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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Berührung mit der hektischen Welt der westlichen Zivilisation

N 22°49’03.7’’ E 127°45’45.1’’
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    Tag: 130 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    04:49

    Sonnenuntergang:
    17:36

    Luftlinie:
    20,4

    Tageskilometer:
    25

    Temperatur - Tag (Maximum):
    32 Grad

    Breitengrad:
    22°49’03.7’’

    Längengrad:
    127°45’45.1’’

Kiwirrkurra-Camp — 23.10.2001

Der Wettergott ist uns gnädig gestimmt und hat es nicht regnen lassen. Die abendlichen Gewitterwolken haben sich im Nichts aufgelöst. Als ich um kurz nach drei Uhr am Morgen das Zelt verlasse wölbt sich ein wunderschöner Sternenhimmel über uns. Die Milchstraße ist so klar zu sehen, dass ich selbst die ganz kleinen Sterne erkennen kann. Es ist eine überraschend kalte Nacht mit nur neun Grad. Für die Moskitos ist es anscheinend zu kalt um uns wie sonst zu martern und suchen unter den vielen Grasbüscheln Schutz. Sie zeigen sich erst wenn die ersten Sonnenstrahlen, die jetzt schon um 4 Uhr 49 die Wüste in ihrem goldfarbenen, sanften Licht erwachen lässt, die Seenlandschaft erwärmen.

Begegnung in Kiwirrkurra

Schon um 7 Uhr 30 schreite ich vorsichtig der Karawane voran und suche für uns alle einen sicheren Weg um den Wüstensee. Immer wieder blicke ich vom Boden auf und genieße die Schönheit dieser ungewöhnlichen Wasserfläche die wir diesmal in südlicher Richtung umwandern. Nach Rays Aussage kommt so etwas nur alle ein bis zweihundert Jahre vor. Wir sind also Zeugen eines außergewöhnlich seltenen Ereignisses. Eine Stunde später treffen wir wieder auf den Track der kaum als solcher zu erkennen ist. Er ist so zerstört, dass er selbst für unsere Karawane absolut unpassierbar ist. Die meiste Zeit laufen wir querfeldein, dann nutzen wir wenige hundert Meter des Weges der immer öfter nasse, glitschige Stellen aufweist. Die schwer beladenen Kamele rutschen gefährlich, worauf ich das vom reißenden Sturzbächen zerklüftete Schluchtenland wieder umgehen muss. Wir überqueren saftig bewachsene Dünen, steinige Hügel und weite Ebenen bis wir die ersten Anzeichen des vor sieben Monaten evakuierten Aboriginedorfes ausmachen. „Bin gespannt ob wir dort auf Menschen treffen?“ sage ich auf die ersten Gebäude deutend die wir von einem Dünenrücken erkennen können. „Vielleicht herrscht dort ja reges Treiben und der Generator läuft,“ scherze ich. „Wer weiß,“ antwortet Tanja. Als wir näher kommen sehen wir weiße dreieckige Hüte die eine Landebahn begrenzen. „Die ist ja ewig lang. Da können bestimmt auch Jets landen,“ scherze ich wieder. Wir laufen neben der Landepiste auf dem versandeten Weg als wir tatsächlich einen Jeep sehen der parallel zu uns den Landestreifen hinunterfährt. Wir winken wie wild, doch das Fahrzeug scheint von uns keine Notiz zu nehmen oder der Fahrer hat uns noch nicht gesehen. „Also sind hier doch Menschen,“ sage ich das Auto beobachtend. Dann bleibt es unerwartet stehen. Zwei Männer steigen aus und wir können trotz der Entfernung sehen wie sie ihre Kameras zücken und uns fotografieren. „Ob wir aus dieser Entfernung auf dem Foto zu erkennen sind?“ „Das wird bestimmt ein Karawanensuchbild,“ meint Tanja. „Ja, wenn sie es nach der Entwicklung betrachten sieht man nichts anderes als Wüste und einen kleinen schwarzen Streifen der so aussieht als währe eine Fliege durchs Objektiv geflogen,“ lache ich. Wenige Minuten später hält der Jeep neben uns an. Zwei Männer lachen und fragen woher wir kommen. Es stellt sich heraus das heute Morgen ein Expertenteam mit einem Hubschrauber in Kiwirrkurra eingeflogen wurde, dessen Aufgabe es ist herauszufinden wie groß der Schaden ist und ob dieses Dorf jemals wieder besiedelt wird oder nicht. „Wir sagen Mike Harper, dem Leiter von Kiwirrkurra bescheid, dass ihr kommt. Ihr müsst einfach nur dem Weg folgen, dann erreicht ihr die Dorfmitte,“ erklären die beiden und fahren davon. Im Dorf fährt uns Mike Harper mit seinem Jeep entgegen und begrüßt uns freundlich. „Ihr wisst schon, dass ihr hier gar nicht sein dürftet?“ „Was? Wieso denn nicht?“ ,frage ich überrascht. Kiwirrkurra ist für alle geschlossen. Die Behörden in Alice Springs haben versucht euch ausfindig zu machen um euch zu stoppen.“ „Aber warum denn?“ „Das Wasser hier ist nicht mehr gut und die gesamte Gegend ist evakuiert. Man könnte euch nicht helfen falls etwas geschieht.“ Ich höre mir seine Antwort an und frage mich ob er es ist der diesen Blödsinn verzapft oder ob die Behörde in Alice Springs nur eine fadenscheinige Ausrede gebraucht. „Aber wir laufen durch dieses Land schon seit 1 ½ Jahren, trinken Wasser aus Flüssen, Seen, Windmühlen und bisher war es den Behörden egal ob wir krank werden oder nicht.“ „Klar,“ lacht er auflockernd. „Ihr wisst ja wie Behörden sind.“ „Wahrscheinlich haben sie Angst wir könnten hier irgend etwas stehlen. Vielleicht einen Fernseher und ihn in einer Satteltasche mitnehmen,“ antworte ich ebenfalls lachend. „Aber Scherz beiseite, wir besitzen eine Genehmigung von höchster Stelle und von den Aborigines selbst diese Region betreten zu dürfen.“ „Das kann nicht sein. Bestimmt nicht von der Ngaanyatjarra Council (Rat der Räte oder Institution). Doch genau von denen.“ Na dann braucht ihr euch keine Gedanken zu machen. Alice Springs hat mich veranlasst euch über das Satellitentelefon zu erreichen, um euch zu sagen, dass ihr für jeden Tag den ihr hier verbringt mit 2000 Dollar Strafe belegt werdet.“ „Was? Die haben anscheinend vergessen uns eine Genehmigung ausgestellt zu haben. Hätten wir dieses Stück Papier nicht würden sie uns wie Schwerverbrecher bestrafen.“ „Ja, diese sinnlose Genehmigungssache wird sowieso bald ein Ende haben. Die Aborigines selber hätten absolut nichts dagegen euch hier zu sehen. Sie würden sich sogar sehr freuen.“ „Ja, ich weiß. Alle Aborigines denen wir bisher begegnet sind waren uns äußerst wohlgesonnen. Keiner wollte eine Genehmigung sehen und als ich mit ihnen darüber sprach brachen sie regelrecht in Lachen aus. Jeffery James von Kunawarritji meinte sogar das kein Aborigine irgend etwas dagegen haben wird wenn wir ihr Land durchqueren. Ich habe gehört das diese Genehmigungen von Weißen ausgestellt werden und nicht von Aborigines. Stimmt das?“ „Ja.“ „Was für eine Ironie das wir Weißen hier wieder einmal unsere Finger im Spiel haben. Es hat anscheinend nicht gelangt, dass wir ihre Kultur nahezu ausgerottet haben. Das wir dieses Volk entmündigt, entwurzelt und versklavt haben und jetzt sorgen eine Hand voll Weißer dafür wer in ihr Land darf und wer nicht. Was läuft denn hier falsch? Ich kann ja durchaus verstehen das ein Aborigine selbst entscheidet wer in die Reservate darf und wer nicht aber ich kann es einfach nicht begreifen, dass hier eine andere Rasse diese Entscheidungen trifft. Nachdem was uns zu Ohren gekommen ist werden die Aborigines im Regefall gar nicht gefragt wer in ihr Land reisen darf und wer nicht.“ Mike gibt mir kopfnickend recht. Ich bin fassungslos und aufgewühlt über diese Institution die alles dazu beiträgt den Rassenhass in Australien weiter zu schüren. Viele australische und internationale Touristen die wir auf dem Weg getroffen haben können diese Einrichtung ebenfalls nicht verstehen. Einige haben sogar richtig geschimpft. „Wir sind doch alle Australier und hier benötige ich eine Genehmigung um durch unser Land zu fahren,“ beschwerte sich einer. „Also ich kann nicht verstehen was das soll? Da spricht man von einer Nation und plötzlich wird man wie ein Ausländer behandelt,“ meinte ein anderer. „Ich zahle pflichtgerecht meine Steuern und bin genauso Australier wie die Aborigines.“ „Wir sind doch ein freies Land und plötzlich schreibt man uns vor wie lange wir uns wo aufhalten dürfen,“ sind nur einige der Beschwerden die uns zu Ohren gekommen sind. Um hier den Rassenkonflikt nicht noch mehr Zunder zu geben lasse ich all die wirklich schlimmen Aussagen weg. Wir haben mittlerweile von mehreren Seiten erfahren, dass eine besonders schlecht gelaunte Dame die in dem zuständigen Büro die Genehmigungen verteilt viele der Touristen und Outbackreisenden unfreundlich behandelt. Es ist die gleiche Frau die uns im nachhinein Schwierigkeiten bereiten wollte. Wie auch immer, jeder muss solch eine Genehmigung in der Tasche haben und jeder der das Land mit dem Jeep durchquert bekommt sie auch. Das Eigenartige ist, dass dieser Passierschein nichts kostet und so wie es aussieht nur dafür gut ist den Wasserkopf einer Behörde zu füttern die bei ihrer Gründung mit Sicherheit einen guten Zweck verfolgte. Klar kann ich verstehen, dass die Aborigines ihr Land schützen wollen. Das sie nicht wollen, dass wir Weißen an allen Ecken und Enden ihre heiligen Plätze entweihen. Doch im Augenblick scheint bei dieser Behörde jemand zu walten und zu schalten der Entscheidungen nach persönlicher Willkür trifft und nicht nur im Interesse der Aborigines.

„Ich habe nichts gegen eure Anwesenheit. Sucht euch einen Platz zum campen. Solltet ihr mal wieder duschen wollen sagt mir bescheid. Ihr könnt so lange bleiben bis ihr für euren Weitermarsch wieder fit seit. Wenn ihr Wasser benötigt nehmt bitte keines aus irgend einer Leitung. Bei der Schule gibt es Regenwassertanks. Ich komme später um dich abzuholen. Dann können wir eure Wassersäcke auffüllen,“ sagt Mike freundlich und verabschiedet sich von uns.

Durch die hohe ungerechte Strafandrohung immer noch geschockt suchen wir nicht mehr lange nach einem geeigneten Lagerplatz. Gleich neben dem laut donnernden Generator, auf einen ausgespülten Pfad entladen wir unsere Tiere. Von Zeit zu Zeit werden wir von den verschiedenen Experten besucht. Sie wechseln ein paar Worte mit uns, schießen einige Fotos, um dann wieder ihrer Arbeit nachzugehen. Der Hubschrauber startet und zieht einen weiten Bogen über unsere Köpfe und so wird das evakuierte Aboriginedorf für uns eine Begegnung mit der hektischen Welt des westlichen Zivilisationsmenschen.

Am Abend übernehmen die Stechmücken die Kontrolle. Alles was nicht gestochen und ausgesaugt werden möchte sucht Schutz hinter den Wellblechwänden der Hütten. Nachdem Mike sich nicht mehr blicken lässt fliehen Tanja und ich angeschlagen und angesaugt in unser Schloss. Der Generator rattert laut und lässt uns das Einschlafen nicht leicht fallen. Keine Vögel, Grillen, Dingos oder Frösche sind zu hören nur das ewige Knattern.

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