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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Der Augenblick in dem Zukunft und Vergangenheit keine Rolle spielen

N 23°15’18.0“ E 150°49’43.4“
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    Tag: 264 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 655

    Sonnenaufgang:
    05:37

    Sonnenuntergang:
    18:44

    Luftlinie:
    20

    Tageskilometer:
    30

    Gesamtkilometer:
    6980 km

    Temperatur - Tag (Maximum):
    26° Grad, Sonne ca. 30°

    Temperatur - Nacht:
    20°

    Breitengrad:
    23°15’18.0“

    Längengrad:
    150°49’43.4“

Pazifischer Ozean — 04.02.2003

Wir befinden uns im Tiefschlaf als wir von einer unangenehmen Nässe geweckt werden. „Es regnet,“ stöhne ich und sehe auf die Uhr. „Eine Stunde noch, dann geht es los,“ flüstere ich und krabble aus dem Moskitozelt in den Nieselregen. Starker Wind bläst mir um die Ohren und lässt die Zeltbahn laut flattern. Es kostet mich einige Mühe, bis ich die Regenhaut über unser Innenzelt gezogen habe. Dann schlüpfe ich wieder in unser kleines Stoffhaus in dem wir die meisten Nächte der letzten vier Jahre verbrachten. Obwohl ich jetzt nass bin schlafe ich sofort wieder ein.

Piep, piep, piep werden wir nur eine Stunde später von unseren Armbanduhren geweckt. „Heute stehen wir das letzte Mal auf, um unsere Kamele zu beladen,“ sagt Tanja gut gelaunt. „Ja, es ist kaum zu glauben,“ antworte ich verschlafen. „Wie fühlst du dich?“ „Auch nicht viel anders als sonst. Es wird eine Weile dauern, bis ich wirklich begreife es geschafft zu haben.“ „Stimmt,“ gibt sie mir recht und verlässt das Zelt.

Das erste Mal seit über 3000 Laufkilometer beladen wir die Kamele im Regen. Obwohl er unangenehm ist freuen wir uns darüber, denn das Land benötigt ihn mehr als alles andere. Mike kommt pünktlich, um den Aufbruch zu filmen. Mit immer größer werdender Euphorie beginnen wir den letzten Lauftag der längsten Expedition der Australischen Geschichte. Nur noch 25 Kilometer trennen uns von diesem langersehntem Ziel. „Camis walk up!“ ,befehle ich und unsere drei Kameraden setzen sich in Bewegung. Als wir die Straße erreichen hört es kurz zu regnen auf. Alles ist nass und der Asphalt ist glatt wie Eis. Vorsichtig schreiten wir am Straßenrand entlang und achten darauf das keines der Kamele auf den letzten Kilometern ausrutscht und sich verletz.

Um 7:30 Uhr erreichen wir die Hauptstraße die uns zum kleinen Küstenort Emu Park führt. Der Verkehr nimmt stark zu. Autos hupen und ihre Insassen rufen uns Glückwünsche zu. Ab und zu werden wir überholt. Ein Pkw rast im Abstand von wenigen Zentimetern an den ausladenden Satteltaschen vorbei. Hardie, Jafar und Istan erschrecken, beruhigen sich aber schnell wieder. Sie arbeiten wie die Roboter und zeigen sich auch am letzten Tag als perfekte Partner. Steve Martin, der Moderator von ABC Radio Westqueensland, mit dem ich schon seit über einem Jahr Interviewgespräche über unsere Expedition führe, läuft mit einem Aufnahmegerät neben uns. „Wie fühlst du dich Denis?“ ,höre ich seine vertraute, sympathische Stimme. „Ich kann meine Gefühle im Augenblick kaum einordnen. Sie steigern sich von Minute zu Minute. Es ist als sammeln sich mehr und mehr Emotionen, als wäre mein Körper ein Schnellkochtopf dem es bald den Deckel vom Kopf reißt. Noch sind wir nicht da Steve. Es kann immer noch etwas dazwischen kommen. Ehrlich gesagt ist die Spannung in mir kaum noch zu ertragen. Aber auf der anderen Seite fühle ich mich großartig. So großartig, dass ich die letzten Kilometer bis zum Pazifik am liebsten tanzen würde.“ Steve stellt mir noch mehrere Fragen, bis er Tanja aufsucht die am Ende der Karawane läuft, um mich vor dem anrollenden Verkehr zu warnen. Gerne hätte ich gehört was Tanja auf seine Fragen antwortet. Gerne würde ich diesen Augenblick mit ihr teilen, doch wir dürfen unsere Aufmerksamkeit selbst kurz vorm Ziel nicht vernachlässigen.

Ein paar Kilometer vor Emu Park erscheint Sharon. „Ihr schafft es! Großartig!“ ,ruft sie uns aus ihrem Auto lachend zu. Der Regen wird stärker und stärker, bis es wie aus Eimern kübelt. Wir erfahren, dass vor der Küste Zyklon Benni sein Unwesen treibt. Seine Ausläufer bringen starken Regen. Windböen blasen uns ins Gesicht. Die Straßen verwandeln sich zu Bächen. Als wir den Golfkurs von Emu Park erreichen werden wir im Clubhaus zum Essen eingeladen. „Vielen Dank, aber wir müssen unbedingt den Strand erreichen bevor es noch mehr zu regnen beginnt,“ antworten wir.

MENSCHEN KLATSCHEN UND GRATULIEREN

Die Spannung steigert sich. Wir befinden uns nur noch zwei Kilometer vom Meer entfernt. Wir betreten den Randbezirk des Küstenortes. Menschen kommen aus den Geschäften. Sie reihen sich an der Straße und klatschen. „Das gilt uns,“ sage ich zu Tanja die mittlerweile nach vorne gekommen ist. Wir lachen und ich habe das Gefühl als würde sich mein Herz zerspringen. Wir lassen gerade den Caravanpark hinter uns. Eine Frau kommt heraus gerannt. „Habt ihr meine Email bekommen?“ ,fragt sie. „Tut uns leid, wir hatten die letzten Wochen wenig Gelegenheit sie abzurufen,“ antworte ich. „Ich habe euch eingeladen. Ihr könnt auf unserem Caravanpark so lange bleiben wie ihr wollt. Auch eure Kamele sind herzlich willkommen,“ sagt die Frau. „Das ist ein sehr großzügiges Angebot,“ antworten wir und erklären ihr bereits auf Paradise Lagoons untergebracht zu sein.

NUR NOCH WENIGE HUNDERT METER

Der Regen stoppt für eine Weile. Wir überschreiten einen Hügel in der Ortsmitte. „Dahinter ist der Pazifische Ozean,“ sage ich leise. Wir nehmen uns bei den Händen. Nur noch wenige Meter und wir erreichen den Höhepunkt des Hügels. Gebannt blicken wir auf die Horizontlinie die im Augenblick vom Asphaltstreifen vor uns gebildet wird. „Jetzt!“ ,rufe ich als wir den Höhepunkt überschreiten. Wie hypnotisiert blicken wir auf den zu unseren Füßen liegenden Pazifischen Ozean. Wir halten uns noch fester an den Händen. Im Augenwinkel erkenne ich die Kamera von Mike. Die erste Welle der Emotionen rast über uns hinweg. Tränen steigen in meine Augen. Mein Inneres wird geschüttelt. Wir sehen uns an. Tanjas Gesicht verschwimmt. Ich wische mir die Tränen mit den Handrücken aus den Augen. Links und rechts tauchen mehr Geschäfte auf. Menschen kommen herausgeeilt und klatschen. „Willkommen in Emu Park! Willkommen! Ihr habt es geschafft! Herzlichen Glückwunsch! Gratulation!“ ,rufen sie während wir auf der Straßenmitte den Hügel hinunterlaufen. Es sind nur noch wenige hundert Meter bis zum großen Wasser. Nur noch Minuten trennen uns vom größten Expeditionsziel unseres bisherigen Reiselebens, der längsten Expedition der Australischen Geschichte.

LÄNGSTE KAMELEXPEDITION DER AUSTRALISCHEN GESCHICHTE & WELTREKORD

Mit dem Ende unserer Red Earth Expedition haben wir uns auch einen Weltrekord erlaufen. Im Rahmen unserer „Grossen Reise“ konnten wir im Laufe der letzten 12 Jahre über 11.000 Kilometer (Elftausend) mit Kamelen zurücklegen. Das beinhaltet die Teildurchquerung der Wüste Sinai mit 200 Kilometern. Die Durchquerung von Pakistan mit 1500 Kilometern. Die Durchquerung der Wüste des Todes (Taklamakan) mit 1000 Kilometern. Dir Durchquerung der Mongolei mit Pferden und Kamelen 1600 Kilometern und jetzt Australien mit 7000 Kilometern. Insgesamt sind das 11300 Kilometer (elftausenddreihundert).

WIE FETZEN EINES FILMES

Unser Gefühle überschlagen sich. Tränen und Lachen, Tränen und Lachen wechseln sich ab. Wir hören die Wellen. Es sind Sturmwellen, ausgelöst von Zyklon Benni. Das Rauschen erobert meine Ohren. Nur noch 20 Meter. Die Bootsrampe liegt vor uns. Ich führe Hardie darauf. Er scheut ein wenig. Langsam schreiten wir hinunter. Die Wellen laufen an unseren Füßen aus. Mike und Steve filmen diesen außergewöhnlichen Moment. Einen der größten Höhepunkte unseres Lebens. Ich ziehe Hardie auf den Strand. Es knirscht. Rufus heult vor Freude. Die ersten Wellen schwappen über unsere Schuhe. Schritt für Schritt gehen wir tiefer in die aufgewühlte See. Der warme, trübe Ozean umspült unsere Waden. Wir laufen weiter, bis eine Welle über unsere Knie schwappt. Dann bleiben wir stehen. Tanja und ich sehen uns in die Augen. Die Erinnerungen spiegeln sich. Wie Fetzen eines Filmes rauschen sie vorbei. Die tausend Kilometer lange Buschfeuerfront in West Australien. Der klasse fünf Zyklon, dessen zerstörerisches 50 Kilometer weites Auge alles vernichtete. Die schlimmsten Regenfälle in 200 Jahren, dessen Fluten große Teile der Great Sandy und Gibson Wüste unter Wasser setzten. Giftige Pflanzen, welche eine ständige tödliche Bedrohung für unsere Jungs bedeuteten. Die schlimmste Dürreperiode in 100 Jahren. Hunderte von sterbenden Rinder. Temperaturen bis 48 Grad im Schatten und bald 70 Grad in der Sonne. Unser sterbender Goola. Unser toter Max. Die giftigen Dingoköder die eine anhaltende Bedrohung für Rufus waren. Hunderte von Sanddünen in der ewigen Simpson Wüste. Die lebensgefährlichen Angriffe von wilden Kamelbullen. Die ständige Bedrohung von giftigen Insekten und Schlangen. Die Navigation von Wasserloch zu Wasserloch. Die Schönheit der wilden Blumen. Einmalige Begegnungen mit dem Urvolk dieses roten Kontinentes. Große Herden von wilden Kamelen. Begegnungen mit Kängurus, Dingos, Echsen, Schlangen und wunderschöne Vögel. Die vielen Nächte unter dem blinkenden Sternenhimmel. Unzählige Stunden am Campfeuer. Die unbeschreibliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Outbackbewohner. Die Nacht der Sternschnuppen. Die vielen Gespräche mit den Wüsten und unserer Mutter Erde…

In meinem Kopf rauscht es. Es blitzen weitere Erinnerungen hin und her. Es ist wie ein Feuerwerk indem sich Negatives und Positives vereint. Indem die Erfahrungen miteinander verschmelzen. Indem die unzähligen Bilder zu laufen beginnen. Höhen und Tiefen reichen sich die Hände, bilden eine homogene Einheit. Es ist eine Welle der Emotionen die sich hier an dieser Stelle mit den Wellen des Pazifischen Ozeans vereinen.

DER MOMENT DER NUR UNS GEHÖRT

Tanja und ich umarmen uns. Wir vergessen die Welt um uns. Wir vergessen die Menschen. Neben dem Rauschen des Meeres hören wir das Klatschen und Rufen einiger Gratulanten. Rufus winselt. Steve und Mike filmen. Wir bekommen nichts davon mit. Wir drücken uns ganz fest aneinander. Wir streicheln uns über die Haare und Tränen des Glücks laufen uns ungehalten über die Wangen. Es regnet. Es schüttet wie aus Eimern während unsere Herzen jubilieren. Es ist ein Moment der uns alleine gehört. Ein Moment den wir nicht teilen und erklären können. Ein Moment des Bewusstseins. Ein tiefer Moment des puren Lebens. Es ist der Augenblick in dem die Zeit für eine Ewigkeit stehen bleibt. Der Augenblick des Seins. Der Augenblick in dem die Zukunft und die Vergangenheit keine Rolle spielen, in dem alle Zeiten sich miteinander vereinen. Der Augenblick der es wert ist erlebt zu werden. Der es wert ist 7000 Kilometer durch die Unendlichkeit Australiens zu laufen. Der uns erkennen lässt wir stark uns dieses Land gelehrt und geprägt hat. Der uns einen Hauch davon zeigt wie unschätzbar wertvoll die gemachten Erfahrungen sind.

Die Wellen rauschen um unsere Füße. Hardie, Jafar und Istan sehen mit großen Augen auf die Ewigkeit des sich am Horizont verlierenden Wassers. Hier beginnt eine andere Welt. Hier herrscht das nasse Element, welches unsere Expeditionsreise beendet. Wir haben es tatsächlich geschafft. Wir haben in drei Jahren den Kontinent von Süd nach Nord und von West nach Ost durchquert. 7000 Kilometer waren die vier Himmelsrichtungen unsere Wegweiser. Waren die Elemente der Natur unsere ständigen Begleiter. Sie haben uns Respekt gelehrt, Angst eingejagt und in Atem gehalten aber sie haben uns auch wie ein seidenes Tuch umhüllt, beschützt und wie auf überdimensional großen Händen von Küste zu Küste getragen. Die Elemente sind unsere Partner, unsere Freunde und Lehrer, ja Verbündete geworden. Sie haben uns begreifen lassen das wir hier nicht alleine sind, das wir miteinander verbunden sind, das wir ein Teil der Natur sind. Sie haben uns gelehrt ein wichtiger Teil der Mutter Erde zu sein. Sie haben uns gelehrt Verantwortung zu tragen. Verantwortung für uns und die kommenden Generationen. Sie haben uns eingetrichtert die Einheit der Natur nicht zu trennen. Sie haben uns verständlich gemacht, dass sich der Menschen niemals von der Natur isolieren darf. Das dies die Vernichtung unserer Existenz bedeuten würde. Das jegliche Umweltverschmutzung nichts anderes bedeutet als unsere Notdurft auf den eigenen Teller zu hinterlassen. Das jede Aktion mit einer Reaktion beantwortet wird. Die Einheit der Elemente, die unsere Mutter Erde in einen schützenden Mantel betten, haben uns in sich eingesaugt, geschüttelt, gerüttelt und gestreichelt und immer wieder und wieder gelehrt welch unzertrennlicher Teil wir Menschen „von dem sind was Existiert.“

„Lasst euch die Hände schütteln,“ holen uns entfernte Stimmen aus dem Augenblick der Zeitlosigkeit. Als ob sich der Bühnenvorhang zur Seite schiebt spüre ich plötzlich wieder das Salzwasser, welches meine Füße umspült. Eine Gruppe von Menschen steht neben uns. Sie lachen uns fröhlich an. Auch sie sind ins Wasser gelaufen, um an diesem wunderbaren Geschehnis teilzuhaben. Dankbar nehmen wir die Glückwünsche an. Dann laufen wir für den Fotografen Mark Straker von der Morning Bulletin noch ein paar Mal am Strand auf und ab, bis wir uns auf den nassen Rasen am Strand setzen. Wir geben noch ein paar Interviews, unterhalten uns angeregt mit den Besuchern und genießen die Stunden. Wir werden von einem Restaurantbesitzer zum Essen eingeladen. Leider müssen wir ablehnen. Der Regen wird stärker und stärker. Wir sind gezwungen den Strand zu verlassen, denn wenn der Zyklon auf die Küste trifft wird hier alles unter Wasser stehen.

In einer göttlichen Stimmung laufen wir wieder zurück. Immer noch winken uns einige Menschen zu. Wir schreiten den Hügel von Emu Park hoch. Nur wenige Kilometer weiter biegen wir in einen Seitenweg ein und führen unsere tapferen Tiere auf das Farmgelände von Graem Miller. Er hat uns angeboten seine Laderampe benutzen zu dürfen, um Hardie, Jafar und Istan auf den Lastwagen zu laden. Pünktlich erscheint Robert, der Manager von Paradies Lagoons mit dem Lastwagen. Ohne große Schwierigkeiten verladen wir bei strömenden Regen unsere treuen Gefährden und die Ausrüstung auf den Tiertransporter und fahren zu unserem letzten Basiscamp der Red Earth Expedition, Paradise Lagoons, zurück.

Als wir unsere Jungs in das Gehege führen werden wir Zeugen einer außergewöhnlichen Tierfreundschaft. Kaum haben Edgar und Jasper ihre Mates entdeckt, kommen sie herangerast, um sie mit verhaltenen Blubbern zu begrüßen. Selbst Sebastian gibt sich große Mühe so schnell wie es sein geschwächter Körper zulässt heranzumarschieren, um seine Herde zu empfangen. Sie reiben ihre Köpfe aneinander und beschnuppern sich gegenseitig. Dann, nachdem sie zufrieden festgestellt haben, dass sie wieder vereint sind, veranstalten sie ausgelassene Bocksprünge. Tanja und ich stehen da und lachen. Wir lachen bis uns der Bauch weht tut. Unsere Freude ist groß, viel zu groß, um sie mit Worten beschreiben zu können. „Sieh dir Sebastian an. Er frisst,“ freut sich Tanja. „Ja, ich glaube wir haben ihn durchgebracht,“ antworte ich sie umarmend…

Als es dunkel ist streichle ich unseren treuen und immer gut aufgelegten Freund Rufus. Er scheint genauso glücklich zu sein wie wir. „Bist ein guter Hund. Ein wirklich tapferer und kluger Hund. Ein Weltmeister,“ rede ich auf ihn ein und krabble ihn unter den Achseln. Zufrieden lege ich mich neben ihn auf den Boden, als ich völlig unerwartet sein Büchlein ganz offen herumliegen sehe. In diesem Augenblick Pfeift Tanja. Rufus spitzt die Ohren. Er weiß genau das dieser Pfiff sein Abendfressen ankündigt. Nichts kann ihn mehr halten. Nur noch eine Staubwolke verrät, dass hier gerade ein Hund gesessen ist. Natürlich nutze ich die gute Gelegenheit, um mir sein Büchlein zu schnappen. Schnell schlage ich es auf. Ich habe nicht viel Zeit zum lesen, denn Rufus ist auch ein Weltrekordhalter im Schnellfressen.

DAS EXPEDITIONSTAGEBUCH EINES EXPEDITIONHUNDES NAMENS RUFUS

Natürlich waren wir mit der Ankunft an Paradise Lagoons noch lange nicht am Ziel. Hier war zwar das Basiscamp, doch zwischen uns und der Ankunft am Ozean lagen noch 70 spannende Kilometer. Die Krankheit von Sebastian lag wie eine dunkle Wolke über unserem Camp und wir waren alle ganz bedrückt. So lange wir auch warteten und uns um unseren Sebastian kümmerten und bemühten, er wollte einfach nicht zu neuen Kräften kommen. Irgendwann ist dann die Entscheidung gefallen. Hardie sollte die Rolle des Führungskamels übernehmen. Junge, ich konnte nur hoffen, dass meine Menschen wussten was sie da vorhatten. Nach dem was ich hörte sollte Rockhampton nicht gerade ein Picknick Spaziergang werden.

Mir persönlich allerdings war Hardie in der Leitung sehr recht. Somit würde ich noch besser zur Geltung kommen und würde als Reiter auf dem ersten Kamel alle Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Es war ein aufregender Gedanke. Ich konnte mich vor Vorfreude kaum noch halten und wenn ich alleine war jaulte ich unaufhörlich: „Waaauuuuhhhh! Hundedamen aufgepasst, waaauuuuhhhh. Ich komme mit fliegenden Fahnen durch Rockhampton geritten, waaauuuuhhhh! Eure Herzen werden mir nur so zufliegen, waaaauuuuhhhh!“

Es war schon aufregend, als wir am Abend vor dem großen Ziellauf auf die Kamelweide umgezogen sind. In der Abenddämmerung haben Tanja und Denis die nötige Ausrüstung und Sättel für das Ziellaufteam aufgestellt. Tanja ist dann zu den Kamelen gegangen, die alle gemütlich auf einer Sandpiste saßen. Sie hat ihnen erzählt wer in welchem Team sein wird und dass die Aufgabe vom Basiscampteam genauso wichtig sei wie die des Ziellaufteams. Sie erklärte ihnen dass das Basiscampteam eine große Verantwortung trägt, denn es muss sich um das seelische Wohlbefinden von Sebastian kümmern und seine Moral aufrecht erhalten. „Das Ziellaufteam,“ sagte sie, „wird sich mit Mut und Durchhaltevermögen beweisen und sich nicht von Verkehrslärm und Gebäuden ins Boxhorn jagen lassen.“ Für mich war natürlich klar in welchem Team ich war.

Noch in der Dunkelheit brachen wir auf. Es war ein seltsames Gefühl als kleine Karawane unterwegs zu sein. „Klein aber oho,“ jaule ich immer wieder. Jafar war so aufgeregt, dass er ganz spitze Lippen gezogen hat. Je heller es wurde, desto belebter wurden die Straßen. Es war phantastisch die vielen erstaunten Menschen zu sehen. Das Verkehrs– und Menschengewirr hat uns alle ein wenig verunsichert. Die meisten Autofahrer und Verkehrsteilnehmer waren klug genug zu verstehen, dass wir Tiere sind und dass man da ein bisschen Abstand halten muss, ansonsten bekommen wir einen riesigen Schrecken.

Hardie hat mich schwer beeindruckt, wie er die Verantwortung als Leitkamel getragen hat. Er hat seinen besten Kumpel Sebastian würdig vertreten. Das Stadtgewirr wurde immer dichter und bald war es so weit, wir sollten die große Brücke von Rockhampton überqueren. Die Polizei war schon seit geraumer Zeit hinter uns und hat sicher gestellt, dass uns nun niemand überholt oder zu nahe kommt. Es war ein überwältigendes Schauspiel auf dieser großen Brücke zu laufen. Hinter uns befand sich eine wabernde Verkehrswand mit Lastwägen und vielen Autos. Unter uns zog sich der königliche Fitzroy Fluss dahin auf dem die Boote wie Frösche im Wasser schaukelten. Tanja ist mit der Kamera vorrausgerannt, um uns zu fotografieren. Als ich an ihr vorbeiritt glaubte ich Tränen in ihren Augen gesehen zu haben, obwohl sie gelacht hat. Ich denke Menschen die sehr berührt sind, können zur gleichen Zeit lachen und weinen.

Zum Glück hatten Tanja und Denis die Strecke bis zum Ozean ausgekundschaftet und somit mussten wir uns keine Sorgen um unser Camp machen. Wir wussten, dass es nicht mehr weit war und freuten uns auf die baldige Erholungspause. Nicht unbedingt meine Menschen. Die beiden konnten sich ein Auto leihen, um nach Sebastian zu sehen. Auch die nächsten Lauftage waren mehr oder weniger ähnlich erlebnisreich und aufregend.

Am dritten Lauftag begann es zu Regnen. Wir freuten uns alle so auf das Ziel und über den so lange ersehnten Regen, dass es fast nicht auszuhalten war. In dem Moment, wo wir die kleine Anhöhe hinaufliefen und den Ozean erblickten, konnte ich nicht mehr anders als laut loszuquietschen, zu heulen und vor Freude zu singen. Wir waren alle so glücklich. Meine Menschen haben sich an den Händen gehalten. Links und rechts kamen die Menschen aus den Häusern und haben mich beglückwünscht. „Sieh mal den tapferen Hund an! Das ist ein Held! Er soll 7000 Kilometer durch Australien geritten und gelaufen sein! Das ist bestimmt ein Weltrekordhund!“ ,habe ich die Menschen rufen hören, worauf ich meine große, breite Brust noch weiter nach vorne reckte.

Der Moment, als wir in den Ozean liefen wird für immer in meiner Erinnerung bleiben. Ich kleiner Hund habe es tatsächlich geschafft, dieses ganze große wilde und wunderschöne Australien zu durchqueren. So viele Bilder bekomme ich nun vor meinen inneren Auge zu sehen, all die Erlebnisse, die Camps, das Abenteuer. So viele neue Hundefreunde habe ich kennen gelernt und eines weiß ich genau, mich hat keiner von diesen scheußlichen vergifteten Dingoködern erwischt. Ich habe ihnen ein Schnäppchen geschlagen. Ob ich stolz bin? Ja, ich bin stolz wie zehn Hunde. Auch mit der ganzen Anstrengung und Entbehrungen bin ich froh. Ich bin froh ein Flop als Schafshund gewesen zu sein. Das hat mir die Tür zu einem Leben geöffnet und ein neues Zuhause bei Tanja und Denis finden lassen.

Es ist ein mega– phantastisches Leben als erfolgreicher Ostküsten- Expeditions- Ankunfts- Hund. „Hhhhhuuuu! Waaaauuuuuhhh! Waaaauuuuuhhhh!“

ACHTUNG ANBEI EINIGE INFORMATIONEN FÜR UNSER LESER!!!

In den kommenden Tagen geht es bei uns drunter und drüber. Zyklon Benni bringt ungeheuren Regen. Wir werden von der Außenwelt abgeriegelt. Unsere Kamele stehen im ständig steigenden Wasser. Ihr Leben ist bedroht. Kleine ausgetrocknete Creeks werden zu reißenden Flüssen. Wir haben keine Zugang zu unseren Tieren. Ein Mann in der Nachbarschaft wird von den Fluten mitgerissen als er seine Pferde retten will. Er stirbt. Wir brechen trotzdem auf, um unsere Gefährden zu retten. Sebastian wird von einer Schlange gebissen und einiges mehr. Wenn wir wieder durchatmen können und wissen wie es weitergeht werde ich im kommenden Update genau darüber berichten.

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