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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Beim Chinesischen Film

N 34°15’16.4’’ E 108°56’44.1’’
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    Datum:
    05.01.2016 bis 07.01.2016

    Tag: 191 -193

    Land:
    China

    Provinz:
    Shaanxi

    Ort:
    Xi’an

    Breitengrad N:
    34°15’16.4’’

    Längengrad E:
    108°56’44.1’’

    Gesamtkilometer:
    11.431 km

    Gesamthöhenmeter:
    13.679 m

    Sonnenaufgang:
    07:50 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:47 Uhr bis 17:48 Uhr

    Temperatur Tag max:
    4°C

    Temperatur Tag min:
    minus 4°C

 

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

„Wollt ihr bei einer TV Show mitmachen?“ Fragt Cindy. „Was? Wie bei einer TV Show?“, glaube ich nicht richtig verstanden zu haben. „Eine Filmgesellschaft in Xi’an produziert eine TV Show. Dafür benötigen sie ein paar Europäer als Statistin. Habt ihr Lust? Ihr müsst nur herumsitzen und Kaffeetrinken. Sonst nichts. Die zahlen euch 300 Yuan (42,69 €) pro Person und Tag.“ Tanja und ich sehen uns an. „Was meinst du?“, frage ich. „Wäre doch mal interessant oder?“ „Absolut. Denke das könnte ein aufregender Tag werden“, antworte ich, worauf wir Cindy grünes Licht geben den Statistenjob anzunehmen.

Am nächsten Morgen stehen wir zeitig auf und werden von einem Fahrer der TV-Firma abgeholt. Als wir in den Van einsteigen begrüßen uns zwei Pakistaner und ein Amerikaner, die offensichtlich ebenfalls zu den Statisten gehören. Waqas und Kashif studieren in Xi’an Flugzeugtechnik und Daniel ist Englischlehrer an einer Schule. „Wie kommt ihr denn zu den Statistenjob?“, frage ich die Pakistaner. „Oh, wir sind Freunde von Tina, die wie Cindy im Youth Hostel arbeitet. Sie hat uns gestern angerufen ob wir da mitmachen wollen.“ „Und wisst ihr worum es dabei geht?“, fragt Tanja. „Haben keinen blassen Schimmer“, antwortet Daniel der ebenfalls über Tina an dieses Engagement kam. „Na ich hoffe, dass ist eine saubere Produktion“, wirft Tanja in den Raum. „Wenn nicht können wir ja noch immer einen Rückzieher machen“, sage ich. „Wir hätten gestern fragen sollen für was wir uns da eigentlich melden“, überlegt Tanja. „Was soll’s schon sein? Wenn wir in einer Show sitzen und Kaffee trinken ist es bestimmt nichts Anrüchiges“, überlege ich und bemerke wie bei unserem Gespräch die Gesichter der Pakistaner leicht erstarren. Bei einer Feinstaubbelastung von 300 Mikrogramm pro Kubikmeter düsen wir durch die dunstige Stadt. Nach 30 Minuten hält der Van auf einen Parkplatz am Stadtrand von Xi’an. Wir werden gebeten auszusteigen. Bei ca. minus 2 Grad und leichtem Wind ist es recht kalt. “Ich freue mich auf einen guten Kaffee besser noch auf einen Milchtee“, sagt Kashif. „Oh ein echter Kaffee ist nicht zu verachten“, gibt ihm Tanja recht. Um uns herum warten ebenfalls Menschen die zu der TV-Prduktionsfirma gehören. Zumindest sehen sie so aus. Nach 15 Minuten beginnen wir langsam zu frieren. Keiner hat bisher gesagt wohin wir gehen sollen oder was der nächste Schritt ist. Dann kommt eine junge, gut gekleidete Chinesin, stellt sich vor uns und betrachtet uns von oben nach unten ohne nur einen Ton zu sagen. Dann geht sie zu Waqas, öffnet seine Jacke, um zu sehen welche Kleidung er darunter trägt. Da wir lange in Pakistan gelebt haben weiß ich, dass es absolut unmöglich ist einem Moslem auf offener Straße an die Wäsche zu gehen, gefragt oder ungefragt spielt dabei keine Rolle. Kaum hat sie Waqas inspiziert tut sie das Gleiche mit seinem Freund Kashif und dem Amerikaner. Als sie den Reißverschluss meiner und Tanjas Jacke öffnet, muss ich vor Lachen laut losprusten. Die Situation ist einfach zu skurril. „Was will sie denn?“, frage ich Kashif, der recht gut Chinesisch spricht. Nach einem kurzen Gespräch erfahren wir, dass wir Sommerkleidung tragen sollen. Da es aber Winter ist, und uns vorher keiner darüber informiert hat, sind wir alle nicht passend angezogen. „Warum sollen wir als Showgäste Sommerkleidung tragen?“, fragt Tanja, bekommt aber keine Antwort. „Abwarten“, meine ich die Situation noch immer eher spaßig sehend. Dann dirigiert man uns zu einem kleinen See in der Nähe des Parkplatzes und lässt uns weiterhin in der Kälte stehen. Da ich erst vor kurzem eine schwere Erkältung hatte beginnt meine Stimmung leicht zu schwanken. Um uns herum werden Stative aufgestellt auf die Techniker große Filmkameras befestigen. Andere wuseln hin und her um die Kameras zu verkabeln. Weitere Helfer bauen einen fünf Mal drei Meter großen Sonnenreflektor zusammen. Eine Gruppe von jungen Männern ist damit beschäftig ein Regiezelt zu errichten in dem Mischpulte und anders Equipment installiert werden.

Mittlerweile ist uns klar, hier handelt sich auf keinen Fall um eine TV-Show, sondern um einen Außendreh für einen Film. Also wird aus unserem Kaffeetrinken nichts werden. Nachdem Waqas mehrfach nachgefragt hat erfahren wir, dass hier ein Spielfilm über einen berühmten Wissenschaftler gedreht wird der im Herbst über die Kinoleinwand flimmert. Postkarten aus Italien ist der Titel, weshalb die Crew versucht in dem winterlichen Randbereich von Xi’an den Sommer einziehen zu lassen. „Deswegen wollen sie uns in kurzen Hemden haben“, folgert Kashif. „Was zahlt man euch für den Job?“, fragt mich eine Chinesin unvermittelt in gutem Englisch. „300 Yuan“, antworte ich. „Für den ganzen Tag?“ „Ja.“ „Sie sollten euch 1000 Yuan (142,34 €) bezahlen. Das ist der normale Preis. Ich habe eine Vermittlungsagentur und besorge normalerweise die Statisten für die Produzenten. Da ich bei meinem Preis geblieben bin haben sie sich an euer Gästehaus gewendet, um euch zu rekrutieren“, höre ich verblüfft. „1000 Yuan?“ „Ja das ist der normale Preis. Ihr habt euch viel zu billig verkauft. Ihr solltet auf jeden Fall euren Hund verrechnen. Der muss mindestens genauso viel bekommen wie du.“ „Hm, okay, ich werde später mal Cindy fragen. Die hat das für uns eingeleitet. Aber ehrlich gesagt ging es uns nicht um Geld. Wir wollten mal sehen wie ihr Chinesen einen Film macht“, sage ich. „Verstehe. Ihr solltet aber trotzdem fair bezahlt werden. Die haben hier eine teure Produktion und sparen an den Statisten. Ist schlecht für mein Geschäft. Bleibt ihr noch länger in der Stadt?“ „Denke nicht. Sind schon viel zu lagen hier.“ „Schade, ich hätte euch gerne ein paar lukrative Jobs vermittelt.“ „Danke, sehr nett, aber wir wollen das Land kennenlernen und bereisen“, antworte ich und bin überrascht wie man als Europäer in China Geld verdienen kann wenn man an die richtigen Leute gerät.

Mittlerweile stehen wir seit zwei Stunden in der Kälte herum, noch immer keinen Plan habend, wofür man uns braucht. Die ersten Stimmen kommen auf einfach wieder zum Youth Hostel zurück zu fahren. Als der Produzent von unserem Unmut erfährt, dürfen wir unverzüglich in ein nahes öffentliches Gebäude, um uns ein wenig aufzuwärmen. Die behandeln uns wie Ware und nicht wie Menschen“, meinen Waqas und Kashif verärgert. „Und was ist mit unserem Kaffee?“, möchte Daniel wissen. „Ja, was ist mit dem versprochenen Kaffee oder besser noch Milchtee“, fragt Kashif den Mann der uns mit dem Van hierher gebracht hat. Nach einer weiteren Stunde bringt man uns je einen Becher Cappuccino. Dann haben wir den ersten Auftritt. Während ein gut aussehender Schauspieler und seine noch besser aussehende Kollegin in sommerlicher Kleidung über den Trottoir schlendern, und sich offensichtlich gerade verlieben, soll Tanja als Joggerin durch die Szene laufen. Meine anspruchsvolle Aufgabe ist es zur gleichen Zeit mit Ajaci als Fußgänger an dem verliebten Paar vorbeizuspazieren. Für diesen Filmschnitt müssen wir unsere Daunenjacken ausziehen und Wintermützen abnehmen. Kaum ist mein Erster Einsatz als Statist hinter mir, heißt es: „Noch mal!“ „Kein Problem“, antworten Tanja und ich. Wir ziehen unsere Winterjacken wieder aus. Tanja bekommt erneut das Kommando zum Losrennen, während der Regisseur mir mit einem leichten Fingertippen in den Rücken signalisiert ebenfalls meinen Spaziergang zu beginnen. Ich bin gerade so richtig schön am Schauspielern, sehe vor mir den Amerikaner Daniel über den Weg marschieren, als der Ruf des Regisseurs „Cut!“ mich regelrecht erschreckt. „Was jetzt?“, frage ich. „Chongfu“, (Wiederholen) sagt ein Mann der mir sofort seine Jacke gibt, um mich vor dem Erfrieren zu retten. „Okay, also noch mal“, sage ich. Diesmal klappert der Sonnenreflektor gegen einen Mülleimer der im Park herumsteht, ein weiteres Mal hat der Hauptdarsteller seinen Text vergessen, dann hämmert die Stimme eines Walkie Talkies dazwischen. Beim nächsten Mal hat die Hauptdarstellerin die falschen Schuhe an und beim achten Mal verliert Ajaci die Lust ständig sinnlos hin und her zulaufen, springt an mir hoch und beginnt schrecklich laut zu Quietschen. Nicht dass ich ihm auf dem Schwanz getreten wäre, nein, er macht das immer wenn er mehr bespaßt werden möchte. Ich habe das Zählen aufgehört aber ich glaube beim zehnten Mal ist die Szene im Kasten. „Na wenn die für jede Sequenz so lange brauchen kostet der Film ein Vermögen“, meine ich später in unserem kleinen Raum, in dem die zwei Pakistaner schon seit einer Stunde gelangweilt warten. Die meiste Zeit kauern sie in den Sitzen und schlafen. Für sie anscheinend eine Möglichkeit vor dieser Situation zu fliehen.

Wir warten schon wieder seit ca. drei Stunden. Es ist 17:00 Uhr. „Wann fahren sie uns zurück?“, frage ich den Mann der uns vor acht Stunden am Youth Hostel abgeholt hatte. „Nur noch ein Dreh. Wir müssen dafür nur schnell noch ein neues Setup aufbauen“, erklärt er. „Was? Ein neues Setup. Das dauert doch Stunden?“, bin ich mir sicher, weil ich weiß, dass es den gesamten Vormittag dauerte um das Erste zu errichten. „Wir gehen nirgends mehr wohin!“, meutern Waqas und Kashif jetzt. „Ja genau. Sie fahren uns jetzt wieder zurück“, fordert Tanja, während sich Daniel unparteiisch verhält. „Okay, ich bringe sie zurück“, gibt der Chinese klein bei der offensichtlich der Inhaber der Agentur ist die für diesen Film die Statisten organisiert. „Der hat sich die anderen 700 Yuan bestimmt unterm Nagel gerissen“, mutmaßt Kashif, der jetzt richtig sauer ist. „Weißt du, die sollten uns nach Stunden bezahlen und nicht einen Stundenlohn für den ganzen Tag geben. Die zocken uns hier einfach nur ab.“ „Kann sein Kashif aber wir waren von vornherein mit dem Gehalt einverstanden“, erwidere ich. „Ja, da ging es aber um Kaffeetrinken und einen schönen Tag haben und nicht darum stundenlang bei minus Graden im kurzen Hemd herumzulaufen.“ „Das stimmt. Aber was soll’s. Wir werden diesen Tag sicherlich nicht mehr vergessen. Und wer weiß, in zwanzig Jahren wirst du einmal davon sprechen wie du mit zwei Deutschen und einen Amerikaner einen Tag auf einem Filmset in China gearbeitet hast…

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