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E-Bike-Expedition Teil 2 Mongolei - Online-Tagebuch 2015

Im Zentrum der Hölle

N 47°55’08.9’’ E 106°53’50.1’’
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    Datum:
    10.8.2015

    Tag: 43

    Land:
    Mongolei

    Ort:
    Ulan Bator
           
    Breitengrad N:
    47°55’08.9’’

    Längengrad E:
    106°53’50.1’’

    Tageskilometer:
    61

    Gesamtkilometer:
    8.563

    Luftlinie Luftlinie:
    49

    Durchschn. Geschw.

    20.1 km/h

    Maximale Geschwindigkeit
    41 km/h

    Fahrzeit Std
    3:00

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.600 Meter

    Sonnenaufgang:
    06:38 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:17 Uhr

    Temperatur Tag max:
    53 Grad in Sonne

    Aufbruch:
    8:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    13:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Seit 8:00 Uhr rollt der Gummi wieder über den teils groben löchrigen Asphalt. Der Verkehr hat stark zugenommen. Gegen Mittag erreichen wir den großen Ovol vor Ulan Bator. Wie es der Brauch verlangt laufen wir dreimal herum und wünschen uns eine sichere Fahrt durch die Metropole mit ihrem verrückten und aggressiven Verkehr. Genau hier hatte sich Tanja vor Jahren wegen Überanstrengung und einem verdorbenen Essen mehrfach übergeben. Ganz im Gegensatz zu heute war damals die Talfahrt in die Stadt für sie bei sehr kaltem Wetter und starkem Gegenwind ein gefährliches Unterfangen. „Bist du bereit?“, frage ich. „Ja“, antwortet sie bestens gelaunt. „Dann lass uns hinab sausen.“ „Aber nicht zu schnell!“, warnt sie mich. „Keine Sorge“, antworte ich und lasse meinen schweren Roadtrain in die Senke rauschen. Wir passieren die große Moutstation an der jeder Autofahrer für die Nutzung der oftmals schlechten Straßen zahlen muss. Nur uns Radfahrer winkt man freundlich durch. Am Stadtrand treffen wir auf ein Kloster und eine große Buddhastatue. Wir verweilen für einige Zeit und setzen unsere Fahrt frohen Mutes fort. Dann ist sie da, die manifestierte Hässlichkeit einer staubigen, sich unaufhörlich ausbreitenden Großstadt, die 1649 unter dem Namen Urga um ein Kloster herum entstand und ab 1778 ständiger Sitz des Oberhauptes des Lamaismus in der Mongolei war. Das heutige Ulan Bator ist eine Stadt die zu dem traurigen Ruhm gekommen ist im Winter mit die schmutzigste und giftigste Luft aller Großstädte weltweit zu besitzen. Hier sterben die Leute reihenweise an den Folgen der schlechten Luft. Obwohl Sommer ist und die umliegenden Haushalte nicht heizen müssen liegt Smog über der Metropole. Monströse Kraftwerke spucken übel aussehenden Rauch aus, der sich wie eine erstickende Decke auf all die Häuser, Gebäude und Straßen legt. Auch wenn wir in den letzten Jahren schon ein paar Mal hier waren bin ich immer wieder vom Anblick des politischen und kulturellen Zentrums der Mongolei entsetzt. Seit 1996, als wir das erste Mal hier waren, hat sich das einst verschlafene und vergessene Städtchen zu einem stinkenden, hektischen Industriestandort entwickelt, in dem nahezu alle Abgase ungefiltert in die Atmosphäre und die Lungen der Menschen geblasen und die Abwässer in den Fluss Tuul gepumpt werden. Auf diese Weise erreicht der Tuul das Zehnfache der zulässigen Schadstoffmenge und verseucht das Trinkwasser des Hinterlandes.

Wir gleiten mit ca. 25 km/h über die vierspurige Straße dahin. Der Verkehr rauscht an uns in großer Geschwindigkeit vorbei und wirbelt unaufhörlich Staub auf. Schon nach kurzer Zeit erschweren uns die Abgase das Atmen. Auch wenn die meisten Autofahrer uns bisher respektvoll behandeln haben sie einen Fahrstil, dass es selbst einer alten Sau grausen kann. Vor allem sind wir über die Gnadenlosigkeit und Rücksichtslosigkeit, die sie an den Tag legen, überrascht. Zweispurige Straßen werden zu dreispurigen erklärt. Es wird gehupt und geschimpft, geschnitten und in allerletzter Sekunde gebremst. Geht es in einen Kreisverkehr, hat man nur die Chance sich mit Gewalt Eintritt zu verschaffen. Keiner gönnt dem anderen nur einen Zentimeter Vorsprung. Ein Fahrer zeigt erbarmen, bremst sein Gefährt und winkt uns durch. An einer Kreuzung versucht ein Polizist mit unaufhörlichem Trillern und dem Winken mit seinem Stab die rollenden Blechhaufen zu kontrollieren. Es kann nicht lange dauern, bis so ein Mensch an Lungenkrebs eingeht, denke ich mir wie auch schon damals als wir uns durch diese Stadt einen Weg bahnten. Zum Glück sind wir nicht während der Rush Houer in diesem Wahnsinn unterwegs, denn das wäre vergleichbar mit Russisch Roulette.

Wohlbehalten erreichen wir das Zentrum der Verkehrshölle. „Und wo soll Ganas Guesthouse sein?“, frage ich Tanja, die die Adresse in ihrem Smartphone gespeichert hat. „Lass uns dort mal anhalten!“, ruft sie, worauf ich mein Bike auf einen verdreckten, aufgerissenen Parkplatz steure. „Es kann nicht mehr weit sein“, meint sie und fragt einige Passanten. Nach einiger Zeit hat sie eine verwertbare Antwort bekommen. Wir schieben unsere Böcke über den Zebrastreifen und kreuzen so einigermaßen sicher die Straße, obwohl sich ein paar Autofahrer einen Dreck darum scheren, dass die Fußgängerampel auf Grün steht. Nachdem wir uns wieder in den gefräßigen Verkehrsstrom gewagt haben entdecken wir auf einem Hügel ein Haus auf dessen Dach ein paar Jurten ihre Rücken in den grauen Himmel strecken. „Dort oben ist es!“, ruft Tanja erfreut. Leider gibt es von hier keine Möglichkeit die Hauptstraße zu überqueren, so zieht uns der Sog des Verkehrsflusses mit sich bis zu einer Kreuzung. „Welche der vielen Ampeln ist für die Linksabbieger?“, frage ich Tanja. Sie zuckt nur mit den Schultern. Einer der Autofahrer scheint uns zu verstehen und deutet nach rechts oben. „Ih Bajrlalaa“, (vielen Dank) bedanke ich mich. Als wir Grün erkennen sausen wir im Turbomodus los. Wir arbeiten uns durch die stinkenden Blechkisten, unsere Sinne sind bis aufs äußerste geschärft, es geht einen Berg herauf und wieder runter, doch leider führt keine Straße zu dem Guesthouse. „Eigentlich müssten wir schon längst da sein!“ fluche ich. Ein Passant deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. Seine Aussage wird von einer Mongolin bestätigt. Drüben angekommen fragen wir uns weiter durch und landen in einer schmalen unasphaltierten Gasse. Gebetsfahnen wehen im heißen Wind. Staub weht über die staubige Dreckpiste die man im Zentrum einer Großstadt nicht vermuten würde. Wir riechen Weihrauch und vernehmen die Glocken eines Klosters. Urplötzlich sind wir in ein anderes Zeitalter gebeamt. „Das ist doch die Mauer des Gandan-Klosters?“, frage ich verwundert. Langsam rollen wir am bedeutendsten Kloster von Ulan Bator entlang welches bereits 1727 gegründet wurde. Wäre ich von der Stadtfahrt nicht so gestresst könnte ich diesen Augenblick genießen. Auf der kleinen Gasse holpern nur sehr wenig Autos vorbei. Menschen laufen hin und her und eh wir uns versehen stehen wir vor dem hölzernen Haupteingang des Klosters. Nichts ist mehr von der einstigen Zerstörung, die 1937 im Zusammenhang mit antibuddhistischen Aktivitäten geschehen sind, zu sehen. „Wo ist Ganas Guesthouse?“, fragen wir eine Ticketverkäuferin. Schnell versammeln sich Schaulustige um uns. Sie bilden einen regelrechten Kreis um uns dass das Atmen in der Hitze noch schwerer wird. Es wird wild diskutiert bis sich einer der Männer bereit erklärt uns dort hin zu führen. Als wir vor einem heruntergekommenen, rotem Blechzaun stehen, bedanken wir uns bei dem Mann. Ganas Guesthouse ist über dem Eingang geschrieben. Eine Frau öffnet uns ein wackeliges ebenfalls graues Blechtor. Wir schieben unsere E-Bikes hinein. Kaum hat sich das Tor unter lautem Quietschen hinter uns geschlossen sind wir froh mitten im Wahnsinn einer schrecklichen Großstadt ein sicheres Nest gefunden zu haben. Od, der junge Besitzer, zeigt mir ein dunkles Zimmer. Durch das Fenster lacht mich Bauschutt an. „Sie können auch in eine Jurte auf dem Dach einziehen“, sagt er nachdem er meinen Gesichtsausdruck gelesen hat. In der Tat stehen da mitten in Ulan Bator waschechte mongolische Jurten auf dem Dach und brüten in der prallen Sonne vor sich hin. Obwohl es drinnen sehr warm ist, fühle ich mich, in Erinnerung an unsere Überwinterung bei den Rentiernomaden, sofort zuhause. Während unsere Räder und Anhänger im Parterre einen kühlen und sicheren Platz finden, beziehen wir unsere mongolische Behausung, in der wir die kommenden Tage verbringen werden, um alles Weitere für die kommende Reise nach China vorzubereiten.

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