Skip to content
Abbrechen
image description
RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

Der heiße Atem eines feuerspeienden Drachen

N 23°38’01.6“ E 142°19’43.5“
image description

    Tag: 154 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 545

    Sonnenaufgang:
    05:55

    Sonnenuntergang:
    18:36

    Luftlinie:
    24,8

    Tageskilometer:
    30

    Temperatur - Tag (Maximum):
    41,5° Grad, in der Sonne ca. 62°

    Temperatur - Nacht:
    11,5° Grad

    Breitengrad:
    23°38’01.6“

    Längengrad:
    142°19’43.5“

Winton Jundah-Camp — 17.10.2002

Wegen der zunehmenden Hitze und der immer früher aufgehenden Sonne entscheiden wir uns heute eine halbe Stunde früher aufzustehen. Auf diese Weise wollen wir umgehen schon vor dem Aufbruch unsere Kräfte durch das Laden verbraucht zu haben. Ich habe mich zwar im Laufe der Jahre an den ewigen morgendlichen Kraftakt gewöhnt, doch mit der fortschreitenden Jahreszeit wird es schon mit den ersten Sonnenstrahlen heiß. Die Taktik, mit dem Fortschreiten der Jahreszeit früher aufzustehen, nutzen wir schon seit Beginn der Australienexpedition und sie hat sich gut bewährt.

Um 05:55 Uhr blitzen die ersten jungfräulichen Sonnenstrahlen über das Land. Ich unterbreche meine Arbeit für einen kurzen Augenblick, um diesen schönen Moment zu genießen, wenn die Erdoberfläche zu glühen beginnt. Zu dieser Tageszeit sieht alles friedlich aus. Die Gidyeabäume erleuchten in einem Grün als wären sie gerade einem Malkasten entsprungen. Ein paar Vögel zwitschern ihr helles klares Lied. Das kräftige Blau des Himmels erscheint in den verschiedensten zarten Tönen und Nuancen. Selbst das trockene Gras erweckt den Anschein zu einem idyllischen Bild zu gehören. Unsere Kamele sitzen friedlich da und würgen ihren Mageninhalt nach oben, um ihn wiederzukauen. Die Sonnenstrahlen treffen nun auf ihr braunes Fell. Es entflammt regelrecht und ich muss zweimal hinsehen, um mich zu überzeugen, dass sie sich nicht plötzlich unter einem rotem Gewand verstecken. Die feinen aber intensiven Farben fließen ineinander. Ockergelb, Rotbraun, Zartgrün, Zartblau, Blaugrau, Hellblau und weitere kaum zu beschreibenden Tönungen vermischen sich zu einem Gemälde, welches nur Mutter Erde zu Stande bringen kann. Das warme, einnehmende Licht, erweckt den Anschein im Zentrum eines Paradieses zu sitzen. Nichts in dieser Minute verrät, dass es hier in wenigen Stunden regelrecht zu kochen beginnt. Nichts verrät zu dieser Tageszeit die unweigerlich kommende Welle. Eine Welle die das Land in unmenschliche Hitze tauchen wird. Eine Hitze, deren heißer Atem dem eines feuerspeienden Drachen gleich kommt, und noch mehr Todesopfer fordern wird als gestern oder die Tage vorher.

WIE EINE FEDER DIE DEN WIND ZUM FLIEGEN BENÖTIGT

Ich lade gerade Istan als die Sonne ihr liebliches Licht mehr und mehr abwirft. Es wird greller, heller, gleißender und die wunderschönen Farben, die gerade eben noch das Bild eines Traumes malten, verschwinden zusehend. Die ersten Schweißtropfen laufen mir über die Stirn als ich die Wassersäcke in Edgars Satteltaschen lege. Nachdem auch Jasper für den Tag aufgerüstet ist zeigt das Thermometer 28° Grad. „Sie sind fertig zum Aufstehen,“ sage ich zu Tanja noch ein paar Verschlussgurte einiger Satteltaschen nachspannend. Während ich meine Sonnenbrille putze, das weiße Tuch um meinen Kopf wickle und meinen Hut aufsetze, öffnet Tanja alle Beinseile der Kamele und lässt einen nach dem anderen aufstehen. Routiniert fließen unsere Tätigkeiten ineinander. Keiner von uns beiden hat nur eine Sekunde weniger zu tun als der andere. Die Handgriffe gehen wie beim Schattenboxen ineinander über. Langsam aber trotzdem schnell und effektiv. Harmonisch, ohne ein Wort sprechen zu müssen, arbeiten zwei Menschen miteinander an der selben Sache, arbeiten im selben Rhythmus. Wir sind eine Einheit geworden die sich wie ein runder Ball bewegt. Wie eine Feder die den Wind zum Fliegen benötigt. Eine Welle die sich auftürmt, um in das Tal zu gleiten. Wenn wir es schaffen die Ostküste zu erreichen. Wenn wir es schaffen uns und unsere Partner bald 7000 Kilometer durch dieses wilde Land zu bringen, dann nur, weil wir gemeinsam daran arbeiten. Weil unser gemeinsamer Wille dahintersteht. Weil wir ein gemeinsames Ziel besitzen und einen gemeinsamen Freund, Lehrer und Verbündeten haben… Die Wüste und die Mutter Erde.

DER KREISLAUF DES TODES SCHLIESST SICH SCHNELLER ALS VORHER

Um 06:50 Uhr gebe ich das Kommando zum Aufbruch. Wir sind 30 Minuten früher dran als sonst und freuen uns über diesen Erfolg. Kaum verlassen wir das Flussbett schlägt uns Verwesungsgestank entgegen. Unsere Stimmung wird augenblicklich geschüttelt. Hier ist er wieder. Der Tod von Tausenden von Tieren die der weiße Mann nach Australien gebracht hat. Tiere, die es hier nie gegeben hat und für solche extremen Widerungsbedingungen nicht geschaffen sind. „Da vorne liegt eine ganze Gruppe von toten Rindern. Ich schau mir das mal näher an,“ sage ich zu Tanja und schnappe mir die Kameras. Fünf verendete Rinder gären in der Sonne. Fliegen surren wie wild herum und laben sich an dem Festmahl. Der Gestank verschlägt mir den Atem. Ich schieße ein paar Fotos, um später in einer Diashow den Menschen von den Folgen dieser Trockenheit berichten zu können. Dann entdecke ich Drahtschlingen die sich um die Nacken der Rinder wickeln. Was das wohl zu bedeuten hat? Eine große Schleifspur auf der groben Erde zeigt mir das irgend etwas die Tiere hierher zerrte. Seltsam? Was ist in der Lage eine ausgewachsene Kuh über den Boden zu ziehen? Langsam folge ich der Fährte. Plötzlich bemerke ich Reifenspuren. Hundert Meter weiter enden sie an einem natürlichen Wasserloch in einem Arm des Mayne Rivers. Zwei weitere Rinder liegen in dem Wasserloch. Ihre verwesenden Kadaver verseuchen das kostbare Nass, so das es für andere Rinder in der näheren Umgebung ungenießbar geworden ist. Durch die Dürre verschlammt das Wasserloch mehr und mehr. Die Folge ist, dass die Rinder immer weiter durch den sumpfähnlichen Morast stapfen müssen, um ihren Durst stillen zu können. Dabei bleiben sie stecken und verenden. Das kommt jetzt an allen Wasserlöchern vor, so dass manche Stationmanager, die in einigen Fällen alleine hier draußen leben, es nicht mehr bewältigen können alle Tiere aus den Dämmen und Wasserlöchern zu ziehen. Die Folgen sind natürlich fatal und der Kreislauf des Todes schließt sich noch schneller als vorher.

„Warum haben die toten Rinder den Draht um den Kopf?“ ,fragt Tanja als ich von meinem kurzen Entdeckungstrip zurückkomme. „Ich denke Tiger zieht sie auf diese Weise mit seinem Jeep aus den Wasserlöchern,“ antworte ich.

Gegen 13:00 Uhr klettert das Thermometer auf 41,5° Grad im Schatten. In der Sonne hat es weit über 60° Grad. Mein Hemd ist klatsch nass geschwitzt. Ein leichter Luftzug lässt es trotz der Hitze wegen der Verdunstung kalt auf der Haut anliegen. Ein ungesunder Dauerdurst zwingt uns spätestens alle 20 Minuten zu stoppen, um einen Schluck aus unseren Trinkbeuteln zu nehmen. Das Wasser im Beutel ist bald so heiß wie die Außenluft. Rufus beginnt es zu verweigern. Wir machen uns Sorgen um ihn. Obwohl er auf Hardie reitet und dadurch nicht den reflektierenden Bodentemperaturen ausgesetzt ist, zieht sein schwarzes Fell die Sonnenstrahlen an wie ein Magnet. Ab 11:00 Uhr holen wir ihn in regelmäßigen Abständen vom Sattel, um ihn die Gelegenheit zu geben etwas zu saufen. Um das Wasser in unseren Trinkbeuteln unter 60° Grad zu halten haben wir sie schon auf die rechte, also auf die Südseite von Sebastian gehängt. Dort sind sie nicht der direkten Sonne ausgesetzt.

Erschöpft treffen wir auf die Winton Jundah Road. Von hier folgen wir ihr nach Süden und laufen somit in einen weiteren großen Umweg. Etwa 50 Kilometer östlich von unserer Position beginnt das Gebiet in dem der berüchtigte Desert Poison Busch Zuhause sein soll. Wir sind vor allem bei dieser Hitze nicht glücklich darüber einen 150 Kilometer großen Bogen laufen zu müssen aber wie Tiger schon gesagt hat; „Was ist schon ein Umweg im Vergleich zu toten Kamelen?“

Nur wenige hundert Meter, nachdem wir in Richtung Süden abgebogen sind, suchen wir am Mayne River ein Camp für die Nacht. Wir haben mit 30 Kilometern unser Tagesziel erreicht und sehnen uns mehr denn je nach Schatten und danach unseren schrecklichen Dauerdurst im Wasser zu ertränken.

This site is registered on wpml.org as a development site.