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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Kameltreiben in den Bergen, Brüllen des Löwen, Entfesselte Kraft

N 48°16'037'' E 015°16'877''
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    Tag: 46

    Sonnenaufgang:
    06:24 Uhr

    Sonnenuntergang:
    19:29 Uhr

    Gesamtkilometer:
    1163,76 Km

    Temperatur – Tag (Maximum):
    29 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    24 °C

    Temperatur – Nacht:
    20 °C

    Breitengrad:
    48°16’037“

    Längengrad:
    015°16’877“

    Maximale Höhe:
    290 m über dem Meer

Am Spätnachmittag ziehe ich mich am Sattelknauf von Hermann Muli hoch. Gerda hat uns nämlich angeboten mit ihr und den Kamelen einen Ausritt in die eigenen nahen Berge zu unternehmen. Obwohl ich eigentlich schreiben, zumindest meiner täglichen Dokumentationsarbeit nachgehen müsste, habe ich spontan ja gesagt. Wann hat man schon die Gelegenheit in Niederösterreich am Fuße der Wachau auf Pferden zu reiten, um dabei Kamele in die Berge zu treiben? “Exotischer kann es wohl kaum werden? Die Krönung währen natürlich Elefanten aber die habt ihr in Österreich ja nicht”, lache ich über meinen eigenen Witz lauthals. “Also wenn du möchtest kann ich euch schon mit Elefanten bekannt machen”, antwortet Gerda lächelnd. “Ha, ha, ha”, pruste ich heraus. Ein guter Witz.” “Nein. Kein Witz. Wenn du Elefanten sehen willst können wir nach dem Reiten hinfahren.” “Wie meinst du das? Ha, ha, ha. Entschuldige mein Lachen aber die Vorstellung hier in Österreich Elefanten zu treffen ist einfach zu komisch.” “Meine Freundin hat einen Bauernhof und zwei Elefanten. Sie ist  als kleines Mädchen mit einem Elefanten aufgewachsen. Wenn du möchtest rufe ich sie gleich an. Sie hat bestimmt nichts dagegen wenn wir sie heute Abend noch besuchen”, antwortet sie meine Lustigkeit übergehend. “Du meinst wir haben die Chance noch heute zwei Elefanten in einem Bauernhaus zu besuchen?” “Ja.” “Richtig große, lebende Elefanten?” “Ja.” “Natürlich will ich die sehen! Unbedingt! Das dürfen wir uns doch nicht entgehen lassen!”, rufe ich begeistert aber immer noch etwas ungläubig. Auf dem Pferd sitzend zückt Gerda ihr Mobiltelefon, um unsere Treffen mit den Dickhäutern zu arrangieren. “Sie wird da sein”, sagt sie Augenblicke später zufrieden ihr Pferd antreibend. Mit geweiteten Augen und in großer Erwartung auf das was wir heute noch erleben werden sehe ich Tanja an. “Man braucht also nicht nach Indien oder Afrika, um absolut Ungewöhnliches zu erleben”, meine ich und treibe ebenfalls das Muli an.

“Bleibt bitte hinter den Kamelen. So können wir sie den Berg hochtreiben”, sagt Gerda. Auf ihre Kommandos hörend folgen wir der dreizehnköpfigen Kamelherde. Die Wüstentiere freuen sich offensichtlich über den Ausflug. Hüpfend und springend stürmen sie voraus. Ihren Weg kennend galoppieren sie durch das Tor der Gummifabrik und biegen gleich danach links ab. Dann geht es steil den Berg hinauf. Das Blätterdach eines dichten Waldes wölbt sich über unsere Köpfe und das dunkle Grün saugt uns in sich hinein. Von Zeit zu Zeit erblicken wir die scheuen Mufflons und Damhirsche die hier in dem Privatwald ihr Zuhause haben. Auf einen angelegten Weg treiben wir nun ohne Hast die Höckertiere vor uns her. “Wir nutzen den Berg um sie für die Kamelrennen zu trainieren. Jeden Tag werden sie mindestens einmal hier hinauf geführt. So haben meine Kamele, den für sie wichtigen Auslauf und gleichzeitig bekommen sie auf diese Art ihre Kondition”, erklärt uns Gerda. “Hop, hop, hop!”, treiben wir sie weiter wenn sie unter einem Baum verweilen, um daran zu naschen. Fasziniert über den für uns exotischen Anblick von Kamelen in westeuropäischem Mischwald genießen wir den Anblick der kraftvollen sehr gut gepflegten Tiere. Ohne Zweifel hat jedes vierbeinige Familienmitglied von Gerda im Lotto gewonnen. Nicht selten hat sie Tiere bei sich aufgenommen die von ihren Besitzern schlecht behandelt wurden, die auf einmal genug von ihnen hatten, sie nicht richtig pflegten oder mit ihnen nicht umgehen konnten. Jedes der Pferde, Kamele, Strauße, Lamas und was es sonst noch auf dieser exotischen Farm gibt lebt im Paradies.(Mehr Infos: www.kamelreiten.com)

Auf dem Bergrücken angekommen dürfen die für die Landschaft befremdlich aussehenden Vierbeiner an den Bäumen naschen. Gerda, die anderen Reiter und wir achten darauf, dass sie in einer Gruppe zusammenbleiben und erfreuen uns an den länger werdenden Schatten. “Okay, treibt sie wieder nach unten!”, ruft Gerda worauf wir die Lichtung verlassen, um dem sich im dunklen Wald verlierenden Pfad zu folgen. “Hurra nach Hause! Schneller Jungs! Schneller! Es gibt was zu fressen! Lass mich vorbei du Langweiler! Ich habe großen Kohldampf!”, scheinen sie durcheinander zu brüllen und stürmen sich gegenseitig überholend den Pfad hinunter. Unten angekommen nehmen einige von ihnen erstmal ein Bad im kleinen Weiher. Dann traben sie in den Hof und warten ungeduldig auf ihr leckeres Abendmahl.

“Bevor wir nach Linz fahren und die Elefanten besuchen essen wir erst eine Kleinigkeit im Kamelsalon”, sagt Gerda. In der Vorfreude auf die Dickhäuter lassen wir uns dann zwischen den Tieren sitzend frischen Ziegenkäse, Brot und Gebäck schmecken. “Vielen Dank für den Ausritt. Es war ein fantastisches Erlebnis. Hätte nie gedacht hier in Österreich so etwas erfahren zu dürfen.”, bedanken wir uns bei Gerda.

Das Brüllen des Löwen

Es ist bereits dunkel als Gerda ihr Auto auf dem Mursberg bei Walding parkt. Gespannt was uns erwartet betreten wir den gepflegten Bauernhof. “Hallo! Hallooo, keiner da?”, ruft Gerda. Wir folgen ihr auf Schritt und Tritt durch das herrschaftliche Haus. An den Wänden hängen Bilder von exotischen Tieren. Ein Löwe gähnt mich im dämmrigen Licht an. “Aber Löwen gibt es hier doch nicht? Oder?”, frage ich vorsichtig geworden. Gerda sieht mich kommentarlos an. Warte es ab, scheinen ihre Augen zu sagen. Gerlinde öffnet die Küchentür und kommt uns mit strahlendem Lachen entgegen. Gerda begrüßt ihre Freundin herzlich. “Das sind meine lieben Freunde aus Deutschland. Sie sind erst kürzlich 7000 Kilometer mit ihren Kamelen durch Australien gelaufen und haben unter anderem Nepal mit dem Elefanten durchquert. Als ich von dir erzählte wollten sie unbedingt deine Elefanten sehen”, stellt sie uns vor. “Dann lasst uns mal nach draußen gehen”, antwortet die uns auf Anhieb sympathische Frau mit ihrem einnehmenden Lächeln.

Die beiden Freundinnen laufen sich unterhaltend voraus. Am Kamelgehege bleiben sie stehen. Ein wunderschönes zweihöckriges Kamel streckt seinen mächtigen Kopf über das Gatter. Vorsichtig streichle ich ihn. Schnell geht es weiter. Gerlinde nutzt unseren Besuch, um ihre letzte Kontrollrunde durch ihren privaten Zoo zu drehen. Sie zeigt uns die äußerst geschmackvolle Außenanlage die mit Steinen, Wegen und Blumen liebevoll gestaltet ist. Es geht vorbei an den Straußen, den lustig aussehenden Guanakos, den Lamas mit ihren eigenwilligen Köpfen, Eseln, Gänse und ins Vogelhaus. “Den Papagei habe ich noch nicht lange”, sagt sie auf einen der zahlreichen Vögel deutend. “Er ist recht aggressiv. Sobald man den Käfig betritt beginnt er den Eindringling mit seinem Schnabel zu hacken. Neulich hat er mich im Nacken erwischt. Also jetzt betrete ich sein Reich nur noch mit Helm”, erklärt sie weiter mit friedlichem Gesichtsausdruck. Dann knipst sie das Licht der Vogelanlage aus und wir treten wieder in die Dunkelheit der lauen Spätsommernacht. Grillen zirpen lauthals, um der eigenwilligen Szene einen noch exotischeren Stempel aufzudrücken. “Rrroooohhrrrr! Rrrrrrooooohhhhhrrrr! Rrrrrrooooohhhhhrrrr!”, fährt uns das Markerschütternde Brüllen durch die Glieder. Sofort stellen sich meine Nackenhaare auf und ich glaube nicht richtig gehört zu haben. “Also gibt es hier doch Löwen”, flüstere ich Tanja zu, den beiden Frauen folgend. “Rrroooohhrrrr! Rrrrrrooooohhhhhrrrr! Rrrrrrooooohhhhhrrrr!”, zerteilt das urige Brüllen wieder die Schwärze der Nacht und hallt in einem furchterregenden Echo von den nahen Wäldern zurück. “Unheimlich nicht?”, sagt Tanja leise. “Und wie”, entgegne ich bis zum Mark meiner Knochen fasziniert. “Stell dir vor du liegst im Zelt und hörst dieses Brüllen.” “Mein Gott ich würde mir in die Hode machen”, sage ich mir eine Expedition in Afrika vorstellend. Auf dem weiteren Weg lässt der König der Tiere mehrfach seinen Urschrei den sternenklaren Himmel entgegen donnern. Andächtig schleichen wir auf dem Pfad in ein Gebäude. Das Gemecker von verschieden Ziegenrassen erfüllt den Raum. Gerlinde schaltet das Licht ein und die neugierigen Gesichter der Stallbewohner blicken uns entgegen. Ein Alpaka biegt seinen Kopf vorwitzig über die Holzbalken seiner Behausung. Vorsichtig möchte ich sein gekräuseltes Fell hinter den großen Ohren streicheln. Erschrocken weicht er zurück und gibt ein würgendes Geräusch von sich. “Ob der spucken will?”, frage ich. Noch mal versuche ich dem Wuschelkopf eine Streicheleinheit zu geben. “Kchchchchttt!” höre ich und sehe etwas dicht an mir vorbeifliegen. Tanja und Gerda lachen. Braucht noch etwas Zielwasser, denke ich mir und lasse ihn in Frieden.

“Hier waren Mary und Bindi einmal angekettet. Das war vor vielen Jahren noch unser Kuhstall. Er wurde natürlich zu klein für die beiden und wir mussten das Elefantenhaus bauen”, erklärt die Inhaberin des Zoos. Im Gehege der Zebras nehme ich den intensiven Geruch von Großkatzen wahr. Gerlinde. öffnet eine nahe eiserne Tür und wir betreten das Raubtierhaus durch den Hintereingang. Gedämpftes Licht beleuchtet einen langen Gang. Uns verschlägt es fast den Atem. Tanja und ich stehen direkt vor dem Käfig Mitschus dem Löwen. Er hebt seinen Kopf und beobachtet jede unserer Bewegung. “Darf ich ein Bild schießen?”, frage ich respektvoll. “Gerne”, antwortet Gerlinde. Mitschu sieht uns mit seinen goldenen Augen an und legt seinen Kopf wieder auf die Holzbohlen. “Na Bubi. Komm mal her”, spricht Gerlinde mit ihm worauf er wieder seinen mächtigen Kopf hebt. “Wie kommst du zu dem Löwen?”, möchte ich wissen. “Mitschu wurde in einem Zirkus geboren. Leider hat ihn seine Mutter nicht angenommen. Dann hat ihn ein Tierarzt in Wien aufgezogen den ich gut kenne. Als er zu groß wurde bot er ihn mir an und seit 1990 lebt er hier bei uns”, erklärt uns Gerlinde. Gebannt beobachten wir Mitschu noch eine Weile, bis wir dem Gang ins Gebäudeinnere weiter folgen.

Plötzlich stehen wir vor dem Käfig Sharifs. “Ich glaube es nicht”, entfährt es mir. Ein Bengalischer Tiger springt bei unserem Erscheinen von seiner Bettstatt und drückt seinen muskulösen Körper gegen das Gitter. “Mei Buale”, (Mein kleiner Junge) flüstert Gerlinde den König des Dschungels liebevoll zu und streichelt durch das Gitter sein Fell. Tanja und ich halten den Atem an. Noch nie in unserem Leben waren wir der großen Raubkatze so nah. Trotz des Gitters ist die Begegnung mit dem Tiger für uns tief beeindruckend. “Sharif kommt aus dem Zirkus in Berlin. Er ist 1988 geboren und trat oft in der Manege auf. Der Zirkus löste seine Tigergruppe auf und seit 2000 ist er bei uns.”  “Darf ich ihn auch mal streicheln?”, frage ich ehrfürchtig. “Gerne”, antwortet Gerlinde. Tanja und ich knien vor dem Stahlgitter und streicheln das Fell von Sharif dem Tiger. Wir können beide nicht glauben was wir hier erleben dürfen. Unsere Herzen schlagen schneller und das Glücksgefühl sich in den klaren tiefgründigen Augen der Raubkatze zu verlieren ist ein Erlebnis der Extraklasse. Immer wieder kommt Sharif, um sich sein Fell kraulen zu lassen. Dann richtet er sich vor Tanja sogar auf und stemmt sich mit seinen Pranken am Gitter ab.

Es ist schon spät als wir die Raubtierkäfige verlassen. Auf dem Weg zum Elefantengebäude erfahren wir das Gerlinde Tiere bei sich aufnimmt die für Privatleute zu groß oder gefährlich geworden sind oder von einem Zirkus stammen. Auch hier bei Gerlinde, die jetzt einen privaten Tiergarten bei Walding gegründet hat, haben die Tiere ein wunderschönes Zuhause gefunden. Es ist ein Zuhause in dem sie in würde und Lebensfreude alt werden dürfen.

Entfesselte Kraft

“Ihr bekommt heute noch späten Besuch”, begrüßt sie ihre Lieblinge den Lichtschalter des Elefantenhauses umlegend. Mary und Bindi erwidern ihre Grüße mit verhaltenem Trompeten. Wieder gebannt durch die gewaltige und kraftvolle Ausstrahlung der muskulösen und größten Landsäuger unserer Erde stehen wir vor der Stahlabsperrung. Unsere zierliche Gastgeberin bückt sich unter die Absperrung durch und stellt sich zwischen die beiden Kolosse. Obwohl ich weiß, dass die Dickhäuter mit ihr aufgewachsen sind bleibt mir vor Aufregung fast das Herz stehen. Tanja und ich haben nämlich vor einigen Jahren Nepal mit dem Elefanten durchquert. Ich wollte mir damit einen Jungendtraum erfüllen. Leider war die Elefantendame namens Bawan Kumari ein Killer und hatte im Lauf ihres Lebens drei ihrer Mahuts (Herren) umgebracht. Wir erfuhren erst während der Expedition davon. Bawan wollte auch mich und unseren Übersetzer mehrfach töten. Nur durch viel Glück und unerklärlichem Schutz sind wir mit dem Leben und vor allem unverletzt davongekommen. Nie mehr werde ich diese Erlebnisse vergessen. Sie sind mir ins Gedächtnis gebrannt. Mit laut schlagendem Herzen sehe ich Gerlinde nun zu wie sie den Tieren den Rüssel streichelt. “Ihr dürft sie ruhig füttern”, lädt sie uns ein näher zu kommen. Mary streckt mir ihren langen Rüssel durch die Stahldrähte entgegen. Aufgeregt stecke ich ihrer verlängerten Nase ein paar von den gepressten Würfelchen hinein die wir von Gerlinde bekommen haben. Mary kann davon gar nicht genug bekommen und ich entleere meinen Tascheninhalt in ihr saugendes Rohr.

“Geh rein”, höre ich plötzlich die mir vertraute Stimme. “Wie? Du meinst ich soll da wirklich rein gehen? Niemals!” “Wenn du deine Angst loswerden willst musst du sie bekämpfen.”  “Soll ich es wirklich wagen?”, frage ich zweifelnd. “Klar. Dir wird nichts geschehen. Habe Vertrauen. Frage Gerlinde. Sie wird es dir erlauben.” “Hm”, zweifle ich. “Nur indem du auf deine Angst zugehst kannst du sie bekämpfen. Du weißt doch das Angst euch Menschen davor abhält sich zu verwirklichen. Mary hat mit Bawan Kumari aus Nepal nichts zu tun”, überzeugt mich die Stimme der Mutter Erde.  “Darf ich reinkommen?”, höre ich mich dann selbst frage. “Gerne”, antwortet mir die zarte Frau deren Ausstrahlung auch mich in ihren Bann geschlagen hat. Wie wild trommelt mein Herz gegen den Brustkasten. Verspannt stehe ich neben Mary und streichle ihren Rüssel. Dann gebe ich ihr ein paar der Leckereien die mir Gerlinde wieder zugesteckt hat. “Bist eine schöne Elefantendame”, sage ich leise und streichle sie mutig in den Achseln ihrer mächtigen Vorderbeine. “Sie spürt deine Angst. Auch sie verhält sich etwas verspannt”, erklärt mir Gerlinde leise. “Verstehe. Tiere spüren unsere Ausstrahlung. Man kann noch soviel lachen, sie fühlen unsere Aura, unsere Empfindungen. Das habe ich oft auf unseren Expeditionsreisen erlebt”, antworte ich und versuche mich zu entspannen.

Gerlinde liebkost Mary ebenfalls. Sie spricht im angenehmen Tonfall mit ihr und setzt sich zu unserem Erstaunen zwischen ihre Vorderbeine auf das Heu. Fasziniert sehen wir wie sich mit ihrem Rücken gegen den Unterschenkel des Elefanten lehnt. Es dauert nicht lange und Mary erwidert die Zärtlichkeit und das ihr entgegengebrachte Vertrauen. Mit ihrem Rüssel beginnt sie Gerlindes Gesicht zu untersuchen und ohne Zweifel zu liebkosen. Gerlindes Antlitz ist ein einziges Lächeln. Milde lässt sie zu was die riesige Elefantenkuh mit ihr anstellt. Als Gerlinde sich dann langsam auf den Rücken gleiten lässt und ihr Körper dem riesigen Tier auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist stockt uns der Atem. Mary nimmt mit ihrer langen Nase ein Bündel Stroh vom Boden und reicht es Gerlinde. Es sieht so aus als wolle Mary ihre Herrin damit füttern. Dann breitet Gerlinde beide Arme aus und legt sie links und rechts zwischen die baumstammdicken Beine. Überrascht glaube ich auch in dem Gesichtsausdruck der Elefantendame ein Lächeln zu sehen. Das Rüsselende gleitet über Gerlindes Gesicht. Zupft zärtlich an der kleinen Menschennase. Stülpt sich über ihren Hinterkopf. Dann hebt Mary das linke Bein und berührt mit einem ihrer drei Zehennägel Gerlindes Wange. Mit einer kaum zu glaubenden Feinmotorik bewegt Mary den Menschenhandgroßen Zehennagel an Gerlindes Gesicht entlang und streichelt ihre feine Haut. Nur einen Millimeter zu weit und Gerlindes Kopf ist zerquetscht. Ich bin von dem Schauspiel so gebannt, dass ich fast vergesse es fotografisch festzuhalten. Mit vor Staunen offenem Mund erlebe ich etwas aus nächster Nähe was ich nicht für möglich gehalten hätte. Die Beziehung zwischen dem größten Landsäuger auf Erde und einem seiner größten Widersacher, dem Mensch, ist mit Worten kaum wiederzugeben. Und dann, als ob es nicht schon genug des Guten ist, umfassen Gerlindes zarte Hände plötzlich Marys Fußsohle. Langsam führt sie den gewaltigen Fuß über ihr Gesicht. In einem Abstand von vielleicht einem Zentimeter schwebt die Sohle der ca. 4000 Kilogramm schweren Elefantendame über ihrer Stirn. Die Spannung ist für uns kaum zu ertragen als etwas Unerklärliches geschieht. Durch irgendetwas irritiert scheint Mary zu erschrecken. Mit einem gewaltigen Trompeten trötet sie mit ihrem Rüssel in Gerlindes Ohren. Mary steigt über sie hinweg und gibt eigenartige Geräusche von sich. Bindi, die Elefantenkuh nebenan kniet auf ihren Oberschenkeln und versucht unter den Stahlseilen durchzurobben. Gerlinde kniet offensichtlich überrascht über die unverhoffte, urplötzliche Aktion von Mary im Stroh und kommt kopfschüttelnd auf die Beine. Das unglaublich laute Trompeten muss ihr in den Ohren klingeln. Sie wischt sich die Flüssigkeit, die Mary ihr beim trompeten ins Gesicht geblasen hat, aus den Haaren und Gesicht und stellt sich zwischen die beiden Elefantendamen. Leise beginnt sie ein Lied zu singen worauf die beiden Tiere mit ihren großen Ohren wackeln. Wieder werden wir Zeugen einer noch nie gesehenen Szene. Mary und Bindi beginnen sanfte Geräusche von sich zu geben. Sie lassen sich von der friedlichen Ausstrahlung ihrer Herrin anstecken und treten von einem Bein auf das andere. Ihre grauen Körper schwanken im Takt des Liedes Hänschenklein langsam und ruhig hin und her während sie den Gesang von Gerlinde immer wieder mit barmherzig klingenden Lauten untermalen.

Wir verlassen das Reich der Dickhäuter. Die finstere Nacht legt sich über uns. Wegen dem gerade Erlebten folge ich in Gedanken versunken Gerlinde, Gerda und Tanja. Was ist eben geschehen? War Gerlinde in Gefahr? “Hier befindet sich das Außengelände der Raubtiere”, lenkt mich die leise Stimme unserer Gastgeberin ab. Der beißende aber nicht unangenehme Geruch von Großkatzen steigt mir wieder in die Nase. Geballte Kraft und die Gnadenlosigkeit der wilden Jäger sind mit dem Geruch verbunden. Ein Schatten huscht in der Dunkelheit an dem nahen Gitter vorbei. Augen blitzen und dann erkenne ich die Umrisse des schwarzen Panthers. Verwirrt über die vielen Ereignisse der letzten Stunden kreuzen sich meine Gedanken. Das Zirpen der Grillen, leise Tapsen der Sohlen, das Meckern der Ziegen, Würgen der Lamas und Alpakas, das Fauchen des Tigers, Trompeten der grauen Dickhäuter und das urige Gebrüll des Königs der Tiere, dem Löwen, haben mich in eine völlig andere Welt versetzt.

Später sitzen wir in der Küche des schönen Bauernhauses. Bei Kaffee und Kuchen lauschen wir Gerlindes Geschichten und erzählen im gleichen Atemzug von unseren Abenteuern. Wir erfahren auch warum Mary so seltsam reagiert hat. Mary und Bindi haben seit Jahren schon Kämpfe miteinander. “Die Kämpfe wurden so schlimm, dass wir die Elefanten nicht mehr reiten oder mit ihnen gemeinsam Ausflüge in die nahen Wälder unternehmen konnten. Sie begannen sich zu hassen und gingen aufeinander los. Ich wusste nicht mehr was zu tun war. Hatte große Angst. Ihre ungeheure Kraft war entfesselt. Meine Lieblinge hörten plötzlich nicht mehr auf mich. Wir mussten sie separieren. Keiner konnte mehr ins Gehege gehen und wenn war es sehr gefährlich. Jetzt haben sie sich wieder aneinander gewöhnt aber wir können sie nie mehr zusammenlassen. Vorhin im Elefantenhaus war es wahrscheinlich so das Bindi dachte Mary möchte mir etwas antun. Deswegen wollte sie mir zu Hilfe kommen und wollte in Marys Gehege. Mary hat daraufhin trompetet, um Bindi zu sagen lass mich in Ruhe.”

Als wir uns von der beeindruckenden Frau verabschieden schenkt sie Tanja ein Bild von Sharif und mir einen kleinen Elefanten aus Marmor. “Ich hoffe wir sehen uns einmal wieder”, sagt sie mit ihrem gütigen Lächeln. “Wir auch”, antworten wir von ihrer Ausstrahlung und Mut fasziniert.(Mehr Infos unter: www.tiergartenwalding.com)

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