Skip to content
Abbrechen
image description
RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Katzen eine Delikatesse

N 22°52’35.6’’ E 127°50’55.4’’
image description

    Tag: 131 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    04:48

    Sonnenuntergang:
    17:36

    Luftlinie:
    11

    Tageskilometer:
    21

    Temperatur - Tag (Maximum):
    29 Grad

    Breitengrad:
    22°52’35.6’’

    Längengrad:
    127°50’55.4’’

Seil-Camp — 24.10.2001

Mike kommt schon um fünf Uhr am frühen Morgen angefahren. „Entschuldigt das ich gestern nicht mehr kommen konnte. Ich wurde von dem Expertenkomitee aufgehalten.“ „Kein Problem,“ antworte ich, gerade im Begriff die Zelttasche zu Jasper Sattel zu tragen. „Wenn du willst fahre ich dich jetzt zum Schulhaus damit du eure Wassersäcke voll füllen kannst.“ „Gerne,“ antworte ich und steige in seinen Toyota. „Und, werden sie nun Kiwirrkurra wieder aufbauen oder nicht?“ ,möchte ich wissen. „Keine Ahnung. Es wird noch ein paar Tage dauern bis sie sich ein Bild gemacht haben.“ „Wenn sie den Ort nicht mehr besiedeln, werden viele Aborigines ihr liebgewonnenes Heim verlieren.“ „Ja, das wäre sehr schade, denn es ist ein ausgesprochen freundlicher Mob. Weißt du, sie leben noch sehr traditionell. Viele von ihnen gehen nach wie vor zur Jagd. Sie kaufen nur wenig im Laden. Erst 1984 haben sie hier eine Gruppe mit neun Menschen aus der Wüste hereingebracht.“ „Ah, ich habe davon gehört. Schade das sie gerade jetzt nicht hier sind. Ich hätte sie gern getroffen.“ „Ich bin mir sicher, dass sie euch auch gerne gesehen hätten. Walimpiri war damals erst 23 Jahre alt als sie ihn vor 17 Jahren aus der Wüste nach Kiwirrkurra brachten. Heute ist er ein bekannter Maler und verdient gutes Geld. Es ist ein ausgesprochen interessanter Charakter. Er besitzt für jeden mit dem er sich unterhält einen anderen Gesichtsausdruck. Er ist ein sehr gelassener Typ den nichts aus der Ruhe bringen kann. Auch geht er immer noch zur Jagd. Einmal habe ich gesehen wie er mit bloßen Händen eine Katze gejagt hat. Die sind wie du weißt verdammt schnell. Er hat sie trotzdem erwischt. Ich konnte nicht erkennen wie er sie getötet hat. Man hat der Katze keinen Kratzer angesehen. Katzen gelten übrigens bei den Aborigines als Delikatesse.“ „Hast du auch schon mal eine gegessen?“ „Ja.“ „Und wie schmecken sie?“ „Sehr gut, fast so wie Hühnchen. Mein Mob hat mir mal ein Vorderbein gegeben. Hast du gewusst das sie aus dem Spinifexgras Damper zubereiten?“ „Damper aus Spinifex? Wie schmeckt denn das? „Ach fürchterlich.“ „Seit wann hat denn Walimpiri einen Führerschein?“ „Er fährt erst seit zehn Jahren und zerstört einen Toyota nach dem anderen. Geld bedeutet ihm nicht viel und wenn er seinen Jeep zu Schrott gefahren hat kauft er sich einen neuen. Sein Bruder lebt übrigens in Alice Springs. Leider ist er mittlerweile dem Alkohol verfallen. Alice Springs ist für viele Aborigines kein gutes Pflaster. Im Busch, auf der Jagd sind sie völlig anders. Sie erzählen sich am Lagerfeuer unaufhörlich Geschichten wie zum Beispiel: „Weißt du noch? An dem Baum dort drüben habe ich die Schlange gejagt. Sie ist dann zu dem Busch ausgerissen aber ich habe sie trotzdem erwischt.“ Sie erzählen sich jedes Detail und haben ein fantastisches Gedächtnis. In Alice kommen sie in schlechte Gesellschaft, werden vom Alkohol zerstört und ihr Leben ist dahin. Walimpiris Bruder hat von einem Galeriebesitzer einen Karton Bier angeboten bekommen damit er ihm ein Bild malt. Auf diese Art ist er zum Alkoholiker geworden. Auf diese Weise kommt das eine oder andere Gemälde in die Galerien und der Galerist macht somit ein Schnäppchen.“ Ich bin wiedereinmal geschockt über diese traurige Geschichte und schweige für einen Augenblick. „Moral ist oftmals nicht gefragt. Hauptsache man kann genug Geld verdienen,“ breche ich das Schweigen. „So hier sind wir,“ sagt Mike und stoppt den Jeep. Er zeigt mir wo ich die Wassersäcke auffüllen kann und da er wegen den Regierungsleuten stark beschäftigt ist verspricht er mir in einer halben Stunde wieder zu kommen. Das Wasser aus dem Hahn fließt sehr langsam. Unzählige Moskitos massakrieren mich während ich die 180 Liter Wasser in 18 Beutel fülle. Wie versprochen holt mich Mike dann wieder ab. Er hilft mir die Wassersäcke zu seinem Auto zu tragen und fährt mich dann zu unserem Lagerplatz zurück. „Wie war denn das mit dem Regen?“ ,möchte ich wissen. „Ich wurde Anfang März von den Bewohner des letzten Hauses nachts um 2 Uhr 30 angerufen. „Mike komm schnell du musst dir das ansehen,“ haben sie gesagt. Ich konnte durch das Dach meines Hauses den Regen nicht hören und war etwas verwundert. „Geh raus. Geh ins Freie und sehe dir das an,“ überzeugten sie mich mal nach draußen zu gehen. Das Wasser kam wie aus Eimern vom Himmel gestürzt. Als ich wenige Minuten später das letzte Haus erreichte trat das Wasser bereits über die Veranda und floss in den Wohnraum. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich alle Bewohner des Dorfes in die Halle evakuiert. Kaum waren alle da ging auch sie unter Wasser und wir sind ins Schulhaus geflohen welches höher steht. Gott sei Dank waren die meisten der Dorfbewohner nicht durchnässt. Der Regen, der nur das letzte Ende eines Zyklons war hat angehalten und am nächsten Tag hat die Regierung alle Bewohner bis auf mich rausgeflogen. Ich bin da geblieben, um nach dem Rechten zu sehen und mein Haus ist zum Glück nicht überflutet worden. Das Militär hat übrigens 280 Dieselfässer eingelogen, um den Generator am Laufen zu lassen. Wenn man die Transportkosten umrechnet kostet jetzt ein Liter Diesel 28 Dollar.“ „Ich kann verstehen das die Behörden sich gut überlegen müssen ob es nicht günstiger ist Kiwirrkurra an einem sicheren Ort wieder neu aufzubauen. Das wird Millionen kosten,“ meine ich nachdenklich. Als wir an unserer Lager ankommen würde ich mich noch gerne länger mit dem sympathischen Mike unterhalten, doch wir haben uns entschieden noch heute weiterzugehen. „Ihr könnt gerne noch ein paar Tage bleiben wenn ihr wollt,“ bietet uns Mike noch mal an. „Vielen Dank Mike aber die Regenzeit steht schon wieder vor der Tür und wir wollen so schnell als möglich diese überschwemmte Region hinter uns lassen. Bei uns zählt jetzt jeder Tag.“ „Kann ich verstehen. Vor wenigen Wochen hat hier ein starkes Gewitter das gesamte Umland wieder ruckzuck unter Wasser gesetzt. Da wo wir jetzt stehen war schon nach kurzer Zeit alles Schlammig und morastig,“ erzählt er und Tanja und ich wissen, dass er das Gewitter meint welches wir auf unserer Sanddüne erlebten. „Das Land benötigt nicht viel Wasser um erneut unterzugehen,“ sage ich und schlichte die Wassersäcke zu Edgars Sattel. „Komm sieh dir noch unsere Genehmigung an,“ fordere ich ihn auf, um wirklich sicher zu gehen den richtigen Passierschein durch für Region zu besitzen. „Nein, ich glaube das ihr die Genehmigung habt. Abgesehen davon bin ich ja jetzt hier und habe wie gesagt nichts gegen eure Anwesenheit.“ „Trotzdem, ich möchte das du mal einen Blick darauf wirfst.“ „Okay,“ antwortet er und lacht herzhaft als ich ihm die Papiere zeige. „Das ist euer Freibrief durch dieses Land. Paul Acfield, der General Manager der euch die Genehmigung unterschrieben hat gibt es mittlerweile nicht mehr. Er war ein wirklich positiver, guter Manager der viel bewegt hat. Man hat ihn entlassen.“ „Manchmal trifft es einfach die Falschen,“ sage ich und lasse es darauf beruhen.

Erst um 9 Uhr verlässt unsere Karawane Kiwirrkurra. Wie uns Mike empfohlen hat laufen wir wieder in die Richtung aus der wir gestern gekommen sind. Der Weg der direkt nach Osten führt ist vom Unwetter völlig zerstört worden. So kommt es, dass wir einen 17 Kilometer weiten Umweg marschieren müssen. In einem großen Bogen umgehen wir nun das Dorf bis wir Stunden später auf das ausgewaschenen Bett treffen welches uns nach Osten führt. Starker Schwindelanfälle machen mir heute wieder das Gehen zur Hölle. Erst vor wenigen Tagen dachte ich die Ursache dafür in der Voltarencreme gefunden zu haben und jetzt muss ich diese Annahme völlig revidieren. Der Boden schwankt wie auf einer Achterbahn unter meinen Füßen. Ich habe Konzentrationsschwierigkeiten und das Gefühl mich übergeben zu müssen. „Es ist wieder da.“ „Was ist wieder da?“ „Die Schwindelanfälle.“ „Oh nein, ich dachte es war die Creme.“ „Dachte ich auch aber so wie es aussieht ist es irgend etwas anderes. Ich fühle mich wirklich nicht gut und habe keine Ahnung wie es weitergehen soll. Schon den ganzen Morgen als ich die Wassersäcke auffüllte hat es mich gedreht. Ich hoffe nicht das es Ross River ist?“ „Hoffentlich nicht. Ich mache mir langsam Sorgen um dich.“ „Ich auch. Mir geht es schon seit Wochen nicht mehr gut. Es tut mir leid dich damit belasten zu müssen.“ „Es braucht dir nicht leid tun. Du kannst doch nichts dafür.“ „Ja ich weiß aber trotzdem. Es wäre schön wenn es uns beiden gut geht. Ich weiß nicht wohin sich dieser Schwindel steigert aber ich bekomme langsam Angst. Noch sind wir über 200 Kilometer von der nächsten Aboriginegemeinschaft entfernt und wie uns der Track hier zeigt kann im Notfall kaum jemand hier reinfahren.“ „Aber man kann fliegen.“ „Stimmt, nur möchte ich keinen mit unseren Schwierigkeiten belasten. Ich will es wirklich aus eigener Kraft schaffen dieses Land zu durchqueren. Die früheren Entdecker konnten ja auch nicht einfach den Notdienst anrufen.“ „Die sind auch nicht selten an ihrer Entdeckungslust gestorben.“ „Stimmt, sterben möchte ich nicht,“ sage ich und quäle mich weiter.

Die lange geflochtene Schlange

Am frühen Nachmittag führe ich die Karawane auf eine lichte, von Spinifex bewachsene Fläche. Wir entladen sie und schaffen unsere wichtige Ausrüstung in den spärlichen Schatten eines Busches. Fast bewusstlos vor Hüftschmerzen und Schwindelanfällen setze ich mich in den Stuhl und starre eine ganze Weile vor mich hin. Tanja ist beim Kamelehüten während ich große Schwierigkeiten habe soviel Kraft aufzubringen meine Navigationsdaten in das Logbuch einzutragen. Meine Gedanken schweifen immer wieder in die Ferne und ich kann mich selbst dabei ertappen von Zuhause zu träumen. Ich sehe unsere Heimatstadt Nürnberg vor meinem inneren Auge, unsere kleine Wohnung und das bequeme Bett. Ich verfalle in einem Tagtraum und sehe mein kleines Büro in dem ich schon Hunderte von Seiten geschrieben habe. Ich denke an meine Eltern, unsere Freunde. An eine kühle Dusche, ein kaltes Bier und die wohlige Sicherheit die einem die Zivilisation bieten kann. „Max hat sein Seil verloren,“ krächzt es aus dem Lautsprecher des Sprechfunkgerätes. Aus meinen Gedanken gerissen greife ich das Waky Talky. „Weißt du wo?“ „Keine Ahnung. Sie haben in einem weitem Radius um das Camp herum gefressen.“ Müde stehe ich auf und helfe Tanja bei der aussichtlosen Suche. In einem riesigen Umkreis sind sieben Kamele verteilt die durcheinaderlaufend seit über zwei Stunden nach Nahrung suchen. Da Max die kleinsten Fußabdrücke von allen hat finde ich sie nach einiger Zeit. Konzentriert folge ich ihnen, doch sie verlieren sich immer wieder im hohen Gras oder auf festem Untergrund. Tanja ist in den letzten Jahren eine regelrechte Spezialisten im Finden von den unmöglichsten Dingen geworden. Sie sagt immer man braucht sich auf den gesuchten Gegenstand nur konzentrieren und kann sich sicher sein ihn zu finden. In der Geisterstadt Karatong in der Wüste des Totes in Westchina hat sie einen mindestens 2000 Jahre alten Ringe gefunden. Im Iran hat sie in der verfallen Stadt Pers Polis ebenfalls einen uralten Ring entdeckt und vor ca. 1 ½ Jahren fand sie unseren Goldnugget “Immer Morgen” innerhalb nur 30 Sekunden, um nur einige ihrer Funde zu nennen. Keine Ahnung wie Tanja all die tollen Gegenstände entdeckt, jetzt geht es darum das äußerst wichtige Hüterseil von Max in dem Meer von Spinifex zu finden. Konzentriert folge ich der Fährte zwischen dessen Abdrücken ich die Seilspuren entdecke. „Hast du schon etwas gefunden?“ ,frage ich Tanja über Sprechfunk die einige hundert Meter von mir entfernt ebenfalls den Boden absucht. „Nein nichts zu sehen.“ Ich habe das Ende des Gebietes erreicht wo unsere Kamele vor kurzem noch gefressen haben. Dann laufe ich wieder zurück und hoffe immer noch den Abdrücken von Max zu folgen und nicht denen von Sebastian, Istan oder einen der anderen. Plötzlich liegt die lange geflochtene Schlange vor mir, versteckt im stacheligen Spinifexgras. „Ich habe es gefunden!“ ,rufe ich erregt. „Hurra! Hurra!“ ,freut sich Tanja und tanzt aufgeregt wie eine Fee durch das Gras. Wir laufen aufeinander zu, umarmen uns und freuen uns gemeinsam.

This site is registered on wpml.org as a development site.