Erreichen unser erstes Etappenziel
N 49°38'671'' E 100°11'496''Tag: 67
Sonnenaufgang:
07:15
Sonnenuntergang:
19:04
Luftlinie:
8,96
Tageskilometer:
11
Gesamtkilometer:
777
Bodenbeschaffenheit:
Steine/Schotter
Temperatur – Tag (Maximum):
15°C
Temperatur – Tag (Minimum):
10°C
Temperatur – Nacht:
minus 5°
Breitengrad:
49°38’671“
Längengrad:
100°11’496“
Maximale Höhe:
1220 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
12:30
Ankunftszeit:
15:00
Um 7:00 Uhr schlagen wir die Augen auf und werfen einen Blick nach draußen. Alle Pferde sind noch da. Es war eine unangenehme Nacht mit sehr wenig und unruhigem Schlaf. Wir fragen uns ob Ulzii heute wirklich nicht mehr kommt oder ob er gestern nur einen schlechten Moment hatte? „Er wird zu mindest sein Gehalt einfordern“, sage ich. „Dafür muss er aber nicht ins Camp kommen. Ich denke er wird uns bei Saraa aufsuchen“, entgegnet Tanja. „Wahrscheinlich“, antworte ich noch mal den Schlafsack über meinen Kopf ziehend. Um 8:00 Uhr hören wir den Reißverschluss von Bilgees Zelt. Sofort krabbeln wir ebenfalls aus unserer kleinen Zeltöffnung und begrüßen ihn freundlich. „Oglooniimend!“, (Guten Morgen) rufe ich. „Oglooniimend!“, antwortet Bilgee gut gelaunt. Wir sind erleichtert. So wie es aussieht bleibt uns Bilgee erstmal treu. Obwohl wir ihm nicht zugetraut hätten das er uns ebenfalls im Stich lässt sind wir beruhigt. Die Mongolei hat uns bisher schon des Öfteren überrascht und zwar genau dann wenn wir nicht damit gerechnet hatten.
Bilgee macht sich sofort auf um die zwei alten Pferdepfähle, die er gestern auf einem Hügel entdeckt hat, zu holen. „Ich gehe mit dir!“, rufe ich, ziehe mir noch eine Jacke über und laufe ihm hinterher. Ich möchte ihm damit zweigen das ich gerne bereit bin Ulziis Aufgaben zu übernehmen und wir auch ohne Übersetzer unser Ziel erreichen. „Ist schon eigenartig das uns Ulzii kurz vor dem Ziel verlassen hat“, sage ich auf Deutsch und in Zeichensprache als wir nebeneinander den Berg hochschnaufen. „Ulzii verhält sich wie ein kleiner unreifer Junge. Das ist nicht gut“, verstehe ich und sehe wie er den kleinen Finger der geballten Faust in die Höhe streckt. Ich bin wieder erleichtert das Bilgee die Situation verstanden hat und sie wie ein erwachsener, erfahrener Mann beurteilt. Auf vergangenen Reisen hatten wir auch schon Übersetzer die sich bewusst durch eine völlig falsche Wiedergabe unserer Worte einen Vorteil verschaffen wollten. So wie es aussieht hat das Ulzii nicht getan oder Bilgee hat ihm nicht geglaubt. Als wir die Pferdepfählen auf dem Hügel erreicht haben versuchen wir die Holzpflöcke aus der Erde zu ziehen. Nur mit großer Kraftanstrengung können wir den Kleineren von beiden aus dem Boden lösen. „Was machen wir mit dem dicken Pfahl?“, frage ich. Bilgee spuckt sich in die Hände, bindet einen Knoten um den kleinen Pflock und einen Knoten um den großen noch in der Erde sitzenden Holzpfahl und bringt es fertig diesen mit reiner Hebelkraft herauszuhieven. Je einen Pfahl auf den Schultern tragend marschieren wir schweigend zum Lager.
Im Camp angekommen beginnt Bilgee einen der Stämme zu zersägen. „Ich habe auf einem anderen Hügel zwei weitere Pferdepfähle entdeckt. Damit besitzen wir für zwei Tage Feuerholz. Nur die Pferde haben auf der abgegrasten Wiese kaum zu fressen“, überlegt er. Erst jetzt wird Tanja und mir bewusst dass Bilgee sich hier für mehrere Tage einrichten möchte. Für die Organisationsarbeit, die uns für die Überwinterung bevorsteht, ist es aber unmöglich hier draußen zu campieren. Wir müssen in die Stadt. Wir benötigen Genehmigungen um für geplante sieben Monate im Naturschutzgebiet der Tsaatans zu leben. Wir brauchen den politischen Rückhalt des Bürgermeisters von Mörön und weil wir uns dort oben unweit der russischen Grenze befinden eine Spezialgenehmigung des Militärs. Wir benötigen die komplette Einrichtung für eine Jurte und müssen mit Saraa absprechen wie unsere Ausrüstung in das von hier 350 Kilometer entfernte Dorf Tsagaan Nuur gelangt. Wir haben bis Dato keine Ahnung wo wir unsere Pferde im Winter unterbringen können. Wenn wir von Mörön unsere Ausrüstung mit Allradfahrzeugen in die extrem abgelegene Region unserer Mutter Erde bringen möchten, ist das zu organisieren. Dies bedeutet aber dass die Pferde in Mörön bleiben oder Bilgee sie nach Erdenet zurück reitet. Nur wer füttert sie über diesen langen Zeitraum? Was kostet so etwas? Und können wir den Hirten vertrauen bei denen wir unsere Reittiere lassen? Die Vorbereitungen die wir in Erdenet hatten verblassen regelrecht im Vergleich zu dem was vor uns liegt. Das ist ein unausweichlicher Fakt. Tanja und ich haben dafür mindesten zwei Wochen angesetzt. Und wenn wir es in dieser Zeit bewerkstelligen trifft uns erneut ein göttlicher Strahl. Nur wie erklären wir das alles unserem Bilgee? Ohne Übersetzer, unmöglich. Unser Mongolisch ist bisher eine Katastrophe. Wir üben zwar aber es ist nicht leicht diese Sprache zu erlernen.
Tanja versucht Saraa übers Handy zu erreichen aber die Leitung bricht jedes Mal zusammen. Unter diesen schwierigen Bedingungen könnte ich Ulzii verfluchen. Aber das bringt jetzt auch nichts. Bis heute hat er bis auf Ausnahmen einen passablen Job gemacht. Er war zwar der schlechteste Übersetzter den wir je auf unseren Expeditionen hatten aber jetzt bemerken wir wie schwer es ohne ihn ist. Wäre Bilgee nicht so erwachsen und würde überlegt und besonnen reagieren, wäre der Trip hier vorerst zu Ende. „Hier, das ist eine Freundin von mir“, sagt Bilgee und reicht Tanja sein Handy. Da er einen anderen Mobilfunkanbieter hat bekommen wir über sein Telefon Kontakt. „Die Frau auf der anderen Seite der Leitung ist wegen den ständigen Aussetzern kaum zu verstehen. Dann bricht auch die Leitung von Bilgees Telefon zusammen. Wieder versuchen wir Saraa zu erreichen. Diesmal mit Erfolg. „Ich kann mein Haus nicht verlassen. Habe gerade zwei Babys zu beaufsichtigen. Wenn ihr am Stadtrand seid komme ich euch entgegen. Wir klären alles Weitere später“, sagt sie, dann bricht die Leitung wieder zusammen. „In der Stadt gibt es kein Fressen für unsere Pferde und Wasser ist teuer“, überlegt Bilgee. „Ja wissen wir. Aber wir müssen trotzdem rein. Saraa meint wir können alles vor Ort regeln“, versuche ich unserem Mann zu erklären. Er nickt mit dem Kopf versteht aber nicht das Saraa nicht zu uns ins Camp kommen kann. „Saraa hat zwei Babys zu beaufsichtigen“, erklärt Tanja, streckt ihren rechten Unterarm aus, legt ihre linke Hand in die Armbeuge und bewegt den Arm hin und her als würde sie ein weinendes Baby beruhigen. Dabei ahmt sie das Weinen eines Babys nach. „Ahh, ha, ha, ha“, lacht Bilgee jetzt verstehend.
Bevor wir unser Camp zusammenpacken kochen wir auf unserem mühsam herbeigeschafften Feuerholz heißes Wasser für einen Griesbrei mit Rosinen und Tee. Dann helfen wir uns gegenseitig und bemerken kaum dass uns eine Arbeitskraft fehlt. „Es ist wie immer alles „state of mind“, sage ich wiederholt zu mir selbst. Eine Situation hat nur die Kraft die wir ihr beimessen. Sie ist nur schlimm wenn wir es zulassen. Jede Aufgabe ist lösbar und hat ihre Herausforderung die uns reifen lässt. Mit Weisheit betrachtet, und ich muss zugeben das ich davon weit entfernt bin, kann man für solche Herausforderung dankbar sein. Was wäre ein Leben ohne Höhen und Tiefen? Es wäre auf lange Sicht gesehen sehr langweilig. Und was wäre ein Leben ohne Herausforderungen? Es wäre ein Leben ohne lernen. Ein Leben ohne lernen möchte ich nicht haben denn lernen ist eine feine Sache. Es bereitet Freude und bringt uns immer einen Schritt weiter. Schritt für Schritt schreiten wir somit voran. Es ist wunderbar weiterzukommen. Nicht nur einen Fuß vor den anderen zu setzen sondern auch eine Gedankenschlussfolgerung an die andere zu setzen. So bauen wir uns das Gerüst des Lebens auf. Ein Gerüst welches irgendwann einmal vielleicht bis zum Himmel reicht. Soweit, dass wir eine weitere Tür öffnen dürfen auf die wir Jahre lang zugelaufen sind. Hinter dieser Tür gibt es dann erneute Aufgaben, ein neues Universum, eine andere Unendlichkeit. Auch wenn mich solche Situationen in manchen Fällen zum nachdanken und Schlussfolgern bringen sind sie in dem Moment, in dem ich sie lebe, nicht immer schön. Fantastisch wäre es wenn man es schaffen kann sie schon in dem Augenblick des Geschehens zu akzeptieren und locker zu nehmen. Dann ist das Leben nicht mehr schwer sondern ein sich ständig wandelnder Traum.
Um 12:30 Uhr lassen wir den Übernachtungsplatz hinter uns. Langsam reiten wir, diesmal nur zu dritt, auf Mörön zu. Wir nutzen einen der unzähligen Fahrspuren die die Autos in die Steppe gezogen haben. Da sich die Reifen bei Regen tief in die Grasnarben arbeiten, verlassen die Fahrer die ausgefahrene Spur, um einen neuen besseren Untergrund zu finden. Dadurch reiht sich oftmals über die Breite eines gesamten Tales eine ausgefahrene Spur an die andere. Für die Umwelt kann das nur katastrophal sein. Der Boden verdichtet sich, wodurch sich die Vegetation verändert. Manche der Fahrrinnen werden vom Starkregen derart ausgewaschen, dass die gesamten Erdschichten metertief weggeschwemmt werden. Die Erosionsschäden sind fatal. Hier wird über Jahrzehnte nichts mehr wachsen. Es ist mühsam mit den Pferdewagen die unendlich vielen Bodenwellen zu queren. Es gibt in diesem Tal keinen einzigen Meter ohne solch eine von Autoreifen gezogene Woge.
Nach zwei Stunden erreichen wir das Ortschild von Mörön. „Wir sind jetzt am Ortseingang“, sagt Tanja ihr Handy am Ohr haltend auf ihrem Pferd reitend. „Ich hole euch ab“, antwortet Saraa. Zehn Minuten später kommt uns ein altes Auto entgegen. Eine Frau im mittleren Alter steigt aus. „Ob das Saraa ist?“, frage ich. „Denke schon“, meint Tanja. Die Frau unterhält sich mit Bilgee. Wir vermuten sie erklärt ihm den weiteren Weg in die Stadt. Da sie uns noch nicht begrüßt hat wissen wir noch immer nicht ob sie wirklich Saraa ist. „Saraa?“, frage ich etwas verunsichert. „Ja“, antwortet sie. Nachdem wir uns jetzt seit über einem Jahr zum ersten Mal gegenüberstehen bin ich über die verhaltene Begrüßung etwas verunsichert. „Ob das an Ulzii liegt?“, geht es mir durch den Kopf. Ich steige vom Pferd, laufe auf sie zu und umarme sie. Schließlich haben wir ihr zu verdanken überhaupt hier sein zu dürfen. Saraa erwidert die Umarmung und lacht jetzt. „Bilgee weiß wo wir wohnen. Ich habe ihm den Weg erklärt. Folgt ihm einfach. Wir treffen uns dann bei mir Zuhause“, erklärt sie und steigt wieder in das heruntergekommene Auto. Die Hufe unserer Pferde wirbeln den Staub auf. Links und rechts der unbefestigten Piste reihen sich die landestypischen Bretterzäune hinter denen sich die Block- und Holzhütten befinden. Plötzlich steigt ein Mann aus dem Auto, läuft uns entgegen und nimmt Tanja Ulziis Pferd aus der Hand. „Das ist mein Pferd!“, ruft sie die Leine Festhaltend. „Ich bin doch Ulziis Bruder, der Mann von Saraa“, erklärt er lachend. „Ach so“, antwortet Tanja und gibt ihm die Zügel. Freudig galoppiert er voraus und zeigt uns den Weg. Vor einem blechernen Eingang zügelt er sein Pferd und steigt aus dem Sattel. Elanvoll öffnet er das Tor und sagt wir sollen unsere Pferde und Wagen in den etwa 400 qm kleinen staubigen Innenhof führen. „Sollen wir während der Vorbereitung hier unsere Tiere lassen?“, wundert sich Tanja. „Ich hoffe nicht“, antworte ich denn hier können wir sie maximal für einen Tag unterbringen. Da Saraa vorgeschlagen hat für uns eine Jurte zu errichten in der wir leben können wundern wir uns in dem Hof keine zu sehen. „Vielleicht steht die Jurte an einem anderen Ort und wir bleiben hier nur für eine Tasse Tee“, überlege ich. „Kommt ins Haus“, bittet uns Saraa. Wir spannen Bor aus, stellen den Pferdewagen auf seinen Pflock und binden unsere Pferde an dem Bretterzaun an. Dann laden wir die Satteltaschen ab und betreten das kleine Blockhaus. Etwas verworren, uns seit vielen Wochen wieder in einem Haus zu befinden, setzen wir uns auf einen Holzstuhl und warten was nun geschehen wird. Saraas Mann schenkt uns eine Tasse Milchtee ein und bietet uns Weißbrot und Kekse an. „Oh Gott, nur keine Kekse“, geht es mir durch den Kopf da ich vorerst von dem gesamten Süßkram kuriert bin. Ich nippe an dem traditionellen Milchtee, nehme mir verhalten eine Scheibe Weißbrot und lasse meinen Blick durch das Innere der Wohnstätte gleiten. Bilgee, Tanja, Saraas Mann Gonchigdorj, Saraa, die gerade ihrem zwei Monate alten Baby Erkhenbayar die Brust gibt, ihr vier jähriger Sohn Ontsgoibayar, ihr 15 jähriger Sohn Batzorig und ich sitzen oder stehen in der etwa 5 qm kleinen Küche. Die Enge eines voll besetzten Raumes nicht mehr gewohnt sehne ich mich augenblicklich in eines unsere Camps. Der kleine Kanonenofen, auf dem auch gekocht wird, strahlt angenehme Wärme aus. Außer einem Regal auf dem ein paar Teller und Tassen stehen und einem schmalen Kühlschrank gibt es in der Küche nichts. Eine Türöffnung ohne Tür mündet in einen noch kleineren Schlafraum. Ein Bett, ein auf mongolisch bemalte Truhe und eine Art Babyhängebett richten das spartanischen Räumchen ein. Durch eine weitere Türöffnung ohne Tür geht es in den etwa 17 qm großen Wohnraum indem sich außer einem Fernseher kaum Einrichtungsgegenstände befinden. Hier schläft im Regelfall die Familie auf dem Teppichboden. „Habt ihr Hunger?“, fragt Saraa. „Reiter haben immer Hunger“, antworte ich lachend. Eine halbe Stunde später bekommt jeder von uns eine Schüssel mit Reise und Fleisch. Als entspannte Vegetarierin fischt Tanja die Fleischstückchen aus ihrer Schüssel und gibt sie mir. „Wir sollten die Pferde tränken“, schlägt Bilgee vor, der immer um unsere Tiere besorgt ist. „Gute Idee“, antworten wir und gehen wieder in den staubigen Hof. Wir binden die Pferde los und bringen sie zur Wasserausgabestelle dieses Stadtbereiches. Durstig trinkt jedes Tier 20 Liter von dem köstlichen Nass. Wir zahlen 400 Tugrik (25,- Eurocent)und führen unsere Reittiere wieder in Saraas Hof. Es stellt sich heraus dass wir heute Nacht in Saraas Haus schlafen dürfen. Die Jurte wird morgen besorgt und aufgebaut. Wegen der dringend benötigten Tierverpflegung fragt Saraa ihre Freund, Bekannte und Nachbarn. „Irgendwoher bekommen wir Heu“, sagt sie zuversichtlich. Am Abend wird sie tatsächlich fündig. Der Nachbar auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat zwei Ballen Heu geschnitten die wir nehmen dürfen. Glücklich tragen Bilgee und ich die Ballen zu unseren Tieren und werfen jedem einen Haufen vor. Sofort beginnen sie ihren Hunger zu stillen. „Ist nicht die beste Qualität aber besser als gar nichts“, meint Bilgee zufrieden. „Was kostet das Heu?“, frage ich Saraa. „Oh ich weiß nicht. Gib was du denkst“, ist auch ihre typische Antwort die wir während unserer Vorbereitung schon öfter gehört haben. „Ich weiß nicht was ich geben soll. Ich möchte nicht zu wenig und auch nicht zuviel bezahlen. Was denkst du ist ein angemessener Preis?“, frage ich. „10.000 Tugrik (5,71 €) ist bestimmt angemessen. Der Mann hat lange mit seiner Sichel gearbeitet um das Heu zu schneiden“, erschreckt mich ihre Antwort ein wenig, da 6.233 Tugrik (3,57 €) das Tagesdurchschnittseinkommen ist. „Wie lange werden die Pferde daran fressen?“, frage ich Bilgee. „Morgen Früh brauchen sie wieder Heu“, sagt er. „Dann kostet uns nur das Heu eine Stange Geld“, meint Tanja. „Hm, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen. Lass uns morgen darüber sprechen“, meine ich hundemüde wieder in Saraas Haus gehend. „Kannst du mir bitte 20.000 Tugrik (11,42 €) geben. Ich gehe Gemüse für das Abendessen einkaufen“, fragt mich Saraa. „Gerne“, sage ich und reiche ihr das Geld. „Die Stadt ist teuer“, meint Tanja. „Ja, draußen in der Steppe kostet das Leben nicht viel. Aber wir haben keine andere Wahl. Wir müssen hier alles Weitere vorbereiten“, antworte ich. „Wie sieht es mit Pferdediebstahl in der Stadt aus? Müssen wir Wachschichten einlegen?“, frage ich Saraa. „Weil unsere Tür nicht abzusperren ist wäre es sinnvoll“, meint sie. „Oh nein. Nicht schon wieder Nachtschicht. Ich möchte einmal durchschlafen. Bilgee und ich lassen uns etwas einfallen wie wir das Tor heute Nacht verriegeln“, antworte ich. Nachdem wir den gesamten Pferdewagen ausgeladen und alles in das kleine Blockhaus geschlichtet haben stehen Bilgee und ich vor dem Tor und überlegen wie wir es zubekommen. Es dauert nicht lange und wir finden eine Lösung. Schnell ist ein Metallgriff aus meinem Ersatzteillager an die Tür geschraubt durch die wir zwei Ketten und ein chinesisches Schloss ziehen. „Sieht gut aus“, meint Bilgee lachend. Wir schütteln uns die Hand und gehen wieder ins Haus. Mittlerweile ist auch Saraa wieder vom Einkaufen zurück. Es gibt kleine Teigbällchen mit Schafsfleisch gefüllt die in Milch gekocht werden aber leider kein Gemüse. Auch wenn die Teigbällchen nur ein paar tausend Tugrik kosten wollen wir nicht nachfragen was mit dem Gemüse geschehen ist. Wir wollen die Gastfreundschaft nicht gefährden. Tanja begnügt sich nur den Teig dieser Bällchen zu essen.
Zur Feier des Tages haben wir in einem kleinen Lebensmittelgeschäft unweit von hier ein paar Bier und Erdnüsse gekauft. Wir spendieren allen Bier und freuen uns es bis hierher geschafft zu haben. Schade, dass Ulzii diesen Moment nicht mitbekommt. Es ist ein erhabener Moment nach all den Vorbereitungen, den anfänglichen Visaproblemen, den ewigen Verhandlungen, den Pferdekäufen, dem Pferdewagenbau, dem Weglaufen von Ulziis Onkel Tsagaan, den vielen Pässen, dem Wintereinbruch und vielem mehr Saraas Zuhause erreicht zu haben. 400 Kilometer voller Abenteuer und Erlebnissen. Erst nach Mitternacht kuscheln wir uns in die Schlafsäcke. Das Holz im kleinen Kanonenofen neben uns knistert und wärmt uns. Die Nasenspitzen und Gesichter sind zum ersten Mal nicht kalt. Ohne Wachschichtunterbrechung verbringen Bilgee, Tanja und ich seit langem eine wunderbare Nacht.
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