten wir an einem Plan wie wir mit unserem Lebensprojekt „Die große Reise“ Saraas NGO unterstützen können. „Wegen dem kommenden Winter müssen wir uns beeilen. Wir haben in Mörön zwei Wochen einkalkuliert. Wird das ausreichen?“, frage ich Saraa. „Denke schon. Wen wir fokussiert arbeiten bekommen wir das hin. Wegen meinem Baby bin ich allerdings oftmals schwer abkömmlich aber wir schaffen es“, antwortet sie und lacht.

Erst um 24:00 Uhr blase ich heute die Kerze aus. Tanja und ich schlüpfen unter unsere Schlafsäcke während Bilgee sich in das alte, sich schwer durchbiegende Bettgestell legt. Kaum sind die Flammen in unserem Öfelchen erloschen wird es kalt. Genauso kalt wie in unserem Zelt. Aber eine dicke Filzwand um sich zu haben spendet uns ein wohliges Gefühl. So verbringen wir die erste angenehme Nacht in unserem neuen Zuhause auf Zeit.

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