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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Nerven wie Stahlseile

N 41°02’51.6’’ E 113°05’40.3’’
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    Datum:
    14.10.2015

    Tag: 108

    Land:
    China

    Ort:
    Ulanqab

    Breitengrad N:
    41°02’51.6’’

    Längengrad E:
    113°05’40.3’’

    Tageskilometer:
    54,45 km

    Gesamtkilometer:
    9.717 km

    Luftlinie:
    44.09 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    23.0

    Maximale Geschwindigkeit:
    51,3 km/h

    Fahrzeit:
    2:27 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.485 m

    Gesamthöhenmeter:
    5.025 m

    Höhenmeter für den Tag:
    85 m

    Rückenwind Windstärke: 4
    25 km/h

    Sonnenaufgang:
    06:36 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:51

    Temperatur Tag max:
    16 °C

    Temperatur Nacht:
    2 °C

    Aufbruch:
    09:15 Uhr

    Ankunftszeit:
    13:30 Uhr

    Platte Reifen gesamt:
    8

    Platte Vorderreifen:
    2

    Platte Hinterreifen:
    5

    Platte Anhängerreifen:
    1

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Der Manager des Hotels verabschiedet sich mit Handschlag und streichelt Ajacis Kopf. „Sie können jederzeit wiederkommen“, sagt er freundlich. „Hast offensichtlich alles richtig gemacht Ajaci“, flüstere ich unserem Hund ins Ohr.

Bei herrlichem Wetter und über 20 °C in der Sonne brechen wir auf und kommen sogar ein wenig ins schwitzen. Die langen Unterhosen, die wir seit Erenhot benötigten, haben sich erstmal erledigt. Unser heutiges Ziel ist die die Stadt Ulanqab Auf meiner Karte ist sie nur ein kleiner Fleck und trotzdem ist sie mit 2 Millionen Einwohnern größer als die Hauptstadt der Mongolei. Die chinesische Kleinstadt wird vorerst unsere südlichste Grenze markieren, da wir ab dort erstmal für ca. 560 km bis zur Stadt Bayannur nach Westen radeln. Zumindest ist das der augenblickliche Plan. Das herbstliche Grün bleibt uns auch heute erhalten. Auch die Bautätigkeiten in allen Dörfern ist unverändert hoch. Es wird gegraben und betoniert als gäbe es kein Morgen, als gäbe es morgen keinen Beton mehr. Es kommt mir so vor als würde die Regierung in Peking gegen die Armut auf dem Land mobil machen. Ich habe gelesen, dass China im Jahr 2010 1,8 Milliarden Tonnen Zement verschlang. Das sind bei einer weltweiten jährlichen Zementproduktion von 3,3 Milliarden Tonnen 55 Prozent des Weltbedarfs. Auch wenn wir bisher nur wenig von diesem großen Land gesehen haben ist mir aufgefallen, dass in jeder Sielung oder Städtchen an allen Ecken und Enden gebaut wird. Klar, das wachsende Volk mit seinen knapp 1,4 Milliarden Menschen benötigt Wohnraum. Beton scheint in diesem Land wichtiger als Gold zu sein. Die letzten aus Lehm und Stroh gebauten Häuschen der Bauern weichen zusehend den hässlichen Betonglötzen in denen man hunderte, in den Großstädten des Landes sogar zehntausende von Menschen unterbringt. Ein Beispiel dafür ist das neue Gebäude des Staatsfernsehens CCTV in Peking, welches 230 Meter hoch ist. Es verfügt über eine Grundfläche von sage und schreibe 400.000 Quadratmeter. Das entspricht einen Raum in dem 2.500 Einfamilienhäusern Platz finden und täglich 10.000 Menschen ein und ausgehen. In der 24-Millionen Metropolregion Shanghai streckt mittlerweile das bisher höchste Gebäude Chinas, der 632 Meter hohe Shanghaier Tower, seine spitze in den von Abgasen getrübten Himmel. Das sind nur zwei Beispiele der wachsenden und boomenden Megametropolen Chinas, die aus dem Stoff Beton geformt wurden und mir erklären warum ein Land innerhalb eines einzigen Jahres die unvorstellbare Menge von 1,8 Milliarden Tonnen Beton verbrauchen kann.

Wenn ich daran denke bin ich richtig froh abseits der Hektik und Betriebsamkeit der Großstädte zu reisen. Hier auf dem Land werden noch keine Wolkenkratzer errichtet sondern viele kleine Häuschen die sich kaum voneinander unterscheiden. Alle sind sie in gelb gestrichen, der Farbe die China als Kulturnation schon seit ewigen Zeiten prägt. Die Dächer hingegen sind mit roten Ziegeln gedeckt. In dieser Farbkombination strahlen die chinesischen Bauernreihenhäuschen etwas Lebensfrohes Positives aus.

Umso mehr wir uns der Stadt nähern desto dunstiger wird die Luft. Ob das an der Luftverschmutzung liegt? Oder bilden wir uns das nur ein? Schließlich befinden wir uns am Rande der riesigen Gobi Wüste, in der im Verhältnis zu anderen Provinzen Chinas nur wenig Menschen leben. Vielleicht ist es ja nur Hochnebel oder die Wetterlage. Was will man schon sagen wenn wir gerade erst ankommen.

Als wir in Ulanqab einradeln hat die Universität gerade Mittagspause. Hunderte von Studenten bevölkern die Gehsteige der breiten Straße. Eine Vielzahl von Fahrrädern und Elektrobikes düsen auf dem Nebenstreifen der Hauptstraße in zwei Richtungen hin und her. Manche der Elektrobike-Lenker fahren nebeneinander und unterhalten sich angeregt, andere bleiben einfach stehen, während ein alter Mann so langsam fährt, dass er nahezu ins Straucheln gerät. Dazwischen spazieren Fußgänger die nicht links oder rechts schauen. Es erfordert hohe Konzentration unsere schweren E-Bikes durch das Gewimmel zu steuern und gleichzeitig unvorhersehbare Aktionen und Reaktionen des chinesischen Verkehrs rechtzeitig zu erkennen.

Wieder lassen wir uns von unserem Instinkt leiten und biegen nach links in eine belebte Straße. Vor einem Gebäude, welches wir ein Hotel aussieht, halte ich an. „Es ist tatsächlich ein Hotel“, sage ich erfreut. Wie auch in der letzten Stadt lasse ich meinen Charme spielen und frage ob wir bleiben dürfen. Obwohl ich mittlerweile schon oft genug über Unterkünfte, den teils damit verbundenen Herausforderungen, geschrieben habe und der Meinung bin dass damit nun endlich gut ist, gibt es immer wieder neue Varianten. Diese hier könnte einem echt zur Verzweiflung bringen und fordert von uns eine große Portion Gelassenheit, Akzeptanz und Toleranz.

Die Chinesin erschrickt als sie mich durch die Drehtür auf sich zukommen sieht. Dann lächelt sie als ich sie höflich nach einem Zimmer für die Nacht frage. Sofort greift sie zum Telefon und spricht eine geraume Zeit zu einer Person am anderen Ende der Leitung. Nun, das kenne ich mittlerweile. Dann fragt sie ob ich einen Pass besitze. „Aber klar“, antworte ich auf Fränkisch, weil sie mein Chinesisch sowieso nicht versteht. Ich reiche ihr unsere Pässe. Wieder wird etwas für mich Unverständliches in den Telefonhörer gesprochen. Soweit ich jetzt begreife dürfen wir bleiben. Erleichtert zeige ich auf die Räder. „Die müssen rein.“ Die Frau überlegt und nickt. Auch das ist geklärt. „Puhhh“. Jetzt kommt der schwierigste Teil. Ich lege einen Zettel mit Ajacis Lobesreden auf den Tisch. Natürlich in chinesischer Schrift. Die Augen meines Gegenübers weiten sich. Ich beschwichtige sie und lege eine die Visitenkarte des Hotelmanagers der letzten Unterkunft auf dem Tisch. Darauf hat er geschrieben welch artiges Wesen unser Hund ist, um solche Situationen von Beginn an zu entschärfen. Die Rezeptionistin lächelt jetzt erleichtert. Wieder greift sie zum Telefon. Als sie auflegt beginnt sie etwas zu essen. Ich stehe dämlich grinsend da und warte. Fünf Minuten später stehe ich noch immer da und mein Grinsen gefriert langsam ein. Schüchtern blickt sie auf und schiebt sich mit den Essstäbchen etwas in ihren Mund. Durchhalten Denis. Wenn wir nicht rein dürften hätte sie bestimmt schon bu oder meiyou (nein oder nicht) gesagt. Das verstehe ich nämlich bereits sehr gut. Die Schüssel ist nun leer gegessen. Mein Grinsen ist mir indes aus dem Gesicht gefallen. Mit Zeichensprache bietet sie mir jetzt einen Platz, in den, in der Lobby stehenden weichen Sesseln an. „Xie xie“, (Danke) sage ich und gehe nach draußen um Tanja zu berichten. Weil wir durch die große Fensterscheibe unsere Räder beobachten können lässt sich Tanja neben mir in das große Sofa sinken. „Und was machen wir jetzt?“, fragt sie. „Warten.“ „Auf was?“ „Tja, wenn ich das wüsste. Vielleicht auf einen Rückruf von ihrem Chef?“ Nach weiteren zehn Minuten erhebt sich Tanja und nimmt das Zepter in die Hand. Mittlerweile hat die Empfangsdame Verstärkung. Tanja spricht mit den zwei Frauen in einer Sprache die man Deuengchininzei nennen könnten. Also übersetzt: Deutsch, Englisch, Chinesisch internationaler Zeichensprache mit grottenschlechter Aussprache. Amüsiert beobachte ich sie dabei und bin verwundert wie sie Stück für Stück weiterkommt. Doch plötzlich ertönt das Wort: „Meiyou!“, (Nicht) „Wie Meiyou?“, fragt Tanja nach all ihrer Mühe erschrocken. Mit unseren Pässen soll etwas nicht stimmen, verstehen wir. „Doch, doch die sind korrekt. Das sind tolle Pässe mit ein Super Visum. Da schaut“, erklärt Tanja und deutet auf das Visum. „Und seht her, wir waren schon in vielen Hotels“, meint sie und zeigt den freundlichen Damen einen Berg voller Quittungen der letzten Unterkünfte. Die beiden wissen nicht mehr was ist tun sollen außer ein schüchternes „Meiyou“, zu wiederholen. „Das heißt wir bekommen kein Zimmer?“, bäumt sich Tanja ein letztes Mal auf. „Bu.“ (nein) „I bring you to an other hotel, (Ich bringe sie zu einem anderen Holte) sagt die Jüngere von beiden urplötzlich auf Englisch. Das glaube ich nun nicht. Da kämpfen wir uns 45 Minuten ab, schwitzen, machen wilde Zeichen, ziehen alle Register der internationalen Zeichensprache und dann spricht das Mädchen Englisch. Zwar nicht gut aber immerhin. Schüchtern folgt sie uns nach draußen und winkt halbherzig nach einem Taxi. „Sollen wir ihnen mit den Rädern folgen?“, frage ich. „Yes“, antwortet sie. Als das erste Taxi vorbeigefahren ist greift sie zum Handy und telefoniert und telefoniert und telefoniert. Mittlerweile hat sich eine fette Menschengruppe um uns gebildet. Viele der Schaulustigen sprechen uns auf Chinesisch an. Indes ist eine Stunde vergangen. Weil heute die Sonne vom Himmel lacht dampfen wir leicht dahin. „Was soll das jetzt?“, wundert sich Tanja. „Tja, wenn ich das wüsste“, antworte ich erneut und versuche meine anfänglich perfekte Laune nicht gänzlich zu verlieren. „Jetzt sind wir so frühzeitig angekommen und verwarten hier unseren Nachmittag“, ärgert sich Tanja. Das Mädchen mit dem Telefon ist in der Menschenmasse untergegangen. „Wo ist sie denn?“, fragt Tanja. „Tja, wenn ich das wüsste“, meine ich mich wiederholend und suche sie in dem weiter anwachsenden Menschenknäuel. Indessen hat sich die Menschentraube auch auf die Straße ausgeweitet. „Ich glaube das ergibt keine Sinn mehr“, sage ich als immer mehr Hände an meinem Rad herumfummeln und die Diskussion über uns entbrennt. „Ich habe gehört die kommen aus Deutschland.“ „Quatsch, das sind Russen.“ „Nein, nein das sind Inder.“ „Du spinnst doch. Niemals.“ „Schau dir die Reifen an.“ „Ja, ja, die sind prall hart.“ „Und was haben sie da alles am Lenker?“ „Und in denn vielen Taschen?“, glaube ich zu verstehen aber da mein Chinesisch so schlecht ist könnte es auch etwas völlig anderes heißen. „Kein Hotel“, sagt das Mädchen nachdem es sich einen Weg durch die Menge gebahnt hat. Wir sind sprachlos. Ist das dort drüben ein Hotel?“, frage ich einen der Passanten. „Shide“, (Ja) höre ich worauf wir unsere Böcke auf die andere Straßenseite schieben und sie vor dem heruntergekommenen Gebäude abstellen. Erneut fragen wir nach einer Bleibe für die Nacht. Hier will man keine Pässe sehen, es wird nicht telefoniert und ich muss nicht auf dem Sofa für 45 Minuten Platz nehmen. „Einfach unfassbar“, sage ich. „Selbst der Hund ist kein Thema“, antwortet Tanja ebenfalls verblüfft. Doch dann kommt es doch wieder anders als erwartet weil die Räder in einen schmutzigen, zur Straße offenen Hinterhof sollen. Wir investieren weitere zehn Minuten hartnäckiger Verhandlung bis die Bikes in der Lobby am Fenster übernachten dürfen. „Puhhh“, endlich haben wir es geschafft. Während ich alles zusammenpacke trägt Tanja die Ausrüstung in den dritten Stock. Das Zimmer ist eine Katastrophe, sehr schmutzig aber mit 118 Yuan (16,37 €) billig. Aber das ist uns egal, Hauptsache wir haben es geschafft. Kaum sind die Satteltaschen neben den Betten sortiert rufe ich Spring an, um sie zu fragen was das Einchecken in Hotels so problematisch macht. „Ja Denis das kommt öfter vor. In China gibt es viele Hotels die keine Lizenz für Ausländer besitzen. Die dürfen euch nicht aufnehmen. Wenn sie es trotzdem tun bekommen sie eine hohe Strafe.“ „Wow, das ist also der Grund warum die heute so ein Theater gemacht haben. Und woran können wir erkennen welches Hotel eine Lizenz besitzt und welches nicht?“ „Das ist für euch unmöglich festzustellen. Am besten ihr fragt von Beginn an ob das Holte lizenziert ist.“ „Okay, dann haben wir durch unsere Rädern und dem Hund eine weitere Herausforderung eine Unterkunft für uns zu finden?“ „Es tut mir leid aber so ist es“, antwortet sie.

Abends sind wir im Restaurant nebenan wieder die Superstars. Kaum betreten wir den Raum, werden wir mit einem freundlichen „Hello!“, begrüßt und die Handys gezückt. Die Kellnerin und der Koch lassen sich mit uns fotografieren. Sofort werden die Bilder an Freunde und Verwandte weitergeschickt. Wer hätte das gedacht, dass es so etwas noch gibt aber das habe ich ja schon gesagt. Also wer einmal die Vor- und Nachteile eines echten Stars erleben möchte der muss nur nach China reisen. Sicherlich ist das nicht überall so. In Shanghai wird man einen Ausländer nicht mehr besonders wahr nehmen aber hier ist es unbeschreiblich…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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