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E-Bike-Expedition Teil 2 Mongolei - Online-Tagebuch 2015

Taschendiebe

N 47°55’08.9’’ E 106°53’50.1’’
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    Datum:
    11.8.2015

    Tag: 44

    Land:
    Mongolei

    Ort:
    Ulan Bator

    Breitengrad N:
    47°55’08.9’’

    Längengrad E:
    106°53’50.1’’

    Gesamtkilometer:
    8.563

    Maximale Höhe:
    1.308 Meter

    Sonnenaufgang:
    06:40 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:15 Uhr

    Temperatur Tag max:
    53 Grad in Sonne

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

In der Nacht bellen die Hunde des Viertels als wollte man ihnen sekündlich ans Leben. Der Lärm der Straße, das Heulen einiger Sirenen und das Grölen von Betrunkenen vereinen sich zu einem Stakkato schräger Töne, die sich bis zum Dach von Ganas Guesthouse aufschwingen, und durch die Filzwände unserer Jurte dringen. Müde liege ich da und versuche ohne Erfolg mich in die Welt der Träume zu flüchten. Immer wieder geht mir die Fahrt durch den Verkehrswahnsinn durch den Kopf. Vor allem die schlechte Luft die im Vergleich zum Winter allerdings so sauber ist wie in einem Alpenkurort. In den kalten Monaten, so hat man uns berichtet, ist die Luftverschmutzung so dramatisch, dass man vor lauter Smog kaum die gegenüberliegende Straßenseite erkennt. Wissenschaftliche Untersuchungen sind schon lange alarmierend, denn sie zeigen, dass die Knochen der modernen Städter vierzig- bis hundertmal mehr Blei enthalten als jene der mumifizierten ägyptischen Pharaonen. Man geht davon aus, dass die Schwermetalle, die im Blutkreislauf der heute lebenden Menschen zirkulieren, oftmals eine verborgene Ursache für körperliche und geistige Krankheiten sind. Weil die Filzwände einer Jurte die Sonnenwärme nicht wie Stein- oder Betonwände eines modernen Gebäudes speichern, werden wir in unserer mongolischen Behausung zum Glück nicht gebacken und verbringen trotz der beständigen Lärmkulisse eine angenehme Nacht.

Am Morgen sitzen wir mit anderen Reisenden aus Algerien, Deutschland, England, Frankreich, Holland, Spanien, Russland, Schweiz, Italien, und anderen Nationen am Tisch, tauschen Geschichten aus und frühstücken zusammen. Weil wir durch unsere Reiseart uns meist abseits der klassischen Routen fortbewegen, treffen wir seit langen wieder einmal die Travellerszene. Wir tauschen Geschichten und Erfahrungen aus. Jeder der Anwesenden hat etwas zu erzählen. Einige wollen ein Stück des Landes mit den Pferden durchqueren, andere wollen sich ein Moped mieten um das Land zu erkunden, während viele sich in kleine Gruppen zusammenschließen, einen Jeep mit Fahrer mieten um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu besuchen.

Weil unsere einmonatige Aufenthaltsgenehmigung nicht ausreicht müssen wir gleich am Morgen zur Einwanderungsbehörde um unser Visa zu verlängern. Als wir das Haus verlassen sagt der Besitzer; „Passt auf eure Sachen auf. In der Stadt gibt es viele Taschendiebe.“ „Ja, ja, das ist uns bekannt“, antworte ich mich bedankend. An der Bushaltestelle filme ich die wartenden Menschen und einfahrenden Busse. Im Augenwinkel bemerke ich einen Jungen der mich die ganze Zeit anstarrt. Als ich aufblicke sieht er weg und tut so als wäre ich völlig uninteressant. Eine Windböe fegt über die Straße und bedeckt die Menschen mit dem aufgewirbelten Staub. Einige halten sich ein Tuch vors Gesicht andere husten. Plastiktüten wirbeln durch die Luft und klatschen an die gebrochene Glasscheibe des baufälligen Wartehäuschens. Neben mir gähnt ein großes, rundes Loch im aufgeplatzten Gehsteig. Der Kanaldeckel fehlt. Vielleicht hatte jemand dafür Verwendung. Egal ob da ein Kleinkind zu tote stürzt oder sich ein Mensch das Bein oder das Genick bricht, diese gefährlichen Löcher auf den Gehsteigen sind in dieser Stadt zahlreich. Anscheinend ist bei der Stadtverwaltung keinen dafür zuständig ist. „Vielleicht gibt es aber auch kein Geld dafür oder der jeweilige Beamte unterschlägt die Gelder um sich und seiner Familie ein Haus zu bauen?“ sage ich ein Bild von solch einem gähnenden Schwarz zu schießen. „Da kommt die Nummer 25!“, ruft Tanja. Kaum hält der Bus an eilen wir mit einem Pulk von Menschen hinein. Instinktiv greife ich an meine Hosentaschen um nach meinem Smartphone zu fühlen. „Es ist weg!“, rufe ich. „Was?“, fragt Tanja. „Mein Smartphone ist weg!“, sage ich aufgeregt. Sofort nimmt Tanja ihr Telefon und ruft mich an. „Nichts“, sagt sie als der Bus auch schon losfährt. „Ich kann es nicht glauben“, fluche ich. Es muss beim Einsteigen passiert sein. Der Typ ist jetzt dort draußen während wir hier drin stehen. Ein perfekter, sehr gut getimter Taschendiebstahl. „Verdammter Mist“, fluche ich weiter und fühle mich irgendwie entblößt. Tanja versucht indes weiterhin mein Telefon zu erreichen. „Er hat es ab geschalten“, meint sie nachdem sich keine Verbindung mehr aufbauen lässt. „Dass mir so was passiert glaube ich einfach nicht. Und dabei hat mich Gana noch extra gewarnt“, sage ich mittlerweile recht kleinlaut. „Das kann jeden passieren“, tröstet mich Tanja. „Und ich habe so aufgepasst. Es waren nur Sekunden“, meine ich nachdenklich. „Wir kaufen Dir ein neues Smartphone. Ein Besseres. Eines das auch passable Bilder macht. So eins wolltest du doch schon lange haben“, beruhigt sie mich. „Hm, stimmt schon. Kostet halt wieder viel Geld. Und wer weiß ob es so etwas in Ulan Bator überhaupt gibt? Und die ganzen Apps die ich drauf hatte wie zum Beispiel die Fernbedienung für unsere Kameras. Und wenn ich daran denke wie wir die Zugänge für unseren Emailaccount neu installieren sollen wird mir ganz anders. Für eine Spezialisten oder jemanden der so etwas ständig macht ist das sicherlich kein Problem aber für uns?“, frage ich, sehe aus dem Fenster auf den staubigen Randbereich der Stadt mit ihren aufgerissenen Straßen, den vielen maroden Häusern und denke darüber nach dass uns die Hässlichkeit schon am ersten Tag gebührend begrüßt.

Die Visaverlängerung geht reibungslos vonstatten. Wir müssen 110.000 Tugrik (45,- €) pro Person bezahlen, einen kurzen Brief schreiben warum wir einen Monat länger bleiben wollen, ein Formular ausfüllen und unsere Pässe abgeben. „Kommen sie morgen Nachmittag wieder. Dann bekommen sie ihr Visum“, sagt der Beamte in gebrochenem Englisch. Wieder im Bus fahren wir erneut in die Innenstadt zu unserem neunen skurrilem Heim. Diesmal beobachte ich jeden Mongolen misstrauisch und frage mich wer von ihnen ein Dieb sein könnte. Meine Kameratasche halte ich vor der Brust und verschränke meine Arme darüber. Die kann mir nur jemand nehmen wenn er eine Knarre auspackt, denke ich grimmig.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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