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Mongolei/1 ½ Mann Camp MONGOLEI EXPEDITION - Die Online-Tagebücher Jahr 2011

Mongolische Gastfreundschaft

N 51°07'441'' E 099°43'449''
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    Tag: 331

    Sonnenaufgang:
    05:05

    Sonnenuntergang:
    21:39

    Luftlinie:
    3,60

    Tageskilometer:
    4

    Gesamtkilometer:
    1473

    Bodenbeschaffenheit:
    Gras

    Temperatur – Tag (Maximum):
    28 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    24 °C

    Temperatur – Nacht:
    8 °C

    Breitengrad:
    51°07’441“

    Längengrad:
    099°43’449“

    Maximale Höhe:
    1628 m über dem Meer

Nach einer erneuten regenreichen Nacht führt Tanja um 6.00 Uhr morgens die Pferde auf die Weide während ich mich um den Lagerabbau und dem Verpacken dessen kümmere. Odonbaatar erscheint wie ein Unschuldslamm um 9:30 Uhr und fragt wo die Pferde sind? „Tanja hat sie auf die Weide gebracht“, antworte ich knapp. „Dann gehe ich mal und werde ihr helfen.“ „Nein, wir benötigen deinen Hilfe nicht mehr. Dein Job ist seit gestern zu Ende“, antworte ich. Odonbaatar bleibt stehen und scheint zu überlegen wie meine Aussage zu deuten ist. „Du bist entlassen. Wir werden ohne dich weiterziehen“, wiederhole ich nochmal. Als er das Gehörte verdaut hat dreht er sich um und verschwindet. Ich bin erleichtert, habe ich mit Ärger und Gegenwehr gerechnet. „Ist Odonbaatar bei dir?“, fragt wenig später seine Schwester. „Er war da. Ich habe ihn entlassen“, antworte ich. „Entlassen?“ „Ja.“ „Ist mein Bruder muu?“, (schlecht) fragt sie wieder. „Unzuverlässig und nicht ehrlich“, antworte ich. Auf ein ungutes Gefühl hörend rufe ich sofort Tanja an. „Ja?“ „Er war gerade da. Ich habe ihm gekündigt.“ „Gut. Im Augenblick steht er vor mir. Er wollte mich beim Hüten ablösen. Ich fragte ihn wo er gestern war. Worauf er sagte geschlafen zu haben.“ „Geschlafen?“ „Ja. Ich kündigte ihm ebenfalls.“ „Gut. Ist er friedlich?“ „Ja. Macht einen betretenen Eindruck. Jetzt geht er gerade wieder.“ „Gut.“ Nur wenige Minuten später taucht Odonbaatar wieder bei mir auf und möchte mir zum ersten Mal beim Zeltzusammenbau helfen. „Lass es bitte. Ich mach das selber. Dein Job ist erledigt“, wiederhole ich mich worauf er schweren Herzens die Zeltstange wieder auf den Boden legt.

„Hallo Deni!“, ruft eine Stimme meinen Namen nicht richtig aussprechen könnend. Ich sehe auf und entdecke einen Jungen der über den Bretterzaun spitzt. „Hallo. Du bist bestimmt Bumbayr?“, frage ich ihn. „Bin ich“, sagt er freundlich und klettert über den Zaun. Odonbaatar und ein Freund sitzen unweit von mir auf der Wiese und sehen mir beim Zusammenpacken zu. „Komm mal her!“, befiehlt unser Expferdemann dem Jungen worauf er sich gehorsam zu den beiden Männern auf die Wiese setzt. „Hoffentlich erzählt er Bumbayr nicht irgendetwas Dummes“, denke ich mir. Es dauert aber nicht lange und Odonbaatar und sein Freund ziehen von dannen. Erleichtert blicke ich ihnen nach.

„Am besten du gehst zu Tanja auf die Weide und hilfst ihr die Pferde hierher zu bringen“, erkläre ich dem Jungen der sofort versteht und los springt. Es vergehen keine zehn Minuten als Tanja, Bumbayr und zwei weitere junge Männer die Pferde in den Hof treiben. Schnell ist die Ausrüstung auf die Pferderücken gepackt.

Obwohl Odonbaatar nicht nach seinem Lohn gefragt hat möchten wir ihn trotzdem bezahlen. Wir ziehen die an ihm entrichteten Fahrtkosten, den Tag an dem er uns zu einem Umweg gezwungen hat und den gestrigen Fehltag ab und wollen das Geld seiner Mutter überreichen. Tanja trifft aber nur auf den Schwiegersohn an, der die Scheine gerne für seinen Schwager entgegennehmen möchte. „Nein“, bestimmt Tanja. „Ich gebe es Odonbaatars Mutter oder keinem.“ Es dauert nur Minuten als die Mutter auch schon auf den Hof hastet. Tanja überreicht ihr das Geld. Die meint wir entlohnen sie für die gestrige Pferdewache und hält sich die Scheine nach mongolischer Sitte gegen die Stirn. Dann steckt sie die Summe ungezählt in ihre Tasche. „Das ist für deinen Sohn“, erkläre ich worauf sich ihr Gesicht verhärtet. Mit Zeichensprache und wenigen Worten versucht sie mir etwas zu erklären. Ich gehe nicht darauf ein und sage; „Gib das Geld deinen Sohn. Vielen Dank und auf Wiedersehen.“

Dann führen wir, ohne uns umzudrehen, die Pferde aus dem Hof und verlassen die Stadt in Richtung Osten. Der sich durch die saftige Weide schlängelnde Weg zieht sich leicht den Berg hoch. Die Blockhütten des Ortes werden immer kleiner. Wir queren einen Fluss auf dem sich bis jetzt noch große Schneeflächen gehalten haben. Yakherden kommen uns entgegen. Als die massigen Tiere Mogi entdecken gehen sie auf ihn los. Schwanzeinziehend versucht er unter dem Leib meines Pferdes Schutz zu suchen. „Mach dir nicht ins Hemd Mogi. Bist doch sonst nicht so verängstigt und jagst alles was davon läuft“, sage ich. Rantan jagt indes Murmeltiere und anderes Kleingetier. Er freut sich über den Weitermarsch. Hechelnd flitzt er hin und her. Eigenartig warum der Hund sich gerade uns als neue Herren ausgesucht hat. „Einer der letzten Hunde der sich uns anschloss wurde erschossen“, warne ich ihn. Er scheint davon nichts hören zu wollen und bleibt uns treu. Bisher zumindest.

Als wir die kleine Hütte unserer zukünftigen Begleiter erreichen werden wir schon von der Familie mit einem freudigen Hallo empfangen. Khurgaa, der 25 Jährige, hilft mir beim Entladen der Tiere und Zeltaufbau. „Komm, trink einen Tee mit uns“, fordert er Tanja und mich danach auf. Wir betreten das einfach gebaute Blockhaus und fühlen uns augenblicklich wohl. Regzedmaa, die Mutter von Khurgaa und seine 21 jährige Schwester Ozgondalai stellen uns sofort einen kleinen Schemel hin auf dem wir uns niederlassen. Schnell wird frische Sahne, Boortsog, und gesalzener Milchtee serviert. Im Vergleich zu Odonbaatars Familie erleben wir hier hohe mongolische Gastfreundschaft. Genüsslich schlürfen wir den Tee und essen ein paar von dem in Kuhfett frittierten fetten Teigbällchen. Mein Blick gleitet durch die etwa vier mal fünf Meter kleine Hütte, deren Wände mit der zurzeit üblichen blau, weiß, rot gestreiften Plastikfolie benagelt sind. In der Mitte des Raumes steht der obligatorische Kanonenofen auf dem gerade ein Wasserkessel vor sich hin siedet. Die Küchenecke besteht aus einem einzigen grob geschnitzten Regal auf dem zwei Töpfe, eine Pfanne, Schüsseln und ein paar Lebensmittel ihren Platz gefunden haben. Außerdem kauert in der Ecke eine alte, mit den typischen mongolischen Mustern bemalte, Truhe und in der anderen Ecke ein kleiner Tisch auf dem die Küchenarbeiten erledigt werden. Auf der anderen Seite des Raumes duckt sich ein 30 Zentimeter niedriger Tisch an dem die zwei einzigen Holzhocker stehen auf denen wir sitzen. Eine blau gemusterte Plastiktischdecke bedeckt das Gestell. Regzedmaa, bemüht uns mich satt zu bekommen und sagt; „Greift zu, greift zu.“ Ein türloser Durchgang führt zu einem noch kleineren Nebenraum in dem zwei alte Eisenbettgestelle stehen, worin vier bis fünf Menschen ihre Nachtruhe finden.

Am Nachmittag werden uns Rinderknochen, im eigenen Sud gekocht, angeboten. Gegessen wird aus einer einzigen Schüssel, in die jeder seine ungewaschenen Hände steckt, sich die Finger abschleckt und mit nur einem Messer das Fleisch von den Knochen geschnitten wird. Die hygienischen Verhältnisse sind zum Haare raufen. Schon vom blanken Hinsehen könnte man an einer Bakterienvergiftung oder Gelbsucht eingehen. Aber unsere Abwehrkräfte sind nach dem Leben mit den Tuwa derart ausgebildet, dass wir auch diesen Aufenthalt ohne schwere Krankheit überstehen werden. „Magst du noch ein wenig von dem Sud?“, fragt mich die junge Englischstudentin Ozgondalai freundlich. „Och, ich bin satt. Vielen Dank“, schwindle ich. Selbst unser Mogi und der neue Hund, den wir Rantan nennen, bekommen etwas von dem Mahl ab.

Plötzlich herrscht Aufregung. Khurgaa und Bumbayr sprinten mit der Schürzange bewaffnet um die Baishin. „Was ist los?“, frage ich neugierig. „Eine Maus“, antwortet Khurgaa mit dem ernsten Gesicht eines Jägers der gerade im Begriff ist einen wilden Elefanten zu erlegen. Während der 15 jährige Bumbayr voller Enthusiasmus das Häuschen von außen bewacht, greift Khurgaa in einem Blitzvorstoß die Maus von innen an und zerquetscht sie an der Schlafzimmerwand. Mit siegessicheren Lachen greift er den malträtierten Mauskörper mit der Schürzange und trägt sie nach draußen. „Mäuse sind muu“, (schlecht) sagt er grinsend. „Ja ich weiß. Die fressen die Lebensmittel weg und sich durch die Matratzen“, antworte ich wichtig dreinschauend.“ „Stimmt“, antwortet er das zerdrückte Wesen in einem hohen Bogen in die Weide werfend. Rantan schnappt die Gelegenheit beim Schopf und rast der toten Maus hinterher, um sie mit Haut und Haaren zu verputzen.

Abends steuert Tanja Nudeln, Kartoffeln, frische Karotten und Zwiebeln zum Essen bei. Die äußerst fleißige, etwa 1, 50 Meter kleine Regzedmaa, bereitet daraus eine wunderbar schmeckende Suppe die wir alle genießen. Dazu gibt es die Innereien von der Ziege. Regzedmaa hat diese fein säuberlich auf einen Teller drapiert und eine rohe Zwiebel dazu serviert. Als Nachspeise wird Khushuur gereicht, eine Spezialität die meist während des großem Naadamfestes zubereitet wird. Khushuur sind mit Frischkäse und Kräutern gefüllte frittierte Teigtaschen. „Wenn du dir den Magen nicht verderben möchtest würde ich nicht so viel davon essen“, warnt mich Tanja. „Ist recht fett oder?“, frage ich. „Oh ja“, antwortet sie schmunzelnd. Dann setzt sie einen Topf mit Frischkornbrei auf den Ofen damit wir morgen unser eigenes Frühstück genießen können. „Iiiihhh! Was ist denn das?“, fragt Khurgaa angewidert auf die kochenden Körner im Topf blickend. „Frühstück“, antwortet Tanja trocken. „Für Mogi?“, fragt er unsicher grinsend. „Nein nicht für Mogi. Für uns.“ „Für euch? Das ist kein Essen für Menschen sondern für Hunde“, ist er sich sicher. „Nein für uns“, bestätigt Tanja zum wiederholten Mal. Kopfschüttelnd wendet er seinen Blick ab und steckt sich ein Stück vom ekelhaft aussehenden Ziegenmagen in den Mund.

Die Sonne ist schon untergegangen als Tanja und ich unsere Pferde anpflocken. Khurgaa und Bumbayr scheinen von der Vereinbarung nach unseren Pferden zu sehen nichts mitbekommen zu haben. Wir nehmen es gelassen und hoffen darauf, dass sie während des Trips ihrer Aufgabe nachgehen. Im Vergleich zu unseren letzten Gastgebern glauben wir hier im Paradies angekommen zu sein. „Heute Nacht braucht ihr euch nicht um eure Pferde zu sorgen. Bei uns gibt es keinen Viehdiebstahl“, beruhigen uns alle Familienmitglieder. Wir glauben ihnen und kriechen zum ersten Mal seit Bilgees Abwesenheit ohne Anspannung in unsere Schlafsäcke.

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