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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Taktik um dem Smog zu entfliehen – Zahnradwechsel und friedlicher Kaiser

N 34°15’16.4’’ E 108°56’44.1’’
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    Datum:
    08.01.2016 bis 10.01.2016

    Tag: 194 -196

    Land:
    China

    Provinz:
    Shaanxi

    Ort:
    Xi’an

    Breitengrad N:
    34°15’16.4’’

    Längengrad E:
    108°56’44.1’’

    Tageskilometer:
    80 km (U-Bhan u. Bus)

    Gesamtkilometer:
    11.511 km

    Gesamthöhenmeter:
    13.679 m

    Sonnenaufgang:
    07:50 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:49 Uhr bis 17:51 Uhr

    Temperatur Tag max:
    4°C

    Temperatur Tag min:
    minus 4°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Schon seit Tagen überlegen wir uns wie wir diesem Smoginferno entfliehen können ohne unsere Lungen übermäßig zu strapazieren. Die Feinstaubbelastung liegt bald täglich über 300 Mikrogramm pro Kubikmeter. An manchen Tagen sprengt die Anzeige auf unserem Smartphone sogar die maximal Grenze von 500 Mikrogramm. Das ist laut WHO 20 Mal über der zulässigen Höchstgrenze. Mittlerweile ist es hier in Xi’an schlimmer als in Peking. Eigenartig mit welchen Herausforderungen ein Abenteurer des 21. Jahrhundert konfrontiert wird. Während unseres 7.000 km langen Fußmarsches durch das Outback in Australien, waren es Gifttiere wie Schlangen, Skorpione, Hundertfüßler, Spinnen aber auch Naturgewalten wie Zyklone, Überschwemmungen, Wassernot usw. Während meiner Expedition zu den Wai-Wai-Indianern in Guyana waren es zwielichtige, schwer bewaffnete Gestalten. Im Amazonas war es die hohe Wahrscheinlichkeit sich zu verirren oder zwischen einen Konflikt der sich bekriegenden Yanomami-Indianer-Stämme zu geraten. In Belutschistan drohte die alltägliche Gefahr entführt zu werden. Im Stammesgebiet, an der Grenze zu Afghanistan, wurden wir beschossen. In Nepal versuchte unsere Elefantenkuh namens Bawan Kumari, die schon drei ihrer Mahuts umgebracht hatte, mehrfach uns zu töten. In Indien wäre Tanja fast an der Amöbenruhr gestorben. Seit Beginn meiner und unserer Reisen ist die Liste der erlebten Gefahren lang und trotzdem belegen solche Zwischenfälle auf einer Skala von 100 Prozent nur ein Prozent. Aber dieser Smog ist eine ständige hohe Gefahr, die von den hier lebenden Menschen kaum noch wahr genommen wird. Für sie erscheint es normal. Nach Umfragen in stark luftverschmutzten Regionen Chinas haben Kinder noch nie richtige Wolken gesehen. Die Sonne kennen sie nur als einen kleinen, schwach leuchtenden Punkt, der an besseren Tagen durch einen fortwährenden grauen Dunstschleier schimmert. Mittlerweile verkauft ein neu gegründetes Start-up-Unternehmen sogar frische, komprimierte Luft aus den kanadischen Rocky Mountains in Sprühdosen. 7,7 Liter Frischluft kosten umgerechnet 21 Euro – und das ist kein Scherz. Ein großartiges Geschäft, womit die Firmengründer auf dem besten Weg sind Millionäre zu werden. Ja so ist es, des einem Freud des anderen Leid. Es ist demnach kein Zukunftsszenario wie wir es aus dem Kino kennen. Es ist nackte Realität. Zu dem Thema Smog hat eine chinesische Journalistin, deren ungeborenes Kind noch in ihrem Bauch ein Tumor wuchs, einen Film gedreht. „Under the Dome.” Er wurde innerhalb von wenigen Tagen 200 Millionen Mal aufgerufen und nach nur sechs Tage von der staatlichen Zensur vom Netz genommen.

Wie können wir also dem Smog entkommen? „Wir sollten uns einen Kleinbus mieten und uns vor die Stadtgrenze fahren lassen. Dort ist es bestimmt nicht mehr so schlimm“, schlägt Tanja vor. Eine gute Idee. Nur wie organisieren wir hier einen Bus? Wir fragen Tina, die uns auch den Job beim Film vermittelte. Tatsächlich findet sie einen Fahrer der beim Film arbeitet und bereit ist uns für 500 Yuan (69,61 €) direkt zu den heiligen Bergen Huashan zu fahren. Nach einiger Überlegung sagen wir zu. Es kommt aber anders als geplant. Auf dem Weg zur Jugendherberge wird Tinas Smartphone gestohlen. „Ich habe gar nicht bemerkt wie mir der Dieb mein Smartphone aus der Tasche gezogen hat. Das ist eine wirkliche Katastrophe. Da waren alle meine Bilder und Adressen drin“, sagt sie am Abend geknickt als wir den morgigen Abreisetermin noch mal betätigen wollen. „Hast du deine Daten denn nicht gesichert?“, frage ich. „Leider nein.“ „Und jetzt hast du die Telefonnummer von dem Fahrer nicht mehr?“ „Genau. Die ist mit all den anderen Adressen verloren. So ein verdammter Mist. Und wenn ich an die schönen Bilder von meinem Urlaub in Shanghai denke, könnte ich weinen.“ „Und du kannst den Mann wirklich nicht mehr anrufen? Hast nicht mal seinen Namen?“ „Nein, er hat mal etwas für einen Bekannten von mir gefahren. Ich kenne ihn nur flüchtig“, antwortet Tina, worauf der Plan, uns mit dem Minibus aus dem schlimmsten Smog fahren zu lassen, fürs erste gestorben ist.

Wir nutzen den gewonnen Abend um uns im Theater eine Live-Aufführung über die Entstehung der Tangdynastie anzusehen. Ein wunderbares Bühnenspiel in dem uns die Darsteller in die blutige Geschichte Chinas entführen.

Vor einigen Tagen bekam ich vom Product Manager von Riese und Müller folgende Mail:

Hallo Denis!
Ein Kettenwechsel bei einem Gliedabstand von 0,75 mm macht durchaus Sinn, dann ist diese noch nicht zu sehr gelängt und „frisst“ Ritzel und Kettenblatt nicht auf. Umdrehen des Ritzels ist nur dann sinnvoll, wenn sich noch keine deutliche Asymmetrie der Zähne gebildet hat (ähnlich einer Haifischflosse). Man kann zwar bei der Rohloff ein Ritzel theoretisch extrem lange fahren, aber spätestens wenn es dann gewechselt werden muss, ist es hilfreich wenn es noch nicht total abgenagt ist. Sonst kann es bei der Demontage dazu kommen, dass der Kettenhebel zum Gegenhalten keinen ausreichenden Halt findet und abrutscht. Also lieber öfter mal mit einem neuen Ritzel vergleichen und im Zweifel eher früher, als zu spät wechseln, damit es keine böse Überraschung gibt.

Da ich wegen des fehlenden Minibusses ein wenig Zeit gewonnen habe, untersuche ich daraufhin die Ritzel. Und siehe da, diese Haifischzähne sind eindeutig zu erkennen. „So ein Mist“, schimpfe ich leise. „Was für ein Mist?“, fragt Tanja. „Ich glaube, ich muss das Rohloffritzel jetzt schon tauschen.“ „Warum denn? Die Räder funktionieren doch einwandfrei.“ „Ja schon, aber Martin hat mir geraten lieber früher als später die Ritzel zu wechseln.“ „Und wo ist das Problem?“ „Hm, denke das ist keine einfache Aktion. Ich habe die Montage zwar schon mal bei Riese und Müller gemacht aber das ist ein Jahr her. Mir war zwar immer klar, dass der Zeitpunkt kommen wird die Ritzel erneuern zu müssen, aber ich hätte es gerne noch ein wenig hinausgeschoben“, antworte ich und mache mich an die Arbeit. Als ich den Hinterreifen ausgebaut habe setze ich mich damit vor meinem Laptop und sehe mir dazu das Montagevideo von Rohloff an. Dann stecke ich den Abzieher auf das Gewinde, die Kettenpeitsche auf das Ritzel und halte mit der Multitoolzange dagegen. „Keine Chance. Es geht nicht auf!“, fluche ich völlig außer Puste. Dann, nach mehrmaligem Ansehen des Videos, ist mir klar, dass ich die Kettenpeitsche in der falschen Hand halte und somit das Ding fest, anstatt aufgeschraubt habe. Nach weiteren erneuten Versuchen löst sich das Zahnrad plötzlich. „Hurra! Hurra! Hurra!“, freue ich mich wie ein kleiner Junge. Der Rest ist ein Kinderspiel. „Und jetzt ist mein Bock an der Reihe“, sage ich, nachdem Tanjas Rad ein neues Zahnrad besitzt, voller Tatendrang. Eine halbe Stunde später bin ich am Verzweifeln. „Es ist wie Martin prophezeit hat. Die Kettenpeitsche findet auf den Zähnen des Ritzels keinen Halt, rutscht ständig ab und ich kann mit der Multitoolzange den Abzieher am Zahnrad nicht richtige halten. Geknickt, nun nicht wissend was zu tun ist, sitze ich vor dem vermaledeiten Hinterrad und starre es mit bösen Blicken an. „Wir brauchen eine Autowerkstatt und einen Schraubstock“, stelle ich fest. Nur wo sollen wir in der Innenstadt von Xi’an eine Autowerkstatt finden? Und wie soll ich denen klar machen einen Schraubstock zu benötigen? Was heißt eigentlich Schraubstock auf Chinesisch? „Oh man, es ist wirklich zum verzweifeln“, fluche ich weiter vor mich hin, noch immer den Hinerreifen anstarrend als wäre er mein größter Feind. Nach einer Stunde blitzt ein Gedanke durch mein Gehirn. „Ja das ist eventuell die Lösung.“ Ich arretiere das kurze Kettenstück der Kettenpeitsche mit einem Kabelbinder am Zahnrad. Dann stelle ich mich hinter das Laufrad, konzentriere mich, schicke ein Stoßgebet in den Himmel und drücke beherzt die Kettepeitsche nach unten während ich mit der linken Hand die Multitoolzange gegenhalte. Plötzlich gibt es einen kurzen Ruck. Ich kann es im ersten Moment nicht glauben. Das Ritzel hat sich gelöst. Das Werkzeug auf den Boden werfend, tanze ich ausgelassen durch unsere Zimmer. „Yes! Yes! Yes!“, ruf ich dabei unaufhörlich und schlage mir, wie ein Gorilla, mit der Faust gegen die Brust. „Yes! Yes! Yes!“, rufe ich weitertanzend, bis ich völlig außer Atem bin. Ab diesem Zeitpunkt ist diese Servicereparatur für mich kein Angstthema mehr…

Während des Gassigehens mit Ajaci hatte Tanja vor einigen Tagen einen Chinesen kennengelernt der perfekt Deutsch spricht und ihr seine Hilfe anbot. „Vielleicht kann uns Klaus einen Minibus besorgen?“, überlege ich, worauf Tanja ihn sofort anruft. „Ich werde es versuchen“, sagt er. Wenig später möchte Klaus von uns die benötigte Mindestgröße des Minibusses wissen und wohin und wann wir fahren wollen. Tatsächlich findet er einen Fahrer der uns für die 500 Yuan, allerdings nur 60 km in Richtung Hua Shan Berge bringen möchte. Weil es nur die Hälfte der Strecke ist, die uns Tinas Kontakt fahren wollte, überlegen wir eine Weile. „Wir melden uns später wieder“, sage ich zu Klaus. Als wir ihn dann die Zusage geben möchten ignoriert er jeden unserer Anrufe. Wahrscheinlich denkt er wir trauen ihm nicht und ist beleidigt. Für uns dies die einzige Erklärung warum er plötzlich jede Email, Sms, und WeChat unbeantwortet lässt.

„Vielleicht sollten wir nachts um 2:00 Uhr aufstehen. Dann wären wir um 4:00 Uhr auf unseren Rädern und könnten die Stadt ohne Berufsverkehr verlassen. Ohne die Autoabgase ist es nicht ganz so schlimm“, überlege ich. „Eine gute Idee“, gibt mir Tanja recht. Obwohl wir nun einen Plan haben fragen wir erneut an der Rezeption der Jugendherberge. Lee, ein netter junger Mann, zuckt nur mit den Schultern.

„Ich habe einen Minibus unweit unserer Jugendherberge entdeckt und den Fahrer gefragt ob er uns aus der Stadt bringt. Er ist einverstanden“, freut sich Tanja von einem Spaziergang mit unserem Hund kommend. „Und du bist dir sicher, dass er dich verstanden hat?“, frage ich. „Klar, ich schrieb die Telefonnummer auf, die auf dem Armaturenbrett lag, und habe Lee von der Rezeption anrufen lassen. Der Mann ist einverstanden aber Lee meint wir sollen nicht mit einem Chinesen fahren den wir nicht kennen. Er meinte, Chinesen machen keine Geschäfte mit Wildfremden. Das ist unsicher.“ „Aber wir machen doch kein Geschäft mit dem Mann. Wir wollen nur aus der Stadt gebracht werden.“ „Am besten du sprichst mal mit Lee. Er hat gerade Dienst und ist an der Lobby.“ Ich schalte den Laptop aus und suche Lee auf. „Es ist keine gute Idee mit Fremden zu fahren. Viel zu gefährlich“, wiederholt er sich. Etwas genervt schnaufe ich aus. „Es muss doch eine Möglichkeit geben zu einem akzeptablen Preis einen Minibus zu finden? Wir hatten doch jetzt schon drei Beinahmöglichkeiten. Vielleicht kennst du jemanden den du vertrauen kannst?“, sage ich. „Hm, hm. Ah! Vielleicht mein Onkel? Der arbeitet auch hier in der Jugendherberge und war früher Fahrer. Der kennt bestimmt andere Kraftfahrer“, fällt ihm ein, worauf er ihn umgehend anruft. Eine Stunde später steht der Onkel an der Lobby. Es ist der Mann mit dem ich vor kurzem meine teure, deutsche Multitoolzange gegen eine einfache chinesische Schraubzange getauscht hatte. Darüber war er sehr glücklich und so wie es scheint, verhilft uns meine nicht uneigennützige Geste (konnte mit der Multitoolzange den Rohloffabzieher nicht richtig arretieren) zu einem Minibus. Nach einigen Telefonaten und kurzen Gesprächen ist ein Kollege von Lees Onkel bereit uns, Ajachi, unsere Räder und Anhänger übermorgen für 500 Yuan 60 km aus der Stadt in Richtung Hua-Shan-Berge zu fahren. „Bingo, das ist organisiert“, freue ich mich.

Nachdem wir alles fertig gepackt haben, unsere Räder für die kommenden 4.000 km fit sind, nutzen wir den hoffentlich letzten Tag in Xi’an, und fahren mit U-Bahn und Bus zum Grab des Kaisers Jingdi. Obwohl es zu einem Highlight von Xi’an gehört, sind wir nahezu die einzigen Besucher. Ein breiter betonierter Weg führt uns unter die Erde. Staunend laufen wir bei dämmrigen Licht über Glasplatten und blicken auf des Kaisers Grab der 188-141 v. Chr. gelebt hatte. „Das ist mal ein Kaiser nach meinem Geschmack“, sagt Tanja. „Warum?“, wundere ich mich. „Im Reiseführer steht, dass er vom Taoismus stark beeinflusst war und seine Herrschaft auf dem Konzept des wuwei „Nicht-Handeln oder Nicht-Einmischen begründete.“ „Klingt interessant. Und was sagt uns der Reiseführer noch?“, interessiert es mich. „Er hat viel unternommen um das Leben seines Volkes zu verbessern, senkte die Steuern und reduzierte das Strafmaß für Kriminelle. Jingdi war ein weitsichtiger Mann, setzte Diplomatie ein um Kriege zu verhindern und führte sein Reich zu Reichtum und Wohlstand.“ „Es geht also auch ohne Krieg“, antworte ich an den ersten Kaiser Chinas Qín Shǐhuángdì denkend, der mit seiner Terrakotta Armee, an der nach Schätzungen bis zu 700.000 Menschen arbeiteten, unsterblich geworden ist. Der damalige Gewaltherrscher ließ nach dem Abschluss der Arbeiten an seinem Grab alle Konstrukteure und Arbeiter lebendig begraben. Auf diese Weise verhinderte er die Weitergabe von Kenntnissen über den Aufbau der Anlage.

Im Gedanken an diesen frühen Massenmörder der Geschichte betrachte ich mir die riesige Ansammlung von etwa 60 cm kleinen friedlichen Terrakotta-Puppen, die einst mal in kunstvolle Seidengewänder gekleidet waren. Über 50.000 sollen hier vergraben sein. Sie hatten ursprünglich beweglich Holzarme die im Laufe der Jahrtausende verrotteten. In dem riesigen Grab hat man bisher 21 unterschiedliche Gruben freigelegt in denen aus Ton geformte Eunuchen, Diener, Hunde, Ziegen, Schafe, Schweine und Pferde zu bestaunen sind. Während wir über die Glasplatten schreiten, gehen unter uns die Ausgrabungen weiter. Insgesamt vermutet man hier 81 Begräbnisgruben die man in Zukunft freilegen möchte.

Als wir das Mausoleum verlassen und wieder an die Erdoberfläche gelangen empfängt uns auch hier, am Rande der Stadt, der schwere Smog. Mit Atemmasken geschützt erkunden wir die überirdischen Grabanlagen. „Hoffentlich ist der Smog an den heiligen Bergen Hua Shan besser“, sagt Tanja. „Bestimmt“, antworte ich zuversichtlich…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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