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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Jeremy wird von einem Hai angegriffen

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    Temperatur - Tag (Maximum):
    ca. 30 Grad

Anna Plains Station — 06.05.2001

Um etwas Abwechslung von dem täglichen Kameltraining zu haben gehe ich heute mit einigen Jackeroos zum Fischen. Ich bin froh, dass mir mein strenger Chef dafür mal freigegeben hat, wobei ich an dieser Stelle zugeben muss, dass mein Chef in mir selbst steckt. Leider ist er recht oft sehr hart zu mir, doch manchmal kann ich ihn davon überzeugen das die Welt nicht nur aus Arbeit besteht und ein wenig Freizeit uns nicht schaden.

Eigentlich wollten wir schon um 7 Uhr 30 aufbrechen, doch die Crew von Anna Plains hatte am gestrigen Samstag Abend im Sandfire Roadhouse heftig über die Stränge geschlagen. Fast jeden Freitag oder Samstag Abend treffen sich die Jilleroos und Jackeroos der abgelegenen Stations in diesem legendären Roadhouse, um ihr Vergnügen zu haben. Hier gibt es keine Bars, Restaurants oder Diskotheken sondern nur die Tankstelle die für diese Menschen alles an Freizeit bedeutet was es im Umkreis von 250 Kilometern gibt.

Chris der Gärtner kann vor Stolz kaum laufen. Er hatte das Glück ein paar Stunden mit einem Mädchen zu verbringen die ebenfalls auf einer der Station arbeitet. Mark, der Mechaniker ist auch nicht leer ausgegangen und Jeremy der neue Windmühlenmann kommt gerade in diesem Augenblick erst von Sandfire zurück. Es ist 9 Uhr bis wir das kleine Boot, den Außenborder, die Kühlbox und das gesamte Angelzeugs auf der Ladefläche der Ute geladen haben. Die Zeit drängt. denn bald setzt die Ebbe ein. Ich fahre bei Jeremy mit während Chris und Mark in einem anderem Toyota vor uns über die schmale Piste brausen. Im rasenden Tempo rumpeln wir über die kleinen Farmwege, dass mir der Angstschweiß aus den Poren tritt. Die Tachonadel bewegt sich zwischen 90 und 100 Stundenkilometer und nach meiner Ansicht genügt bei dem wahnwitzigen Tempo nur ein kleiner Fahrfehler und der schwere Jeep würde sich grausam überschlagen. „Meinst du nicht das wir in einen der Kurven umkippen könnten?“ ,frage ich Jeremy vorsichtig.

„Ach was, er ist mit seinen ca. 800 Liter Diesel so schwer beladen das es unmöglich ist ihn auf die Seite zu werfen.“ „Was, 800 Liter Diesel? Wo sind die denn geladen und warum soviel?“ ,möchte ich wissen. „Als Windmühlenmann (Boreman) muss ich in der Lage sein große Strecken zurücklegen zu können. Manchmal kann es sein das ich eine weit entfernte Windmühle repariere und von dort am nächsten Tag meine Route fortsetze. Ich glaube ich könnte im Notfall halb Australien durchqueren ohne eine Tankstelle aufsuchen zu müssen. Aber der Treibstoff ist auch dafür gedacht das Räumfahrzeug oder einen Tracktor voll zu tanken die weit abgelegen von der Homestead eingesetzt werden.“ „Und wo ist das Zeugs gelagert?“ „Siehst du den großen Tank auf der Ladefläche? Da ist es drin. Außerdem besitzt der Toyota zwei Tanks die ich immer bis zum Rand voll mache bevor ich die Homestead verlasse.“Es ist zwar beruhigend zu wissen das uns der Sprit nie ausgehen wird, doch auf der anderen Seite sitzen wir auf einer regelrechten Bombe, falls sich der Diesel bei einem Unfall entzündet. Wieder brechen wir in eine langgezogene Kurve die sich noch dazu über einen leichten Hügel zieht. Sollte uns da einer mit ähnlicher Geschwindigkeit entgegenkommen lösen wir uns hier in unsere einzelne Bestandteile auf. Ich bin froh als wir an dem traumhaften, endlosen Strand ankommen. Noch vor wenigen Jahren hätte ich nicht daran geglaubt, dass es in Australien über hunderte von Kilometern einsame, ja bald unberührte Strände gibt. Tausende, ja Millionen von wunderschönen Muscheln liegen hier herum. Manche von ihnen sind 20 oder 30 Zentimeter groß. Man könnte sich hier dumm und dämlich sammeln. Es gibt so viele Muscheln, um problemlos in einem einzigen Tag ganze Kartoffelsäcke zu füllen. Ewig windet sich der paradiesisch aussehende Strand dem Indischen Ozean entlang. Für Vögel ist es hier wie der Garten Eden. Große Gruppen von Möwen fischen im seichten Wasser oder trippeln auf dem Sand hin und her. Wenige Felsen ragen aus den Wellen und kündigen durch ihr größer werden den Rückzug des Meeres an. Mangroven begrenzen die Bucht auf der linken Seite, während zur rechten riesige Rauchwolken die Existenz eines Buschfeuers verraten. In Europa würden sich an solch einem Ort tausende von Touristen tummeln. Liegstühle würden sich aneinander reihen oder jeder Quadratmeter des weißen Sandes wäre mit Handtüchern belegt. Ich bin froh das es noch Flecken auf unserer Erde gibt die bisher von unserer westlichen Welt verschont geblieben sind. Vielleicht haben diese Strände hier noch ein paar Jahrzehnte Ruhe vor dem großen Ansturm der Zerstörung.

Schnell ist das Dingi entladen und der Außenborder daran geschraubt. Mark und Chris springen hinein und ziehen das Netz hinter sich her dessen Ende mit einem Pflock im seichten Wasser befestigt ist. Nachdem sie es etwa 100 Meter weit in die Bucht gezogen haben tuckern sie zurück. „Unglaublich! Wir haben mindestens vier große Haie gesehen! Sie waren direkt an unserem Boot! Einer von ihnen hat mir sogar mit seiner Rückenflosse gegen die Hand geschlagen als ich mich nichts ahnend an der Bordwand festhielt!“ ,ruft Chris aufgeregt. „Wenn ich daran denke, dass wir das Netz letztes Wochenende zu Fuß auslegten, wird mir im Nachhinein noch ganz mulmig. Wir können von Glück reden, dass uns die Haie nicht einfach in die Beine bissen. Es wimmelt hier ja regelrecht von diesen Raubfischen,“ meinen Chris und Mark. Schnell hole ich meine Videokamera, um bereit zu sein falls wir einen der Haie im Netz fangen sollten. Das Wasser zieht sich bereits zurück. Chris und Mark fahren in der Zwischenzeit mit dem Dingi in der Bucht hin und her. Sie haben ihre Angeln ausgeworfen und warten darauf das einer der leckeren Seelachse anbeißt. Jeremy und ich hingegen warten am Strand darauf bis das Meer sich noch ein wenig zurückzieht, um nachzusehen ob sich etwas in dem Netz verfangen hat. Schon wenig später ist es soweit. Jeremy geht in das knie hohe Wasser und hebt das Netzt. „Huu, uuh ,das ist ein fetter Brocken,“ ruft er und befreit einen etwa 40 Zentimeter langen, prächtigen Seelachs aus den Schlingen des Netzes. Freudig bringt er ihn an den Strand, legt ihn ab und tötet ihn. Eilig läuft er wieder los. Diesmal kann er das Netz kaum anheben, denn ein ca. 2 Meter langer Schwertfisch zappelt wie verrückt hin und her. Ich bin froh, dass er diesen wunderschönem Fisch die Freiheit schenkt. Schnell schwimmt der eigenartig aussehende Fisch in tieferes Gewässer. „Wauuu! Das ist ein ja ein Monster!“ ,höre ich ihn rufen. Ich traue meinen Augen Kaum als ich den Kopf eines beachtlichen Haies erkenne. „Er hat sich   verfangen. Kannst du mir die Zange aus dem Werkzeugkasten bringen?“ ,fragt er. Ich gebe ihm die Zange, womit er vorsichtig versucht den gefährlichen Raubfisch freizuschneiden. Gebannt stehe ich mit meiner Videokamera da und filme jede seiner Bewegungen. Nach vielleicht 10 Minuten hat er den Fisch frei. Als er dann seine gesamte Kraft mobilisiert, um den gut und gern 2 ½  oder 3 Meter großen Fisch mit beiden Armen umklammert und halb aus dem Wasser hebt, stockt mir der Atem. „Ich hoffe du weißt was du tust!“ ,rufe ich. Jeremy lacht und posiert einige Augenblicke vor der Kamera bis es dem Hai zu bunt wird und er nur kurz aber kräftig hin und her zuckt. Die Bewegung langt um sich von Jeremys Umklammerung zu befreien. Ohne eingreifen zu können erlebe ich nun das Geschehen. Mit einem Platschen fällt der Oberkörper des Haies in sein Element zurück und schwimmt Gott sei Dank einige Meter in Richtung offenes Meer. Doch plötzlich hat er es sich anders überlegt, macht eine elegante 180 Grad Wende und gleitet direkt auf den staunenden Jeremy zu. Es dauert nur Sekunden bis Jeremy wie von einer Rakete gezündet durchs spritzende Wasser schießt, um auszureißen. Der Hai folgt ihm schnell und zielstrebig. „Mensch pass auf, der kommt!“ ,brülle ich. Jeremy hört mich in diesem Augenblick nicht mehr und macht einen großen Satz auf die andere Seite des Netzes. Der Hai schießt hinein, um ihn zu folgen und hat sich dabei wieder in Gefangenschaft gebracht. Aufatmend erkenne ich das sich Jeremy durch sein intelligentes Verhalten in Sicherheit gebracht hat. Eigentlich wollte ich nur ein wenig Angeln gehen und werde ganz nebenbei fast Zeuge wie ein Mensch von einem Hai attackiert wird. Ich bin mir jetzt ganz sicher keinen Schritt in dieses gefährliche Gewässer zu wagen. Erst vor wenigen Monaten sind der Fotograf Ken Maley, ich und unser Kamel Hardie für viele hundert Meter in das Meer gelaufen bis es uns an die Hüfte reichte. Nur um die Kameras nicht durch das salzige Spritzwasser zu gefährden sind wir dann umgekehrt. Auf dem Rückweg hatte damals Ken eine großen Fisch zwischen seinen Füßen gespürt. Wir hatten danach über dieses Erlebnis gelacht, doch tummeln sich hier im knie hohen Wasser so viele große Haie, dass diese Tatsache in keiner Weise zum lachen ist.

Jeremy ist anscheinend ein recht unerschrockener Draufgänger. Ohne lange zu überlegen befreit er den Hai ein zweites Mal aus dem Netz, jedoch lässt er ihn diesmal ohne weitere Berührung von dannen ziehen. Noch mindestens fünf Minuten kann ich seine Rückenflosse beobachten die langsam, wie in Zeitlupentempo eine Schneise durch das seichte Wasser zieht. Während Jeremy schon einen weiteren Hai aus dem Netz schneidet, sehe ich immer noch der Flosse nach die dann endlich aus meinem Blickfeld entschwindet.

Nach weniger als einer Stunde haben wir in dem Netz drei Haie, einen Schwertfisch, 2 Katzenfische und vielleicht sieben Seelachse gefangen. Bis auf die Seelachse und den Katzenfische lässt Jeremy alle frei. „Man muss höllisch darauf achten, dass man sich nicht einen der Stacheln des Katzenfisches in die Haut rammt. Sie enthalten ein Gift das einen für mehrere Tage außer Gefecht setzt und unerträglich schmerzhaft sein muss,“ erklärt mir Jeremy den Fisch ausnehmend. „Ahhh, jetzt hat es mich doch erwischt!“ ,ruft er erschrocken und drückt mit den Finger der linken Hand seinen Zeigefinger. „Schlimm? ,frage ich erschrocken. „Nein, ich glaube nicht das es so tief ging um Gift zu injizieren.“ Später tragen wir unsere Beute zu der Ute und legen sie in die Kühlbox. „Spürst du immer noch nichts?“ ,möchte ich wissen. „Nein, ich glaube ich habe Glück gehabt,“ sagt er und reibt sich die Einstichstelle.

Chris und Mark konnten während der gesamten Zeit nur zwei Katzenfische fangen die sie sichtlich enttäuscht in die Kühlbox legen. Das Meer hat sich mittlerweile um viele hundert Meter zurückgezogen. Wir entscheiden uns für heute abzubrechen und zurückzufahren. Wieder rast Jeremy wie gehetzt über die grüne Ebene so das ich kaum Chancen habe meine Augen von dem schmalen Pfad zu nehmen. Als wir bei der Homestead ankommen bin ich froh mit diesen Jungs einen erlebnisreichen Tag verbracht zu haben. Jeremy überreicht mir dann noch einen großen Seelachs. „Aber ich habe doch gar nichts dazu beigetragen ihn zu fange,“ sage ich freudig überrascht. „Aber natürlich, du warst dabei und das ist dein Anteil,“ entgegnet er freundlich lachend. „Lasst ihn euch gut schmecken,“ ruft er mir noch hinterher als ich über den frisch gemähten Rasen der Farm laufe.

Den späten Nachmittag verbringen wir damit das Absetztraining von Jasper und Edgar zu vertiefen. Es kostet etwas Mühe Edgar einzufangen, doch als ich das am Boden liegende Ende des Nackenseiles erwische und daran ziehe bleibt er sofort stehen. Der Pfosten zeigt schon Wirkung, denn noch gestern hat er mir bei seiner Flucht das Seil einfach aus der Hand gerissen. Wieder binden wir Edgar und Jasper je an einen der beiden Pfosten. Durch die zwei einbetonierten Eisenrohre sind wir in der Lage die Beiden gleichzeitig zu trainieren. Diese Methode spart uns Zeit, denn nicht selten wird es vorkommen das Jasper oder Edgar daran festgebunden sind während wir mit dem anderen arbeiten. Jasper setzt sich heute unter lautem Protest ab. Es genügt diesmal die Beinschlinge um seinen Vorderfuß zu binden und schon geht er freiwillig nach unten. Auch Edgar führt sich nicht mehr ganz so schlimm auf. Er tritt und kickt zwar noch, doch sind wir in der Lage ihn nach relativ kurzer Zeit zum abhuschen zu bewegen.

Am Abend genießen wir den frischen, sehr schmackhaften Seelachs in Knoblauchsoße mit Butterkartoffeln und Gemüse. Ich berichte Tanja dann von meinem jüngsten Haifischabenteuer. Rufus liegt mit vollen Magen zufrieden auf seiner Decke und brummelt vor sich hin. Ihm haben anscheinend die Seelachsreste ebenfalls sehr gut geschmeckt, denn er streckt und reckt sich von Zeit zu Zeit und wartet darauf wann ich endlich mit ihm herumtolle.

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