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E-Bike-Expedition Teil 3 China - Online-Tagebuch 2015-2016

Dem Verzweifeln nahe

N 40°53’16.1’’ E 112°34’18.0’’
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    Datum:
    15.10.2015 bis 18.10.2015

    Tag: 109 – 112

    Land:
    China

    Ort:
    Zhuozishan

    Breitengrad N:
    40°53’16.1’’

    Längengrad E:
    112°34’18.0’’

    Tageskilometer:
    55,36 km

    Gesamtkilometer:
    9.772 km

    Luftlinie:
    47.41 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    18.1

    Maximale Geschwindigkeit:
    40,5 km/h

    Fahrzeit:
    3:06 Std.

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.550 m

    Gesamthöhenmeter:
    5.145 m

    Höhenmeter für den Tag:
    120 m

    Gegenwind Windstärke: 6
    40 km/h

    Sonnenaufgang:
    06:39 Uhr bis 06:42 Uhr

    Sonnenuntergang:
    17:52 Uhr bis 17:47 Uhr

    Temperatur Tag max:
    20 °C

    Temperatur Nacht:
    2 °C

    Aufbruch:
    09:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    17:30 Uhr

    Platte Reifen gesamt:
    8

    Platte Vorderreifen:
    2

    Platte Hinterreifen:
    5

    Platte Anhängerreifen:
    1

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Beim morgendlichen Packen versammelt sich wieder eine Gruppe Menschen um uns. Interessiert sehen sie zu wie ich Tanjas Bremshebel justiere weil er gestern aus irgendwelchen Gründen am Schaltkabel gescheuert hat. Zum Glück ist es nur eine Kleinigkeit und solche Instandsetzungsarbeiten gehören vor dem Aufbruch zur täglichen Routine.

„Nali you Hohhot?“, (Wo ist Hohhot) frage ich die Anwesenden nach der Richtung zur Stadt Hohhot. Der Koch des Restaurants, in dem wir gestern gespeist haben, steht auch da und deutet in östliche Richtung. „Dong?“, (Osten) frage ich weil wir eigentlich nach Westen müssen. „Dong, Dong“, bestätigen ein paar unserer Zuschauer. „So wie es aussieht müssen wir durch die Stadt fahren“, sage ich zu Tanja. Wir verabschieden uns und bevor ich lostrete werfe ich noch mal einen prüfenden Blick auf die verbogene Deichsel. Hoffend dass sie noch ein paar hundert Kilometer hält lassen wir die Pedale kreisen. Wir reihen uns in den Verkehr der Stadt, durchfahren mehrere Tunnel, umrunden im Kreisverkehr verschiedene Verkehrsinseln und achten darauf nicht mit einen der vielen lautlosen E-Bikes zusammenzustoßen. „Weißt du wohin wir müssen?“, ruft Tanja. „Nicht wirklich“, antworte ich weil mein MAPS.ME Programm im Smartphone ab und an zusammenbricht. Weil alle Verkehrs- und Hinweisschilder auf Chinesisch geschrieben sind ist eine Orientierung unter anderem nur nach Kompass und Bauchgefühl möglich. Endlich erreichen wir die richtige Ausfallstraße der Millionenmetropole und landen sogleich auf der Schnellstraße G110. Während einer kurzen Verschnaufpause neben einer Tankstelle eilen zwei Reporter auf uns zu. Sie schießen ein paar Bilder und versuchen uns auf Chinesisch zu interviewen. Da ich weiß, dass selbst die deutsche Presse manchmal falsch oder zumindest fehlerhaft über uns berichtet, würde mich wirklich interessieren was die beiden über die zwei Radfahrer veröffentlichen.

Weil wir heute zum ersten Mal seit 1.000 km nach Westen radeln und der Wind die vergangenen Wochen meist aus Norden oder Nordwesten kam, bläst er uns jetzt mit voller Wucht entgegen. Noch dazu ist es derweil richtig hügelig geworden, so dass die Reichweite unserer Akkus nicht mehr als maximal 25 km hergeben. Auch wissen wir wieder nicht wo es Lademöglichkeiten gibt. Deswegen ist nicht mehr drin als im Tour-Modus (Stufe 2) gegen den Wind anzukämpfen. Mit meinen bald 150 kg Ladung, inklusive Ajaci und dem E-Bike, eine anstrengende Sache. „Halt dich in meinem Windschatten!“, rufe ich Tanja zu. Auf diese Weise sparen wir uns zumindest bei ihren Akkus ein paar Kilometer, die wir eventuell am Ende des Tages gebrauchen können. Von Bosch wissen wir indes, dass die Akkus bereits beim chinesischen Zoll liegen. Wenn wir die neuen 500 Watt Kraftspeicher haben wird es durch die größere Reichweite sicherlich einfacher für uns. „Wuuuooooo!“, donnern die schwer beladenen 38-Tonner an uns vorbei. Die Erde bebt unter ihrem Gewicht. Auf der gesamten bisherigen Strecke ist das mit Abstand der übelste Teilabschnitt. Vorbei sind die kleinen Wüstenstraßen der Gobi auf der nur selten ein Auto entlangfuhr. Seit heute befinden wir uns auf unserer ersten chinesischen Schnellstraße, die sich im Nordwesten des Reiches von West nach Ost zieht und die Städte Ulanqab, Hohhot, Baotao und Bayannur miteinander verbindet. Nur ein paar hundert Meter weiter südlich frisst sich parallel zur unserer Fernstraße ein weitere gewaltiger Asphaltstreifen durch das Land. Es ist die Autobahn G6, Huji Eexpressway genannt. Ehrlich gesagt hat dieser Reisetag absolut nichts mit Romantik oder einer schönen Tour zu tun. Aber abgesehen von dem bösen Gegenwind ist das Wetter heute perfekt. Es ist mit knapp 20 °C im Schatten sogar angenehm warm. Als wir um eine weitere langgezogene Kurve bergauf hecheln, stockt mir der Atem. Der majestätische Anblick eines Hochgebirges haut mich fast aus dem Sattel. „Müssen wir da drüber?“, fragt Tanja bald ehrfürchtig. „Der Gebirgszug liegt im Westen und da wir nach Westen fahren müssen wir drüber. Aber ich gehe mal davon aus dass die Chinesen ihre Straßen durch die Täler gebaut haben. Trotzdem kommt da was auf uns zu was ich nicht abschätzen kann.“ „Wird Zeit das wir die großen Akkus bekommen.“ „Ja, ich hoffe Bosch China kann uns die bald in irgendeine Unterkunft schicken“, antworte ich mein Ross weiter antreibend.

Nach 50 km ist Akku 2 leer. Wir stoppen um Akku 3 einzulegen. „Wo ist denn deine Fahne?“, frage ich Tanja erschrocken weil die ansonsten im Wind flatternde Landesflaggen nicht zu sehen sind. „Der Gegenwind der Stärke sechs (40 km/h) hat sie abgebrochen“, stelle ich fest. Zum Glück hat die Gummischnur im inneren des Gestänges die Teilstücke zusammengehalten und den Verlust verhindert. Während Tanja ihren Akku an die mit dem Solarpanel verbundene Goal-Zeroladebatterie anschließt repariere ich das Fahnengestänge. Dann setzen wir unsere Fahrt durch die trockene herbstlich gefärbte Landschaft fort.

Obwohl es neben der Fernstraße Möglichkeiten geben würde unser Zelt aufzuschlagen können wir nicht bleiben. Wir benötigen dringend eine Raststation in der wir unsere Akkus laden können. Neben der G110 reihen sich zwar in manchen Bereichen Ladengeschäfte und Restaurants aber da auch hier jeder einen betonierten Vorplatz bekommt sind sie alle geschlossen.

Um 13:30 Uhr erreichen wir den Ort Zhuozishan der im Kartenprogramm so klein dargestellt ist dass ich Bedenken hatte nicht mehr als ein paar Bauernhäusern vorzufinden. “Ha, ha, ha! Von wegen Bauernhäuser“, lacht Tanja herzhaft als wir durch eine hochmoderne Kleinstadt radeln in der sogar eine große Anzahl von Hochhäusern ihre Kronen in den blauen Himmel recken. Im Schutz der Gebäude kann uns der Wind nichts mehr anhaben. Als ich einer Bodenwelle ausweiche fällt mein Blick auf einen kleinen Bau direkt an der Straße. Im Augenwinkel entdecke ich da drin so etwas wie eine Rezeption. Genau so wie ich es in allen Hotels bisher gesehen habe. „Stopp!“, rufe ich, fahre auf den Gehweg und stelle das Bike auf den Ständer. Tanja sieht mich verwundert an. „Ich glaube hier ist ein Gästehaus“, erkläre ich. Leider ist die Tür verschlossen. Enttäuscht mache ich kehrt als ein junger Mann hinter dem Tresen hochspringt. Offensichtlich hat er da geschlafen. Umgehend öffnet er die Tür und bittet mich nach innen. Ja er hat ein Zimmer. Ja wir dürfen bleiben. Hund kein Problem. Räder dürfen ins Haus. „Wollen sie das Zimmer sehen?“, fragt er geschäftig. „Klar“, antworte ich und bin überrascht ein sonnendurchflutetes nageneues Zimmer für nur 88 Yuan(12,20 €) angeboten zu bekommen. „Das nehmen wir“, sage ich und kann nicht glauben wie schnell wir diesmal untergekommen sind. „So kann es auch gehen“, freut sich Tanja. Über eine steile Böschung rollen wir die Bikes um das Gebäude herum und befinden uns in einem schönen chinesischen Innenhof. Vater und Mutter des jungen Mannes helfen die Räder zu entladen und in Windeseile ist alles in unsere heutige Bleibe getragen. Weil der Hundeanhänger wie so oft zu breit für die Türen ist, zerlege ich ihn und hebe ihn mit Hilfe des Vaters in einen großen Raum.

Während Tanja mit Ajaci eine Gassirunde einlegt stelle ich bestens gelaunt unsere Satteltaschen an die Betten und weil der Raum relativ klein ist organisiere ich unsere Ausrüstung. Dann wasche ich mir in dem nagelneuen sauberen Bad das Gesicht und Hände, ziehe den Vorhang wegen der starken Sonneneinstrahlung ein wenig zu. Vor allem weil das Zimmer ebenerdig liegt und jeder Fußgänger hineinsehen kann. Dann öffnet sich die Tür. Der Senior tritt in den Raum, schaltet den hochmodernen Flachbettbildschirm an und stellt ein TV-Programm ein. „Das brauche ich nicht“, gebe ich ihm zu verstehen. Egal, Fernsehen gehört zum Standard einer chinesischen Unterkunft. Es ist zu umständlich ihm zu erklären kaum Chinesisch zu verstehen und ich somit auch kein TV sehen möchte. Er deutet auf dem am Boden stehenden PC. Den können sie gerne benutzen“, verstehe ich und schreibt mir den Wifi Code auf einen Zettel. Auch Computer sind in bald jeder Unterkunft Standard. Zumindest war in einigen der bisherigen Unterkünften so ein Ding vorhanden. Als dann der Mann meine Bleibe wieder verlassen hat packe ich hoch motiviert, heute noch die Kurzaufzeichnungen des Tages in den Laptop zu tippen, meinen geliebten Campstuhl aus. Auch wenn es ein windiger Stuhl ist liebe ich ihn, denn er ist so geformt, dass ich darin acht Stunden sitzen kann ohne schreckliche Kreuzschmerzen zu bekommen. Die Stühle in den Unterkünften weltweit sind für solch eine Arbeit absolut ungeeignet. Da würde man nach wenigen Wochen als Krüppel enden. Ich stöpsle gerade meine Steckerleiste in die Steckdose an der Wand als die Mutter des Hauses ins Zimmer huscht und schaut ob alles recht ist. Umgehend bringt sie ein zweites Handtuch und Seife. Dann verabschiedet sie sich höflich und diskret. „Ja so kann es auch gehen“, sage ich und lasse mich in meinen Campstuhl nieder. Ich fahr den Rechner hoch, lasse ein paar Windowsupdates durchlaufen und beginne die Koordinaten der Location in den Ordner Logdaten einzutippen als erneut die Tür aufgeht. Diesmal erscheint der junge Mann. Er ist aufgeregt und versprüht sofort eine unangenehme Energie. Eine böse Vorahnung lässt sofort meinen Puls höher schlagen. Mit den Händen wild fuchtelnd gibt er mir zu verstehen dass die Taschen aus dem Zimmer müssen. Tanja kommt gerade zur Tür herein. Wieder zeigt der Mann auf die sauber aufgereihten Satteltaschen. Als wir uns dumm stellen schnappt er sich eine Tasche und möchte sie aus dem Zimmer tragen. Tanja nimmt sie ihm wieder ab und stellt sie auf den Boden. Nun tippt der Mann aufgeregt in sein Handy. „Denke wir müssen gehen“, sage ich so gelassen wie möglich, spüre aber wie mich die Situation zusehend stresst. Der Mann zeigt mir seinen Dienstausweis. „Ich bin Polizist und sie müssen gehen“, glaube ich seinen Befehl zu verstehen. Als ich noch immer wie belämmert in meinem geliebten Campstuhl hocke, hält er mir sein Handy vors Gesicht. „Sie können nicht bleiben. Wir haben keine Lizenz für Ausländer“, zeigt ein Übersetzungsprogramm in englischen Lettern. Kommentarlos erheb ich mich und beginne zu packen. Dem Polizisten geht es nicht schnell genug und er versucht meine Unterhose in eine der Taschen zu stopfen. Anscheinend hat er enorme Angst erwischt zu werden Ausländer in seinem kleinen Familienhotel untergebracht zu haben. Wer weiß, vielleicht könnte ihm das sogar seinen begehrten Beamtenjob kosten? „Ist ja gut, ich beeile mich“, versuche ich den Mann zu beruhigen. „Warum hat er denn das nicht vorher gewusst?“, fragt Tanja. „Er hatte anscheinend noch nie Ausländer“, vermute ich. Als unter Hochdruck alle Taschen in seinem Polizeiauto gestapelt sind fehlt mein Bordcomputer. „Den muss ich in der Hektik in eine Satteltasche gepackt haben“, meine ich, eile nach draußen und räume das Polizeiauto wieder aus. „Was soll das?“, fragt der Polizist nervös. Beim Aufmachen einer Satteltasche fällt mein GoPro auf die Straße. Zum Glück ist nicht das Objektiv beschädigt. „Dieser scheiß Stress!“, fluche ich und spüre wie mein ganzer Körper zittert. Nach einem harten Radtag auf der schrecklichen Straße glaubten wir in einer wunderbaren Unterkunft angekommen zu sein und nun werden wir nachdem Einchecken wieder rausgeworfen. Das gibt es doch einfach nicht. Ich war felsenfest davon überzeugt keine Unterkunftsstory mehr schreiben zu müssen und jetzt das. Wie viele skurrile Storys kann den so ein Thema bieten? „Es könnte schlimmer kommen Denis. Er hätte uns ja einfach auf die Straße setzen können aber er bringt uns zu einem anderen Hotel. Das ist doch äußerst nett von ihm“, versucht Tanja mich zu beruhigen. „Ja sehr nett.“ Dann stapfe ich in den Hinterhof des kleinen Anwesens und hole mit Hilfe des Vaters die Räder und Anhänger aus dem Raum. Gerade erst alles zerlegt baue ich den Hänger wieder zusammen. Da soll einer sagen das Reiseleben ist easy. Gelassenheit, Toleranz, Geduld, Akzeptanz, all das kann man lernen wenn man die Nerven dazu hat. „Om“, flüstere ich leise das buddhistische Mantra um mich zu beruhigen. Notdürftig verstaue ich die neuen Reifen auf dem Hundeanhänger. Wegen der Eile ist alles durcheinander. Genau so verliert man seine Sachen, denke ich mir. Wir sind mit dem Laden meines Rades noch nicht fertig als Vater und Sohn schon mal Tanjas Bike mit Hänger zur Straße rauf schieben. Als würde das eine Zeitvorteil bringen.

Dann sind auch wir auf der Straße vor dem Gästehaus. Ich schüttle dem Vater die Hand und radle los, immer dem Polizeiauto folgend. Tanja hat sich an mein Hinterrad geklemmt. Nur ein paar hundert Meter weiter stoppt unser hektischer und nervöser Exgastgeber vor einem fetten Hotel. „Sieht echt nobel aus“, meine ich und frage mich was man uns hier für ein Zimmer abknöpft. Aber haben wir eine andere Wahl? Mittlerweile ist es 17:30 Uhr und die abendliche Kühle wird vom Wind zwischen die Häuserfronten geblasen. Der Polizist springt flink wie ein Wiesel in Vorhalle des RUI TAI HOTEL. Schnell ist unser Aufenthalt geklärt. Erschrocken blicke ich auf die Tafel an der die Zimmerpreise mir entgegen springen. Sie liegen zwischen 300 (41,59 €) und 550 Yuan. (76,24 €) „Teuer“, sage ich. Der Polizist winkt ab. Er spricht mit den Damen an der Rezeption worauf sie mir einen Preis von 120,- Yuan (16,63 €) nennen. Man muss nicht alles verstehen, denke ich mir. In Windeseile türmt sich ein großer Berg Ausrüstung in der Lobby. Unsere Räder stehen mitten drin. Die Gäste müssen außen herum grätschen. Damit die Stimmung nicht doch noch umschlägt schieben wir die Räder auf die Seite, hinter die obligatorischen Sofas die anscheinend in jeder Hotellobby herumstehen und decken sie mit einer Plane zu. Der Polizist verabschiedet sich. Wir schießen noch ein paar Fotos. Wegen der Eile mit meinem Handy. Dann düst er weg. „War doch alles nicht so schlimm“, sagt Tanja als wir wieder in den Empfangsraum des RUI TAi schreiten um unseren Zimmerschlüssel abzuholen. Eine der vielen Empfangsdamen deutet auf die Sofas und sagt: „Bitte warten sie dort.“ „Nicht schon wieder“, stöhne ich. Wir lassen uns in die Couch sinken und warten und warten und warten. Vielleicht ist das jetzt nicht nachvollziehbar aber zu diesem Augenblick habe ich Nase gestrichen voll. War doch anfänglich alles prima. Ein interessantes Land mit netten Menschen und jetzt dieser Behördenscheiß. „Ich rufe Spring an. Das kann doch nicht ewig so weiter gehen. Zum Schluss werfen sei uns auch hier wieder raus“, meine ich entnervt. „Ja Denis? Wie kann ich euch helfen?“, fragt sie nach einem kurzen Vorgespräch, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich erkläre die Situation und übergebe mein Handy der ernst drein schauenden Managerin des Hotels. Nach einer Weile reicht mir die Dame wieder mein Telefon. „Sie wissen nicht ob das Hotel eine Lizenz für Ausländer besitzt. Außerdem sind sie ausgebucht. Ihr sollt euch setzen und warten“, erklärt Spring. „Ausgebucht? Das kann doch nicht sein. Die machen mich echt fertig. Warum haben sie das nicht gleich gesagt? Und auf was sollen wir warten? Wir sind hundemüde, die letzte Nahrungsaufnahme war unser Frühstück. Wir sind knapp 60 km über einen gefährliche Fernstraße gefahren, haben die Räder entladen, alles in ein Zimmer getragen, alles wieder heraus getragen, die Räder teils neu beladen und unseren gesamten Kram hier in die Lobby geschlichtet. Wir sind müde. Können nirgends mehr wohin. Das ist zwar jetzt nicht dein Problem und du kannst nichts dafür aber ich wollte nur die Situation schildern. Außerdem hat der Polizist gesagt die besitzen hier eine Lizenz.“ „Der Polizist wollte euch wahrscheinlich nur loswerden. Er wusste selber nicht ob sie eine Lizenz haben. Gib mir doch bitte noch mal die Managerin.“ „Okay, mache ich“, antworte ich und reiche mein Telefon an die finster blickende Chinesin. Nach einer Weile spreche ich wieder mit Spring. „Händige ihnen bitte eure Pässe aus. Sie werden euch einstweilen in ein Zimmer lassen.“ „Wie hast du das denn geschafft? Super! Vielen Dank.“ „Ach Denis?“ „Ja?“ „Gib mir bitte noch mal die Managerin.“ „Okay, mache ich.“ Minuten darauf vernehme ich, dass unser Hund nicht erlaubt ist. „Sie haben Angst er könnte jemanden beißen.“ „Spring, du weißt doch dass er sehr gutmütig ist.“ „Weiß ich. Zeig den Damen am Empfang das was ich über Ajaci geschrieben habe.“ „Okay, mache ich. Völlig unerwartet lächeln jetzt alle versammelten und bis auf die Managerin stürmen fünf Frauen los, laden unsere Habe auf einen Gepäckwagen und schieben ihn in den Aufzug. Weil der Aufzug voll ist kommen wir mit dem nächsten Lift hinterher. Wir sind im letzten Zimmer des sechsten Stocks untergebracht. Es ist nicht gerade sauber aber wir sind drin. „Welch eine Odyssee“, schnaufe ich erschöpft und lasse mich in einen der abgewetzten wackeligen Stühle sinken. „Ob wir bleiben dürfen?“, fragt Tanja. „Denke schon“, antworte ich und beginne wie auch schon vor Stunden das Gepäck zu sortieren. „Wo ist eigentlich mein Campstuhl?“, frage ich. „Weiß ich nicht. Vielleicht in der großen Tasche?“ „Da passt er doch gar nicht rein.“ „Vielleicht ist er noch auf dem Anhänger?“ „Bestimmt“ sage ich erleichtert und fahre nach unten, um den für mich wichtigen Ausrüstungsgegensand zu holen.

„Auf dem Anhänger ist er nicht“, sage ich als ich wieder im Zimmer bin. „Den klaut doch hier keiner“, ist sich Tanja sicher. „Davon gehe ich aus aber er ist weg“, antworte ich und suche erneut unter den Betten und hinterm Schrank alles ab. „Er ist weg“, wiederhole ich und könnte weinen. „Wahrscheinlich habe ich ihn der Hektik auf den Hänger geladen und nicht festgebunden. Jetzt liegt er irgendwo auf der Straße oder ein Chinese hat damit sein Heim geschmückt.“ „Mit dem Klappstuhl kann man kein Heim schmücken.“ „Egal, du weißt schon was ich meine. Er ist auf jeden Fall weg. Und wie soll ich jetzt schreiben? Ist das ein Zeichen mit dieser dämlichen Schreiberei aufzuhören? Kostet eh enorm viel Zeit. Vielleicht sollten wir reisen wie viel andere auch und das mit der Berichterstattung knicken? Dann hätte sich das Gewichtproblem sofort erledigt. Keine Laptops, Kameras, Stativ, Ladegeräte, keine zusammenbrechende Software, keine blöden Updates, keine ewige Herumhockerei in einem dummen Klappstuhl.“ „Denis, es ist doch dein Job als Botschafter von Mutter Erde unsere Reise in Text, Bild und Film zu dokumentieren. Es ist deine Lebensaufgabe. Oder nicht?“ „Ja, ja, Lebensaufgabe. Wenn ich wirklich Botschafter von Mutter Erde bin dann frage ich mich warum es uns die Mutter Erde manchmal so schwer macht?“ „Jetzt mach mal halblang. Uns geht’s doch fantastisch. Überall wird uns geholfen. Die Menschen sind entgegenkommend und freundlich. Selbst Ajaci kam ohne Quarantäne über die Grenze. Vergiss das bitte nicht.“ „Ist ja gut aber im Augenblick habe ich einfach die Schnauze voll. Wo soll ich denn jetzt so einen verdammten Stuhl herbekommen? Abgesehen davon, was glauben denn unsere Leser wenn ich darüber schreibe wie wichtig der Stuhl für meine Arbeit ist? Die denken doch der hat ein Rad ab. Oder jetzt spinnt er total. Soll sich doch wegen so einem Klappstuhl nicht so aufregen. „Ich könnte mir vorstellen dass der Stuhl noch im Polizeiauto liegt“, wechselt Tanja das Thema. „Im Polizeiauto? Kann ich mir nicht vorstellen. Da habe ich extra noch mal nachgesehen.“ „Ich gehe gleich mal los und laufe zur letzten Unterkunft. Vielleicht haben wir ja Glück“, sagt sie, fotografiert unsere Stativtasche, die ähnlich wie die Stuhlhülle aussieht, zieht ihre Jacke an und verlässt das Zimmer.

20 Minuten vergehen als mein Handy klingelt. „Die Familie des Polizisten sagt dass sie nicht stehlen aber ich glaube die verstehen mich falsch. Ich zeigte ihnen das Foto mit der Stativtasche, worauf sie ihren Sohn angerufen haben. Der ist gerade nicht da wird sich aber gleich melden“, gibt Tanja einen Zwischenbericht. Nur wenige Minuten verstreichen als es erneut klingelt. „Denis?“ „Ja?“ „Jetzt schnaufe dreimal durch. Dein geliebter Stuhl ist da. Der Polizist kam gerade mit dem Fahrrad angedüst und hat ihn mir gebracht. Er lag tatsächlich noch im Fußraum des Polizeiwagens.“ „Wow. Super. Du bist ein Schatz. Dann war das doch kein Zeichen mit dem Schreiben aufzuhören“, sage ich befreit auflachend. „Lass uns was Essen gehen“, schlägt Tanja vor. „Lass uns was Essen gehen“, antworte ich und spüre wie die Anspannung und aufkommenden Zweifel der vergangenen Stunden von mir abfallen…

Die Live-Berichterstattung wird unterstützt durch die Firmen Gesat GmbH: www.gesat.com und roda computer GmbH www.roda-computer.com Das Sattelitentelefon Explorer 300 von Gesat und das rugged Notebook Pegasus RP9 von Roda sind die Stützsäulen der Übertragung.

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