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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Erster heftiger Regentag

N 23°22’32.9“ E 150°24’01.3“
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    Tag: 265 Etappe Drei-Expeditionstage gesamt 656

    Sonnenaufgang:
    05:38

    Sonnenuntergang:
    18:43

    Gesamtkilometer:
    6980 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    20° Grad, keine Sonne

    Temperatur - Nacht:
    20°

    Breitengrad:
    23°22’32.9“

    Längengrad:
    150°24’01.3“

Paradise Lagoons-Camp — 05.02.2003

Erschöpft und von allen Aufgaben, Belastungen, Gefahren und Herausforderungen befreit liegen wir in unserem kleinen Zelt. Es hat die ganze Nacht ohne Unterbrechung geregnet und regnet noch immer. Schläfrig blicke ich zur Zeltdecke. Ich fühle mich irgendwie dumpf. Wie ein Boxer der den Kampf durch Punkte gewonnen hat aber trotzdem stark angeschlagen ist. Meine Gedankenwelt befindet sich ebenfalls im Halbschlaf. Ab und zu flackert ein entferntes Erlebnis nach oben, nur um sich sofort wieder im Wirrwarr des Undurchdringlichen zurückzuziehen. Ich kann es einfach nicht begreifen am Ziel angekommen zu sein. Nach vier Jahren ist es schwer zu verstehen, dass sich ab sofort unser Leben wieder ändern wird. Ich wende meinen Kopf und sehe Tanja neben mir eingerollt liegen. Ich bin stolz auf sie. Mir ist in jedem Augenblick meines Denkens bewusst, dass ich es ohne sie nicht geschafft hätte. Ihr Atem geht regelmäßig und vereint sich mit dem Geräuschen die die Regentropfen verursachen, wenn sie auf die Außenhaut des Zeltes treffen.

Erst gestern sind wir am Pazifischen Ozean angekommen und schon jetzt beginnen mir meine Gefühle einen Streich zu spielen. Irgendwie empfinde ich Trauer die Herausforderung Outback hintern uns gebracht zu haben. Aber auf der anderen Seite empfinde ich eine große Welle des Glücks. Wir können nicht unser ganzes Leben durch die Wüsten Australiens ziehen. Und ehrlich gesagt möchte ich das auch nicht. Ich bin froh für eine Zeit durchatmen zu können. Ich bin froh keine Welle des Adrenalins in meinem Körper zu spüren, keine Angst die mich ohne Vorwarnung urplötzlich am Hals würgt oder mir die Füße halb lähmt. Ich bin wirklich dankbar für eine Weile keinen Erdrutsch an Gefühlen und Gefahren erleben zu müssen und sehne mich nach Ruhe. Am liebsten würde ich auf einer kleinen Insel in Thailand Urlaub verbringen. Am besten in einer romantischen Bambushütte direkt am Meer. Ich kann mir gut vorstellen wie Tanja und ich den ganzen Tag in einer Hängematte liegen, gute Bücher lesen und von Zeit zu Zeit unsere Körper in den Fluten des Meeres erfrischen. Doch die Realität sieht im Augenblick etwas anders aus.

Wir befinden uns auf einer Station in unserem kleinen Zelt. Geradezu ungeheuer viel Arbeit wartet in den nächsten Wochen auf uns. Wir müssen alle Sättel reparieren, die Expeditionssausrüstung aussortieren, Käufer für unseren gesamten Besitz finden, Interviews geben und die Geschichte für ein zukünftiges Buch und der Webseite niederschreiben. Mir ist es sowieso fraglich wie wir all dies in den paar Wochen unterbringen wollen. Noch dazu haben wir geplant ca. 15000 bis 20000 Kilometer durch Australien zu fahren, um die Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten dieses Kontinentes zu bewundern, die man normalerweise sieht, wenn man hierher reist. Leider läuft unser Visa schon Mitte März aus. Da wir nicht wissen ob wir dieses noch mal verlängern können befinden wir uns unter Zeitdruck. Anscheinend kann man tun und lassen was man will, irgend einen Druck gibt es immer.

Tanja nutzt den Tag, um mit den verschiedensten Kamelleuten des ganzen Landes zu telefonieren. Es ist eine aufreibende Aufgabe Kamele zu verkaufen, noch dazu wenn man gute Besitzer sucht. Es hat lange gedauert unsere Jungs zu kaufen und wir hoffen es dauert nicht so lange für sie ein Heim zu finden. Leider kommt uns der Zeitdruck dabei nicht zur Hilfe. Wenn die vermeintlichen Käufer mitbekommen sollten, dass wir hier nicht für immer bleiben, nutzen sie glatt die Situation aus. „Ihr könnt eure Kamele gerne bei uns unterstellen. Sie bleiben natürlich eure Tiere, auch wenn ihr keinen Käufer findet,“ hören wir die großzügigen Angebote. Manche davon sind auch bestimmt lieb gemeint, andere wiederum sind pure Berechnung.

Da es am Nachmittag immer noch heftig regnet, suchen wir unsere Jungs auf, um zu sehen wie es ihnen geht. Sie zittern am ganzen Körper und frieren fürchterlich. Wir machen uns um Sebastian Sorgen. Er hat es gerade geschafft die Vergiftung zu bezwingen und jetzt steht er seit 24 Stunden im Dauerregen. Hamish, einer der Ringer, schlägt vor Sebastian eine gefütterte und regenabweisende Pferdedecke anzuziehen. „Eine gute Idee,“ sagen wir und setzen sie sofort in die Tat um.

Am späten Nachmittag fahre ich mit dem alten Lastwagen wieder zum Kamelgehege. Ich möchte Sebastian einen Ballen Heu bringen damit er neben dem Gras zusätzliche Nahrung in seinen ausgezehrten Körper bringt. „So ein Mist,“ schimpfe ich als ich durch die leichte Senke in der Straße fahren möchte. Noch gestern war der Lions Creek strohtrocken, doch jetzt überquert ein starker Bach den Asphaltstreifen. Ob der Lastwagen da durchkommt? ,frage ich mich. Gebannt sehe ich auf den Wasserlauf der nur wenige Meter vor mir die Fahrbahn unter sich begraben hat. Ich gebe Gas und fahre los, doch wenige Zentimeter, bevor sich die Räder in den reißenden Bach drehen, steige ich auf die Bremse. Ein ungutes Gefühl pocht in mir. „Du bist doch nicht von allen guten Geistern verlassen und fährst mit dieser alten Karre da hinein,“ donnert eine innere Stimme in meinen Ohren. „Nein, mache ich nicht,“ antworte ich und lege den Rückwärtsgang ein.

Kurz vor der Dämmerung verlasse ich mit dem Jeep von Hamish die Unterkunft der Jackeroos. Tanja hat mich überzeugt das Sebastian noch heute etwas zu Fressen benötigt. Wieder stoppe ich wenige Meter vor dem Lions Creek. Man hat mir erzählt, dass ein Allradfahrzeug da ohne Schwierigkeiten durchkommt. „Die werden schon wissen wovon sie sprechen,“ sage ich laut, lege den ersten Gang ein und fahre auf das gurgelnde Gewässer zu. Sofort verschwinden die Räder im dunklen Nass. Als das Wasser bis zur Motorhaube steigt überfällt mich kurzfristig ein panisches Gefühl, doch ehe ich mich besinne erreiche ich die andere Seite. „Puh, das ist gut gegangen,“ spreche ich zu mir selbst.

Am Kamelgehege angekommen, entdecke ich unsere Mates wie sie zusammen in einer Ecke stehen und zu mir herüberblicken. Ich bin erleichtert Sebastian nicht im Schlamm sitzen zu sehen. Das würde er trotz seiner Schutzdecke nicht lange überleben. Zu schnell würde er auf dem klatschnassen Untergrund seine restliche Körperwärme verlieren. Der Boden ist aufgeweicht. Es ist unmöglich mit dem Jeep zu den Kamelen zu fahren. Die Räder würden sofort im tiefen Morast versinken. Ich hieve den schwere Heuballen von der Ladefläche und lege ihn vor das Gatter. Um ihn vor dem Regen zu schützen wickle ich eine wasserabweisende Plane herum. Dann begebe ich mich wieder auf den Rückweg. Es hat kurz zu regnen aufgehört. Als ich am Lions Creek ankomme ist er zu einer Mickrigkeit zusammengeschrumpft.

Müde und ausgelaugt kriechen wir später wieder in unser feuchtes Zelt. Regentropfen trommeln auf die Zelthaut. Wir lauschen dem seltenen Geräusch, bis wir in einen tiefen Schlaf fallen.

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