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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 3

In 5454 Laufkilometern die höchsten Temperaturen

N 23°48’18.7“ E 142°49’05.5“
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    Tag: 155 Etappe Drei / Expeditionstage gesamt 546

    Sonnenaufgang:
    05:54

    Sonnenuntergang:
    18:36

    Luftlinie:
    24,8

    Tageskilometer:
    27

    Temperatur - Tag (Maximum):
    44° Grad, in der Sonne ca. 64°

    Temperatur - Nacht:
    19° Grad

    Breitengrad:
    23°48’18.7“

    Längengrad:
    142°49’05.5“

Hitze-Camp — 18.10.2002

Gleich nach dem Aufbruch passieren wir ein weiteres natürliches Wasserloch. Es liegt in einem von Felsen und schroffen Steinen umgebenen kleinen Krater. Weil es für die Rinder nicht erreichbar ist finden wir im Wasser keinen verwesenden Kadaver. „Ob wir unsere Jungs hier tränken können?“ ,zweifelt Tanja in das mindestens 10 Meter tiefe Loch blickend. „Unmöglich. Wir müssten mindestens 30 oder 40 Eimer Wasser da rausholen. Das dauert ewig. Abgesehen davon ist es zu gefährlich über das scharfe Gestein zu klettern. Wenn alles gut geht erreichen wir morgen ein Bohrloch auf Tonkoro Station. Da werden wir sie tränken,“ antworte ich und führe die Wüstentiere weiter.

ACHMEDS GESCHICHTE VON DER DURSTKRANKHEIT

Um 09:00 Uhr ist es schon abnormal heiß. Der quälende Durst setzt schon früh ein und ist nicht mehr zu befriedigen. „Ich hoffe wir bekommen nicht die schreckliche Durstkrankheit,“ plaudert Tanja vor sich hin, nachdem sie an ihrem Wasserbeutel gesaugt hat. „Du meinst die Durstkrankheit von der uns der Kamelmann Achmed mal in der Wüste Sinai in Ägypten erzählte?“ „Ja, genau die.“ „Das wäre wirklich schrecklich. Ich hoffe wir bleiben davon verschont,“ antworte ich, spüre wie sich meine trockne Kehle zusammenschnürt und denke an Achmeds Geschichte in der ein Wüstenwanderer unter ständigen Wassermangel litt. Er konnte wie wir seinen quälenden Durst nicht mehr stillen und als er eine Oase erreichte, trank und trank er, bis er fast platzte. Nachdem sich sein mit Wasser überfüllter Magen wieder entleerte, verspürte er immer noch den furchtbaren Durst und wieder trank er sich voll, bis er nicht mehr konnte. „Sein Bauch war durch die Flüssigkeitsmenge so gebläht, dass er sich übergeben musste und erschöpft zusammenbrach,“ erzählte Achmed als wir in der Nähe einer Oase abends am Campfeuer saßen. „Und dann? Hat er dann endlich genug gehabt?“ ,wollte ich wissen. „Nein, kaum ging es ihm wieder besser, schleppte er sich zum Brunnen, um weiter zu trinken. Er konnte nicht mehr aufhören. Er musste immer zu Wasser trinken. Wir wollten ihn stoppen aber er hat sich gewehrt, bis wir ihn weiter trinken ließen. Selbst am nächsten Tag wollte er immer zu trinken. Er konnte seinen Durst einfach nicht mehr stillen.“ „Ja hat er sich denn überhaupt nicht mehr erholt?“ ,fragte ich mitfühlend. „Nein. Selbst Jahre später litt er immer noch unter unaufhörlichen Durst. Ich glaube, dass bei ihm während der Wüstendurchquerung irgend etwas im Kopf geschehen ist was unreparabel war,“ endet Achmed seine erschreckende Geschichte.

„Meinst du Achmeds Geschichte hatte einen wahren Hintergrund?“ ,breche ich das Schweigen. „Warum sollte er uns angelogen haben? Ich denke schon, dass es so etwas gibt,“ antwortet Tanja mit ernster Mine. „Camis udu!“ ,stoppe ich unseren Lastenzug. „Ich muss unbedingt etwas trinken,“ sage ich zu Tanja als sie mich fragend ansieht warum ich die Kamele so abrupt gestoppt habe. „Gute Idee, wir müssen rechtzeitig etwas gegen die Durstkrankheit unternehmen,“ lacht sie.

Schon um 11:00 Uhr steigt das Thermometer über 40° Grad. Die weiter zunehmende Hitze völlig ignorierend marschieren wir mit einer Geschwindigkeit von ca. 5,3 Stundenkilometer über die anscheinend nur sehr wenig benutzte Winton Jundah Road. Mit dem Wissen mindestens 25 Kilometer Luftlinie zurücklegen zu müssen, laufen wir wie in Trance. Unsere Körper bringen Höchstleistung. Es fühlt sich an als wären wir Maschinen die unter Hochdruck stehen. Schmerzen die sich mehr und mehr melden ignorieren wir, versuchen sie auf die Seite zu schieben. Es zählt nur noch Eins und das ist das Tagesziel zu schaffen, einen Schattenplatz und ein paar Fressbäume für unsere Jungs zu finden. Unaufhörlich atmen wir den uns bereits vertrauten Gestank von sich zersetzendem Fleisch ein. Der Gedanke nicht Richtung Ziel zu laufen ist eine zusätzliche psychische Belastung und als sich dann noch die alten Hirngespinste des Warum melden, spüre ich den ebenfalls bekannten Ärger aufkommen.

Kurz vor 13:00 Uhr ist es 44° Grad im Schatten. In 5454 Laufkilometern durch Australien erreichen wir somit die höchsten Temperaturen. Unsere Wanderfladen essen wir ohne großen Appetit. Sie sind bei der Bruthitze steinhart geworden, weswegen wir darauf achten müssen uns keinen Zahn daran auszubeißen. „Ich habe davon gelesen, dass es in Australien bis zu 53° Grad heiß werden kann. Dagegen sind die Temperaturen jetzt glatt winterlich,“ versuche ich einen Witz zu machen. Tanja reagiert nur mit Schweigen, weswegen ich meine Augen wieder über den steinigen Boden gleiten lasse.

WERDEN SIE VÖLLIG ABMAGERN?

Als der Satellitennavigationscomputer knapp 25 Kilometer anzeigt, schreiten wir über eine Bodensenke die darauf hinweist, dass hier vor langer Zeit einmal Wasser geflossen ist. Selbst in dieser Senke sind die Sträucher und einstigen Bäume vom Atem des Drachens versenkt. „Camis udu!“ ,rufe ich, um meinen Blick über die trockene Verderbnis gleiten zu lassen. „Wir benötigen dringend einen Ort zum bleiben,“ sage ich kraftlos. „Ja,“ antwortet Tanja. „Lass uns in dem Creek nach Bäumen suchen,“ meine ich die Kamele weiterziehend. Wir kommen an einem verkrümmten Pferdeskelett vorbei dessen Haut sich über die ausgebleichten Knochen wie bei einer Trommel spannt. Nur 20 Meter weiter liegen ein paar tote Rinder. „Ich weiß nicht ob wir hier bleiben oder weitergehen sollen? Ich kann einfach keinen klaren Gedanken mehr fassen,“ sage ich völlig erledigt und bis aufs Knochenmark deprimiert in das unfruchtbare Creekbett sehend. „Hier gibt es absolut nichts mehr was unsere Jungs fressen könnten. Selbst die Mulgabäume sehen aus als hätte sie ein Flammenwerfer angespuckt. Das kann doch einfach nicht wahr sein. Wenn es so weiter geht werden unsere Freunde noch völlig abmagern. Was sollen wir nur tun? Was meinst du? Bleiben oder bei der Affenhitze weitergehen?“ „Das ist deine Entscheidung Denis. Ich kann dir da nicht helfen. Wie soll ich wissen ob es besser wird?“ „Hm, halt mal Sebastian. Ich folge dem Creekbett einige hundert Meter. Wer weiß, vielleicht finde ich ein paar grüne Bäume und ein wenig Schatten,“ entscheide ich.

Nur eine Minute später stolpere ich absolut ermattet über einen Stein. Ein heißer, bald beißender Schmerz fährt mir in den unteren Rücken und lässt mich in die Knie gehen. Langsam richte ich mich wieder auf und bleibe kurz stehen. Dann schnaufe ich ein paar mal tief durch und taste mit meinen schweißnassen Fingern meinen Rücken ab. Bitte jetzt keine Totalausfall. Wenn ich mir hier den Rückennerv eingeklemmt habe sind wir geliefert. Wir besitzen nicht mal für einen einzigen Extratag Wasser. Mensch, hätte ich doch mehr Wasser mitgenommen! Aber die Kamele sind auch am Ende! Nun, was zählt mehr, Kamele oder Mensch? ,geht es in meinem Gehirn hin und her. Ich schüttle meinen Kopf, um meine Gedanken auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir brauchen dringend einen Campplatz und das ist das Einzige woran ich jetzt denken darf. Humpelnd schleppe ich mich weiter durch das von der Dürre gemarterte Creekbett. Plötzlich entdecke ich tatsächlich einen großen Eukalyptusbaum dessen Blätter noch Saft enthalten. Er wirft ein wenig Schatten auf von Rindern abgefressene gelbbraune Grasbüschel. Steinharte Kuhfladen zeigen mir das dieser Ort einst von Kühen als Rastplatz genutzt wurde. Ein paar Bricklybüsche wachsen unweit entfernt. Da ich weiß, dass diese Buschart zu den Lieblingsgerichten unserer Kamele gehört, ist meine Entscheidung gefallen. Schnell hole ich meine Trillerpfeife aus der Tasche und lasse einen lauten Pfiff ertönen, um Tanja damit zu informieren die Kamele hierher zu führen.

„Sieht ja nicht mal so schlecht aus,“ sagt sie als wir die Kamele abhuschen. „Was heißt sieht nicht mal so schlecht aus? Ich denke der Platz ist eine paradiesische Oase in dem Alptraum der elendigen Kargheit,“ antworte ich und strecke meinen schmerzenden Rücken durch. „Hast du dir weh getan?“ ,fragt Tanja besorgt. „Ja, mir ist vorhin die Hex ins Kreuz geschossen. Ich hoffe es gibt sich wieder,“ antworte ich im Begriff Sebastian zu entladen.

Eine Stunde später sind unsere Gefährden entladen und fressen wie wild an den Bricklys. Sebastian macht sich sogar über die völlig vertrockneten Misteln her. „Ich frage mich wie er es fertig bringt das staubtrockene Zeug in sich hineinzufressen?“ ,wunder ich mich laut.

Schnell haben wir die Schutzfolie in den Eukalyptusbaum gehängt, unsere Stühle in deren Schatten aufgestellt und uns mit einem lauten Seufzer darin niedergelassen. „Wie lange brauchen wir noch bis Westerton Station?“ ,will Tanja wissen. „Wenn uns die Winton Jundah Road mit keinen Kurven und Biegungen überrascht, müssten es noch zwei Tage sein. Wie auch immer, länger dürfen wir wegen unseren knappen Wasservorräten sowieso nicht brauchen. Nach der Karte sind es nicht mehr als 50 Kilometer,“ antworte ich mir den vierten Becher Wasser in den Rachen kippend.

Um 16:00 steht das Thermometer immer noch auf 43° Grad. Unsere Boys haben das Fressen schon lange eingestellt und pressen sich alle zusammen in den Schatten der vertrockneten Mulgabäume. Rufus hechelt wie eine Dampflok vor sich hin. Seine Augen sind etwas geschwollen aber er hat seine große Wasserschüssel bis auf den letzten Tropfen geleert. Um 17:00 Uhr hat es noch immer 41,5° Grad im Schatten. Wir raffen uns auf, um Jafars Geschwür mit der grünen Creme zu behandeln. Er leidet zusehen unter größeren Schmerzen. Das Gift des Mulgaholzes lässt die Wunde schlimmer und schlimmer aussehen, weswegen wir beschließen ihn zusätzlich die entzündungshemmende und schmerzlindernde Medizin zu verabreichen. Tanja benutz dafür unsere letzten Äpfel die in der Hitze jetzt schnell verfaulen.

Um 18:00 leiden wir unter über 40° Grad Hitze. Ich bewege meinen schmerzenden Körper aus den Schatten der Folie, um ein Feuer zu entfachen. Es dauert nicht lange bis der Billy kocht und wir das Wasser über unsere Fertignahrung von Reiter schütten können. Heißhungrig verschlinge ich gleich zwei Mahlzeiten, worauf mich ein Schweißausbruch übermannt und meinen nassen Körper in den Campingstuhl klebt.

Bevor dann die Sonne untergeht brechen Tanja und ich ein paar dünne Bäume ab damit die ausgehungerten Kamele mehr in ihre leeren Bäuche bekommen. Wir klettern an den knochigen Stämmen nach oben, legen ein Seil um eine Astgabel und ziehen gemeinsam daran, bis er unter lautem krachen nachgibt. Edgar sieht uns bei der anstrengenden Arbeit neugierig zu. Kaum liegt das fressbare Objekt wehrlos auf dem heißen Boden, macht er sich darüber her.

Schon kurz nach dem sich der glühende Planet von dem Tag verabschiedet, sinken die Temperaturen auf 32° Grad. Wir atmen erleichtert auf. Bevor wir uns dann auf die Campbetten verziehen renkt Tanja nach altbekannter Art meine Wirbel ein. Es kracht ein paar mal. „Ah, das war gut. Ich glaube du hast es erwischt,“ stöhne ich befreit auf und lege mich nach einem langen und anstrengenden Tag auf mein geliebtes Bett.

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