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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Hoffentlich wird dieses Camp kein Ort des Sterbens

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    Tag: 39 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:27

    Sonnenuntergang:
    17:34

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30 Grad

Edgar Kampf-Camp — 24.07.2001

Starker Wind lässt unsere Zeltbahn laut knattern. Das Wetter in der Great Sandy Desert hat immer etwas zu bieten und macht uns den hiesigen Aufenthalt nicht leichter. Einmal Regnet es wie irre, dann ist es sehr warm und jetzt bläst uns so starker Wind um die Ohren, dass wir unser Frühstück mit einer Briese Sand einnehmen müssen.

Der Zustand unserer Kamele ist unverändert schlecht. Goola stinkt derart nach Verendung, dass es uns fast übel wird. Wieder untersuche ich den Nasenpflock und frage mich ob er von innen zu verwesen beginnt. Nackte Angst um sein Leben sitzt uns im Nacken. Keiner von uns spricht ein Wort, doch ich weiß das Tanja ähnliche Gedanken hegt. Hoffentlich wird dieses Camp kein Ort des Sterbens. Vorsichtig halte ich Goola an seinem Nasenpflock und hebe seine Oberlippe nach oben worauf mich fast der Schlag trifft. „Ohchch, sie dir das an. Ein ganzes Nest von Maden hat sich in seine Oberlippe gefressen,“ sage ich angewidert. „Ahhh, sieht ja schrecklich aus.“ „Ja, wir müssen ihn sofort behandeln,“ antworte ich. Nun haben wir die Herkunft des Verwesungsgestankes entdeckt. Maden wie in Pakistan. „Dadurch, dass er nichts frisst hatten die Fliegen anscheinend die Möglichkeit ihre Brut in das kleine Löchchen auf seiner Oberlippe zu legen,“ stelle ich fest und versuche mit einem Stöckchen einige der jetzt flüchtenden Widerlinge wegzumachen. Tanja rennt in der Zwischenzeit zum Camp, um eine Spritze, eine Pinzette und Cetrigen, ein antibakterielles Wundspray, zu holen. Dann öffne ich wieder Goolas Maul, ziehe es mit der linken Hand am Nasenpflock und gleichzeitig an der Oberlippen nach oben und hole mit der Pinzette die ekelhaften, kleinen und fettgefressenen Bewohner heraus. „Uuhha, ist ja ekelhaft. Jetzt habe ich keinen Appetit auf meine Kekse mehr,“ sagt Tanja die sich die Süßigkeiten eingesteckt hat, um sie während des Kamele Hütens zu genießen.

Mit der Spritze spüle ich das kleine Loch in Goolas Oberlippe. Es rührt von einer alten Verletzung her als er sich vor vielen Jahren einmal mit einem spitzen Ästchen oder etwas ähnlichem die Oberlippe durchstochen hat. Seitdem ist da eine winzige Öffnung in der sich Speisereste ansammeln können. Auch in den vergangenen Tagen prüften wir die Stelle. Da sie bei meinen Untersuchungen allerdings sauber ausgesehen hat bin ich nicht darauf gekommen die Innenseite der Oberlippe zu checken. Nun, wir sind froh den Herd eines Übels entdeckt zu haben. Durch die Spülung mit Cetrigen krabbeln jetzt die Maden auf der Innenseite seines Zahnfleisches herum. Schnell glaube ich die weißen reisähnlichen Lebewesen auf und werfe sie ins Spinifexgras. Goola lässt mich gewähren, anscheinend merkt er das ihm Gutes widerfährt.

Um 10 Uhr 30 spreche ich mit Jo am Funkgerät. „Ich habe auf deine Bitte hin noch mal mit dem Tierarzt gesprochen. Ihr habt laut seiner Aussage alles menschenmögliche unternommen. Selbst wenn er die Tiere selbst untersuchen könnte würde er nicht mehr tun. Er meint eine Verbesserung der Situation tritt frühestens nach einer Woche ein. Euch bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten und Geduld zu bewahren.“ „Okay Jo, vielen Dank für die Informationen. Die augenblickliche Lage ist also nicht anormal. Das ist gut zu wissen. Tausend Dank noch mal.“ „Ich freue mich wenn ich euch mit den wenigen Informationen helfen kann,“ sagt sie und verabschiedet sich.

Mittags verabreiche ich Istan und Goola die dritte und damit letzte Penicillinspritze. „Das müsste euch wieder aufs Gleis stellen,“ brummle ich in meinen Bart und klopfe wie gewohnt mit der flachen Hand die Einstichstelle. Danach beschäftige ich mich mit Jafars Sattel. Der Austausch des im Packsattelcamp gebrochenen Astes ist weit mehr Arbeit als ich dachte. Erst muss ich stundenlang über die Ebene laufen, um einen Baum zu finden der einen einigermaßen geraden Stamm besitzt. Das erweist sich in dieser Gegend als gar nicht so einfach, denn ein gewaltiges Buschfeuer hat erst vor wenigen Monaten einen Großteil der Vegetation niedergebrannt. Allerdings haben einige der Bäume das Feuer gut überstanden. Aus ihren Ästen sprießen grüne Blätter und wenn man nicht genau hinsieht bemerkt man die verheerende Kraft des Feuers nicht mehr. Ich finde ein paar geeignete Bäume und säge sie mit unserer kleinen Handsäge ab. Dann schneide ich die Äste ab, befreie den dünnen Stamm von seiner Rinde und schnitze die Astlöcher so, dass sie nicht mehr hervorstehen. Jetzt müssen alle Knotenverbindungen des Gepäckgestelles gelöst werden, um den alten Ast herausnehmen zu können. Es ist ein Job der zwei Tage beanspruchen wird. Bei der Überprüfung der anderen Sättel habe ich zu meinem Entsetzen festgestellt, dass bei Goolas Packsattel eine Art Holzbock zwei der tragenden Äste schwer beschädigte. Auch diese Äste muss ich während unseres Zwangsaufenthaltes austauschen.

Am Abend lässt plötzlich der Wind nach. Die Sonne versinkt in spektakulären Farben und die Dämmerung geht fast unmerklich in eine wunderbare Nacht über. Wir sitzen am Lagerfeuer und versuchen trotz unserer misslichen Lage den Augenblick zu genießen.

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