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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Auf den Weg in die Great Sandy Desert

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    Tag: 24 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:32

    Sonnenuntergang:
    17:32

    Luftlinie:
    17,6

    Tageskilometer:
    21

    Temperatur - Tag (Maximum):
    30 Grad

Kidson Track-Camp — 09.07.2001

Unsere Armbanduhren wecken uns um Punkt vier Uhr. Sofort schießen wir in die Höhe. Während sich Tanja anzieht führe ich meine tägliche Rückengymnastik durch. Dann folgt wie immer jeder Handgriff einer sich ständig wiederholenden Routine. Als ich aus dem Zelt krieche ist es 4 Uhr 30 und stockdunkel. Ich packe es zusammen und leiste Tanja im Wohnwagen beim Frühstücken Gesellschaft. Wir haben gestern schon alles zusammengeräumt und können unsere kleine Behausung der letzten zwei Wochen schnell verlassen. Dann füttere ich den Kamelen noch mal die zwei letzten Eimer Kraftnahrung und einen halben Ballen Heu. Kurz vor sechs Uhr befinden wir uns bereits in dem Kamelgehege und laden Sebastian. Alles läuft wie nach Plan und ohne jegliche Zwischenfälle. Um sieben Uhr stehen die ersten Touristen am Zaun. Sie wollen unseren Aufbruch auf keinen Fall verpassen. Seit vorgestern wurden wir ständig gefragt ob wir heute am Montag wirklich aufbrechen. Manche der Touristen haben sogar ihre Abreise verschoben, um Zeuge unseres Abmarsches zu werden.

Unser eigentlicher Aufbruchtag war der Freitag, doch kam uns das Stopfen von Edgars und Jaspers Sattel dazwischen. Wir hatten nicht damit gerechnet auch die Polsterung dieser beiden Sättel komplett neu mit Stroh füllen zu müssen. Erst beim letzten Satteltest am Donnerstag bemerkten wir, dass sich die Füllung während der Etappe Eins stark verdichtete. Jaspers Sattel war der Frühere von Hardie. Da unsere Satteltaschen die wir auf unserer Pakistanexpedition benutzten und für Edgar und Jasper extra aus Deutschland mitbrachten nicht funktionieren, entschieden wir uns auf den alten Sattel von Hardie zurückzugreifen. Jo und Tom haben uns diesen mit dem Stroh geschickt. Jafars alten Sattel für Edgar zu nutzen war schon eine Entscheidung die wir auf Anna Plains getroffen hatten.

Wie auch immer, dies war unter anderem der Grund für den längeren Aufenthalt. Jetzt besitzen alle unsere Kamele richtige Sättel. Sebastian trägt den gleichen wie auf Teiletappe Eins, Jasper trägt den von Hardie und Edgar den von Jafar. Die anderen vier besitzen die von Jo und Tom angefertigten Afghanpacksättel. Bis auf Sebastians Sattel mussten wir also alle Sättel neu stopfen, nähen und das Stroh in Form klopfen. Wenn jetzt nichts mehr Außergewöhnliches dazwischenkommt müsste auf der Etappe Zwei das Sattelproblem behoben sein. Natürlich sind die drei alten Sättel immer noch ein eventuelles Problem. Sie haben sich als völlig untauglich herausgestellt. Ich hoffe allerdings Edgar und Jasper im Durchschnitt nur mit 100 Liter Wasser beladen zu müssen. Das sollten sie und die Sättel aushalten. Wenn nicht haben wir wieder eine ungewollte Herausforderung die es mitten in der Wüste zu lösen gilt.

Es ist acht Uhr. Am Zaun des Kamelgeheges stehen ungefähr 100 Menschen. Sie filmen und fotografieren die letzten Handgriffe des Beladens. Um 8 Uhr 30 sind wir soweit, denn Edgar und Jasper bereiteten während des Ladens keine größeren Schwierigkeiten. Um nicht durch den belebten Zeltplatz marschieren zu müssen wollen wir wie bei unserer Ankunft das Gelände durch das Gehege verlassen. Nur ein schmales Tor gibt den Weg frei. Da unsere Jungs zwei Wochen Pause hatten und sich den Bauch mit Kraftnahrung voll schlugen sind sie regelrecht übermütig. Tanja und ich sind der Überzeugung, dass es sicherer ist die Karawane wie bei unserem Start auf Anna Plains Station in zwei Gruppen aufzuteilen. „Kamele walke up!“ ,befehle ich Sebastian, Goola, Hardie und Jafar während Tanja auf die drei anderen aufpasst. Ich laufe erst auf die vielen Menschen zu, um mich von ihnen zu verabschieden, drehe dann einen Bogen und verlasse das Gehege durch das Tor. Draußen angekommen lasse ich Sebastian absetzen, binde seine Vorderfüße zusammen und sprinte ins Gehege, um die anderen drei zu holen. Als ich sie durch das Tor führe steht Tanja wie gewohnt am linken Pfosten, um den Tieren gut zuzusprechen. Wir atmen auf als alles reibungslos vonstatten geht. Schnell binden wir die Karawane zusammen und schreiten auf eine große Düne die den Campingplatz auf seiner Rückseite begrenzt. Oben angekommen winken wir den Menschen noch mal zu und werfen einen letzten Blick auf den Indischen Ozean der in seiner Endlosigkeit im gleißenden Licht der Sonne liegt. Uns ist bewusst nun für zwei Jahre kein Meer zusehen. Erst wenn wir die Nordostküste Australiens erreichen wird unsere große Reise durch das Outback vom Great Barrier Reef beendet. Bis dahin liegen noch ca. 5000 Kilometer vor uns. Auf der anderen Seite der Düne wartet Stephen Matthews. Er lebt während der Touristensaison auf dem Campingplatz und hilft Collin aus, wenn Not am Mann ist. In den letzten zwei Wochen unterhielten wir uns des öfteren recht angeregt Und nicht selten hat Stephen uns seine Hilfe angeboten. „Ich dachte mir euch Geleitschutz bis zum Kidson Track zu geben. Viele der Besucher verlassen jetzt den Caravanpark und wenn ihr wollt kann ich für euch die Straße blockieren.“ „Eine brillante Idee,“ antwort ich freudig. Als wir die zehn Kilometer langen Zugangsstraße zum Caravan Park erreichen wartet Stephen mit seinem kleinen Allrad bereits auf uns. Auch Sandy, die Haushälterin von John Stoat, die übrigens neben vielen anderen Arbeitern Hals über Kopf Anna Plains Station verlassen hat, wartet auf uns, um der Karawane vorauszufahren. Wir erfuhren gestern Abend, dass die Köchin und ein schlimmer Alkoholiker der schon seit Jahren dort lebt für die Personalflucht verantwortlich ist.

Zügig schreiten wir auf dem breiten Weg in Richtung Great Northern Highway. Die ersten zwei Kilometer des Weges werden links und rechts von groben aufgeworfenen Felsen begrenzt und sind deshalb besonders gefährlich. Jasper und Edgar sind keine Autos gewöhnt und würden nur bei dem Geräusch eines Motors die Flucht versuchen. Natürlich würden sie dabei über die Felsen springen wollen und sich unweigerlich einen Fuß brechen. Während Stephen uns auf dieser kritischen Strecke den Rücken frei hält, blockiert Sandy den Weg vor uns. Da wir die Urlauber nicht zu lange warten lassen wollen beeilen wir uns. Alle unsere Tiere sind nervös wodurch wir die gesamte Breite der Straße benötigen. Wie eine Ziehharmonika fächern sich die Tiere hinter mir auf. Alle paar hundert Meter können Edgar und Jasper ihre panische Angst nicht mehr kontrollieren und versuchen nach vorne zu rasen. „Udu! Udu! Udu!“, rufe ich um sie zu beruhigen. Der Platz von links nacht rechts reicht nicht aus um sie in einen Bogen zu führen. Das ist der Grund warum sie wie Bomben ineinander knallen. Angespannt bis aufs Äußerste versuche die aufgebrachten Tiere in den Griff zu bekommen. Obwohl die von Stephen zurückgehaltenen Autos mindestens zweihundert Meter hinter uns herschleichen haben die Wüstentiere unendlich viel Angst. Ihr Gehör ist um ein Vielfaches besser als das menschliche was der Grund dafür sein muss warum besonders Edgar und Jasper ständig nach vorne durchbrechen wollen. Hoffentlich rasen sie bei ihren Ausbrüchen nicht aus Versehen in die groben Begrenzungssteine des Weges. „Tanja, die Autos müssen mehr Abstand halten!“, rufe ich verzweifelt. Mein Herz rast und ich weiß nicht wer mehr aufgeregt ist, ich oder die Kamele. Tanja gibt Stephen ein Zeichen doch die Tiere verhalten sich weiterhin wie in einem Tollhaus. Endlich gibt es nach ca. einem Kilometer eine Ausweichmöglichkeit auf der rechten Seite der Straße. Schnell führe ich die Karawane in den Weg der zur Müllkippe des Caravan Parkes mündet. Kaum habe ich die Tiere in einen 180 Grad bogen geführt, damit sie die vorbeifahrenden Autos nicht in ihrem Rücken haben und sehen können was da auf sie zukommt, braust das erste Auto in einem Affenzahn vorbei. Als auch alle entgegenkommenden Fahrzeuge vorüber sind biege ich wieder auf die Straße ein. 1 ½ Stunden später liegen die ersten fünf Kilometer hinter uns. Jetzt kann ich die Kamele von Zeit zu Zeit in die Büsche führen, denn die groben aufgeschütteten Steine begrenzen die Straße nicht mehr. Stephen kommt zu uns gefahren, um zu fragen wie es gelaufen ist. „Sie waren ziemlich nervös aber wir haben es bald geschafft. Wie lief es bei dir?“ „Hast du den ersten Autofahrer bemerkt? Er wollte nicht ums verrecken hinten bleiben, hat wie ein Irrer alle Camper überholt und wollte auch an euch vorbeibrausen. Ich musste ihn bald zwingen nicht weiterzufahren: Das ist mir egal ob da Kamele laufen. Die sollen sich von der Straßen machen. Die ist für uns da. Sie stehlen mir meine wichtig Zeit, hat er gebrüllt und geschimpft. Als ich ihm berichtete, dass ihr 7000 Kilometer durch Australien geht und zehn Minuten von seiner Zeit doch nichts im Vergleich dazu sind sagte er: Es sind aber meine zehn Minuten!“ „Schlimm was es für Menschen gibt. Und eigenartig das dieser selbst in seinem Urlaub unter gewaltigen Stress steht,“ antworte ich und bin froh bald wieder das menschenleere Buschland zu erreichen.

Kurz vor dem Great Northern Highway versperrt uns ein Rindergitter (Grid) den Zugang zur Hauptstraße. Collin hat mich davor bereits gewarnt deshalb bin ich nicht geschockt. Es dauert nicht lange und ich habe den Zaun aufgebogen. Don`t worry, ich flicke ihn auf dem Rückweg wieder zu,“ bietet der hilfsbereite Stephen an. Kurze Zeit später läuft die Karawane auf der linken Seite des Highways. Die liebe Sandy fährt voraus und macht mit der Warnblinkanlage auf uns aufmerksam während Stephen uns weiterhin den Rücken frei hält. Ohne weiteren Probleme überqueren wir nach 700 Meter die Hauptverkehrsader zwischen Süd und Nordaustralien und biegen auf den Kidson Track ein. Wir verabschieden uns von Stephen. „Bis in ein paar Wochen,“ ruft er noch, weil er und Collin in ca. drei Wochen Wasser und Lebensmittel nachbringen werden. Wir sind über diese Lösung sehr froh, denn auf diese Weise können sich unsere Tiere langsam an das Gewicht gewöhnen und müssen nicht schon vom ersten Tag mit Maximallast gehen.

Mit dicken Bussis und inniger Umarmung verabschieden wir uns dann auch von Sandy. Sie winkt uns noch lange nach bis sie hinter einer Biegung verschwindet. „Jetzt sind wir wieder auf uns gestellt und absolut alleine,“ sage ich mit einem weinendem und einem lachendem Auge. Vor uns breitet sich eine ewig weite, flache Ebene aus die ihre Begrenzung im Horizont findet. Frisches Grün zieht sich wie ein Meer dahin und zeugt davon das es hier kräftig geregnet haben muss. Bei genauerer Betrachtung erkennen wir, dass ein gigantisches Buschfeuer erst vor wenigen Monaten die gesamte Eben verbrannt hat. Alle größeren Gewächse zeigen eine verkohlte Rinde auf. Auch die Wurzeln des Grases sind schwarz und verbrannt.

Der Wirbelsturm Sam, dem wir im Dezember letzten Jahres nur knapp entwischt sind, hat neben anderen Tiefruckgebieten viel Regen in die Great Sandy Desert (Große Sandwüste) gebracht. Ein Großteil der Gewächse hier ist das schrecklich stachelige Spinfexgras. Dadurch, dass es komplett verbrannt ist, sprießen jetzt jungfräulich Grasbüschel aus den Boden. Sie sind im Gegensatz zu den strohigen alten Gewächsen noch lindgrün und die Stacheln mit dem Biss eines Welpen zu vergleichen. Nach einer weiteren Stunde beruhigen sich unsere Tiere und gewöhnen sich an die Ruhe der ewigen Endlosigkeit. Wie Perlen auf der Schnur laufen sie hinter einander. Von Zeit zu Zeit prüft Tanja die Ladung. Im Augenblick sieht es so aus als würden die Afghan Packsättel wirklich blendend funktionieren, doch wie ich schon sagte werden wir das erst in wenigen Wochen wissen. „Sieh mal, das sind doch Kamelspuren,“ meint Tanja auf die rote Erde deutend. „Ja, tatsächlich. Es muss viele in dieser Gegend geben. Wir können nur hoffen ihnen nicht zu bald zu begegnen.“ Durch die Anspannungen des Tages, vor allem die viele Arbeit der letzten Wochen und Monate fühlen wir uns müde und ausgelaugt. Kein Wunder wenn ich nur die Knoten zusammenrechne die ich neben den Stopfarbeiten an den Sätteln machen musste wird mir ganz anders. Pro Satteltasche sind es mit Sicherheitsknoten 10 Verbindungen. Das heißt bei vier Satteltaschen je Kamel 40 Knoten. Dazu kommen noch die Taschen von Edgar und Jasper mit weiteren 40 Konten plus all die anderen Verknüpfungen. Alles in allem sind es gut und gern 300 Knoten gewesen die ich in den letzten Tagen in die Seile und Schnüre gebunden habe.

Unsere Körper laufen nach der längeren Rast noch nicht rund und schmerzen etwas. Um 14 Uhr führe ich die Karawane in das frische Spinifexgras und lasse die Tiere absetzen. Auch sie sind hundemüde und lassen sich sofort auf den sandigen Boden nieder. Mir kommt es so vor als hätten wir die Kamele gerade erst beladen und müssen sie schon wieder abladen, doch in den letzten 5 ½ Stunden konnten wir 21 Kilometer zurücklegen was für den Aufbruchtag eine gute Leistung ist. Während Tanja unsere Jungs zum Fressen führt baue ich das Camp auf. Tanja packt die Thermet aus. Die Thermet ist ein Topf in dessen Mitte sich ein rundes Loch befindet. Man muss sich diesen Topf wie ein Minifass vorstellen das in der Mitte durchbohrt ist. Das Wasser befindet sich zwischen der Innen und Außenwand des Topfes. In der röhrenähnlichen Öffnung kann man ein Feuer entfachen. Auf diese Weise wirkt die Topfwand wie ein Wärmeleiter und das Wasser kommt schnell zum kochen. Unsere Freundin Jo hat uns diese Thermet empfohlen, denn man kann damit sogar in extrem Buschfeuer gefährdetem Gebiet Wasser kochen ohne in die Gefahr zu kommen sich dabei abzufackeln. Spinifex zum Beispiel ist ausgesprochen leicht entflammbar. Nur ein Funke genügt, um es regelrecht explodieren zu lassen. Da das Gras recht ölig ist kann man sich in der Trockenheit nicht erlauben ein Campfeuer zu entfachen. Das wäre absoluter Selbstmord. Natürlich gibt es einige Buschtricks um dem vorzubeugen. Wenn wir wirklich ein warmes Essen benötigen grabe ich ein tiefes Loch, beseitige auf viele Quadratmeter außen herum das Gras und entzünde nur ein kleines Feuer, doch ist der Arbeitsaufwand in diesem Fall so groß, das ich die Thermet vorziehe. „Was gibt es denn zu essen,“ möchte ich hungrig wissen. „Nudeltopf in Kräutersoße von Reiter.“ „Hm, klingt ja lecker.“ „Ist auch lecker,“ antwortet Tanja und kippt das heiße Wasser aus der Thermet in den Beutel worin sich die hochwertige gefriergetrocknete Nahrung befindet. Nur wenige Minuten später löffle ich das äußerst schmackhafte, nahrhafte Abendessen aus dem Behälter was mit der Fertignahrung aus dem Supermarkt absolut nichts zu tun hat. Ohne hier eine Lobeshymne auf unseren Sponsor Reiter singen zu wollen bin ich wie jedes Mal aufs neue begeistert. Schade ist nur, dass wir nicht mehr von diesem schmackhaften Gaumenschmaus nach Australien einführen durften. Es würde unsere Expedition um ein Vielfaches erleichtern. Nur 125 Gramm wiegt eine volle Mahlzeit die absolut alles bietet was ein Körper unter extremer Belastung benötigt. Das würde bedeuten das wir für einen  ausgewachsenen Menschen, der sich zweimal am Tag satt essen kann, nur 25 Kilogramm an Gewicht in sage und schreibe drei Monaten mitführen müssten. Auch wenn ich darüber schon mal geschrieben habe ist das eine bald unglaubliche Tatsache. Im Vergleich dazu wiegt unsere zusammengestellt Nahrung aus dem Supermarkt mehr als das Doppelte.

Zufrieden und mit vollem Bauch betrachten wir noch eine Weile den fantastischen Sternenhimmel. Dann kriechen wir müde und mit schmerzenden Knochen in unser kleines Zelt. Durch das Moskitonetz am Zelthimmel bleibt uns der immer und unaufhörlich interessante Blick in das Firmament offen, bis wir in das Land der Träume fallen.

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