Nachts auf einem Parkplatz in Agadir – Ölleck? – Fahrt in die Wüste
N 28°32'45.1" W 010°59'35.2"Tag: 370
Land: Marokko
Ort: Ford Ksar Tafnidit
Breitengrad N: 28°32’45.1″
Längengrad W: 010°59’35.2″
Tageskilometer: 334
Gesamtkilometer: 8742 km
Temperatur Tag max: 22°
Temperatur Nacht: 13°
Aufbruch: 10:00 Uhr
Ankunft: 19:00 Uhr
Fahrzeit: 9 Std.
Nachdem wir uns in Agadir mit Lebensmitteln für unsere Fahrt nach Mauretanien eingedeckt haben, ist es spät geworden. Deshalb haben wir beschlossen, die Nacht auf dem Parkplatz neben dem Supermarkt zu verbringen. Plötzlich klopft es an die Tür unseres Terra Love. „Sollen wir nachsehen, wer das ist?“, frage ich Tanja verunsichert. „Ich weiß nicht, vielleicht ist es ein Parkwächter, der uns wegschicken möchte“, überlegt sie. „Wir entscheiden uns dafür, die Tür nicht zu öffnen. Es dauert nicht lange, und Tanja zieht die Decke über den Kopf und schläft ein, während ich am Tisch sitze und in die Dunkelheit lausche. Plötzlich wird es extrem laut. Marokkanische Musik hämmert über den Platz, junge Mädchen kreischen, und Männer lachen. Ich wage es, aus dem Dachlukenfenster zu spähen. Tatsächlich tanzen Jugendliche vor ihrem Auto. Dann klopft es wieder heftig an der Tür. Da ich auf dem Dach bin, hat mich keiner gesehen. Ich schließe das Fenster, schnappe mir Pfefferspray und lege mich neben Tanja in den Alkoven. An Schlaf ist nicht zu denken. So liege ich da, höre der lauten Musik und dem Gekreische und Gelächter zu. Das geht so bis ungefähr 2:00 Uhr nachts. Dann rafft mich die Müdigkeit in den Schlaf.
Am nächsten Morgen ist alles friedlich. Irre wie einem die Dunkelheit in Angst versetzen kann. Tanja meint später, dass der Parkwächter möglicherweise geklopft hatte, um sein Geld zu bekommen. „Wenn das der Fall war, dann tut es mir leid. Sein Geld hätte ich ihm gerne gegeben. Es ist wirklich erstaunlich, wozu Angst fähig ist und wie sie unsere Gedanken beeinflussen kann.
Ich verlasse die Terra und beginne mit der Reparatur unseres Radkastens. Eine Kunststoffabdichtung hat sich gelöst. Kaum beginne ich mit meiner Arbeit, kommt sofort ein Marokkaner und fragt, ob er mir helfen kann. Eines der Kaffee-Autos steht direkt neben uns. Der Inhaber seines mobilen Cafés schenkt frischen Kaffee aus und verkauft Kekse. Die Männer begrüßen mich und sind sehr nett und offen.
Nach 30 Minuten habe ich das lose Plastikteil wieder gut verschraubt. „Jetzt wird es nicht mehr klappern“, sagte ich zu Tanja, die gerade den Parkplatz mit ihrem Handy filmte. „Oh nein, was ist das denn?“, rief ich fragend, als ich einen kleinen Ölfleck am Boden entdeckte. „Das sieht nicht gut aus. Bevor wir nach Mauretanien weiterfahren, sollten wir die IVECO-Werkstatt aufsuchen“, schlug ich vor. „Besser ’safe‘ than sorry“, antwortete Tanja.
„Das ist nur Restöl vom Ölwechsel. Damit haben Sie kein Problem. Ihrer Fahrt nach Mauretanien steht nichts im Weg“, meinte der freundliche Mechaniker wenig später.
Die Sonne verbirgt sich hinter einer Wand aus Wolken, als wir endlich starten. Mit Vorfreude und Aufregung, beladen und ausgestattet mit ausreichend Lebensmitteln, verschwindet die Metropole Agadir im Rückspiegel. Schon lange haben wir von dieser Reise geträumt – von einem Abenteuer durch die unendlichen Weiten Marokkos und der Durchquerung der Westsahara bis hin zum fremdartigen Land Mauretanien. Wir folgen der gut ausgebauten N1 Richtung Süden, die sich über Höhenzüge windet, Wüstenabschnitte wie ein Lineal durchquert und uns durch Dörfer und Kleinstädte führt. Manchmal weht der salzige Duft des Meeres, vermischt mit Staub und Sand aus der Sahara, durch das offene Fenster unseres Terra Love und erinnert uns mit jedem Atemzug daran, in welch faszinierender Gegend wir uns befinden. Es ist, als würden wir durch ein lebendiges Gemälde fahren.
Unser heutiges Ziel ist das Camp und Wüstenhotel Ksar Tafnildilt in der Nähe der Stadt Tan-Tan. Nach dem, was man uns berichtet hat, muss es dort unfassbar schön sein – so schön, dass man glaubt, sich in einem surrealen Märchen zu befinden. Wir sind gespannt.
Wüste
Am frühen Abend finden wir die Abzweigung zum Ksar Tafnidilt. Ein unbefestigter Track führt von der N1 in die Wüste. Die ersten paar hundert Meter ist der Weg noch sehr gut, aber plötzlich wissen wir, warum man hier nur mit einem Offroad-tauglichen Fahrzeug fahren sollte. Schon bei der ersten Durchquerung eines ausgetrockneten Flüsschens schaufeln wir mit unserem Unterfahrschutz Sand. Dann führt uns der Track über eine unangenehme Wellblechpiste. Für diejenigen, die nicht mit Geländefahrzeugen vertraut sind, sei kurz erklärt, dass sich der Begriff „Wellblechpiste“ auf Wege bezieht, die durch wiederholte Befahrung von Fahrzeugen in Kombination mit den natürlichen Elementen, wie zum Beispiel Sonne und Regen, uneben werden. Die Oberfläche ähnelt dann dem Profil von Wellblech, mit hervorstehenden und eingedrückten Abschnitten. Das Fahren auf solch einer Piste kann über lange Strecken zermürbend sein und auf Dauer dem Fahrzeug schaden. Eigentlich sollten wir jetzt die Luft aus unseren Reifen stark reduzieren, damit wird die Dämpfung erhöht, weil die Reifen einiges der Unebenheiten schlucken. Das ergibt aber für uns wegen der paar Kilometer keinen Sinn.
Wir kommen nur im Schritttempo voran. Die Sonne ist bereits hinter dem Horizont verschwunden, während wir dem sich immer wieder verzweigenden Wüstentrack folgen und die Wärme des Tages von einer kühlen Brise verdrängt wird. Der Sand und die Millionen von Steinen unter unseren Reifen knirschen, gehen eine Symbiose mit dem zuverlässigen Brummen unseres Motors ein. Geräusche, die der Schönheit der Wüste keinen Abbruch machen. Unser Ziel bleibt noch außer Sichtweite, und ein Gefühl der Aufregung durchströmt uns. Wird unsere Terra Love die Strecke ohne größere Schwierigkeiten bewältigen? Eine leichte Nervosität mischt sich in unsere Erwartungen.
Für den einen oder anderen mag unsere Nervosität lächerlich erscheinen, aber dennoch befinden wir uns in einem Wüstenabschnitt, den wir nicht kennen, und sind im Begriff, in die Nacht hineinzufahren. Doch das, was im Reiseführer steht, gibt uns Zuversicht: Nördlich von der Stadt Tan-Tan, bei einem alten Ford, etwa 5 km Pistenfahrt entfernt, liegt ein großer Campingplatz, eine stilvolle Herberge und ein Treffpunkt für Reisende mit fantastischem Blick auf das alte Fort. Es gibt Nomadenzelte, Zimmer mit und ohne Bad und ein sehr gutes Restaurant. Und das mitten in einer Stein- und Sandwüste? Kaum vorstellbar. In freudiger Erwartung, doch ein wenig zweifelnd, ob es diesen Ort noch gibt, setzen wir unsere Fahrt fort. Im schlimmsten Fall werden wir hier in der Wüste campen und morgen weiter in Richtung Mauretanien fahren.
Der Sand und die Millionen von Steinen unter unseren Reifen knirschen. Immer wieder halten wir an, um unsere Fahrt in Fotos und Film zu dokumentieren. Im letzten Licht des Tages erstrecken sich die Berge in einer Pracht aus Grau und Rot bis zum Horizont, und die Stille der Landschaft ist beinahe überwältigend. Wir fühlen uns klein und von Ehrfurcht erfüllt. In diesem Augenblick erscheinen das alte Ford und das Wüstencamp Ksar Tafnidilt wie eine Fata Morgana. Unsere Befürchtungen, dass das Wüstenhotel möglicherweise aufgegeben wurde, lösen sich in Luft auf, als wir äußerst freundlich von den Besitzern empfangen werden.
Noch bevor die Nacht über die Wüste hereinbricht, erhaschen wir im letzten Licht des Tages einige Blicke auf das märchenhafte Gebäude. Dann, nach einem anstrengenden, aber unvergesslichen Tag, suchen wir uns auf dem Gelände einen Stellplatz für die Nacht und sehen erwartungsvoll dem kommenden Tag entgegen.
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