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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Ticketkontrolle

N 47°33'994'' E 019°03'675''
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    Tag: 62

     

    Sonnenaufgang:
    06:31 Uhr

     

    Sonnenuntergang:
    18:41 Uhr

     

    Gesamtkilometer:
    1621,64 Km

     

    Temperatur – Tag (Maximum):
    27,9 °C

     

    Temperatur – Tag (Minimum):
    21,2 °C

     

    Temperatur – Nacht:
    7,5 °C

     

    Breitengrad:
    47°33’994“

     

    Längengrad:
    019°03’675“

    Maximale Höhe:
    108 m über dem Meer

Weil uns der gestrige Tag in Budapest so gut gefallen hat und wir von dem was es zu besichtigen gibt nur einen kleinen Bruchteil erhaschten, haben wir uns entschieden einen Tag länger zu bleiben. “Lass uns doch heute mit dem Bus fahren. Ist bestimmt ne gute Alternative zur Bahn und wir sehen was Neues”, schlage ich vor. “Eine gute Idee”, stimmt mir Tanja zu. Bestens gelaunt überqueren wir die Straße vor unserer Pension. Gleich auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die Haltestelle. Wieder finden wir keinen Ticketschalter. “Bin mir sicher das Billett beim Fahrer kaufen zu können”, meint Tanja. Als wir dann in den modernen Bus einsteigen müssen wir feststellen, dass der Fahrer hinter einer hermetisch verschlossenen Glaswand sitzt und für keinen seiner Gäste ansprechbar ist. Mit ungutem Gefühl lassen wir uns auf eine der freien Plätze nieder und fahren bis zur Endstation. “Und wie geht es von hieraus weiter?”, fragt Tanja. “Das Mädchen an der Rezeption hat gesagt wir sollen die Untergrundbahn nutzen”, antworte ich und folge zielstrebig den Fahrgästen des Busses die auf einer nahen Treppe in der Erde verschwinden. Unter der Straße befindet sich eine andere Welt. Lotterieverkäufer bieten den eiligen Passanten ihre Lose an. Blumenläden erhellen mit ihren bunten Pflanzen das triste Licht der künstlichen Beleuchtung. Der Duft von frisch gebackenem Brot entweicht aus einem Laden in die Gänge, vermischt sich mit dem Rauch von Zigaretten, dem Gestank von abgestandenem, billigen Alkohol und dem Schmutz der verklebten Wege. Eine Luftwelle bläst uns aus einem dunkel gähnenden Tunnel ins Gesicht. Zwei glühwurmähnliche Lichter flimmern in der Schwärze, zerschneiden die Finsternis, werden größer bis sie plötzlich die schmutzige Schnauze eines Zuges erkennen lassen der nur Sekunden später mit laut kreischenden Bremsen zum stehen kommt. “Irgendwie sieht man dem Laden hier an das es nach der Londoner Metro die zweitälteste Untergrundbahn der Welt ist”, meine ich laut.  “Siehst du hier einen Ticketautomaten?” “Nein”, höre ich Tanja antworten und frage einen jungen Mann ob er Englisch spricht. “Ein bisschen Deutsch”, antwortet er freundlich und erklärt uns wo wir die Fahrscheine kaufen können. Der Mann hinter einer Glasscheibe schiebt mir zwei Tickets durch den Schlitz die ich befriedigt einstecke. Dann fragen wir uns zur richtigen Untergrundbahn durch die uns ins Zentrum bringt.

Nur wenige Stationen später steigen wir bestens gelaunt aus. Schließlich haben wir es geschafft uns ohne Sprachkenntnisse und uns ohne nur einmal zu verfransen im Herzen Budapest anzukommen. Wir lachen uns siegessicher an als wir die Rolltreppe betreten, um wieder dem Tageslicht entgegen zu gleiten.

“Ticket!”, reißt mich eine übel gelaunte Stimme aus meinem Frohsinn. Vor mir steht eine fette Frau in dunkler Uniform. Ihr fratzenhaftes Gesicht lässt mich im ersten Augenblick zurückweichen. “Ticket!”, wiederholt sich der sich vor mir bewegende Mund in fremdländischen Akzent. “Ah Tickets. Na klar”, antworte ich der unfreundlichen Frau die wohl heute mit dem linken Fuß zu erst aus ihrem Bett gestiegen ist. Ich greife in meine Hemdtasche und ziehe die zwei Tickets heraus. Siegessicher und selbstbewusst reiche ich ihren grabschenden Wurstfingern meine wunderschönen und nagelneuen Belege. Die in ihren wulstigen Höhlen liegenden dunklen Augen scheinen einen kurzen Augenblick aufzublitzen als sie unsere hübschen Fahrscheine untersuchen. Plötzlich hebt sich ein ekelhafter Finger in Augenhöhe. Der Mund des Gesichtes bewegt sich wieder. “2000 Forint!”, hallt es in meinen Ohren. Dann dreht sich der Körper mit der dunklen Uniform zu Tanja und der Mund wiederholt: “2000 Forint!” Tanja und ich lachen uns etwas unsicher an und wissen nicht was diese Frau von uns will. Sie deutet jetzt energisch auf unsere Fahrscheine und sagt etwas auf Ungarisch. Dann hören wir die zahl 4000 Forint auf Englisch. “Wie?”, frage ich überrascht und merke wie sich in mir Ärger aufbaut. “Strafe!”, sagt die Kontrolleurin. “Warum? Wir haben doch wunderschöne Tickets für uns Beide gelöst”, antworte ich auf Deutsch. Die Beamtin, wenn sie überhaupt eine ist, spricht anscheinend kein Deutsch und kein Englisch. Ihr Gesicht verzieht sich zu einer lachenden Fratze. Ihre Stimme wird lauter und wiederholt die Zahl 4000 und Strafe. “Wir zahlen keine Strafe. Wir haben Tickets”, antworte ich ernst. Plötzlich ruft die Frau einen Kollegen der wie aus dem Nichts auftaucht. “Zahlen!”, glauben wir zu verstehen. “Nicht zahlen!”, antworte ich worauf der Mann, in selbiger Uniform steckend wie die Frau, sein Handy zückt und eine Nummer wählt. “Polizei!”, sagt der ebenfalls äußerst unfreundliche Herr zu uns. Wir fühlen uns plötzlich behandelt wie Verbrecher. Die Passanten laufen desinteressiert an uns vorbei. “Das sind gültige Tickets und wir zahlen keinen Pfennig!”, sage ich jetzt ebenfalls lauter. Der Mann hält mir die Fahrscheine unter die Nase und gibt mir zu verstehen, dass wir sie nicht entwertet haben. “Was soll denn das? Wo kann man den die Dinger entwerten?”, möchte ich wissen, worauf wir uns gegenseitig in jeweilig eigener Landessprache ansprechen. “Wo steht denn das geschrieben? Wir sind Ausländer und können doch die Sprache nicht lesen. Sie sehen doch das wir keine Schwarzfahrer sind”, sage ich und deute auf die Billettes. Der Mann führt uns zu einem Hinweisschild an der Wand wo in deutscher Sprache klein gedruckt steht wie man die Tickets löst. “Das sieht doch kein Mensch!”, rufe ich entsetzt und kann einfach nicht fassen, dass der ungarische Staat so mit seinen Touristen umgeht. Der Kontrolleur zückt wieder sein Handy, labert irgendetwas von der Polizei. Dann zeigt er auf ein in Englisch geschriebenes Blattpapier auf dem wir lesen können dass beim Zuziehen der Polizei sich der Preis von 2000 auf 6500 Forint erhöht. “Nicht fair. Das ist nicht fair!”, rebelliere ich. Als wir den Beiden Bösewichten verständlich machen kein Geld zu haben wollen sie einen von uns als Pfand zurückbehalten. Um den Ärger ein Ende zu setzen ziehe ich 8 Euro aus dem Geldgürtel was ungefähr dem Betrag von 2000 Forint gleichkommt und drücke sie dem Halsabschneider in die Hand. Gnadenlos fordert er auch den Betrag von Tanja ein, worauf wir unser Budget für den heutigen Tag mehr als überlasten.

“Sauerei!”, fluche ich wieder am Tageslicht angelangt. In den ersten Minuten laufen wir vor lauter Ärger orientierungslos herum. Dann besinnen wir uns. “Macht eigentlich keinen Sinn sich von diesen Schwachköpfen den Tag verderben zu lassen”, meine ich. “Stimmt. Vergessen wir am besten die leidige Geschichte und genießen die Stadt”, gibt mir Tanja Recht.

In der Fußgängerzone angekommen treffen wir gleich auf einen Informationsstand an dem Stadtrundfahrten angeboten werden. “Zu teuer”, sage ich dem Verkäufer und erzähle ihm gerade erst 4000 Forint Strafe bezahlt zu haben. “Mit uns können sie so etwas nicht machen”, sagt er in perfektem Deutsch. “Wie soll ich das verstehen?”, frage ich. “Die Kontrolleure sind üble Leute. Wir hassen sie. Sie sind meist sehr unfreundlich und suchen sich fast immer die leichteste Beute aus und das sind Touristen. Die wissen ganz genau, dass ein Tourist nicht weiß wie er sein Ticket lösen soll. Beim kleinsten Fehler werden Leute wie sie zur Kasse gebeten. Bei einem Ungarn werden sie sich es dreimal überlegen ob sie ihm eine Strafe aufbrummen. Es ist leicht die Adresse eines Kontrolleurs herauszufinden. Und es kann dann auch leicht geschehen das er auf dem Nachhauseweg einen übergezogen bekommt. Nein, mit uns machen sie das nicht. Da haben sie viel zu viel Angst. Nur die armen Ungarn, also denen man schon ansieht das sie nichts haben, werden zur Kasse gebeten”, erklärt er. “Unglaublich”, sage ich erstaunt. “Sie hätten aber trotzdem nicht bezahlen sollen. Wenn sie unser Gesetz kennen würden hätten sie vor Gericht einfach gesagt festgehalten worden zu sein. Oder noch besser, man hat sie wie einen Verbrecher behandelt. Dann hätten sie sogar noch Geld aus der Sache geschlagen”, erklärt er mit wissendem Lächeln. “Na dafür braucht man aber Zeit. Oder wie lange dauert es bis man zur Gerichtsverhandlung geladen wird? Und wer weiß wo man in der Zwischenzeit untergebracht ist. Vielleicht sogar im Gefängnis? Ne, ne dann besser so, obwohl es wirklich eine Sauerei ist wenn der ungarische Staat solche Menschen auf die Geldbringenden Touristen loslässt. “Also, ich gebe ihnen die Tickets um 2000 Forint billiger dann haben sie nur die Hälfte an Strafe bezahlt. Wollen sie die Stadtrundfahrt unter diesen Umständen machen?” Tanja und ich sehen uns an und stimmen zu. Der Grund für unsere Aufenthaltsverlängerung in Budapest war unter anderem die Stadtrundfahrt. Wer weiß ob wir jemals wieder nach Budapest kommen?

Bis zum Start der Besichtigungstour schlendern wir durch die Innenstadt und genießen die Promenade an der Donau. Dann am späten Nachmittag setzen wir uns in den Cabriolet-Bus und lassen uns zu den schönsten Bauwerken Budapest fahren. Die Reiseleiterin erzählt in drei Sprachen über die Vergangenheit der Metropole. Wir erfahren über die sieben aus dem Ural kommenden Stämme deren Führer sich hier niederließen. Wir hören von der Krönung im 19. Jahrhundert des Kaisers Franz Josef und der Kaiserin Sissi in der Matthiaskirche. Vom König Stephan der 1001 als erster König Ungarns anerkannt wurde. Wir lauschen den Geschichten der Entstehung des Landes, der Anwesenheit der Römer, den Völkerwanderungen germanischer Stämme, hören vom Reich der Hunnen unter Attila, deren Vertreibung durch die Germanen, deren Vertreibung durch die Awaren, der Eroberung durch die Mähren, der Eingliederung des Landes von Karl dem Großen usw. Mir brummt der Kopf vor lauter Geschichte und ehrlich gesagt ist es für mich unmöglich alles auf einmal zu verstehen und zu behalten. Übrig bleibt für uns ein überwältigender Eindruck, genug um morgen die Stadt zu verlassen, um der Donau weiter zu folgen.

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