Aufreibende, atemberaubende Zugfahrt und heikler Grenzübertritt
N 30°40’51.0’’ E 104°03’23.2’’Datum:
06.03.2016 bis 09.03.2016
Tag: 251 – 254
Land:
China – Vietnam
Provinz:
Sichuan – Yunan
Ort:
Stadt Chengdu – Stadt Lao Cai
Breitengrad N: Stadt Chengdu
30°40’51.0’’
Längengrad E: Stadt Chengdu
104°03’23.2’’
Tageskilometer:
3.000 km Zugfahrt nach Vietnam und zurück
Gesamtkilometer der E-Bike-Expedition:
15.819 km
Bodenbeschaffenheit:
Schiene
Maximale Höhe:
500 m
Gesamthöhenmeter der E-Bike-Expedition:
25.392 m
Sonnenaufgang:
07:25 Uhr – 07:21 Uhr
Sonnenuntergang:
19:05 Uhr – 19:07 Uhr
Temperatur Tag max:
27°C
Temperatur Tag min:
12°C
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
Nach Tanjas Vietnamreise ist unsere Wiedersehensfreude groß. Während eines Spaziergangs im Park erzählt sie mir im Detail ihre Erlebnisse. Dann bereiten wir meine morgige Grenzfahrt vor. Damit ich während meiner Zugreise nicht verloren gehe, schreibt sie mir einen genauen Plan. Selbst eine Zeichnung der chinesischen, vietnamesischen Grenze fertig sie an.
„Ich begleite dich zum Bahnhof“, sagt Tanja als es soweit ist. „Super“, freue ich mich. Als wir mit dem Bus am Hauptbahnhof von Chengdu ankommen ist die Hektik unbeschreiblich. Weil ich seit Tagen in unserem ruhigen Viertel lebe, trifft mich der unmenschliche Lärm als wäre ich gegen eine Betonwand gelaufen. Aus den unzähligen Geschäften brüllen Lautsprecher ihre sich unaufhörlich wiederholenden Angebote und Kaufaufforderungen. Tausende von Menschen wimmeln durcheinander. „Du musst auf Taschendiebe aufpassen. Am besten du steckst dein neues Smartphone in die Brusttasche“, warnt mich Tanja, da mir mein letztes Smartphone an einer Bushaltestelle in Ulan Bator gestohlen wurde. Da sie vor ihrer Abreise von Fritties mit Ketchup geschwärmt hat, gehen wir in den gleichen Schuppen, um meinen Appetit darauf zu stillen. Dann bringt sie mich zum Eingang des großen Bahnhofs. Mit Tanjas Beschreibung in der Hand finde ich mich sehr gut zurecht und sitze wenig später im gleichen Zug wie sie vor wenigen Tagen. Schnell finde ich mein Schlafabteil, stelle meinen kleinen Rucksack auf das untere Bett und setze mich daneben. „Du kannst die Fahrt genießen, hast ein Bett für dich alleine. Die anderen Fahrgäste setzen sich nicht darauf. Jeder geht sofort auf dem von ihm gebuchten Schlafplatz“, meinte Tanja. „Puh“, stöhne ich erleichtert, mich auf meine saubere Schlafstätte für die kommenden 19 Stunden, niederlassend. Kaum habe ich es mir bequem gemacht, poltert ein etwas dicklicher, völlig verschwitzter und außer Atem geratener Teenager herein. Mich nicht beachtend, wirft er seinen Koffer und eine mit Naschereien vollgestopfte große Plastiktüte auf das Bett mir gegenüber, lässt sich darauf nieder und schmiert sein verschwitztes Gesicht in das dort liegende, frisch überzogene Kopfkissen. Dann packt er einen Schokoriegel aus, beißt hinein und spült das ganze mit einer Cola hinunter. Plötzlich springt er auf, dreht den Lautsprecherschalter des Abteils auf volle Pulle. Eine chinesische, schrille Frauenstimme scheppert aus dem Lautsprecher. Sie klingt genauso wie die vor den vielen Verkaufsläden am Bahnhof. Die eben noch genossene Ruhe ist nachhaltig vertrieben. Der dralle Junge lässt sich wieder auf das Bett plumpsen, schält eine der schrecklich schmeckenden Fertigwüste aus ihrer Plastikummantelung und schiebt sie sich, schnell kauend wie ein Hase, in den Mund. Nur wenige Minuten vergehen als ein weiterer, diesmal spindeldürrer Junge, in das Abteil hineinschnauft, als hätte er gerade die Spitze des Mount Everest erklommen. Er stöhnt derart, dass ich im ersten Augenblick Bedenken habe er könnte jeden Moment an Kreislaufversagen zusammenbrechen. Auch er lässt sich nun neben seinem Kumpel auf der Sitzbank nieder. Als mich sein scheuer Blick kurz streift, erschrecke ich. „Der Arme ist ja blind“, geht es mir durch den Kopf. Jedoch verhält er sich wie ein Sehender. Dann bemerke ich, dass er gefärbte Kontaktlinsen trägt, die ihm den erschreckenden Blick eines Aliens verleihen. Unter weiterem lauten Gestöhne und einer Unterhaltung, die eher an das typische Geschrei der Chinesen erinnert, schlichten die beiden ihr Gepäck in die Ablage über den Betten. Kaum ist dies geschehen, eilen sie aus dem Abteil und hinterlassen einen erstmal verschreckten Ausländer. Ich ergreife meine Chance, um den Lautsprecherregler wieder nach unten zu drehen. Puh, zumindest das Gebrüll dieser furchtbaren Frauenstimme ist jetzt erträglicher. Es ist ja nicht so, dass ich plötzlich lärmempfindlich geworden bin, aber zuviel ist einfach zuviel. Kaum sitze ich wieder auf meinem schönen Bett, stürmen die zwei halbwüchsigen Männer abermals ins Abteil, lassen sich wie unerzogene Lausbuben auf ihre Liegfläche plumpsen, greifen in die Tüte mit den schrecklich ungesunden Naschereien und öffnen eine Tüte mit Chips. Laut schmatzend, etwa so als würden mehrere Schweine aus einem großen Trog fressen, vertilgen sie mit stets offenem Mund das Knabberzeug. Sie sind gerade dabei eine Packung mit Bonbons zu öffnen, als ein weiterer, laut schreiender Chinese, unser Zugabteil betritt. „Er ist sicherlich der Chef der Horrortruppe“, denke ich mir, weil er sich wie ein kleiner Gorilla aufführt der um seinen Harem wirbt. Es fehlt nur noch, dass er sich mit der Faust auf die Brust trommelt. Die Drei sitzen mir nun gegenüber, brüllen herum, als müssten sie sich aus großer Entfernung etwas zurufen, essen Bonbons und eine weitere Tüte Chips. Bisher hat mich keiner von ihnen angesehen, geschweige denn registriert. Ich scheine einfach nicht da zu sein. Vielleicht bin ich in einem Harry Potterfilm gelandet und habe aus Versehen Harrys Mantel übergestreift der mich unsichtbar macht? Egal, ich beobachte meine Abteilgefährden, die jetzt unter dröhnendem Gelächter mit dem Kartenspiel begonnen haben. Es ruckt ein paar Mal, dann setzt sich die eiserne Schlange in Richtung der Stadt Kunming in Bewegung. Plötzlich streckt ein Mädchen, etwa im Alter der Jungs, ihren Kopf ins Abteil. Das Geschrei nimmt zu. Da auf der Sitzbank der Teenager kaum Platz ist, setzt sie sich einfach auf meine Schlafstätte. „Die Chinesen verziehen sich grundsätzlich auf ihr gebuchtes Bett. Genieße die Fahrt“, gehen mir Tanjas Worte durch den Kopf. Da ich Ausländer bin und den letzten Zug in diesem Land vor etwa 20 Jahren nutzte, weiß ich nicht wie ich mich verhalten soll. Ich entscheide mich weiterhin den zurückgezogenen Beobachter zu mimen. Plötzlich unterbrechen die Vier das Kartenspiel, zücken ihre Smartphones, um darauf weiter zu spielen oder sich ohne Kopfhörer Filme anzusehen. Der dabei entstehende chinesische Soundsalat lässt mir fast das Trommelfell platzen. Keiner der jungen Leute widmet sich der jeweilige Tätigkeit länger als fünf Minuten. Damit nicht genug, während sie unaufhörlich auf ihre Displays kucken, spielen sie gleichzeitig Karten, unterhalten sich, reißen Witze, essen Chips, Schokolade, Billigwürste und trinken gemeinsam aus einer großen Pulle Cola. Fassungslos sitze ich da und glaube auf einem anderen Planeten gelandet zu sein. Wenn das die Generation von morgen ist dann kann ich China nur bedauern. Die Dekadenz sprängt hier, direkt vor meinen Augen, jegliche Grenzen. Zwischenzeitlich haben es sich schon zwei der Abteilgenossen auf meinem Bett bequem gemacht. Klar, wenn man sich gegenüber sitzt spielt es sich besser. Dann, als hätte jemand ein Kommando gegeben, springen sie laut kichernd auf und stürmen aus dem Coupe. Wieder nutze ich die Gelegenheit und lege mich auf mein Bett, damit ich zumindest meinen bezahlten Bereich sichere. Die Viererbande eilt wenige Minuten später wieder herein. Da meine Liegestätte nun offensichtlich von mir selbst belegt ist quetschen sie sich laut lachend auf die Sitzbank gegenüber. Auch wenn das Gelärme, Genasche und Gespiele unverändert weitergeht, habe ich mich jetzt zumindest ein wenig behauptet. Verblüffenderweise, hat mich nach der bisherigen zweistündigen Zugfahrt, immer noch keiner der Vier eines einzigen Blickes gewürdigt. So habe ich trotz des Lärms die Gelegenheit, auf der wichtigsten Verkehrsverbindung Südwestchinas von Chengdu nach Kunming, die Landschaft zu genießen.
Es ist 18:00 Uhr als ich nach fünf Stunden das Schweigen zwischen meinen Mitreisenden und mir breche. Da ich festgestellt habe, dass der von mir als Chef der Gruppe Erklärte recht passabel Englisch spricht, ist die Kommunikation einfacher als gedacht. Heshu ist kein brunftiger Gorillateenager, sondern ausgesprochen nett. Das Verhalten der Vier ist sicherlich auf ihre Erziehung zurückzuführen. Als reiche Einzelkinder sind sie von ihren Eltern wie kleine Prinzen behandelt und höchstwahrscheinlich selten gemaßregelt worden. Auch stelle ich immer wieder fest, dass viele Chinesen Ausländern gegenüber anfänglich recht schüchtern und scheu sind. Vielleicht ein Grund warum die Vier versuchten mich nicht als ein anwesendes Lebewesen zu registrieren. Nach wenigen Minuten der Konversation taut Heshu auf und berichtet der Sohn eines Bürgermeisters zu sein. „Auch meine Studienkollegen kommen aus reichen Familien. Der etwas Dickere ist der Sohn sehr vermögender Eltern, die durch den Kauf und Verkauf von Hochhäusern Multimillionäre geworden sind. Obwohl das Geschäft seit einem Jahr nicht mehr so gut läuft“, erklärt er. „Und was habt ihr in Chengdu gemacht?“, interessiert es mich. „Wir waren in der Stadt, um uns an einer Eliteuniversität zu bewerben.“ „Was wollt ihr denn studieren?“ „Journalismus.“ „Und? Seit ihr aufgenommen worden?“, möchte ich wissen. „Nur ich, die Anderen sind alle durchgefallen. Aber das wundert mich nicht. Sie geben sich keine Mühe, spielen lieber mit ihren Handys herum als wirklich zu lernen. Ihnen macht das nicht all zu viel aus weil ihre Eltern reich sind“, erklärt er etwas herablassend. „Ich habe gehört ihr müsst viele Stunden am Tag studieren und besitzt kaum Freizeit, ist das richtig? „Ja, ein Studium in China ist unmenschlich. Wir müssen von 6:00 Uhr morgens bis 21:00 Uhr abends im Leersaal sitzen. Jeden Tag. Nur am Sonntag bekommen wir einen halben Tag frei.“ „Oh weh, das klingt wirklich unmenschlich. Bekommst du am Abend überhaupt noch was in den Kopf? Nach soviel Stunden muss man doch todmüde sein?“ „Eigentlich nicht, aber trotzdem dürfen wir nicht fehlen. Wir schleppen uns auch bei Krankheit in die Vorlesungen. Wir müssen viele Prüfungen ablegen um weiterzukommen. Der Druck ist immens. Immer wieder nehmen sich Studenten das Leben. In meiner Uni waren es im letzten Jahr fünf.“ „Fünf deiner Kommilitonen haben sich das Leben genommen?“, frage ich nach, weil ich glaube nicht richtig gehört zu haben. „Ja, jedes Jahr sterben in den Universitäten Chinas Studenten. Es sind viele. Sie halten den Stress nicht aus und entscheiden sich für den Freitod. Für manche ist das die einzige Möglichkeit der dauerhaften Überlastung zu entfliehen. Das Problem ist, dass du in China ohne ein erfolgreiches Studium ein Nichts bist. Du bist nichts wert und kannst kaum Geld verdienen. Die Eltern stecken oftmals alles was sie haben in ihre Kinder, so dass aus ihnen etwas wird. Das ist ihr einziger wirklicher Lebensinhalt. Ich bin meinen Eltern sehr, sehr dankbar was sie für mich getan haben.“ „Dein Vater muss ja mächtig stolz auf dich sein, wenn du als einer der wenigen auf einer Eliteuniversität angenommen wurdest?“ „Oh ja, das ist er. Zur Motivation hat er mir zu meinem 18. Geburtstag einen Ford Mustang geschenkt.“ „Dann sind deine Eltern also auch reich?“ „Reich sind sie nicht.“ „Na wer bekommt schon einen Ford Mustang zum Geburtstag? Da muss man schon Geld haben“, erwidere ich. „Ja, ja, wir können nicht klagen, aber Geld ist nicht alles“, verblüfft mich seine Aussage. So kommt es, dass wir uns die kommenden Stunden angeregt über China, der Zerstörung der Umwelt und Korruption unterhalten.
„Vor zwanzig Jahren waren unsere Flüsse noch sauber. In ihnen lebten unzählige Fische. Heute sind sie völlig verseucht. Sie sind entweder gelb, braun, schwarz oder grün. Je nachdem was die Industrie da reinleitet“, überraschen mich seine offenen Worte. „Wir können leider nichts dagegen tun. Die Industrie richtet unser schönes China zu Grunde und die Regierung schaut zu oder macht mit. Es wird immer so bleiben.“ „Es wird nicht immer so bleiben. Dinge ändern sich. Ihr seid die junge Generation. Ihr könnt viel bewegen“, versuche ich ihm Mut zu machen. „Aber wie? Alles ist kontrolliert. Die haben viel zu viel Macht“, entgegnet er. „Schau dir die Geschichte von China an. Es gab soweit ich weiß 18 unterschiedliche Dynastien. Keine der Herrscherfamilien hat sich ewig halten können. Jede Regierung geht einmal zu ende, wird abgelöst von neuen Regierungen und politischen Parteien. Nichts ist für ewig in dieser Welt. Also wird sich auch bei euch etwas ändern. Bedenke was China in zwanzig Jahren alles geschaffen hat. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts galt dein Land als das Ärmste der Welt und jetzt gehört es zu den Reichsten“, sage ich. „Stimmt, nur werden wir nicht reich bleiben wenn wir unsere Umwelt opfern.“ „Da gebe ich dir recht. Es besteht absoluter Handlungsbedarf und so wie es in diesem Land aussieht bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich hoffe für deine Generation und unsere Mutter Erde, dass China das Ruder noch rechtzeitig herumreißen kann. Soweit ich weiß ist in China das erste emissionsfreie Kohlekraftwerk ans Netz gegangen. Das heißt, es erzeugt keine schädlichen Abgase mehr. Die Regierung Chinas hat erkannt, dass es so nicht weitergehen kann und steckt viel Geld in die Forschung umweltfreundlicher Energiegewinnung. Es gibt zum Beispiel unendlich große Solarparks in der Inneren Mongolei. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen. In der 30 Millionen Stadt Chongqing wird einer der größten Theatergebäude der Welt beheizt oder gekühlt in dem man Wasser des großen Jangtsekiang durch Wärmetauscher fließen lässt. Das funktioniert so gut, dass man plant in Zukunft diese fantastische Technik auch für Wohnhäuser anzuwenden. Damit würde man den Schadstoffausstoß enorm reduzieren. China ist ganz massiv daran grün zu werden und wer weiß, vielleicht werdet ihr in der Zukunft eines der saubersten Länder der Erde?“ „Ja, das wäre eine wunderbare Vorstellung“, antwortet Heshu mich anlächelnd.
Heshu und das Mädchen schlafen in einem anderen Abteil und verlassen uns um 22:00 Uhr. Das Spielen hat ein Ende und es tritt Ruhe ein. Ich schlüpfe unter meine Zudecke und falle in einen tiefen Schlaf. Als wir am kommenden Tag, nach 1.100 km Zugfahrt, der Überquerung der großen Flüsse Min Jiang, Qingyi Jiang, Dadu He und Jinsha Jaing und dem Gebirge Hengduan Shan, des südöstlichen tibetischen Hochlandes, um 7:30 Uhr Kunming erreichen, hilft mir Heshu ein weiteres Zugticket bis zur Stadt He Kou, an der vietnamesischen Grenze zu kaufen. Die Warteschlange vor den vielen Schaltern ist aber so lange, dass Heshu mich verlassen muss, um seinen eigenen Anschluss nicht zu verpassen. „Ich wünsche Dir bei deinem Studium viel Erfolg“, sage ich. „Danke, und euch viel Glück und Gesundheit während euren fantastischen Reisen“, antwortet er und verschwindet in der Menschenmenge. Nach 30 Minuten stehe ich endlich am Schalter. „Eine Fahrkarte nach He Kou“, sage ich und bin im Begriff der Frau hinter der Glasscheibe einen Zettel hinzustrecken, auf dem mein Wunsch auch auf Chinesisch geschrieben steht. Ich komme nicht mal dazu meine Hand auszustrecken, als ich das Wort Sorry verstehe und sich direkt vor meinen Augen eine Jalousie schließt. „Was soll das denn?“, frage ich meinen Augen nicht glauben wollend. Verblüfft stehe ich da und weiß nicht was jetzt zu tun ist. Wäre die Situation nicht so absurd, wäre sie zum Lachen. Weil die etwa 30 Meter lange Menschenschlange hinter mir stoisch stehen bleibt, scheint so etwas öfter vorzukommen. Links und rechts von uns befinden sich insgesamt 25 weitere Schalter an denen ebenfalls lange Menschenschlangen geduldig warten. Wenn ich meine Position jetzt verlasse, um mich dort wieder hinten anzustellen, könnte es mit meinem Anschluss knapp werden. Neugierig versuche ich zwischen die einzelnen Lamellen der Jalousie zu blicken, um zu erkennen was dahinter vor sich geht. Nervös sehe ich auf die Uhr. Noch 45 Minuten bis zur Abfahrt. Nach weiteren 15 Minuten hebt sich plötzlich das Sichtgitter. Eine andere Frau sitze da und fragt mich auf Englisch wohin ich möchte. Erleichtert strecke ich ihr das Geld hin und erhalte meinen Fahrschein.
20 Minuten später sitze ich in einem hard sleeper Abteil. Weil die Zugfahrt von Kunming nach He Kou je nach Verbindung nur ca. 6 bis 7 Stunden dauert, ist das eine günstigere Möglichkeit als in einem soft sleeper Abteil zu reisen. Allerdings teilen sich die Fahrgäste im hard sleeper zu sechst ein Abteil welches auch keine Tür besitzt und zum Gang offen ist. Auch sind, wie es der Name hard sleeper schon sagt, die Sitze hart und unbequem. Egal, in dieser Klasse sind die Chancen höher Kontakt mit dem normalen chinesischen Volk zu bekommen. So geschieht es, dass ich in einem überfüllten Zug neben einer alten Frau kaure, die sich, ihrem Geruch zu Folge, seit vielen Wochen nicht mehr gewaschen hat. Bei jeder ihrer Bewegung steigt mir eine stechende Ausdünstung in die Nase die kaum auszuhalten ist. Den anderen Abteilinsassen scheint das wenig auszumachen, zumindest kann ich bei ihnen keine Regung des Unbehagens erkennen. Als hinge ihr Leben davon ab sind sie während der gesamten Fahrt mit ihren Mobiltelefonen und Smartphones beschäftigt. Auf dem schmalen Gang, direkt neben mir, herrscht ständiger Betrieb. Fahrgäste gehen schlängelnd zwischen den vielen Ausklappsitzen hin und her, auf denen es sich andere Reisende bequem gemacht haben. Mit Kraft und Geschick zerren sie ihre Koffer oder Plastiksäcke hinter sich her. Ein Verkäufer schreit herum. Er möchte die neueste technische Errungenschaft eines Rasierers an den Mann bringen. Um zu zeigen wie robust und unverwüstlich seine Rasierer sind, drückt er das Scherblatt auf ein blechernes Tablett. Dann fragt er in die Menge wer sich nun von ihm rasieren lassen möchte. Ein alter Mann nickt behäbig mit dem Kopf. Sofort springt der Verkäufer heran und rasiert ihm recht grob die Bartstoppeln weg. Der Alte hat kein Geld aber ein anderer Mitreisender ist nun von der Qualität des Rasierers überzeugt und kauft das Teil, welches auf der Straße sicherlich billiger zu bekommen ist.
Ich schaue aus dem Fenster und kann, wie so oft in China, kaum glauben was ich da sehe. Obwohl ich nur hier drin sitze, um mit neuem Visum wieder in das Land einreisen zu können, ist diese Bahnfahrt atemberaubend, ja ich würde sagen, ein absolutes Highlight. Sie ist eine Meisterleistung der Ingenieurbaukunst und zeigt zu was die Chinesen in der Lage sind. Die Eisenbahn schlängelt sich über eine alpine Landschaft, und zwar nicht durch ihre Täler, sondern, so wie es mir scheint, auf den Gipfel der Berge. In über tausend Meter Höhe überqueren wir zahlreiche Brücken und Tunnel. Manchmal habe ich das Gefühl nicht in einer Eisenbahn zu sitzen, sondern in einer U-Bahn. Die Baurarbeiter haben sich wie Wühlmäuse hunderte von Kilometer durch die Bergspitzen gebohrt, so dass es oftmals dunkel in unserem Abteil ist und ich nur zeitweise etwas von der fantastischen Berglandschaft zu Gesicht bekomme. So wie es aussieht wird es nicht mehr lange dauern bis die Chinesen eines der größten Eisenbahnprojekte der Welt fertig gestellt haben und der Reisende über die 5.500 Kilometer lange transasiatische Strecke von Kunming über Myanmar, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Malaysia bis nach Singapur fahren kann.
Als wir am späten Nachmittag in der Grenzstadt He Kou ankommen, verlasse ich, trotz der Sicht auf die teils atemberaubendem Berglandschaft, erleichtert den Zug. „Hier musst du ein Taxi bis zur Grenze nehmen“, hat Tanja mir geraten. Im hektischen Treiben, der vom Zug ausgespuckten Reisenden, quetsche ich mich mit vier anderen Fahrgästen in eine alte, verrostete Kiste. Der Fahrer rast wie ein Verrückter los, bricht wie ein Kamikaze durch tiefe Löcher in der kaputten Straße und missachtet nahezu alle Verkehrsregeln. Nacheinander setzt er seine Kunden an den verschiedensten Orten der Stadt ab. Da ich mir nicht mehr sicher bin, ob er mich nun wirklich zur Grenze fährt, zeige ich ihm noch mal meinen Zettel auf dem in chinesischer Schrift „Border to Vietnam“ steht. Er lacht laut, haut mit der Faust auf seine Hupe, um einen Rikschafahrer tierisch zu erschrecken, lacht erneut laut auf und bricht mit quietschenden Reifen in eine Kurve. „So einem möchte ich nicht als Radfahrer begegnen“, denke ich und hoffe heile anzukommen. Tatsächlich hält er vor der Brücke, die laut Tanjas Plan, über den Honghe River nach Vietnam führt.
An der chinesischen Passabfertigung stehen nur ein paar Menschen. Ehe ich mich versehe bekomme ich meinen Ausreisestempel und verlasse über die Treppe das Gebäude. Unten angekommen überlege ich warum ich nicht gleich wieder nach China einreisen sollte? Ich bräuchte nur wieder in das Gebäude gehen und meinen zweiten Pass mit dem neuen Visum vorlegen. Allerdings werde ich von einem chinesischen bewaffneten Wachsoldaten beobachtet und traue mich nicht vor seinen Augen kehrt zu machen. Das würde für ihn sicherlich befremdlich aussehen. Wieso sollte jemand aus dem Ausreisebereich Chinas, ohne nach Vietnam zu gehen, gleich wieder einreisen? Also grüße ich den Mann und laufe bei wunderbaren Sonnenschein und angenehmen Temperaturen über die Brücke zur vietnamesischen Grenze. Ich stelle mich in eine kleine Menschenschlange und frage mich während des Wartens was ich hier überhaupt mache. „Bin von Angst gesteuert“, geht es mir durch den Kopf. „Warum sollte ich nicht einfach umkehren und wieder nach China einreisen? Tanja hat doch gesagt, dass die Chinesen bei ihrer Einreise nicht mal nach dem Ausreisestempel der Vietnamesen gesehen haben.“ Ich gebe mir einen inneren Ruck, verlasse die Warteschlange, um wieder über die Brücke zurückzugehen. Um nicht sogleich aufzufallen, drehe ich meine Schirmmütze verkehrt herum und ziehe trotz der warmen Temperaturen eine Jacke an. Da ich weiß, dass es für Chinesen nicht leicht ist uns Europäer zu unterscheiden, hoffe ich, dass mich auf diese Weise der Wachsoldat nicht gleich wiedererkennt. Tatsächlich schreite ich an ihm vorbei ohne von ihm registriert zu werden. Mit mulmigem Gefühl betrete ich das Grenzgebäude. Ich bin zu dieser Stunde der einzige Reisende. Ein chinesischer Beamter begrüßt mich freundlich und hilft mir den Einreisezettel auszufüllen. „Dort vorne ist die Passkontrolle“, sagt er auf Englisch. „Xie xie“, bedanke ich mich. „Ni hao“, begrüße ich die Beamtin hinter ihrer Glasscheibe. „Sprechen sie Chinesisch?“, fragt sie. „Nein, nur ein paar Worte“, antworte ich während sie meinen Pass ansieht. „Warum reisen sie nach China?“, möchte sie nun wissen. „Geschäftlich, ich schreibe ein Buch über ihr Land“, antworte ich wahrheitsgemäß. „Oh, das ist schön“, meint sie, nimmt den Stempel in ihre Hand, und als sie im Begriff ist ihn in den Pass sausen zu lassen, hält sie plötzlich inne und beginnt darin herumzublättern. „Oh nein. Was ist wenn sie keinen Ausreisestempel von Vietnam findet?“, macht mich mein Kopfkino nervös. Nach einer endlosen Weile, zumindest kommt es mir so vor, blickt sie mit in Falten gelegte Stirn auf und fragt: „Woher kommen sie gerade?“ „Aus China“, sage ich. „Aus China?“ „Ja aus China. Ich bin im ersten Stock aus gereist, um hier im Erdgeschoss wieder einzureisen“, erkläre ich so locker wie möglich. „Aber… wie können sie ausreisen und wieder einreisen? Wo ist denn ihr Visum mit dem sie in meinem Land waren? Das finde ich hier in ihrem Pass nicht.“ „Da ist es auch nicht drin“, gebe ich zu. „Ich besitze zwei Pässe. Sehen sie“, sage ich und reiche ihr meinen anderen Pass mit dem abgelaufenen Visum. „Na das ist aber seltsam“, meint sie und untersucht nun mit der Hilfe ihrer Kollegin die beiden Pässe. „Hm, scheint alles in Ordnung zu sein“, höre ich nach weiteren fünf Minuten ihre erleichternden Worte. „Sie können aber nicht einfach aus China ausreisen, um gleich wieder einzureisen. Sie müssen erst nach Vietnam. Wenn sie von dort ihren Ausreisestempel im Pass haben dürfen sie bei uns wieder einreisen“, meint sie. „Okay“, antworte ich freundlich. „Na dann bis gleich“, verabschiede ich mich schnell als ein Beamter mit vielen Sternen auf der Schulter das Gebäude betritt und zielstrebig auf uns zueilt. „Ni hao“, grüße ich ihn und versuche so gelassen wie möglich an ihm vorbeizulaufen. Mir ist natürlich bewusst, dass meine Papiere absolut in Ordnung sind, aber man kann ja nie wissen was Beamten alles einfällt. Deswegen mache ich mich schnell aus dem Staub. 200 Meter weiter reiche ich dem vietnamesischen Passbeamten mein Reisedokument. „Sie haben aber eine schöne Uhr. Wollen sie mir die verkaufen?“, verblüfft mich seine Frage. „Entschuldigung, aber die brauche ich selber recht dringend“, antworte ich lächelnd. Ein Kollege von ihm schlendert herbei, greift meinen linken Arm und sieht sich die Uhr an. „Ja, wirklich eine schöne Uhr. Und sie wollen sie wirklich nicht an uns verkaufen?“ „Sorry, aber ich benötige sie selber. Was ist ein Mann schon ohne Uhr?“, scherze ich. „Sie können sich ja dann eine Neue kaufen.“ „Danke, danke, aber ich bevorzuge meine alte Uhr“, lache ich. Tock, tock, saust der Stempel in meinen Pass. Ich verabschiede mich und stehe ein paar Meter weiter auf der Treppe des Gebäudes. „Brauchen sie ein Taxi oder irgend etwas anderes?“, fragt mich sogleich ein Zivilist, der offensichtlich darauf spezialisiert ist, mit unerfahrenen, frisch Eingereisten Geschäfte zu machen. Ich winke ab. „Warum sollte ich mir hier ein Hotelzimmer nehmen, um erst morgen wieder nach China einzureisen? Das ist doch absolute Zeitverschwendung“, blitzt es erneut durch meinen Kopf, obwohl meine Vernunft mir rät nicht gleich wieder vor der chinesischen Beamtin zu stehen. „Immer diese scheiß Angst“, revoltiert es in mir, drehe auf dem Absatz um und betrete erneut das vietnamesische Grenzgebäude. Der Einreiseschalter befindet sich hier nur 20 Meter neben dem Ausreiseschalter. Ich reiche dem Beamten meinen Pass mit dem ich gerade eingereist bin. Auch dieser Beamte hält kurz inne als er den vietnamesischen Einreisestempel von heute bemerkt. „Haben sie ein Visum für China?“, fragt er den Pass durchblätternd. „Ja.“ „Aber das ist abgelaufen“, entgegnet er. „Ich habe noch einen anderen Pass mit einem gültigen Visum. Hier sehen sie“, sage ich und reiche ihm den zweiten Reisepass. „Sie besitzen zwei Pässe?“, meint er, nimmt sie beide mit und verschwindet. Augenblicke später erscheint er mit seinem Kollegen wieder. Es ist der Mann der gerade meine Uhr kaufen wollte. „Warum haben sie zwei Pässe?“ „Weil ich Reisejournalist bin und ständig Visa benötige. Manchmal, so wie in diesem Fall, überschneiden sich die Antragszeiten“, erkläre ich. „Sehr clever“, sagt der Uhrenkäufer grinsend und stempelt meinen Pass ab.
An diesem Nachmittag nicht zum ersten Mal erleichtert, mache ich mich nun erneut nach China auf und überschreite die Brücke. „Hier bin ich wieder“, sage ich, als ich abermals vor der chinesischen Beamtin stehe. Umgehend prüft sie meine Ausreise aus Vietnam. Sie lächelt zufrieden, nimmt den Stempel in die Hand und… hält plötzlich inne. „Oh nein, was ist denn jetzt schon wieder?“, schießt mir eine bange Frage durchs Gehirn. „Warum haben sie zwei Pässe?“ „Weil ich beruflich viel unterwegs bin und immer Visa beantragen muss während ich noch im Ausland bin“, antworte ich, worauf sie nickt und meinen Pass endlich abstempelt. „Zaijian“, verabschiede ich mich. „Zaijian“, sagt sie freundlich.
Um 22:30 Uhr sitze ich wieder im Zug von He Kou nach Kunming. Am Morgen des nächsten Tages spricht mich ein gut gekleideter Chinese auf Englisch an. Er hat mit mir in dem gleichen hard sleeper die Nacht verbracht. Wir sind uns sofort sympathisch, worauf er mich zum Ticketschalter begleitet, um mir zu helfen den Anschlussfahrschein von Kunming nach Chengdu zu kaufen. Danach sitzen wir in einem der vielen Fastfoodläden und unterhalten uns über das Leben. „Ich komme gerade aus Kambodscha. Wir bauen dort eine Brücke“, erzählt er. „Demnach bist du Brückenbauingenieur?“ „Ja, das ist mein Job. Ich baue überall, auch im Ausland Brücken. Mache ich schon seit acht Jahren aber langsam wird es langweilig. Wenn ich genügend Geld gespart habe werde ich Lehrer.“ „Lehrer? Warum das denn?“ „Es bereitet mir Freude mein Wissen weiterzugeben. Ich finde den Lehrberuf faszinierend. Das werde ich nicht machen um Geld zu verdienen, sondern weil es mir innere Befriedigung bringt. Da bin ich mir ganz sicher. Vor allem möchte ich mal bei meiner Familie sein. Von 365 Tagen im Jahr bin ich zwischen 320 und 340 Tage unterwegs. Letztes Jahr hatte ich alleine hundert Flüge absolviert und da sind Bus und Bahnfahrten gar nicht mit eingerechnet. Meine Frau und ich bekamen vor sechs Wochen unser zweites Kind. Ich erblickte meine Tochter nur kurz nach ihrer Geburt und jetzt freue ich mich zu sehen wie sie gewachsen ist“, erzählt er. „Das ist ja furchtbar. Was bringt denn das ganze Geld wenn man nicht mehr richtig lebt und seine eigenen Kinder nicht aufwachsen sieht?“, frage ich. „Das denke ich mir auch die ganze Zeit. Das ist ja ein Grund dafür warum ich Lehrer werden möchte. Allerdings muss ich von meinem Gehalt die ganze Familie ernähren. Auch wenn jemand krank wird muss ich die Ärzte oder sogar einen Krankenhausaufenthalt bezahlen. Das kann sehr, sehr teuer werden. Dafür benötigt man große Geldreserven. Wir haben keinen Sozialstaat wie ihr in Deutschland. Bei uns musst du zahlen oder du stirbst. Abgesehen davon ist Geld für uns Chinesen das Wichtigste. Ohne bist du nichts wert. Jeder strebt danach. In unserer Geschichte ging es den Menschen oftmals nicht gut. Ist wahrscheinlich der Grund warum jeder dem Geld hinterher rennt und dabei sein Leben vergisst.“ „Kommt mir irgendwie bekannt vor. War auf der Hinreise nach He Kou mit Kindern reicher Geschäftleute zusammen. Die hatten mir berichtet ihre Eltern nicht all zu oft gesehen zu haben. Und ehrlich gesagt war das Resultat ihrer Erziehung eine Katastrophe.“ „Was für Geschäfte haben die Eltern diese Kids gemacht?“, fragt Guo. „Der eine war Bürgermeister und die anderen haben ihr Vermögen mit dem An- und Verkauf von Hochhäusern erwirtschaftet.“ „Oh, das war bis vor kurzem wirklich ein verdammt gutes Geschäft.“ „Warum bis vor kurzem?“ „Weil wir uns in China eine Immobilienblase aufgebaut haben. Es gibt viel mehr Wohnraum als wir benötigen. Viele unsere Hochhäuser stehen leer. Wir nennen sie Geisterhäuser.“ „Geisterhäuser?“, wundere ich mich. „Ja, wir nennen sie Geisterhäuser weil da keiner drin wohnen wird. Es gibt ganze Stadtviertel von solchen Geisterhäusern. Sie werden nur aus spekulativen Gründen gebaut und manchmal auch nicht richtig fertig gestellt. Jeder verdient dabei, der Betonverkäufer, all die Firmen die dort ihre Handwerker und Arbeiter einsetzen, der Bauherr, der am Ende das Gebäude zu hören Preisen an Investoren verkauft, die dann das Gebäude zu noch höheren Preisen weiterverkaufen.“ „Und was ist wenn sie es dann nicht mehr weiterverkaufen können? Irgendwann ist doch mal ein Ende abzusehen?“ „Ja, wenn es soweit ist platz die Immobilienblase und alle gehen bankrott. Aber unser Präsident hat eine fabelhafte Idee. Wir besitzen das Know how und die Baumaschinen. Wir verkaufen unser Wissen und Arbeiter ans Ausland und werden die ganze Welt mit unseren Autobahnen und Eisenbahnnetzen überziehen. Schon jetzt bauen wir eine Eisenbahnlinie von China nach Singapur. Asien ist groß. Da können wir noch kräftig expandieren. Danach gehen wir nach Afrika und Europa usw.“, erklärt er. „Wow“, antworte ich und bin im Begriff weiter Fragen zu stellen als Guo plötzlich aufspringt. „So ein Mist. Ich habe meinen Anschlusszug verpasst. Das Gespräch war für mich so interessant, dass ich nicht auf die Uhr gesehen habe.“ „Das tut mir leid.“ „Kein Problem, dann nehme ich den Bus. Der ist sowieso schneller“, sagt er, schüttelt mir die Hand und verschwindet im Gewühl der Menschen.
Die Rückfahrt von Kunming nach Chengdu ist im Vergleich zur Hinfahrt sehr relaxt. Ich teile mir das Viermannabteil mit einer jungen Mutter und ihrem lieben Baby, welches während der zwanzigstündigen Fahrt kein einziges Mal weint oder schreit. Von meinem Sitz aus genieße ich die friedliche Symbiose zwischen einer führsorglichen, liebenden Mutter und ihrem Kind. Am Abend gehe ich den Speisewagen und blicke bei einem brauchbaren Essen und einer Flasche schlecht schmeckendem Bier auf die sagenhaft schöne Hochlandschaft und deren gewaltigen Berge und Schluchten. Ich staune über die endlos wirkenden Terrassenfelder, erhasche einen Blick auf die Bauern, die dort fleißig pflanzen, gießen und ernten und auf diese Weise dazu beitragen ein Milliardenvolk zu ernähren. Auch wenn diese Zugfahrt aus rein praktischen Gründen geschehen ist, möchte ich sie nicht missen. Sie gewährt mir einen Blick in ein China welches ich mit dem Rad nicht erlebt hätte…
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