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Link zum Tagebuch: TRANS-OST-EXPEDITION - Etappe 1

Dank für die Mails! Hungrige Fluten! Das erste Bett

N 48°59'857'' E 012°24'481''
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    Tag: 32

    Sonnenaufgang:
    06:16 Uhr

    Sonnenuntergang:
    20:12 Uhr

    Luftlinie:
    25,78 Km

    Tageskilometer:
    36,67 Km

    Gesamtkilometer:
    785,34 Km

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Temperatur – Tag (Maximum):
    18 °C

    Temperatur – Tag (Minimum):
    15 °C

    Temperatur – Nacht:
    12 °C

    Breitengrad:
    48°59’857“

    Längengrad:
    012°24’481“

    Maximale Höhe:
    340 m über dem Meer

    Aufbruchzeit:
    12.00 Uhr

    Ankunftszeit:
    18.30 Uhr

    Durchschnittsgeschwindigkeit:
    13,90 Km/h

Die Regenpause nutzend packen wir unsere Habseeligkeiten zusammen und suchen das nahe Internetkaffee auf. Zum ersten Mal auf unserem Trip haben wir die Gelegenheit unsere Emails abrufen zu können. “Oh schau mal wer da geschrieben hat!”, rufe ich freudig aus. “Ach das ist ja interessant”, bemerkt Tanja.  “Ha, ha, ha echt lustig. Zum Krümeln!”, unterbreche ich sie schon wieder eine andere Mail lesend. Wir freuen uns über die vielen Zuschriften. Nach einer Stunde haben wir das Meiste überflogen. Für eine genaues Lesen müssen wir uns einen günstigeren Ort aussuchen, denn hier verlangen sie sechs Euro pro Stunde.

Trotzdem wollen wir uns an dieser Stelle für die vielen netten, aufmunternden und teilweise sehr hilfreichen Mails bedanken. Es tut uns gut, wenn wir von Euch liebe Leser soviel Anteilnahme und moralische Unterstützung bekommen. Tausend Dank noch Mal.

Auch an diesem regnerischen Morgen treten wir in die Pedale und treiben unsere Lastzüge der mächtigen Donau entlang. Nach wenigen hundert Metern müssen wir den Strom verlassen. Das Hochwasser hat den Radweg unter sich begraben. Langsam und über kleine Gassen nähern wir uns der Innenstadt von Regensburg, einer fantastischen Stadt deren über 2000 Jahre alten Geschichte nahezu an jeder Ecke spürbar ist. Viele mittelalterliche Gebäude und Häuser empfangen uns und scheinen tausend Geschichten ihrer bewegten Vergangenheit zu erzählen. “Ich möchte mir unbedingt den berühmten Dom ansehen”, sage ich. “Kein Problem, ich passe auf die Räder auf. Lass dir Zeit”, antwortet Tanja. Staunend wandle ich wenig später durch das uralte Wahrzeichen von Regensburg und habe das Gefühl als würde es aus jeder Ritze über seine 1200 Jahre alte Entstehungsgeschichte flüstern.

Hungrige Fluten!

Der Wasserpegel der Donau ist in der Stadt bedenklich hoch. Es fehlen nur noch Zentimeter und die braunen, mit Unrat versehenen Wogen fressen sich durch die nahen Häuser, lecken über Wege, Gehsteige und Straßen. Aus unserer Sicht ist noch keine der menschlichen Behausungen bedroht, doch umso weiter wir vordringen desto mehr Häuser entdecken wir die bereits meterhoch im Wasser stehen. Wir erreichen die älteste funktionsfähige Brücke Deutschlands. Die steinerne Brücke wurde bereits im 12. Jahrhundert von Herzog Heinrich dem Stolzen in Auftrag gegeben und diente dem Fernhandel. Wir stehen auf dem über 300 Meter langen steinernen Wunder und beobachten mit anderen Passanten gebannt den bedrohlich anschwellenden Fluss. Rauschend und brüllend pressen sich die Wassermassen durch die jahrhunderte alten Öffnungen des architektonischen Wunderwerkes seiner Zeit. Auf einer Landzunge ertrinken die ersten Häuser und Gärten in den reißenden Fluten. Das Nass trinkt in jeden Winkel vor, frisst sich in jede Ritze. Wie ein Ungetüm breitet es seine sich ständig verändernden Arme aus. Greift nach allem was es unter normalen Umständen nie erreichen würde.

Es herrscht eine eigenartige Stimmung. Der Kampf um die Stadt und dem Besitz ist im vollen Gange. Keiner weiß genau wie weit sich die Donau diesmal über die Ufer wagt und seinen Anwohnern Schaden zufügt. Noch ist der Schock der letzten Flutkatastrophe von 1999 nicht vergessen. Viele Menschen haben Angst davor, dass sich das Drama, welches sich gerade im Allgäu abspielt, auch hier fortsetzen könnte. Menschen sitzen wie im Kino auf den Parkbänken am Ufer, spannen ihre Regenschirme auf und beobachten das Schauspiel des ständig steigenden Wassers. Es ist eine reine Frage der Zeit bis sich auch dort die hungrige Flut das noch trockene Land erobert. Die Stadtverwaltung ist eifrig damit beschäftig Sandsäcke an der Uferpromenade aufzuschlichten, um das Schlimmste zu verhindern. Ladenbesitzer haben ihre Geschäfte bereits mit Sandsäcken geschützt.

Über eine Brücke lassen wir die beeindruckende historische Stadt mit ihrem Schicksal hinter uns. Wir werfen noch mal einen Blick auf den mächtigen Dom, auf die Schiffe die hier vor Anker liegen, bis sich ihre Schrauben wieder durch eine gebändigte Donau drehen dürfen.

Das erste Bett

Auf der anderen Uferseite folgen wir wieder dem Radweg. Da er meist hinter einem Damm liegt ist er nur an wenigen Stellen überflutet und wir kommen gut voran. Unter einer Brücke suchen wir vor einem starken Regenschauer Schutz. Eine Rentnergruppe hat sich den Ort ebenfalls für eine kurze Pause ausgesucht. “Na, wo fahrt ihr denn hin?”, fragt ein älterer Herr und deutet belustigt auf unsere Anhänger. “Wir fahren nach Burma”, antworte ich und warte auf den uns bereits bekannten erstaunten Gesichtsausdruck. “Ah, Burma! Ha, ha, ha. Morgen hier und heute da, dralala! Ha, ha, ha! Lustig ist das die Sintileben dralala!”, singt er lauthals lachend und nimmt uns offensichtlich nicht im Geringsten für ernst. “Und in den Anhängern habt ihr wohl die Heizung!”, kichert er weiter. “Klar, die Zeltheizung. Den restlichen Strom nutzen wir aber für unseren Kühlschrank”, antworte etwas sarkastisch. Dann frage ich die Radgruppe nach ihrem heutigen Ziel. Wir erfahren, dass sie sich in eine Pension bei Wörth an der Donau eingemietet haben. “Was kostet denn ein Zimmer?”, will ich wissen. “17 Euro mit Frühstück pro Person”, antwortet eine nette Dame. Nachdem wir letzte Nacht über 18 Euro für einen ungemütlichen Zeltplatz bezahlten und mir mein Duscherlebnis noch immer in den Knochen steckt schalte ich sofort und rufe über unser Handy die Pension an. Leider ist sie ausgebucht doch wir bekommen die Adresse einer Familie Fuchs die ebenfalls Zimmer und Ferienwohnungen vermieten. “Ja wir haben noch Zimmer frei”, antwortet Frau Fuchs mit sympathischer Stimme, worauf Tanja und ich uns riesig freuen endlich mal wieder in einem Bett schlafen zu dürfen. Wir verabschieden uns von den Rentnern die inzwischen auch glauben was wir vorhaben und radeln beschwingt unserem wunderbaren Ziel entgegen.

Am Fuße des Bräuberg bei Donaustauf strahlt uns der anmutig aussehende weiße Marmor der berühmten Walhalla entgegen. König Ludwig der Erste hat mit dem beeindruckenden Gebäude eines der bedeutendsten Nationaldenkmäler Deutschlands geschaffen. Bis in jüngster Zeit werden dort Marmorbüsten berühmter Deutscher errichtet. Tanja und ich nutzen den Ort um eine kurze Pause einzulegen. Gerne würden wir den Ehrentempel einen Besuch abstatten aber wir scheuen uns davor unsere Räder dort hinaufschieben zu müssen.

Es ist bereits 18.30 Uhr als wir die Stadt Wörth erreichen. Frau Fuchs begrüßt uns freundlich und zeigt uns die Unterkunft.  Begeistert betreten wir die nagelneue Ferienwohnung in der wir uns auf an hieb wohl fühlen. “Ihre Räder dürfen sie in die Garage stellen. Ich bringe ihnen auch gleich den Schlüssel. Morgen werde ich nicht da sein. Ich muss meine Tochter zum Bahnhof fahren und mit meinem Sohn einkaufen gehen”, sagt sie und fragt uns noch um welche Uhrzeit sie für uns das Frühstück herrichten soll. Nach bald fünf Wochen im Zelt sind wir es nicht mehr gewohnt so zuvorkommend betreut zu werden und schon lange hat uns keiner mehr gefragt wann wir unser Frühstück einnehmen wollen. “Wir sollten öfter mal in einer Ferienwohnung übernachten”, meint Tanja lachend. “Auf jeden Fall. Wenn ich an den letzten Übernachtungsplatz mit Blick auf den Abfall denke bekommt man hier für sein Geld noch richtig Leistung geboten.”

Ich befinde mich gerade in der Garage, um meinen Anhänger auszuladen als ein schwer beladenes Motorrad auf den ehemaligen Bauernhof rollt. Ein Mann mit langen Bart und Haaren steigt von der Maschine und begrüßt uns freundlich. “Das wird meine letzte Nacht in Deutschland sein”, meint er lachend. Ingo, der in seiner Motorradkluft und langen Haaren eher wie ein wilder Wikinger aussieht, stellt sich als ein sehr interessanter und angenehmer Gesprächspartner heraus. Er ist erst seit zwei Tagen unterwegs, hat alles was er je besessen hat hinter sich gelassen, seinen Wohnsitz abgemeldet und befindet sich auf dem Weg nach China. “Nach China?”, frage ich ernsthaft überrascht. “Du bist der erste Reisende auf unserem Trip der ebenfalls nach China möchte.” “Wollt ihr wohl mit euren Fahrrädern nach China?” “Ja, vielleicht treffen wir uns dort wieder”, lache ich. Im Laufe unseres kurzen Gespräches erfahren wir das Ingo Kunstprofessor an der Uni ist und während seiner zeitlich unbegrenzten Motorradreise auch in China ein Jahr an der Uni Kunst unterrichten wird. “Vielleicht bis morgen”, verabschiede ich mich von ihm weil ich Tanja versprochen habe heute in einer Gaststätte Abendessen zu gehen.

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