Skip to content
Abbrechen
image description
RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Riskante Rettungsaktion

N 23°22’32.9“ E 150°24’01.3“
image description

    Tag: 266 Etappe Drei-Expeditionstage gesamt 657

    Sonnenaufgang:
    05:39

    Sonnenuntergang:
    18:42

    Gesamtkilometer:
    6980 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    22° Grad, Keine Sonne

    Temperatur - Nacht:
    20°

    Breitengrad:
    23°22’32.9“

    Längengrad:
    150°24’01.3“

Paradise Lagoons-Camp — 06.02.2003

Unangenehme Nässe kriecht mir die Gliedmaßen hoch. Ich glaube in einem kalten Sumpfloch zu ertrinken. Als mir das Wasser bis zum Mund steigt versuche ich mich durch kräftige Schwimmbewegungen zu retten und erwache aus meinem Alptraum. Sofort setze ich mich auf und blicke im ersten Augenblick verworren herum. Erleichtert erkenne ich das Innere unseres Zeltes. Düsteres Tageslicht dringt durch die Zeltbahn. Das unaufhörliche Trommeln der Regentropfen auf das Zelt verrät uns wie es draußen aussieht. Lustlos lasse ich meinen Oberkörper wieder auf die Isolationsmatte sinken. „Ah!“ ,rufe ich erschrocken als sich meine Arme in die Feuchtigkeit neben der Matte legen. Sofort setze ich mich wieder auf und betaste den Zeltboden. Er wabert auf und ab. Es besteht kein Zweifel, unser kleines Stoffhaus steht mitten in einem See. Es dauert nicht lange bis Tanja und ich unsere untergehende Behausung fluchtartig verlassen.

Um 8:00 Uhr gebe ich ein Interview zu einer Radiostation nach Melbourne. Dann frühstücken wir frisches Obst und Müsli. „Sieht nicht gut aus. Ich hoffe unsere Kamele stehen nicht im Wasser,“ sage ich. „Das Beste ist du fährst mal hin,“ antwortet Tanja besorgt. „Mit dem Lastwagen komme ich nicht über den Lions Creek. Der war gestern schon kaum passierbar. Ich frage Hamish, vielleicht leiht er mir seinen Jeep,“ antworte ich aus dem Fenster blickend.

REISSENDE FLÜSSE ISOLIEREN UNS VON DER AUSSENWELT

Nur wenig später sitze ich im Toyota und verlasse das Haus der Ringer. Schon nach zweihundert Meter ist meiner Fahrt ein jähes Ende gesetzt. Ein etwa hundert Meter breiter Fluss schiebt sich direkt vor meinen Augen durch die erst vor Tagen gepflügten Felder. Entsetzt über diese plötzlichen Wassermassen kehre ich zum Haus zurück.

„So wie es aussieht sind wir von der Außenwelt abgeriegelt,“ berichte ich Tanja. „Vielleicht hat Robert eine Idee wie wir zu den Kamelen kommen?“ ,fragt sie. Ohne viel Zeit vergehen zu lassen rufe ich ihn an. „Schlechte Neuigkeiten Denis. Der Lions Creek ist absolut unpassierbar. Also, von dieser Seite ist der Zugang zu euren Kamelen unmöglich. Es gibt vielleicht noch eine Chance, wenn wir anders herum fahren. Dann müssen wir allerdings durch ganz Rockhampton, um uns den Gehegen von Osten zu nähern. Ich rufe ein paar Mates aus der Nachbarschaft an. Vielleicht wissen die wie es euren Kamelen geht,“ sagt er, worauf wir das Telefonat beenden. Tanja und ich sehen uns an und wollen nicht glauben was wir hier erleben. Der Zyklon Benni ist mittlerweile auf die Küste getroffen und entlädt sich mit gewaltigen Wassermassen. Nervös laufe ich im Haus der Ringer auf und ab. Uns ist klar, dass die Kamele jetzt in Gefahr sind. Wahrscheinlich ist die steigende Flut für ihr Überleben bedrohlicher als wir es uns überhaupt vorstellen können.

Verzweifelt sehe ich aus dem Fenster. Mein Blick fällt auf die Lagoone die noch gestern die Größe eines Dorfteiches hatte. Der Lions Creek füllt sie mit seinen gewaltigen Wassermassen bis zum Rand. Man kann richtig zusehen wie sich der Teich anhebt und es kann nicht mehr lange dauern, bis er an allen Stellen über seine Ufer tritt. „Das darf doch nicht wahr sein. Wir haben 7000 Kilometer zu Fuß durch Australien überlebt und jetzt, am Ziel dieser gewaltigen Expedition, sind unsere Jungs durch eine Flutkatastrophe bedroht. Das darf doch einfach nicht war sein! Es kann doch nicht sein, dass wir jetzt gezwungen sind so lange zu warten, bis die armen Tiere ertrunken sind?“ sage ich außer mir, immer noch wie ein Löwe auf und ab laufend.

Mittlerweile hat es Robert geschafft mit seinem Jeep uns zu erreichen. „Wie bist du denn durch den Fluss vorm Haus gekommen?“ will ich wissen. Mein Jeep hat einen Schnorchel. Dadurch bekommt der Motor Sauerstoff und säuft nicht ab,“ erklärt er.

„Kommt ich bringe euch zum Lions Creek. Vielleicht schaffen wir es doch ihn zu durchqueren,“ schlägt er vor. Fünf Minuten danach sitzen wir in seinem Jeep und fahren durch den breiten Fluss am Haus. Es ist unglaublich mit anzusehen was diese Fahrzeuge leisten. In der Tat schwappt das Wasser über die Kühlerhaube, worauf wir eher das Gefühl bekommen in einem Unterseeboot als in einem Jeep zu sitzen. Ohne Zwischenfälle erreichen wir das andere Ufer. Langsam bahnen wir uns einen Weg durch den Morast, bis wir am Lions Creek ankommen. Wie hypnotisiert starren wir auf einen reißenden Wildwasserfluss der die Straße überquert. „Der reißt jedes Fahrzeug mit sich,“ meint Robert in seiner trockenen, ruhigen Art. „Es ist kaum zu glauben. Nicht im Traum hätte ich gedacht, dass so ein unansehnliches, winziges ausgetrocknetes Bachbett sich zu so einer tödlichen Wasserwalze verwandeln kann,“ meine ich respektvoll flüsternd. Nur 15 Meter weiter zerren die Wassermassen an einem Stacheldrahtzaun. Spätestens dieser würde jedes menschliche Leben in Stücke reißen. Eine Gänzehaut läuft mir den Rücken hinunter.

Enttäuscht kehren wir um. „Leider können wir jetzt auch nicht mehr durch die Stadt. Alle Zugänge zur Farm liegen unter Wasser oder werden von reißenden Flüssen überspült,“ erklärt Robert als er uns wieder am Haus absetzt. „Ich rufe noch mal einen Nachbarn an. Vielleicht kann der uns sagen wie hoch eure Kamele im Wasser stehen,“ versucht er uns zu trösten.

WERDEN UNSERE KAMELE IN DEN STEIGENDEN FLUTEN ERSAUFEN?

Wieder laufe ich im Haus an der Lagune auf und ab. Ich zerbreche mir den Kopf und weiß ehrlich gesagt nicht mehr aus noch ein. „Das haben unsere Jungs nicht verdient! Nein das haben sie nicht verdient!“ schimpfe ich laut. „Was soll das denn für eine Lernaufgabe sein? Warum tut uns Mutter Erde am Ende dieser Expeditionsreise so etwas an? Ich kann es einfach nicht fassen! Was für ein Ende solch einer Reise?“ ,fluche und schimpfe ich. „Wir sollten versuchen die Lagune zu durchschwimmen. Vielleicht haben wir eine Chance unsere Kamele zu erreichen?“ ,unterbricht Tanja meine lauten Gedanken. „Die Lagune durchschwimmen?“ ,frage ich entsetzt. „Ja, wir sollten es zumindest probieren. Wir können hier doch nicht warten bis sie alle ertrunken sind? Oder willst du das?“ „Natürlich will ich das nicht. Aber durch die Lagune schwimmen? Das ist eine riskante Sache. Schau dir doch die Wassermassen an. Der Lions Creek ist jetzt auf gleicher Höhe mit der Lagune. Sie ist bereits vor Stunden über ihre Ufer getreten. Schau doch raus. Das Wasser wird bald das Haus hier erreichen und man könnte glauben direkt am Ozean zu sein. So weit das Auge reicht gibt es nur noch Wasser. Da müssen wir durch. Selbst die leicht erhöhten Felder werden so morastig sein, dass wir tief im Schlamm versinken. Ich weiß nicht?“ ,plaudere ich aufgeregt. „Ich bin dafür es zu versuchen.“ „Und was ist, wenn wir dabei drauf gehen? Ich meine, es ist schon schlimm genug das sich unsere Kamele in einer Notlage befinden aber unser Leben zu riskieren, um sie zu retten, geht doch zu weit!“ rufe ich verzweifelt.

Um zu wissen ob der Regen in den nächsten Stunden abflaut schalten wir das Radio ein. Nahezu auf jedem Sender wird über die Flut gesprochen. Plötzlich kommt die erste Katastrophenmeldung. Ein Farmer der seine Pferde vor dem sicheren Ertrinkungstod retten wollte ist vermisst. Man geht davon aus, dass er von der Flut mitgerissen wurde. Hubschrauber sind im Einsatz, um ihn zu finden. „Siehst du. Er wollte seine Pferde retten und ist nicht zurückgekommen,“ sage ich als mir ein Schauer den Rücken rauf und runter läuft.

Zwischendurch rufen ein paar Radiostationen an, die ein Interview über den Erfolg unserer Expedition haben möchten. Ich fühle mich wie ausgespuckt. Es kostet mich viel Mühe etwas Vernünftiges zu erzählen. Meiner Ansicht nach befinden wir uns noch mitten drin. Wir befinden uns gerade in diesem Augenblick in einer der größten Herausforderungen unserer Expedition, denn unserer Ansicht nach ist sie nur erfolgreich, wenn wir sie alle überlebt haben.

Mark von der Morning Bulletin ruft mich ebenfalls an. „Also, wenn ihr eure Kamele retten wollt dann jetzt oder nie. In wenigen Stunden soll es noch mehr und noch stärker regnen,“ sagt er. Tanja und ich sehen uns an. Die Wassermassen um uns herum steigen jede Minute weiter. Wie ein eingesperrter Wolf eile ich hin und her. Meine Gedankenzentrale arbeitet auf Hochtouren. Wenn es zu gefährlich wird können wir immer noch umkehren. Tanja hat recht. Wir müssen es zumindest probieren. Zu einem gewissen Prozentsatz besteht das Leben immer aus Risiken. Es gibt kein Leben ohne Risiko. Wer nichts wagt der nichts gewinnt. Angst lähmt, macht uns unfrei, geht es mir durch den Kopf.

GEWAGTE RETTUNGSAKTION

„Okay, wir gehen. Besser wir lassen keine Zeit mehr verstreichen. Wir benötigen jede Minute.“ „Gute Entscheidung,“ meint Tanja. „Am Besten wir ziehen uns eine lange Thermounterwäsche an und oben drüber unser Fjällräven Regenhäute,“ sagt sie noch, worauf wir in Aktion treten. Irgendwie fühle ich mich als würden wir uns für einen Spezialeinsatz vorbereiten. Alles verläuft reibungslos und ruhig. Über die Regenhaut schnallen wir uns einen Gürtel, an dem wir unsere Messer und das Leatherman befestigen. Tanja packt noch einen Rucksack indem wir Führungsleinen, Halfter und eine Taschenlampe legen. „Viel Glück,“ wünschen uns einige der Ringer die am Fenster stehen und uns zusehen. „Danke, das können wir gut gebrauchen,“ antworte ich. „Wenn ihr es schafft probiere ich es auch. Ich bin Trauzeuge. Mein bester Freund heiratet morgen. Wenn ihr da raus kommt habe ich auch eine gute Chance,“ ruft Hamish uns nachsehend.

Die ersten Meter kommen wir gut voran. Der Boden bis zum See ist glitschig nass. Das Wasser hat weite Spalten in den Grund gerissen. Hunderte von reißenden Rinnsalen bahnen sich ihren Weg durch aufgerissene Minnischluchten und Täler. Vorsichtig steigen wir darüber. Durch den starken Regen erkennen wir nicht viel. Alles ist grau in grau. Schnell bilden sich Schlammschichten unter unseren Sandalen. Wir schlittern dahin und um nicht zu fallen stützen wir uns gegenseitig. Kaum zweihundert Meter hinterm Haus treffen wir auf das Wasser des Teiches der sich zu einem endlosen Ozean gemausert hat. Da müssen wir rein!“ ,rufe ich. Tanja nickt. „Du bleibst am besten erst mal am Ufer. Ich sehe wie tief es ist und ob es eine starke Strömung gibt. Wenn alles gut geht winke ich dir zu!“ ,erkläre ich gegen das Peitschen des Windes.

Vorsichtig schreite ich jetzt in den See. Unangenehme Nässe empfängt mich. Ein kurzer Gedanke an Krokodile lässt mich erschauern. Aber ich glaube nicht, dass sie in der kurzen Zeit vom Fitzroy River bis hierher geschwommen sind. Außerdem ist der Fitzroy bis jetzt noch nicht über seine Ufer getreten. „Ohhaaah! Ist das kalt!“ bibbere ich, bis sich mein Körper an die Temperatur gewöhnt hat. Mittlerweile befinde ich mich hüfthoch im Wasser. So wie es aussieht habe ich eine gut Stelle erwischt, um den hier in die Lagune mündenden Lions Creek zu überqueren. „Es sieht gut aus!“ ,rufe ich Tanja zu und winke. Auch sie kommt jetzt ins Wasser und folgt mir.

Etwa 10 Minuten bahnen wir uns auf diese Weise einen Weg durch die Nässe, bis plötzlich der Untergrund wieder höher wird. Anscheinend haben wir das andere Ufer des Creeks erreicht. Vorsichtig stapfen wir jetzt durch kniehohes Wasser. Wir kommen nur langsam voran aber wir kommen voran. Im Augenblick sieht die ganze Aktion auch weniger gefährlich aus als ich dachte. Die reißende Strömung des Lions Creek ist mindestens 500 Meter von hier entfernt. An dieser Stelle fließt er zwar immer noch stark aber er reißt uns nicht von den Füßen.

Nach einer halben Stunde Schwerstarbeit erkennen wir ein weites Stahlgatter. Ein Seitenarm des Lions Creek spült seine Wassermassen unten durch. Vorsichtig nähern wir uns dem Tor. Links und rechts davon ist ein Stacheldrahtzaun befestigt, der sich in die überschwemmten Felder zieht. Um beim überwinden des Hindernisses nicht unsere Regenhäute zu zerfetzen öffne ich die Stahlkette die das Gatter zusammenhält. Wir lassen die Barriere hinter uns und stapfen durch den ewigen See.

Damit wir unsere Rettungsaktion richtig dokumentieren, filmen wir uns gegenseitig. Leider dringt Feuchtigkeit in das Unterwassergehäuse der Filmkamera. Schnell ist das Objektiv angelaufen und unsere Kamera in Gefahr. Wir können uns nicht darum kümmern und setzen unseren anstrengenden Weg fort. Nach einer Stunde erreichen wir matschige Felder. Wir versinken teilweise bis zu den Knien im Morast. Tanja hat eine Sandale im saugenden Untergrund verloren und geht nun halb barfüßig. „Pass auf dass du nicht auf etwas scharfes steigst!“ ,warne ich vorausstapfend. Mit jedem Schritt achten wir auf Schlangen und anderes Ungeziefer. Wir wollen nicht aus versehen auf eines vor den Wassermassen flüchtenden Gifttiere treten. „Sieh mal da drüben. Da sind unsere Jungs. So wie es aussieht stehen sie!“ ,rufe ich freudig. Beflügelt bahnen wir uns einen Weg durch den Sumpf.

UNSERE FREUNDE LEBEN NOCH

Als wir das Kamelgehege endlich erreichen haben wir nicht mehr als ca. einen Kilometer zurückgelegt. 1 ½ Stunden benötigten wir dafür. Wir befinden uns jetzt auf der anderen Seite des Lions Creek der nur ein paar hundert Meter von hier seine gefährlich, reißenden Wassermassen über die Straße rauschen lässt. Wir sind entsetzt. Sebastian, Hardi, Jafar, Istan, Edgar und Jasper stehen bis über ihre Knie im Wasser.

Die Hornhaut ihrer Knie sind aufgeweicht. Sie zittern am ganzen Körper. Ihre Augen sehen uns traurig an. Sebastian sieht erbärmlich aus aber er hat nicht aufgegeben. Er lebt. Sobald er uns erkennt läuft er in unsere Richtung. Er hat seine Autorität, seinen Stolz nicht verloren. Seine Herde folgt ihm. Ich Klippe die Führungsleine in sein Halfter und ziehe ihn durch das Wasser. Wir müssen uns beeilen. Die Dunkelheit kommt bald und wir müssen den ganzen Weg zurück. Außerdem lässt der Dauerregen die Flut höher und höher steigen.

Für uns ist es ein Wunder, dass sie noch die Kraft haben zu laufen. Sie befinden sich nun schon seit 24 Stunden in diesem ständig steigenden See. „Wir müssen sie da raus bringen!“ „Wohin?“ ,fragt Tanja. „Dort drüben, das ist der einzige Fleck Erde der noch nicht unter Wasser ist. Dort haben sie vielleicht eine Chance,“ sage ich auf eine Einzäunung deutend die sich zweihundert Meter von uns entfernt befindet,“ rufe ich. Langsam ziehe ich Sebastian durch die Fluten. Immer wieder strauchle ich, stolpere über einen herumschwimmenden Ast oder anderes Treibgut. Manchmal versinke ich bis zu den Oberschenkeln in der Brühe. Ich folge dem Zaun des Geheges. Die Strömung hat die Pfosten an manchen Stellen aus den Boden gerissen. Stacheldraht spannt sich für meine Augen unsichtbar unter der Wasseroberfläche und reißt mich am Schienbein. „Ahhh!“ ,rufe ich vor Schmerz und führe Sebastian außen herum. Hardie stolpert ebenfalls über den Stacheldraht. Istan verfängt sich fast darin, kann sich aber gerade noch rechtzeitig befreien. Jafar kickt ihn mit seinen Vorderfüßen. Edgar managt es elegant darüber zu steigen und Jasper zieht das scheußliche Ding ein Stück hinter sich her.

Unsere Gefühlswelt ist mit einem aufgewühlten Ozean zu vergleichen. Die Angst hat es wieder geschafft wie ein Schwert des Todes über dem Schicksal unserer Tierfreude zu schweben. Wir sind zwar überglücklich sie am Leben zu sehen, zur gleichen Zeit aber leiden wir mit ihnen. Kein Dach schützt sie vor der herabfallenden Nässe. Bis auf den kleinen Fleck Erde vor uns ist das gesamte Land unter Wasser. Wie lange können sie das überleben? Werden sie eine Lungenentzündung bekommen? Besitzt Sebastian genügend Kraft, um auch diese Herausforderung zu meistern? Wann wird es endlich aufhören zu regnen?

Vorsichtig führe ich Sebastian aus der überschwemmten Einzäunung und ziehe ihn in das Nachbargehege. Es dauert nicht lange, bis ihm seine Kameraden folgen.

Wir entdecken zwei Gräber, wovon eines erst ein Jahr alt ist. Die zunehmende Dämmerung, der Regen und die Düsternis lassen den Ort unheimlich erscheinen. Leider haben wir keine andere Wahl als unsere Partner trotz der Gräber in dem Gehege zu lassen.

Heißhungrig machen sie sich sofort über das hier wachsende hohe Gras her. Dann fressen sie an den Bäumen. Tanja und ich tragen den Heuballen, den ich gestern Abend am Gatter abgelegt hatte, herbei und legen ihn in einen halbzerfallenen, kleinen Wellblechschuppen. Tausende von beißenden Ameisen krabbeln über unsere Füße und schlagen uns in die Flucht. Die Kamele entdecken den Heuballen, strecken ihre langen, nassen Hälse in den Schuppen und fressen. Wir sehen ihnen eine Weile zu und sind froh sie fürs erste aus ihrer tödlichen Umklammerung befreit zu haben. „Du hattest recht. Es war es wert die Gefahr auf uns zu nehmen, um sie zu retten. Wenn der Dauerregen in den nächsten 24 Stunden stoppt werden sie auf dieser Erhöhung nicht untergehen,“ sage ich mit uns zufrieden. „Ich bin so froh es gewagt zu haben,“ flüstert Tanja mich an den Händen nehmend. „Ich glaube wir müssen zurück. Sie nur wie das Wasser steigt,“ antworte ich.

Auf dem Rückweg begegnen wir Hamish, der sich mit seinem Rucksack einen Weg durch den See und die matschigen Felder gebahnt hat. Er lacht und ist ebenfalls stolz auf seine Entscheidung die Flut durchquert zu haben. „Wie kommst du hier raus?“ ,frage ich, denn nachdem was wir gehört haben liegt das gesamte Land bis nach Rockhampton unter Wasser. „Ein Freund holt mich mit dem Jeep auf der anderen Seite des Lions Creek ab,“ antwortet er. „Schaffst du es noch bis zur Hochzeit?“ ,will ich wissen. Wenn wir durch die Wassermassen kommen erreiche ich noch heute Abend mein Flugzeug in Rockhampton. Morgen ist die Hochzeit. Ich glaube schon das ich es schaffe,“ sagt er und läuft weiter.

DIE STEIGENDEN FLUTEN ERSCHWEREN DEN RÜCKWEG

Als wir dann an der Stelle vorbeikommen, wo der Lions Creek über die Straße donnert, verschlägt es uns fast den Atem. Die Strömung ist noch reißender geworden und sieht noch bedrohlicher aus. Schnell bahnen wir uns an seinem linken Ufer einen Weg durch die überschwemmten Felder, bis wir wieder bis zu den Hüften im Wasser versinken. Eine Katze hängt in einem Busch. Als sie uns kommen sieht springt sie ins Wasser und schwimmt zum nächsten Busch. Panik steht in ihrem kleinen Gesicht. Wir können nichts für sie tun und arbeiten uns Schritt für Schritt weiter. Noch vor zwei Stunden konnten wir hier einige Landstellen entdecken, doch mittlerweile sind auch diese untergegangen. Die Orientierung ist schwer geworden. Wir wissen nicht wo sich das Ufer des Lions Creek befindet. Es gibt keine Landmarken mehr. Nur noch Bäume ragen aus dem Ozean. Wir versinken bis zu den Hüften im Wasser, dann bis zur Brust, bis wir tatsächlich gezwungen sind zu schwimmen. Eine leichte Strömung treibt uns in Richtung Seemitte, doch wir schaffen es rechtzeitig das Ufer am Haus der Lagune zu erreichen.

Nach einer heißen Dusche werden wir von dem Rinderbaron Graem Acton zum Essen eingeladen. Das Kontrastprogramm hört nicht auf. Anscheinend ist der Australische Kontinent mit uns noch nicht fertig. Während unsere Partner draußen im Regen ihr Leben auf einer kleinen Insel fristen, holt uns Graem mit seinem Toyota ab. Wir fahren auf einen kahlen Hügel auf dessen höchsten Punkt seine Villa steht. Der Blick von hier oben ist atemberaubend. Unter uns, im weiten Land, hat sich eine gigantische Wasserfläche gebildet die sich in etwa 20 Kilometer Entfernung mit den Lichtern der Stadt Rockhampton vereint. Ein ausladendes Dach spannt sich über die große Terrasse und schützt uns vor dem unangenehmen Regen. „Lasst uns ins Haus gehen,“ sagt Graem. Wir schreiten in einen riesigen Raum von mehreren hundert Quadratmeter Größe. Es gibt keine Wände. die Küche, Bar, Wohn und Speisezimmer von einander trennen. Beeindruckt nehmen wir an einer schön gedeckten Tafel Platz und genießen für ein paar Stunden eine andere Welt.

This site is registered on wpml.org as a development site.