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Mongolei/Tuwa Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Stammesälteste erzählt über ihr Leben

N 51°39'155'' E 099°21'977''
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    Tag: 291-296

    Sonnenaufgang:
    05:38/05:29

    Sonnenuntergang:
    20:59/21:08

    Gesamtkilometer:
    1361

    Bodenbeschaffenheit:
    Eis, Schnee

    Temperatur – Tag (Maximum):
    3°C/ 20 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    minus 5°C/ 15 ° C

    Temperatur – Nacht:
    minus 12°C/ minus 10 °C

    Breitengrad:
    51°39’155“

    Längengrad:
    099°21’977“

    Maximale Höhe:
    1858 m über dem Meer

Die Zeit hier im Frühjahrscamp kommt mir surreal vor. Einerseits fliegt sie wie die dunklen Wolken am Firmament dahin und auf der anderen Seite scheint sie einfach still zu stehen. Bilgees Entscheidung haben wir noch immer nicht richtig verdaut. Unsere Gemüter schwanken. Einmal sind wir gut drauf und genießen das Tal mit seiner in Zeitlupe erwachenden Natur und auf der anderen Seite leben wir in einem unangenehmen Zwiespalt. Nach Plan, und wir wissen hier geht es nicht immer nach unserem Plan, sollten wir in spätestens zwei Wochen wieder unterwegs sein. Unterwegs in einem Land welches nach acht Monaten Winterstarre erwacht. Aber nein, wir werden eben nicht unterwegs sein sondern müssen hier bleiben. Wegen den schwachen Pferden diesmal nicht freiwillig. Unfreiwillig an einem Ort bleiben zu müssen, und sei es der schönste der Welt, hat eine ganz andere Dimension in dem die Psyche einem böse Zusetzen kann. Mir wird mein Dilemma, das sogenannte Kopfkino, klar und trotzdem hadere ich mit der Situation. Dabei ist ja nichts Schlimmes geschehen. Eigentlich ist gar nichts geschehen nur das sich unser Mann aus dem Staub macht. Und wo ist da ein Problem? Vielleicht ist das sogar gut? Bringt uns und die Reise in eine neue Richtung? Wir werden dadurch einen neuen Menschen kennenlernen. Er muss ja nicht schlechter als Bilgee sein. Im Gegenteil, möglicherweise bedanken wir uns später bei unserem Schicksal das es so gekommen ist. Wer weiß das schon? Es wäre schön wenn man immer und zur jeder Zeit alles was ist und geschieht ohne wenn und aber akzeptieren könnte. Dann wäre unser menschliches Leben entschieden einfacher.

Tanja und ich überlegen ob wir überhaupt einen Pferdemann benötigen. Gut es ist einfacher. Er hält uns den Rücken frei und achtet eben immer auf die Pferde. Auch beim Be- und Entladen ergibt es Sinn zu dritt zu sein. Durch diese Hilfe bekomme ich Zeit dieses Buch zu schreiben. Die Reise hat mehr Qualität und weniger Stressfaktoren. Nachdem wir das Für und Wieder abgewogen haben entscheiden wir uns einen neuen Mann zu suchen. Wie wir das anstellen ist uns noch nicht ganz klar, weil keine Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt. „Kommt Zeit kommt Rat“, sage ich um die Situation zuversichtlich und positiv zu betrachten.

Nachdem Bilgee unsere restliche Ausrüstung vom Wintercamp gebracht hat schläft er im Tipi während Tanja und ich die Nächte in unserem noch immer kalten Zelt verbringen. Obwohl schon Mitte Mai liegen die nächtlichen Temperaturen noch immer zwischen minus 10 °C und 15°C. „Ob in dieser Region das Quecksilber der Nacht überhaupt mal über 0 °C steigt?“, frage ich mich.

Weil ich mir wegen dem tonnenweisen Holzhacken und Sägen, dem bisher 385 A4 Seiten, knapp 800 Buchseiten, Tippen des Skriptes, eine Entzündung im Ellbogen eingefangen habe, bin ich zur Zeit nicht in der Lage schwere Arbeiten durchzuführen, ja nicht mal eine Teetasse richtig halten zu können. Ein Grund warum Tanja mit Bilgee in die Taiga gehen, um dort Bäume fällen und sie auf dem Rücken von Bor und Sharga ins Lager schleppen. Ein echter Knochenjob. Ist ein weiteres unangenehmes Gefühl dabei hilflos zusehen zu müssen. Ich kann nur hoffen, dass die Ruhigstellung, soweit das ein Leben in der Taiga überhaupt zulässt und die Einnahme von Anika mich bald wieder fit machen.

An einem Abend suchen wir die 77 Jahre alte Puntsel auf. Im Deel hat Tanja eine unserer zwei Flaschen Wodka gesteckt die wir mit ihr trinken wollen. Puntsel liebt das Gesöff über alles und hat uns einmal gesagt für uns singen zu wollen wenn wir es in der Abgeschiedenheit der Wildnis fertigbringen sie zu einer Runde Wodka einzuladen. Mittlerweile haben wir das Wässerchen solange aufgehoben das es Zeit wird es unter die Leute zu bringen. Puntsel scheint uns eine gute Wahl zu sein. Wir steigen die leichte Anhöhe zu ihrem kleinen Tipi hinauf. Tatsächlich sitzt Puntsel auf dem blanken Waldboden und wärmt sich ihre Hände an ihrem Ofen. Freundlich begrüßt sie uns und bietet uns einen Platz auf einem Stück zerfallenen Teppich an. Bilgee, der uns begleitet, verwickelt die alte Dame in ein Gespräch. Nach den Begrüßungsfloskeln und üblichen Fragen, wie es der Familie und den Rentieren geht, zaubert Tanja die Flasche aus ihren Deel hervor. Augenblicklich beginnen die Augen der Stammesältesten zu leuchten. Tanja gibt mir die Flasche, ich reiche sie Bilgee damit er sie segnet und öffnet. Er aber übergibt sie an Puntsel. „Tschin setgeleesee bajrlalaa“, („Herzlichen Dank“) sagt sie, drückt sich die Flasche aus Dankbarkeit gegen die Stirn und lässt sie hinter einem Bündel schmutziger Klamotten verschwinden. Da man Wodkageschenke grundsätzlich mit dem Geber augenblicklich teilt verschlägt es uns die Sprache. „Ich glaube es nicht“, sagt Tanja der es nach einer lustigen kleinen Feier ist. „Verblüffend. Jetzt hat sie die Flasche einfach weggesteckt“, meine ich. „Sie hat und ausgetrickst?“, überlegt Tanja. „Offensichtlich möchte sie die Flasche mit jemand anderem leeren“, füge ich hinzu. Bilgee, der auch gerne ein Schlückchen zu sich genommen hätte, reicht ihr einen Packen Zigarettenpapier. Wieder lacht sie und legt sich das Papier zum Zeichen des Dankes an die Stirn, um es sogleich in ihrem Deel verschwinden zu lassen. Dann schmiert der erfahrene Mongole der gewieften Alten Honig um den Mund. „Wir haben gehört du kannst so gut singen? Wir wollten mit dir zusammen singen. Aber es wäre schön wenn wir das Fläschchen teilen könnten“, sagt er und lacht. „Hi, hi, hi“, erwidert sie sein Lachen und beginnt schon mal einen Song von den Lippen zu lassen. „Gojo, gojo“, („schön, schön“) lobt sie Tanja worauf Puntsel zum nächsten Lied ansetzt. „Gojo, gojo!“, jubeln wir und klatschen in die Hände. Puntsel kommt langsam in Fahrt und mit ihrer rauen Stimme trällert sie ein Lied nach dem anderen. Dann greift sie hinter den Klamottenstapel und holt das Wässerchen wieder hervor. Sie hat Schwierigkeiten mit ihren alten, knochigen Fingern den Verschluss aufzudrehen, weswegen ich ihr helfe. Sofort schenkt sie ein Gläschen ein und haut es sich hinter die Binde. „Hi, hi, hi!“, lacht sie laut und sieht mich wie auch schon am Tsagaan Saar Fest herausfordernd an. Sie füllt das Becherchen erneut und reicht es mir. Ich kippe es in den Rachen. „Hi, hi, hi“, lacht sie, füllt es erneut, um Tanja und Bilgee zu bedienen. So kreist das Gläschen unaufhörlich, wobei es bei ihr ein paar unbemerkte Ehrenrunden dreht.

Die Stimmung ist ausgelassen. Wir sitzen auf dem dünnen Stückchen uralten Teppich, durch dem die Bodenfeuchtigkeit dringt. Das Tipi ist noch spartanischer eingerichtet als im Wintercamp. Außer ein paar zusammengerollte Kleidungs- und Matratzenbündel, die an der Zeltleinwand liegen, gibt es nicht viel. Über unseren Köpfen baumeln fette Fleischstreifen. Sieht so aus als wäre es der Magen eines Tieres. Ein paar Riemen und Lederbänder klemmen zwischen den Tipistangen. In der Mitte des kleinen Zeltes steht der obligatorische Ofen an dessen Platz vor 15 Jahren noch ein offenes Feuer brannte. Ich lausche Puntsels eigenwilligen Gesang und sehe durch die Tipiöffnung auf das hohe Gebirge im Osten. Weil ihr Zelt etwas höher steht als die anderen Im Tal kann ich die vielen Tipis sehen die sich dort unten wie Pilze auf einer Wiese verteilen. Rentiere laufen dort herum und suchen zwischen dem Gesträuch nach Flechten. Die Kühe rufen nach ihren Neugeborenen die unaufhörlich antworten. Es klingt bald so wie das Quaken von unzähligen Fröschen. Gebannt vernehme ich diese fremdartige Klangsymbiose.

In einer Gesangspause erzählt Puntsel das sie heute unterwegs war und andere Tipis besuchte. „Ich habe den ganzen Tag Fleisch gegessen. Hi, hi, hi.“ Ich nutze die Gelegenheit, um sie ein wenig über ihr Leben auszufragen. Bereitwillig antwortet sie. „Du bist nun 77 Jahre alt und hast viele Jahre in der Taiga gelebt und hart gearbeitet. Hast du eigentlich irgendwelche körperlichen Leiden wie Rückenschmerzen?“ „Ach ja. Manchmal schmerzen mir der Rücken und die Gelenke. Aber ich kann damit leben.“ „Du bist eine glückliche und fröhliche Frau“, sagt Tanja. „Hi, hi, hi. Es macht keinen Sinn traurig zu sein.“ „Gibt es eigentlich Kräuter im Wald die die Tuwa als Medizin einsetzen?“, fragt Tanja „Das Meiste bekommen wir heutzutage aus der Apotheke. Hi, hi. Aber gegen Magendrücken und Verdauungsprobleme esse ich Soda. Das findet man in verschiedenen Provinzen der Mongolei. Ist eine Art Gestein. Ich mische es mit Tee oder Wasser. Meist mache ich das wenn ich zu viel Brot gegessen habe um mein Magendrücken zu lindern.“ „Wenn ich krank werde suche ich Kräuter und trinke sie als Tee. Wenn ich hohen Blutdruck habe nehme ich eine bestimmte Wurzel. Ich trockne sie und mische sie in meinen Tabak. Dann rolle ich mir eine Zigarette und rauche sie. Das hilft.“ „Wie weißt du ob du hohen Blutdruck hast?“, möchte ich wissen. „Wenn mein Nacken Steif und meine Füße heiß werden. Wenn ich niedrigen Blutdruck habe werden meine Füße kalt. Auch rauche ich die Flechten die die Rentiere fressen.“ „Was bewirkt das?“ „Das hilft ebenfalls gegen hohen Blutdruck. Ich kann keine westliche Medizin einnehmen. Die wirkt bei mir nicht. Wenn ich Medizin gegen hohen Blutdruck schlucke steigt er glatt auf 300. Einmal nahm ich westliche Medizin gegen hohen Blutdruck. Daraufhin musste ich mich den ganzen Tag übergeben. Das ist nicht gut für mich.“ „Bist du auch zu Schamanen gegangen wenn du krank warst?“ „Ügüj. (nein) Ich behandle mich selber. Hi, hi, hi“, lacht sie und stürzt sich ein weiteres Gläschen in den Rachen.

„Hast du eigentlich einen Tuwanamen?“, möchte Tanja wissen. „Oh ja. Mein Tuwaname ist Jongnae.“ „Hat der Name eine Bedeutung?“ „Nein, das ist einfach ein Name.“ „Ist das ein alter Tuwaname?“, frage ich. „Als meine ältere Schwester drei oder vier Jahre alt war gab sie mir diesen Namen. Sie besaß ein Lieblingsbabyrentier mit dem selben Namen. Und als das Babyrentier starb sagte sie ich werde meine jüngere Schwester Jongnae nennen“, erklärt sie. „Ist deine ältere Schwester noch am leben?“, frage ich. „Nein sie starb im alter von fünf Jahren.“ „So jung?“ „Ja. Ich verstand nie warum sie so früh gestorben ist.“ „Das ist sehr traurig“, meint Tanja und fragt; „Und du hast sechs Kinder geboren?“ „Alles in allem hatte ich neun Geburten. Vier davon starben.“ „Es muss schwer sein fünf Kinder durchs Leben zu bringen?“, fragt Tanja. „Oh nein, ich habe sechs Kinder. Drei Jungs und drei Mädchen. Hi, hi, hi,“ verbessert sie sich. „Ja ich hatte viele Schwierigkeiten meine Kinder großzuziehen da ich alleine war.“ „Warum warst du alleine?“ „Ach meine Partner haben nicht gepasst. Meine Kinder stammen von unterschiedlichen Vätern. In jenen Tagen hatte ich eine Teilzeitarbeit in der Fischfabrik von Tsagaan Nuur. Als Hadaa und die anderen noch klein waren band ich sie mit Schnüren ans Bett, schloss die Tür der Baishin und ging zur Arbeit.“ „Das war eine gute Idee. So konntest du dir sicher sein das sie Zuhause blieben“, antwortet Tanja. „Tijmee, (Ja) während meiner Mittagspause bin ich nachhause geeilt, um nachzusehen ob alles beim Rechten ist. Wenn ich kam sahen die Kinder aus dem Fenster und warteten auf mich.“ „Wie hast du sie festgebunden? Um die Füße?“, frage ich. „Nein um die Hüfte.“ „Und nach dem Leben in Tsgaan Nuur bist du wieder in die Taiga gezogen?“, fragt Tanja. „Ich liebe es in der Taiga. Ich bin den Wald gewohnt.“ „Friedlich?“ „Friedlich“, hi, hi, hi.

„Kannst du dich daran erinnern als ihr von der russischen Tuwaprovinz in die Monglei geflohen seid?“, frage ich. „Tijmee.“ „Wie war das?“ „Ich war acht Jahre alt. Ich erinnere mich als meine Eltern gepackt haben.“ „Und einige deiner Familienmitglieder sind dort geblieben?“ „Tijmee. Aber meine Eltern und meine zwei jüngeren Brüder waren dabei.“ „Weißt du noch warum ihr geflohen seid?“ „Viele von uns wollten in die Mongolei weil es als freies Land galt.“ „Aber in der Mongolei herrschte das gleiche kommunistische Regierungssystem wir in Russland?“, sage ich. „Die Großmutter meines Vaters war Mongolin. Sie erzählte uns viel Gutes über das Nachbarland. Das war einer der Gründe warum wir gingen. Zu dieser Zeit hatten wir keine Ahnung was uns in der Mongolei erwartet. Als wir in der Mongolei waren und meine Urgroßmutter trafen konnte ich mich nicht mit ihr unterhalten weil sie nur Mongolisch und nicht Tuwan sprach. Es war schwierig mit ihr zu sprechen. „Wie kam es das die Urgroßmutter eine Mongolin war?“ „Sie wurde von Mongolen adoptiert. Mein Urgroßvater traf sie als er einmal in der Mongolei war und heiratete sie. Er brachte sie nach Russland.“ „Und wie lange dauerte es bis ihr von der Tuwaprovinz in die Mongolei kamt?“ „Drei Tage.“ „Nur drei Tage?“ „Tijmee. Es war nicht sehr weit bis zur Grenze. Wir überquerten einen Fluss und gelangten so über die Grenze.“ „Es gab also einen konkreten Plan Russland zu verlassen um in die Mongolei zu gelangen?“, frage ich erneut nach. „Wir wollte sowieso gehen. Die Russen begannen damit die Tuwanomaden zu benachteiligen. Rassismus kam auf. Das war auch ein Grund warum wir nicht bleiben wollten.“ „War nicht auch ein wesentlicher Grund weil die Russen eure jungen Männer in den zweiten Weltkrieg einzogen, um gegen die Deutschen zu kämpfen?“ „Bei uns nicht. Aber andere Tuwastämme hatten dieses Problem.“ „Lebtet ihr damals in der Wildnis oder neben einer Stadt?“ „Wir lebten nicht weit weg von Kysyl der Hauptstadt von Tuwa. Meine Mutter war eine Bäckerin und buk Brot für die Russen.“ „Hattet ihr viele Rentiere in jener Zeit?“, frage ich. „Ja, wir hatten viele. Wir hielten sie in der Taiga.“ „Und die Menschen wohnten damals auch in Tipis?“, fragt Tanja. „Tijmee. Wir lebten in den Bergen.“ „Als du in der Mongolei ankamst, hat es dir dort gefallen?“ „Es war sehr schön.“ „Warum hat es dir gefallen?“ „Neues Land, neue Atmosphäre. Es war sehr interessant für ein kleines Kind.“

„Was magst du mehr? Die alte Zeit oder die heutige?“, frage ich. „Ich mag es heute genauso wie damals glaube ich. Wenn du ein Kind bist weißt noch nicht was das Leben bedeutet.“ „Hm, okay aber heute hast du Elektrizität, zumindest eine Batterie und der Ort Tsagaan Nuur, den es damals noch nicht gab, ist erreichbar. Du hast Kontakt zu ausländischen Touristen. Es gibt Telefon. Liebst du diese Art der Zivilisation?“ „Oh ja, ich mag es. Hi, hi, hi“, lacht sie weil sie ihre gebrochene Plastiktasse mit einem Heftpflaster repariert.“ „Wie alt ist dieser Becher?“ „Den brachte mir Ultsans Mutter vor 22 Jahren aus Ulan Bator mit. Er bricht nun überall aber ich hänge an ihm. Genauso wie an dem Wasserkessel. Den hat sie mir damals auch mitgebracht“, antwortet sie und deutet auf den dampfenden Kessel der auf dem Ofen steht.

„Warst du auch mal in Ulan Bator?“, möchte ich wissen. „Ja. Als ich 23 Jahre alt war lud mich, mit 30 anderen, die Regierung ein, um die Stadt zu besichtigen.“ „War es ein Schock das erste Mal in einer Stadt zu sein?“, will ich wissen. „Es war wirklich schön. Wir waren eine Woche dort.“ „Ich habe gehört du hast in Ulan Bator gesungen?“ „Ügüj, ich habe nie in Ulan Bator gesungen. Aber ich habe im Auditorium in Tsagaan Nuur gesungen.“ „Was habt ihr damals in Ulan Bator gemacht?“ „Sie haben uns in einen Bonbon- und Keksfabrik geführt. Den mongolischen Staatszirkus konnten wir aber nicht sehen weil die Ferien hatten.“ „Warst du öfter in Ulan Bator?“ „Ügüj, das war das einzige Mal.“ „Oh das ist lange her.“ „Tijmee. Ich erinnere mich das es mir so gut gefallen hat das ich gar nicht mehr heim wollte. Als wir dann nach Mörön kamen dachte ich wir wären auf dem Land. Dort gab es zu dieser Zeit nur Blockhütten. Es war ein spannende Zeit. Wir hatten vorher noch nie eine Stadt gesehen. Bevor wir nach Ulan Bator kamen mussten wir alle erst mal duschen. Hi, hi, hi. Bis dahin hatte ich noch nie eine Dusche gesehen. Wir wuschen auch unsere Kleidung und Unterwäsche. Ich sah etwas Weißes in meinem Zimmer und dachte es ist ein guter Ort, um meine Kleidung darauf zu legen, um sie zu trocknen. Am nächsten Morgen war alles zu Asche verbrannt. Ich habe die Kleidung unwissentlich auf einen Herd gelegt. Hi, hi, hi. Ich war wirklich sehr, sehr dumm zu dieser Zeit. Ich kann mich gut erinnern.

Als wir die Stadt erreichten brachte man uns alle zusammen in Hotelzimmer. Am Morgen sperrten uns die Organisatoren dieses Ausflugs in die Zimmer damit wir nicht herumlaufen und in der Stadt verloren gehen. Ich verspürte plötzlich großen Durst und wollte unbedingt heißen Tee trinken. Neben meiner Tür war ein Loch in der Wand. Ich brachte es fertig hindurchzuschlüpfen. Ich verließ das große Haus und sah einen Platz an dem viele Menschen etwas aßen. Ich eilte dort hin. Die Menschen gaben mir Tee und ein Plätzchen in dem in der Mitte ein Loch war. Ich trank meinen Tee und aß mich satt. Dann ging ich zurück ins Hotel. Alle fragten mich wo ich gegessen habe. Ich führte die ganze Reisegruppe zu diesem Platz und jeder bekam Tee und Kekse.“ „Alle?“ „Ja, wir allesamt haben heißen Tee und die leckeren Kekse mit den Loch in der Mitte bekommen. Ich war also die Schlauste der Gruppe. Hi, hi, hi“, lacht sie sich auf die Schenkel patschend. Später fand ich heraus das ich unsere Leute zu einem Busbahnhof geführt hatte.“ „Und die haben euch etwas zu Essen gegeben?“ „Tijmee.“ „Nette Menschen.“ „Tijmee.“ „War dieser Ausflug einer deiner besten Zeiten im Leben?“, frage ich. „Ja, ja, sehr schön.“

„Hast du die Zeit des Kommunismus gemocht?“ „Während dieser Zeit besaßen wir alle Arbeit. Wir bekamen Brot und verschiedenes Essen und Tee.“ „So war es eine gute Zeit?“ „Tijmee, eine schöne Zeit. Die Regierung gab uns ein Gehalt dafür das wir auf die Rentiere aufpassten.“ „Habt ihr euch zu dieser Zeit unfrei gefühlt?“ „Für mich war es in Ordnung. Ich hatte keine Schwierigkeiten.“ „Ich denke du bist so alt geworden weil du eine sehr positive Einstellung hast.“ „Hi, hi, hi. Immer wenn ich Tsagaan Nuur verlasse, um wieder in die Taiga zu gehen, sagen meine Freunde und Verwandten; Oh wir werden dich vermissen weil du uns immer zum Lachen bringst.“ „Gibt es eine Zeit in deinem vergangenen Leben die du gerne nochmal leben möchtest?“, frage ich. Ach vor kurzem kam Gomb mit einer fetten Mongolin ins Camp geritten. Purvee hat bemerkt, dass diese Frau die Antibabypille einnahm. Wir haben Suren dann aufgezogen und ihr gesagt, dass es vielleicht gut wäre wenn sie ebenfalls die Antibabypille einnehmen würde.“ „Du meinst die alte Suren?“, fragt Tanja. „Tijmee.“ „Warum sollte sie die Pille nehmen?“ „Na das sie vielleicht ein wenig Spaß mit dem alten Gomb haben kann. Hi, hi, hi, ha, ha, ha“, lacht sie herzhaft worauf wir ebenfalls vor Lachen nahezu zusammenbrechen. „Okay, aber gibt es eine Zeit in deinem Leben die du gerne wiederholen möchtest?“, frage ich nach. „Ich weiß nicht. Ich habe so viele Erinnerungen. Für mich ist es wichtig zu lachen. Viel zu lachen. Das macht das Leben lebenswert. Selbst Schmerzen gehen dann vorbei. Wenn jemand immer ärgerlich ist und ständig über negative Dinge spricht bekommt er vielleicht Herzprobleme, er wird schnell krank. Ich denke Optimismus und positiv Denken ist der Schlüssel zu einem langen und schönen Leben. Schwestern und Doktoren sind immer wieder überrascht das ich keine Medizin benötige. Sie fragen mich wie ich das mache so fit zu bleiben.“ „Für uns ist das wunderbar zu sehen. Wir werden uns immer an diese Worte erinnern. Das ist das Rezept gesund zu bleiben“, sagt Tanja. „Ja, du wirst immer gesund bleiben wenn du viel lachst und positiv bist.“

„Seit wann kommen Touristen in euer Camp?“ „Seit 10 Jahren.“ „Und wie findest du das?“, frage ich. „Oh das ist gut. Ich höre von unterschiedlichen Plätzen dieser Erde. Sehe neue Gesichter.“ „Wirst du öfter interviewt wie gerade eben?“ „Ja, manchmal fragen sie so viele Fragen das mir der Kopf raucht. Ich sage dann zu ihnen gebt mir eine Flasche Wodka dann spreche ich wie ein Wasserfall. Und dann bringen sie ihn heraus und wir sprechen die ganze Nacht“, sagt sie und beginnt ein neues Lied zu trällern. Kurz bevor die Flasche leer ist singen Puntsel und Bilgee im Duett. Es klingt fremdländisch und schön.

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