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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

Ob uns Mai Chau gehen lässt?

N 20°45’16.1’’ E 105°04’30.7’’
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    Datum:
    07.11.2016

    Tag: 500

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Hòa Bình

    Ort:
    Homestay am See

    Breitengrad N:
    20°45’16.1’’

    Längengrad E:
    105°04’30.7’’

    Tageskilometer:
    19 km

    Gesamtkilometer:
    20.366 km

    Luftlinie:
    11 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    16,9 km

    Maximale Geschwindigkeit:
    32.8 km/h

    Fahrzeit:
    1:06 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt / Schotter

    Maximale Höhe:
    270 m

    Gesamthöhenmeter:
    54.941 m

    Höhenmeter für den Tag:
    280 m

    Sonnenaufgang:
    06:06 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:20 Uhr

    Temperatur Tag max:
    16°C

    Aufbruch:
    10:00 Uhr

    Ankunftszeit:
    12:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Massive Bewölkung und leichter Nieselregen lässt uns zweifeln ob auch der heutige Tag für einen Aufbruch geeignet ist. Nicht, dass wir mittlerweile so verweichlicht sind und als Langstreckenradler Nässe und Regen scheuen, aber das was sich da gerade am Himmel zusammenbraut sind die Vorboten eines weiteren angekündigten Taifuns. „Ich an eurer Stelle würde noch ein paar Tage bleiben und das schlechte Wetter aussitzen“, meint ein anderer Reisender. „Gott bewahre“, stöhne ich, da mir dieses Mai Chau langsam unheimlich wird. „Es möchte uns einfach nicht gehen lassen“, sagt Tanja nicht gerade bestens gelaunt. „Bis zum Stelzenhaus des Kriegsveteranen sind es nur 20 Kilometer. Wenn die Taifunausläufer sich wirklich bis in diese Region verirren, bleiben wir einfach dort. Ich denke ein Locationwechsel tut unserer Psyche gut“, überlege ich laut. „Auf jeden Fall. Bekomme die Krise wenn wir noch länger bleiben. Es ist zwar schön hier, aber zu lang ist zu lang. Schließlich wollen wir ja auch mal etwas anderes von Vietnam sehen“, ist Tanja meiner Meinung. „Hoffe nur, dass der Veteran noch in seinem Stelzenhaus wohnt. Er wollte doch schon vor einigen Wochen umziehen. Weißt du ob er noch am See lebt?“, frage ich Ka. „Habe schon versucht ihn anzurufen aber ans Mobiltelefon geht er nicht. Glaube aber schon, dass er noch da ist“, antwortet der Manager der Nature Lodge. Glauben heißt nichts wissen, geht es mir durch den Kopf. „Hm, wir versuchen es einfach. Wenn er sein Haus bereist verlassen hat, können wir ja immer noch zurückfahren. Darin haben wir mittlerweile Übung“, entscheide ich. „Oder wir stellen dort einfach unser Zelt auf“, meint Tanja entschlossen.

Diesmal gibt es nur einen kleinen Abschied. Da Manh Do schon vorgestern nach Hanoi gefahren ist und die Angestellten alle arbeiten, ist nur Ka anwesend. „Wünsche euch diesmal mehr Glück. Passt auf euch auf“, sagt er uns umarmend. „Machen wir. Und du solltest ab und an mal eine Pause einlegen. Seitdem wir uns kennen hattest du nicht einen einzigen Tag frei“, rate ich. „Ha, ha, stimmt. Werde bei Gelegenheit daran denken. Jetzt muss ich erstmal den Laden hier mit aufbauen“, antwortet er uns nachrufend.

20 Minuten später lassen wir die Stelle, an der sich vor zwei Tagen die Anhängerdeichsel in Tanjas Hinterrad gebohrt hat, rechts liegen. „Hurra!“, rufe ich und winke dem unheilvollen Fleckchen Erde nach. Wir verlassen die Hauptstraße. Unsere Reifen rollen nun über das schmale, teils nicht asphaltierte Gebirgssträßchen. Sie schlängelt sich für 100 Meter nach oben, nur um sich gleich wieder nach unten zu winden. „Wie läuft’s bei dir?“, rufe ich. „Super und bei dir?“ „Auch sehr gut.“ Tanja lässt ihr Bike noch sehr verhalten die Steigungen nach unten rollen. „Mach dir keine Gedanken. Der neue Winkel wird nicht mehr brechen. Dein Hänger ist mindestens 18 Kilogramm leichter und die Straßen werden sicherlich bald besser.“ „Ja, ja. Glaube ich schon. Aber die Panne steckt mir noch ein wenig in den Gliedern. Das gibt sich schon wenn wir wieder ein paar Tage unterwegs sind.“

Wir verlassen die schmale Gebirgsstraße und folgen einem noch schmaleren Weg. Es geht steil nach unten und wegen des Regens ist der Untergrund feucht. Der am Tag bis zu 70 cm wachsende Riesenbambus wölbt sich in 30 bis 40 Meter Höhe über unsere Köpfe. Ich ziehe die Bremsen, um ein paar Bilder von dem überwachsenen, exotischen Weg zu fotografieren. „Sieht aus als würden wir das Tor zu einer Märchenwelt durchfahren“, sage ich bestens gelaunt. „Ein faszinierendes Gewächs“, erwidert Tanja nach oben blickend. Unter dem Dach des Bambuswaldes erreichen wir das Stelzenhaus des Kriegsveteranen Hung. Wir stellen unsere Bikes auf die Ständer und laufen um das verlassen wirkende Haus. „Hallo! Hallooo! Ist jemand Zuhause!“, rufe ich. Nichts rührt sich. Ich steige die alten, knarrenden Holztreppen nach oben und schaue durch ein Fenster ohne Scheibe. „Da schläft jemand“, raune ich Tanja zu. „Hallo!“, rufe ich verhalten und klopfe gegen die Bretterwand. „Der schläft wie ein Bär im Winter“, meine ich und steige wieder runter. „Xin chào“, (Hallo) begrüßt uns plötzlich eine Stimme. Nur Sekunden später folgt ihr ein kleiner Mann. „Xin chào“, erwidern wir seinen Gruß. Als Hung Ajaci sieht, erkennt er uns auch wieder. In seim, von der Sonne gegerbten Gesicht, zieht sich ein Lächeln. Freudig begrüßt er unseren Hund, der schwanzwedelnd um Hung herumspringt. „Dürfen wir heute Nacht bei dir im Stelzehaus schlafen?“, fragen wir. „Không vấn đề gì“, (Kein Problem) verstehen wir und sind erleichtert. Mit Zeichensprache macht uns Hung darauf aufmerksam das der Strom ausgefallen ist. „Không vấn đề gì“, (Kein Problem) antworte ich.

Während Tanja unsere Ausrüstung in das auf dicken Baumstämmen ruhende Holzhaus trägt, schiebe ich unsere Rösser unter das Haus und sperre sie mit zwei dicken Stahlseilen an einen der Stämme. Dann gehe auch ich nach oben. Vor dem großen Raum auf Holzstelzen ziehe ich die Schuhe aus, erst jetzt trete ich über eine dicke Holzschwelle nach innen. Jeder Schritt auf den groben Bastmatten knarrt leise aber nicht unangenehm. Durch die Schlitze, der aneinander geflochtenen dünnen Mattenstäbe, fällt mein Blick nach unten. Schemenhaft sind unsere Räder zu erkennen. Hung weist uns eine Ecke rechts hinten zu, in der wir unsere Taschen stellen dürfen. Dann bietet er uns den bitteren heißen grünen Tee an. Wir setzen uns auf eine art massive Holzbank, während Hung aus einer Teekanne zwei schmutzige kleine Keramikbecherchen vollschenkt. Schweigend sitzen wir uns nun gegenüber und trinken das bittere Gebräu. Der Junge, der bei unserer Ankunft im Haus geschlafen hat, spricht ein wenig Englisch. Es stellt sich heraus, dass er mit einigen weiteren Arbeitern aus Hanoi gekommen ist, um Hungs Haus zu renovieren. „Was wird mit dem Haus geschehen?“, frage ich. „Es wird eine neue und größere Homestay für Touristen“, hören wir. Da wir unser Kommen nicht angemeldet haben, hat Hung und seine Frau Hoe nichts zum Essen für uns. „Không vấn đề gì“, sagen wir und fragen ob es an der Straße ein Restaurant gibt. Dung, der junge Mann aus Hanoi, bestätigt kopfnickend.

Gegen 14:00 Uhr schreiten Tanja, Ajaci und ich durch den mystisch wirkenden Bambuswald zum Passsträßchen. An einer Holzhütte fragen wir nach Nahrung. Wir ernten ein Kopfschütteln. Außer den üblen, billigen Fertigsuppen gibt es nichts. Auch am letzten Häuschen verneint man unsere Frage nach Essen. Wir entdecken rohe Eier in eine Vitrine. Mit Zeichensprache und unserem Vietnamsprachführer fragen wir ob die Frau die Eier kochen kann. „Không“, (Nein) vernehmen wir. „Ich glaube die hat uns nicht verstanden“, bin ich überzeugt, finde die Kochstelle in einem hölzernen Schuppen und zeige auf die Feuerstelle und einen Kochtopf. „Wasser und Eier in den Topf“, versuche ich zu erklären und mache das Geräusch von brennendem Holz nach. „Hi, hi, hi“, lacht die Frau über meine Pantomime, holt die Eier und stellt den Topf mit Wasser auf die Feuerstelle. 20 Minuten später essen Tanja und ich je fünf Eier und spülen sie mit warmen Bier hinunter. „Schon irre wie schnell man sich in diesem Land ans einfache Leben gewöhnen muss“, sage ich schmatzend. „Gut für die Linie“, antwortet Tanja amüsiert. Wir sitzen auf einfachen Metallhockern und genießen die absolute Ruhe. Dann beginnt es zu regnen. Ob sich der Taifun ankündigt?“, fragt Tanja. „Kann schon sein. Egal. Wir sind bei Hung untergekommen und wenn es länger so schüttet bleiben wir einfach ein paar Tage. Darin sind wir doch mittlerweile super trainiert.“ „Ha, ha, ha. Genau das machen wir. Hauptsache wir haben endgültig den Absprung von Mai Chau geschafft.“ „Möchte ja nicht schwarz sehen, aber wir befinden uns noch immer im Bannbereich dieser kleinen Stadt. Erst wenn wir mal 100 oder 200 Kilometer weitergekommen sind, glaube ich wirklich daran“, antworte ich das trockene Ei mit einem großen Schluck Dosenbier hinunterspülend.

Am Abend hat Hoe uns ein einfaches Mahl aus weißem Reis und grünem Gemüse bereitet. „Darf euer Ajaci Reis fressen?“ fragt Hung, der ihn unentwegt streichelt und offensichtlich einen Narren an ihm gefressen hat. „Klar, Reis mag er gerne“, antwortet Tanja und schüttet den Inhalt von Hungs Schüssel in seinen Napf. Um 20:00 Uhr hängt Hung grüne Tücher auf, die den Raum trennen. Somit besitzen der junge Mann Dung, Hung, seine Frau Hoe und wir ein bisschen Privatsphäre in dem Stelzenhaus. Unter unserem Moskitonetz rolle ich die Isomatten aus und blase sie auf. Im Augenwinkel sehe ich wie eine kleine Maus am Netz vorbeisaust. „Lass sie in Ruhe“, ermahne ich Ajaci, da ich nicht möchte, dass er plötzlich wie ein Pfeil durch das Stelzenhaus rast und unsere Mitbewohner erschreckt. Wir legen uns auf die Isomatten und während Tanja in ihrem E-Book liest lasse ich den Strahl meiner Stirnlampe durch das Moskitonetz gleiten, um ein paar darin verirrte Moskitos zu entdecken. Eine Spinne ist indes gerade dabei in der Krone des Netzes ihr Domizil aufzubauen. Ihre acht Punktaugen reflektieren im Strahl meiner Stirnlampe. Hastig scheint sie an ihrem filigranen Netz zu arbeiten. Ein Windzug streicht über den See, drückt sich durch das geöffnete Fenster hinter uns und lässt unser Moskito- und das Spinnennetz vibrieren. Ich beobachte sie noch eine ganze Weile und lasse sie gewähren. Müde gleiten meine Augen weiter durch dieses betagte Haus und frage mich was es die letzten 50 Jahre alles gesehen hat. Hung, der uns vor einige Wochen erzählte, ein amerikanisches Kriegsflugzeug abgeschossen zu haben, und dafür mit einer Medaille ausgezeichnet wurde ,berichtet uns jetzt, dass während des letzten Vietnamkrieges sich genau hier ein wichtiger Waffenumschlagplatz des Việt Minh befand. „Von hier wurden wichtige Waffen über den Fluss weiter in den Norden geschleust“, erzählte er mit Stolz in der Stimme. Ob dieses versteckte Haus im Riesenbambuswald dabei eine Rolle spielte? Und war Hung bei dem Schmuggel beteiligt?,geht es mir durch den Kopf.

Ich betrachte mir die vertrockneten Palmblätter, mit denen das Dach gedeckt ist. Es knabbert und raschelt über unseren Köpfen. Wieder bläst der Wind durchs Fenster. Diesmal wackelt das Moskitonetz an seinem Haken hin und her. Ob das die Vorboten des Taifuns sind?, fliegt ein weiterer Gedanke durch mein Gehirn. Bin gespannt ob wir morgen weiterfahren können oder nicht. Abgesehen davon ist Hungs Stelzenhaus ein willkommene Abwechslung zum Leben in der Lodge und sicherlich einen längeren Aufenthalt wert, denke ich mir und bemerke nicht mehr wie mir die Augen zufallen…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH http://roda-computer.com/ Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung. Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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