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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Gefühle der allumfassenden Zufriedenheit, Glück und tiefer Frieden

N 22°54’44.1’’ E 131°20’04.2’’
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    Tag: 165 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    05:50

    Sonnenuntergang:
    19:13

    Luftlinie:
    26,3

    Tageskilometer:
    38

    Temperatur - Tag (Maximum):
    39 Grad

    Breitengrad:
    22°54’44.1’’

    Längengrad:
    131°20’04.2’’

Etappen-Ziel-Camp — 27.11.2001

Obwohl wir heute und morgen die letzten Kilometer angreifen werden fällt mir das Aufstehen nicht leicht. Als ich mich aufrichte schmerzt mir mein Gesäßmuskel, den Hardie gestern getreten hat derart, dass mir glatt die Luft wegbleibt. Langsam strecke und dehne ich mich bis sich mein Körper entkrampft. Dann baue ich das Lager ab und mit zunehmender Stunde lässt der Schmerz nach. Alex besucht uns kurz vor unserem Aufbruch. „Ich wollte nur mal sehen wie ihr vorankommt. Ich werde heute bei der Babbler Bore arbeiten, vielleicht begegne ich euch auf dem Rückweg,“ sagt er, legt eine Papiertüte neben Edgars Sattel und verabschiedet sich wieder. „Was ist denn drin?“ ,fragt Tanja, nachdem ich neugierig in die Tasche blicke. „Äpfel und Orangen,“ antworte ich freudig überrascht, denn wir haben schon lange kein frisches Obst gegessen.

Als wir dann wieder unterwegs sind freuen wir uns darauf endlich unser Ziel zu erreichen. Wir sind zwar müde, fühlen uns aber motiviert bald eine längere Laufpause zu haben, bis wir unsere nächste Etappe zur Ostküste antreten. Gegen Mittag liegen bereits 25 Kilometer hinter uns. Wir halten Ausschau nach einem geeigneten Campplatz, doch entweder gibt es nicht genügend Schatten oder nicht ausreichend Tucker für unsere Kamele. Ich nehme wie so oft den Navigationscomputer aus der Hemdtasche, um zu sehen wie weit es noch bis Babbler Bore ist. Völlig überrascht stelle ich fest, dass es nur noch 12 Kilometer sind. „Wie viel, nur noch 12 Kilometer?“ ,sagt Tanja ungläubig. „Ja, ich kann es selber kaum glauben. Es kommt mir vor als hätten wir plötzlich einen Zeitsprung gemacht.“ „Eigenartig, ich habe das gleiche Gefühl. Als hätte uns der Herr im Himmel am Schluss unsere langen Reise ein paar Kilometer geschenkt.“ „Ist schon verlockend die gesamte Strecke noch heute zu schaffen. Wenn wir weiter laufen sind wir in ca. 2 ½ Stunden dort. Wir ersparen uns einmal Kamele auf- und abladen und würden einen ganzen Tag gewinnen.“ „Klingt gut,“ antwortet Tanja. „Bist du fit genug diesen Tag zu unserem letzten Marschtag zu machen?“ ,frage ich. „Ich bin fit genug und du?“ „Ich auch,“ antworte ich. Obwohl mir mein Gesäßmuskel schmerzt und die Hüfte klagt schreiten wir wie beflügelt weiter. Die Vorstellung in ein paar Stunden am Ziel zu sein verleiht uns sogar soviel Kraft, dass ich auf einmal glaube zu schweben. Auch unsere Boys scheinen zu spüren, dass es den großen Ferien entgegen geht. Wie Perlen auf der Schnur folgen sie uns ohne zu murren.

Zwei Stunden später erreichen wir den Grenzzaun des 4 × 4 Kilometer großen Geheges. Wir öffnen das Gatter, um unsere Karawane in ihr neues Zuhause zu führen. „Schau mal, das ist ein echtes Fressparadies für Kamele,“ äußere ich mich auf die frischen Gräser, die blühenden Blumen, die saftigen Sträucher und Büsche deutend die hier üppig gedeihen. „Ja es sieht wunderbar aus. Hier können sie sich bis zu unserer Rückkehr den Bauch voll schlagen und einen dicken Höcker anfressen,“ antwortet Tanja zufrieden. Um kurz nach 15 Uhr erreichen wir nach 38 Laufkilometer das Wasserfass hinter dem Windrad. Ich lasse unsere treuen Kameraden das letzte Mal auf dieser Etappe absetzen. Wir schießen noch ein paar Fotos und beginnen mit dem Entladen. Das Gefühl, welches ich dabei habe, ist mit Worten nur schwer zu beschreiben. Auf jeden Fall aber spüre ich eine tiefe Befriedigung in mir. Noch ist uns beiden nicht richtig bewusst wirklich das Etappenziel erreicht zu haben. Immer wieder rufen wir uns gegenseitig zu: „Tanja?“ „Ja Denis.“ „Wir haben es geschafft!“ „Ja, wir haben es geschafft. Fantastisch!“… „Denis?“ „Ja, Tanja.“ „Wir sind da. Wir haben unser Ziel erreicht.“ „Ich kann es kaum glauben. Du musst es mir noch ein paar Mal sagen,“ antworte ich und lache laut und befreit. Nachdem entladen der Karawane führt Tanja die Kamele zum Fressen. Ich nutze die Zeit, um es mir auf der Liege bequem zu machen die ich in den Schatten gestellt habe. Zufrieden mit mir und dem Rest der Welt blicke ich in den tiefblauen Himmel. Ich bin froh unsere Expedition hier in der Einsamkeit beenden zu können. Hier wo wir von nichts und niemanden gestört werden und unseren Erfolg alleine feiern können. Wo wir nicht mit Fragen bombardiert werden, sondern die Chance haben in uns hineinzuhören. Wo wir die Chance haben die vielen Höhepunkte, Dramen, Glücksmoment und bald unzähligen Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Schon oft hat für uns eine Expedition in der hektischen Zivilisation geendet die uns nicht selten fürchterlich traf. Manchmal hatten wir nicht einmal die Zeit um richtig Atem holen zu können und schon saßen wir in einem Zug, einem Bus oder auf dem Heimflug. Was für ein Schock nach acht Monaten Einsamkeit ohne Übergangszeit in die westliche Welt zu treten in der unser Leben kaum zählt. In der es keine Kamele gibt und wenn man von ihnen spricht die Menschen einen wundersam ansehen. In der es keine Rolle spielt ob die Wüste mit gigantischen Regenschauern unter Wasser gesetzt wird. In der es gleichgültig ist ob die Sonne mit 68 Grad vom Himmel brennt. Ob Millionen von Moskitos jeden Tropfen Blut saugen den sie bekommen können. Eine Welt in der Ameisenstraßen keine Schwierigkeiten bereiten, weil es sie nicht gibt. Die immer mehr künstlich wird. In der man kaum von Wasserknappheit spricht, weil es in unendlichen Mengen aus der Leitung fließt. Eine Welt deren natürliche Pracht vom Beton und Asphalt vertrieben wird. In der man den unendlichen klaren Sternenhimmel vor Smoke, Rauch und künstlichem Licht kaum sieht. In der es keine riesigen Blumenmeere wie in den Wüsten hier gibt und trotzdem können Städte schön sein. Ich sehe mich in einem Straßenkaffee sitzen, Eiskrem mit Schlagsahne essen, einen Capuccino trinken und das Leben und Treiben beobachten. Ich sehe all die schönen Geschäfte in denen es gerade jetzt vor Weihnachten funkelt und blitzt. Müde aber mit offenen Augen liege ich da und strecke meinen an allen Ecken und Enden gepeinigten Körper und bin mit diesem Augenblick eins. Ich fühle mich wie im Himmel. Ich fühle mich erleichtert, glücklich und bin froh all die Erlebnisse gemacht zu haben. Ich bin froh über all die Herausforderungen und Hindernisse die den Marsch durch die Great Sandy Desert und die Gibson Desert zu einem unvergesslichen Abenteuer werden ließen. Was wäre diese Expedition ohne die Herausforderungen gewesen? Hätten wir trotzdem genauso viel gelernt? Nein, es hat so sein sollen. Es war und es ist immer noch ein Leben des unaufhörlichen Lernens. Ein Leben indem unser Geist und unser Körper nur soviel Ruhe bekommt, um in der Lage zu sein das nächste Abenteuer, die nächste Herausforderung als eine Stufe des Lernens zu nehmen. Müde und zufrieden liege ich da und höre dem läuten der Kamelglocken zu. Ob ich sie vermissen werde? Ich glaube nicht, denn ich freue mich auf die Welt da draußen. Ich freue mich darauf wieder jeden Tag duschen zu können. Jeden Tag leckere Sachen zu essen, saubere Kleidung zu tragen, ins Kino zu gehen und unzähliges mehr. Vor allem freue ich mich auf die 4000 Kilometer lange Fahrt von Alice Springs nach Perth. Es wird eine Zeit sein in der wir als normale Touristen von Stadt zu Stadt fahren und unser Leben genießen ohne jeden Tag 1200 Kilogramm Ausrüstung zu laden und entladen. Ich freue mich darauf nicht mehr 20, 30 oder mehr Kilometer laufen zu müssen. Nicht mehr um 3 Uhr früh aufzustehen und vor allem keine Angst mehr vor den Naturgewalten haben zu müssen. Trotzdem glaube ich schon jetzt die unberührte Natur, die Wüste, den Busch und die Einsamkeit zu vermissen. Ob es mir schwerfallen wird dort draußen unter all den Menschen zu leben? Meine Gedanken eilen mir durchs Gehirn. Sie erschrecken mich und erfreuen mich zugleich, doch eine große umfassende Zufriedenheit liegt über mir wie eine schützende Hand. Ich spüre eine allumfassende Ruhe die so wunderbar ist, dass es mir vor Glück das Herz höher schlagen lässt.

Noch, bevor die Sonne untergeht helfe ich Tanja unsere Jungs in das Gehege neben dem Windrad zu führen. Wir zeigen ihnen die Wasserstelle an der sie während unserer Abwesenheit ihren Durst stillen können und führen sie durch das Einwegtor. Istan, der im Regefall keine Angst vor Scheunen, Windmühlen und Zäunen hat, geht als erster durch ohne nur darüber nachzudenken. Tanja führt dann Hardie, der ebenfalls keine Angst zeigt, durch den schmalen Gang, obwohl ihm die Holzbalken links und rechts am Körper berühren. Bis auf Sebastian benötigen Jafar, Edgar, Max und Jasper keine Minute, um ihren Mates zu folgen. Nachdem unsere Wüstentiere durch das Tor gelaufen sind führen wir sie auf der anderen Seite durch ein ähnliches Einwegtor wieder hinaus. Insgesamt wiederholen wir diese Prozedur drei Mal, bis wir uns sicher sind das unsere Boys wissen wie sie an die Wasserstelle kommen und sie auch wieder verlassen können. Alex hat uns erklärt, dass er auf diese Weise die wilden Kamele fängt. Sie kommen aus der Wüste an die eingezäunte Wasserstelle und obwohl sie sehr scheu sind treibt sie der Durst durch das Einwegtor. Nachdem sie ihren Durst gestillt haben können sie die Umzäunung nicht mehr verlassen, weil das zweite Tor, wodurch jetzt unsere Tiere durchlaufen, geschlossen ist.

Dämmerung am Babbler Bore

Damit sich unsere Tiere an die Wasserstelle gewöhnen werden wir sie eine Nacht in der Koppel neben der Wasserstelle lassen. Unser Plan ist, solange zu warten bis die 30 wilden Kamele von Birgit und Jürgen zum Saufen kommen. Sie werden auf unsere Jungs stoßen und haben so die Gelegenheit sich das erste Mal zu beschnuppern. Wir hoffen, dass sich unsere Jungs schnell in die wilde Herde eingliedert. Wir sitzen auf dem Holzgatter und beobachten unsere Kamele. Die Sonne geht wie so oft in glühenden Rotfarben unter und taucht das Land und die verschiedenen Gehege in ein unwirkliches weiches Licht. Wir genießen den Augenblick, unseren Erfolg und die friedliche Stimmung als uns ein wohlvertrautes Geräusch bald von den Balken fallen lässt. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, ertönt es hinter uns das mir die Haare zu Berge stehen. Eine wilde Kamelherde nähert sich der Koppel. Es sind nicht die 30 Tiere die von den Wissenschaftlern beobachtet und studiert werden, sondern Kamele die in einer 30 × 30 Kilometer großen Einzäunung leben die an das kleinere Gehege grenzt. Alex sprach davon, dass sich in dem großen eingezäunten Land ca. 400 Kamele befinden. Fasziniert beobachten wir wie sich 17 Wüstentiere, von denen viele große, stolze und kräftige Bullen sind, langsam und zielstrebig den Koppeln nähern. Ein Bulle, der unaufhörlich blubbert schreitet nun neben dem Zaun und mustert unsere Jungs. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb, donnert es aus seinem Maul als er sie betrachtet. Unsere Boys reagieren nicht im Geringsten auf ihn und fressen weiter an dem bisschen Gras welches sie an den Zaunrändern finden. Sie ignorieren das Blubbern und all die anderen wilden Bullen die jetzt dicht neben dem Gehege stehen. Gebannt verfolgen wir die abendliche Szene am Wasserloch und sind froh diesmal nicht bedroht zu sein. „Schau mal da kommen Esel zur Tränke,“ sagt Tanja in eine andere Richtung deutend. Auch Rinder wagen sich vorsichtig an die Wasserstelle obwohl sie große Angst vor unserer Anwesenheit haben. Nachdem der glühende Sonnenball sich verabschiedet hat setzt eine sanfte Dämmerung ein. Die Schatten und Konturen verschwinden und die aufkommende Nacht wird stärker und stärker von den lauten der Tiere bestimmt. Iiiaahhh! Iiiiiaaahhh! Iiiiiaaahhh! Ertönt der klagende Laut einiger Esel. Muuuhhh! Muuuhhh! Muuuhhh! Blöken die Rinder. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…erbebt das Donnern der Herrn der Wüste und herrscht über all den anderen Lauten. Vögel der Nacht beginnen zu zwitschern. Grillen zirpen und in weiter Entfernung hören wir seit langem einmal wieder das Heulen der Dingos. Gebannt sitzen wir da und genießen den einmaligen, unvergesslichen Abend an der Wasserstelle die Alex Babbler Bore genannt hat. Nachdem die Dunkelheit nur noch vom Licht des zunehmenden Mondes durchbrochen wird laufen wir Hand in Hand und überglücklich in unser Camp zurück. Selbst Rufus spürt die Erleichterung. Er springt ausgelassen um uns herum und möchte mit mir spielen. „Morgen Rufus, heute bin ich zu müde,“ sage ich und tätschle ihn als er während des Laufens seinen Kopf an meinem Knie reibt.

Im Camp kochen wir uns ein Abendessen. Mit dem Wissen morgen erst aufstehen zu müssen wenn wir Lust haben oder wenn es zu heiß im Zelt wird legen wir uns danach gesättigt in unser Moskitozelt. „Wie fühlst du dich?“ ,frage ich Tanja kurz vor dem Einschlafen. „Ich fühle mich unheimlich gut. Als hätte ein umfassender Frieden von mir Besitzt ergriffen. Es sind unbeschreiblich schöne Gefühle der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit welche meinen Körper und meinen Geist umgeben.“ „Hm, klingt sehr gut. Ich fühle mich ganz genauso,“ sage ich und beobachte durch das Moskitonetz die Milchstraße bis mich die Müdigkeit in eine Welt der Märchen und Feen entführt.

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