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E-Bike-Expedition Teil 2 Mongolei - Online-Tagebuch 2015

Jede Entscheidung hat Konsequenzen

N 48°10’58.0’’ E 106°22’17.1’’
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    Datum:
    09.8.2015

    Tag: 42

    Land:
    Mongolei

    Ort:
    Jurtencamp 2
          
    Breitengrad N:
    48°10’58.0’’

    Längengrad E:
    106°22’17.1’’

    Tageskilometer:
    59

    Gesamtkilometer:
    8.502

    Luftlinie Luftlinie:
    44

    Durchschn. Geschw.

    17.8 km/h

    Maximale Geschwindigkeit
    44 km/h

    Fahrzeit Std
    3:18

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1500 Meter

    Sonnenaufgang:
    06:36 Uhr

    Sonnenuntergang:
    21:27 Uhr

    Temperatur Tag max:
    35 Grad

    Aufbruch:
    8:30 Uhr

    Ankunftszeit:
    15:00 Uhr

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Auch die schönsten Tage gehen mal zu ende, weswegen wir den paradiesischen Ort verlassen müssen. Es ist noch dunkel als wir schon mit dem Packen beginnen. Damit Ajacis Hänger nicht wieder kippt laden wir die große Ortliebtasche vom Dachträger in den Trailer. Weil wir keine Rinder- und Schafherden sehen darf Ajaci neben den Rädern laufen. Er genießt seine Freiheit bis er eine Fährte aufnimmt und im Begriff ist irgendetwas zu jagen. „Ich nehme ihn besser wieder an den Hüftgurt“, sage ich. Dann setzen wir unsere Reise über den buckeligen, steinigen Weg fort. Wieder am Highway 3 geht es weiter nach oben. Um Energie zu sparen und Ajaci noch Auslauf zu gönnen darf er noch ein paar Kilometer neben mir herlaufen. Als er beginnt sich ziehe zu lassen packen wir ihn wieder in seinen Wohnwagen. Nur kurze Zeit später treffen wir auf ein völlig neues großes Fastfoodrestaurant. Viele Autos stehen davor, mongolische Musik plätschert aus den Lautsprechern, Eis wird verkauft und Sandwiches werden angeboten. Würden wir nicht wissen in der Mongolei zu sein könnte sich dieser Ort auch in Amerika oder irgendwo in Westeuropa befinden. „Ich habe Hunger“, sage ich als ein verführerischer Essensduft zu uns herüberweht. Obwohl noch viel zu früh für eine Rast halten wir an, stellen die Räder auf die Ständer und holen uns ein schmackhaftes mongolisches Gericht. „Sind das Radfahrer dort vorne?“, fragt Tanja. „Sieht fast so aus“, sage ich den Mann beobachtend der seinen Kopf unter einen Wasserschlauch hält um sich abzukühlen. „Sind garantiert Radler. Autofahrer halten ihren Kopf nicht unter einen Wasserschlauch“, bin ich mir sicher und erhebe mich um die Kollegen zu begrüßen. „Wo kommen sie denn her?“, frage ich. „Aus China. Wir sind von Peking durch die Mongolei bis nach Sibirien geradelt und befinden uns gerade wieder auf dem Rückweg“, erklärt die etwa 50jährige mit stolzer Stimme. „Wow, das ist ja fantastisch. Sie sind die ersten Chinesen die ich auf Rädern außerhalb ihres Landes antreffe. Darf ich ein Bild von ihnen machen?“ „Aber ja“, antwortet das Paar synchron und stellen sich vor ihren Rädern in Pose. Als ich wieder bei meinem Essen bin werden wir auf Deutsch von einer Mongolin angesprochen. „Und sie sind den ganzen Weg von Deutschland bis in unser Land gefahren?“, fragt sie mit fränkischem Einschlag. „Wo kommen sie denn her?“, frage ich verwundert. „Aus Erlangen“, antwortet mir die Dame. „Ich lebe mit meinem deutschen Mann schon lange dort. Wir befinden uns gerade im Urlaub um meine Familie zu besuchen“, erklärt sie während ihr kleiner Sohn in perfektem Fränkisch nach einer Eiskrem fragt und die mongolische Oma unaufhörlich den Kopf über unsere Reise schüttelt. „Sind sie ein Mensch oder aus Eisen?“, fragt sie mich, kein Verständnis dafür zu haben, dass wir bei diesen Temperaturen freiwillig mit den Rädern über die vielen Berge fahren.

Am späten Mittag erreichen wir das staubige Nest Ihsuuj. Der Bürgermeister der Region hält mit dem Auto neben uns. Die üblichen Fragen werden gefragt. Dann lädt er uns ein mit seiner Familie außerhalb der Stadt ein mongolisches Mahl einzunehmen. Wir erklären seiner Tochter, die für ihren Vater alles übersetzt, dass wir zu müde sind um umzukehren. „Wir werden uns hier im Ort eine Unterkunft suchen“, sagen wir, bedanken uns und treten unsere Bikes durch das trostlose Kaff. Schnell finden wir das Häuschen in dem wir schon mal genächtigt haben. Der winzige Laden im Erdgeschoß ist mittlerweile viermal so groß. Als ich ihn betrete, um nach einem Zimmer zu fragen, erkenne ich unsere Gastgeberin von damals sofort wieder. Da wir zu jener Zeit ihre ersten ausländischen Übernachtungsgäste waren, glaube ich auch in ihren Augen zu lesen, dass sie sich an mich erinnert. Sie ruft ihre Tochter die mittlerweile etwa 13 Jahre alt ist. „Ja wir haben ein Zimmer frei. Es kostet 30.000 Tugrik“, (13,43 €) sagt sie in relativ gutem Englisch. Ich folge ihr in den ersten Stock indem es mich vor Hitze fast umhaut. „Hier“, sagt sie in etwas arrogantem Ton auf einen Raum deutend in dem sich nicht mal Schweine wohl fühlen würden. „Wow, da sieht es ja schlimm aus“, meine ich erschrocken meinen Blick über die Müllhalte gleiten lassend. „Wenn sie das Zimmer nicht wollen können sie in den anderen Raum einziehen“, antwortet sie mit erhobenem Kopf mich von oben bis unten musternd. Da ich mich an das Mädchen noch erinnere als es etwa sieben Jahre alt war, wundere ich mich über ihre Entwicklung. Damals war es ein liebenswertes, hilfsbereites, kleines und äußerst hübsches Ding. Wie hässlich Arroganz machen kann, denke ich mir und frage nach dem Preis des Zimmers, welches sich kaum vom anderen unterscheidet. „40.000 Tugrik“, (17,91 €) hat sie den Preis um 10.000 Tugrik (4,48 €) plötzlich erhöht. „40.000 Tugrik? Das ist ja der Preis eines Luxuszimmer in einer Stadt“, antworte ich den Kopf schüttelnd. „Sie können auch in eine Jurte einziehen. Die kostet 50.000 Tugrik, (22,38 €) meint sie herablassend und zeigt mir die mongolische Behausung die im staubigen, heruntergekommenen und ungepflegten Innenhof aufgebaut ist. Wegen der Sonne ist es in der Jurte noch heißer als in den Löchern unterm Dach. Ohne ein Wort zu sagen verlasse ich die einst gepflegte Unterkunft in der man uns gastfreundlich behandelte.

“Also da drin zu übernachten ist eine Zumutung. Abgesehen davon sind die Menschen überheblich und unfreundlich geworden“, sage ich zu Tanja. „Wie viel Strom haben wir noch?“, fragt sie. „Zwei Akkus sind bereits leer. Mit der Goal Zeroladung und dem vollen Akku drei schaffen wir noch ca. 40, vielleicht 50 Kilometer. Die Steigungen haben zugenommen, deswegen ist die Reichweite schlecht abzuschätzen.“ „Also bis Ulan Bator schaffen wir es nicht mehr?“ „Nein, ergibt heute auch keinen Sinn. Wir müssen am besten morgens in die Stadt fahren wenn wir noch bei Kräften sind und unsere gesamte Aufmerksamkeit besitzen um den Verkehr einer Großstadt zu meistern.“ „Okay, dann fahren wir soweit wir heute noch kommen. Aber wo laden wir für die morgige Strecke unsere Akkus?“, möchte Tanja wissen. „Über die Solarpanels. Müssen sie morgen halt irgendwo ein paar Stunden in die Sonne legen“, überlege ich. Obwohl uns bewusst ist, dass wir mit dem augenblicklichen Energievorrat auf der Strecke liegen bleiben könnten, verlassen wir das staubige Nest. Es geht weiter steil bergauf. Der Höhenmesser meiner Uhr zeigt 1.500 m. Die Energieanzeige sinkt rapide. Nach einer Passhöhe gleiten wir in ein lang gezogenes Tal und machen Strecke gut. Immer mehr kleine, primitiv aufgebaute Verkaufsstände kauern sich am Straßenrand in denen die Nomaden ihren Airag (Stutenmilch) anbieten. Mit teils skurrilen Plakaten, versuchen sie die vorbeifahrenden Autofahrer auf sich und ihr, in Plastikflaschen abgefülltes Produkt, aufmerksam zu machen. Auf manchen der Banner wird so mit Karaoke geworben. Das hat zwar nichts im Geringsten mit der Pferdemilch zu tun aber zumindest besteht die Chance dass sie von den Fahrern wahrgenommen werden.

„Schau mal dort drüben an dem Berghang. Das sieht aus als würde da jemand Jurten vermieten!“, rufe ich Tanja zu. Wir halten am Straßenrand und fragen ein paar Mongolen ob man dort oben übernachten kann. „Be medehgüj“, (Ich weiß nicht) antworten sie. „Denke wir sollten da mal rauf fahren“, schlage ich vor. „Das kostet aber enorm viel Strom“, entgegnet Tanja. „Einer von uns sollte vielleicht hoch laufen und fragen“, sagt sie. „Hochlaufen kostet uns ebenfalls Energie und ehrlich gesagt bin ich heute völlig erledigt. Wir riskieren es einfach und investieren den Strom für den Anstieg“, entscheide ich, worauf wir die Rohloff in den dritten Gang schalten und unsere E-Bikes mit der schweren Ladung den Berg hinauf treiben. Um Energie zu sparen darf Ajaci an den Hüftgurt somit muss ihn Tanja nicht ziehen. Dann geht es weiter über schwieriges Gelände die Erdpiste bis auf ca. 1.600 m hoch. Auf der Treppe eines Blockhauses sitzen ein paar Menschen. „Sind die Jurten dort drüben zu vermieten?“, frage ich in gebrochenem Mongolisch. „Tijmee“, (Ja) höre ich erleichtert. „Nadad Ger heregtei“, (Wir brauchen eine Jurte) „Tijmee“, vernehme ich beruhigt nicht weiter fahren zu müssen. Ein junges Mädchen läuft los um die Besitzerin der Jurtenanlage zu holen. Während dessen antworten wir wie immer auf die Fragen nach dem Woher und Wohin. Nach etwa 20 Minuten kommen zwei Frauen die uns in perfektem Englisch begrüßen. Sie führen uns zu einer geräumigen Jurte die mitten im grünen Gras an einem atemberaubend schönen Berghang errichtet ist. „Kostet 70.000 Tugrik.“ (31,34 €) „Gibt es auch eine Günstigere?“ „Ja für 50.000 Tugrik. (22,39 €) Aber sie kommen von so weit her und sind sicherlich müde. Wenn sie möchten können sie in der Luxusjurte bleiben. Wir geben sie ihnen für 50.000 Tugrik“, bieten die zwei Schwestern an die viele Jahre in New York lebten und sich hier ein Geschäft aufbauen.

Als wir alles in die Jurte getragen haben setzen wir uns auf die Treppe vor dem Eingang und genießen erstmal die Ruhe und den angenehm kühlenden Abendwind. Von unserem erhöhten Platz sehen wir den Highway auf dem sich ein unendlich langer Autostrom in Richtung Ulan Bator windet. Der Verkehr hat enorm zugenommen und wird jedes Jahr mehr hat man uns berichtet. Im Augenblick ist der Highway Nummer 3 so stark frequentiert wie eine deutsche Bundesstraße über die man eine gesperrte Autobahn umleitet. „Das ist der Sonntagabendverkehr. Die Menschen kommen alle von ihrem Wochenendausflug und fahren in die Hauptstadt zurück“, erklärte uns die Jurtenbesitzerin.

„Hat sich wieder einmal gezeigt wie sinnvoll es war auf sein Gefühl zu hören“, sage ich auf die kopflose Lichterschlange blickend. „Ja, die wollten uns in der letzten Ortschaft nur abzocken. Sie hatten erkannt, dass wir müde waren und wollten uns für einen völlig überhöhten Preis in ihr schmutziges Zimmer stecken“, antwortet Tanja. „Und wir sind weitergefahren obwohl uns bewusst war eventuell mitten auf der Strecke liegen zu bleiben“, ergänze ich. „Es zeigt sich wieder, dass es keinen Sinn ergibt sich von Angst leiten zu lassen“, sinniert Tanja. „Sicherlich. Angst macht unfrei und begrenzt das Leben. Hätten wir uns der Angst untergeordnet würden wir jetzt in einem schmutzigen, heißen Loch sitzen. Noch dazu kommt, dass wir unsere Räder in den vergammelten Innenhof hätten abstellen müssen. Wer weiß ob man sie dort gestohlen hätte?“, überlege ich. „Wer weiß? Ist schon interessant welche Konsequenzen jede Entscheidung, und sei sie noch so klein, nach sich ziehen kann“, schlussfolgert Tanja mit einem zufriedenem Lächeln.

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