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E-Bike-Expedition Teil 4 Vietnam - Online Tagebuch 2016-2017

143 Jahre Unterdrückung und Kampf für Freiheit

N 21°23’32.0’’ E 103°01’07.8’’
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    Datum:
    23.07.2016 bis 26.07.2016

    Tag: 392 – 395

    Land:
    Vietnam

    Provinz:
    Điện Biên

    Ort:
    Điện Biên Phủ

    Breitengrad N:
    21°23’32.0’’

    Längengrad E:
    103°01’07.8’’

    Tageskilometer:
    22 km

    Gesamtkilometer:
    17.787 km

    Luftlinie:
    8 km

    Durchschnitts Geschwindigkeit:
    20 km/h

    Maximale Geschwindigkeit:
    40 km/h

    Bodenbeschaffenheit:
    Asphalt

    Maximale Höhe:
    1.600 m

    Gesamthöhenmeter:
    50.386 m

    Höhenmeter für den Tag:
    80 m

    Sonnenaufgang:
    05:37

    Sonnenuntergang:
    18:51 Uhr

    Temperatur Tag max:
    29°C

    Temperatur Tag min:
    22°C

(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)

LINK ZUR REISEROUTE

Um etwas über die jüngste Geschichte des Landes zu erfahren schwingen wir uns in die Sättel unserer Räder und fahren in die Stadt Điện Biên Phủ, die in einem weitem, von Bergen umgebenen Tal liegt. Wir stellen unsere Räder unterhalb des vietnamesischen Kriegerdenkmals ab und laufen bei blauen Himmel und gleißenden Sonnenschein die vielen Stufen nach oben. „Was für ein wunderschöner Ausblick“, sagt Tanja. Wir setzen uns auf die Stufen und blicken in das Tal, in dem einst die französischen Truppen von einer Bauernarmee eingeschlossen waren und am 7. Mai 1954, eine ihrer schlimmsten Niederlagen ihrer Geschichte hinnehmen mussten. „Es muss das reinste Inferno gewesen sein dort unten in einfachen Schützengräben zu sitzen, während die Welt um einen herum im furchtbaren Granatenhagel untergeht“, sage ich. „Ja, unvorstellbar und sehr traurig“, antwortet Tanja nachdenklich. „Weißt du wie viele Menschen in dieser Schlacht gestorben sind?“, fragt sie. „Du meinst nur in dieser einen Schlacht?“ „Ja.“ „Nach einer Statistik, die ich auf Wikipedia gelesen habe, sind während des 56-tägigen Kampfes ca. 3500 Franzosen gefallen, 4500 verwundet worden und 9000 in Gefangenschaft geraten, während es auf vietnamesischer Seite 10.000 Tode und 15.000 Verwundete gab. Insgesamt kostete der von den Franzosen begonnene Indochinakrieg 500.000 Todesopfer. Davon starben knapp 60.000 Franzosen, wovon nur 20.700 die französische Staatsbürgerschaft besaßen. Die anderen Soldaten waren nordafrikanische Kolonialtruppen und Fremdenlegionäre von denen im Jahre 1954 rund 55 % Deutsche waren. Die Gesamttodeszahl der vietnamesischen Kämpfer schätzt man auf 200.000 wobei es eine offizielle Aufstellung nie gab.“ „Wieso haben Deutsche in der Französischen Armee gekämpft?“ „Nach dem zweiten Weltkrieg war die Arbeitslosenzahl in Deutschland sehr hoch. So sind einige ins Nachbarland gegangen, um sich bei der Fremdenlegion zu verpflichten. Andere haben das Abenteuer gesucht, manche hatte der Liebeskummer von zuhause in die Legion getrieben. Auch gab es viele Kriegswaisen die keine Verwandten mehr hatten und die Gelegenheit wahr nahmen dem völlig zerstörten Deutschland den Rücken zu kehren. Sicherlich gab es auch Kriminelle die sich durch den Beitritt in der Legion ihrer Bestrafung entzogen, oder auch ehemalige Soldaten der Waffen SS die dort Unterschlupf suchten und fanden. Sie kamen alle und viele von ihnen fanden hier nichts anderes als Leid und Tod“, erkläre ich.

„Und warum haben die Franzosen diesen Krieg eigentlich begonnen?“, möchte Tanja wissen. „Während des zweiten Weltkrieges verloren sie ihr Kolonialreich Französisch-Indochina, welches auf dem Gebiet des heutigen Laos, Kambodscha und Vietnam basierte, an Japan. Nachdem die Japaner besiegt waren wollten sie es wieder zurück haben. Nun, die Vietnamesen wollten aber ihre Unabhängigkeit und haben sich gegen eine erneute Unterdrückung und Fremdherrschaft gewährt.“ „Und deswegen haben die Franzosen den Indochinakrieg begonnen? Nur um sich ihr ehemaliges Kolonialreich wieder zurückzuerobern?“ „Genau, und weil das bereits in der Zeit des Kalten Krieges geschah wurden die Franzosen von den Amis unterstütz während sich UdSSR und China hinter Vietnam stellte. Es war also auch ein Stellvertreterkrieg der damalige Großmächte.“ „Unfassbar. Da hatten die USA also schon lange vor dem Vietnamkrieg ihre Finger im Spiel.“ „Absolut, sie finanzierten bis zu 80 Prozent des gesamten Indochinakrieges indem sie zwischen den Jahren 1950 bis 1954 rund 1.880 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge lieferten, zusätzlich 30.000 Kraftfahrzeuge, ca. 360.000 Schusswaffen und 5.000 Artilleriegeschütze. Selbst 305 Flugzeuge und 106 Schiffe, wovon zwei Flugzeugträger dabei waren.“ „Das muss ja Milliarden gekostet haben?“ „Ja, hätten die Amis die Franzosen nicht unterstütz, hätte Frankreich schon 1952 eine Staatspleite hinlegen müssen. Nachdem was ich gelesen habe verschlang dieser Krieg über 8 Milliarden US-Dollar.“ „Mann oh Mann. Und jetzt sitzen wir da und schauen auf die friedlich wirkenden Reisfelder unter denen unzählige Opfer liegen müssen“, sagt Tanja leise.

„Wie kam es eigentlich zu dieser Schlacht in dieser abgelegenen Region Vietnams? Was haben die Franzosen hier gewollt?“, bricht Tanja unser Schweigen. „Eine gute Frage. Man wollte den Vietminh, also den vietnamesischen Rebellen die Nachschubwege abriegeln.“ „Das was die Amerikaner mit ihrer Entlaubungsaktion durch Agent Orange im Vietnamkrieg versucht hatten?“ „Ungefähr. Điện Biên Phủ sollte ein Stützpunkt werden, um das umliegende Hochland zu kontrollieren. Man versprach sich die Kontrolle über die Reis- und Opiumernte dieser Region und wollte einen Rückzugsort für profranzösische Partisanen schaffen, die aus den ethnischen Minderheiten der Thai und Hmong bestanden.“ „Die standen auf der Seite der Franzosen?“ „Ja, genau deswegen gab es nach dem Indochina- und Vietnamkrieg und nach der Wiedervereinigung Vietnams Repressionen gegen diese Völker. Selbst heute sind angeblich noch Teile der vietnamesischen Gesellschaft nicht gut auf sie zu sprechen.

„Hm, ist ja interessant. Und wie haben die Vietnamesen es geschafft eine militärische Großmacht wie Frankreich zu besiegen, die noch dazu massiv von den USA unterstütz wurde?“ „Sie hatten die Vietnamesen einfach unterschätzt.“ „Unterschätzt?“ „Ja, sie hatten nicht mit der Genialität und von Vo Nguyen Giap gerechnet.“ „Vo Nguyen Giap?“ „War ein außergewöhnlicher General der die Idee hatte seine gesamte schwere Artillerie in Einzelteile zerlegen zu lassen, um sie dann auf Fahrrädern, Handkarren und auf den Rücken seiner Soldaten in einem unvergleichlichen Kraftakt über die vielen, mit Urwald überwucherten Berge, nach Điện Biên Phủ schleppen zu lassen. In den umliegenden Bergen hier hat er sie dann wieder aufbauen lassen, in Stellung gebracht, die übermächtigen Franzosen mit seinen rund 72.000 Kämpfern umzingelt und in nur 56 Tagen regelrecht aus dem Tal herausgebombt.“ „Wow, und die Franzosen haben nichts davon bemerkt? Ich meine, die müssen doch von dieser sicherlich umfangreichen Transportaktion und den Vorbereitungen des Gefechts etwas mitbekommen haben?“ „Haben sie nicht. Aus der Luft gab es keine Aufklärung weil die Vietminh im Dschungel unsichtbar agieren konnte und wahrscheinlich war eine Aufklärung durch kleine Kommandoeinheiten in diesem Gebiet zu gefährlich. Wie auch immer, die Franzosen hatten nie geglaubt dass jemand auf eine so abgefahrene Idee kommt alle Geschütze zu zerlegen, um sie dann mit Muskelkraft wochenlang durch einen Bergurwald schleppen zu lassen. Wahrscheinlich waren sie sich ihrer Sache und Überlegenheit zu sicher. Die Aussage eines Veterans gibt dazu Aufschluss.“ „Sie dachten, sie hätten ihre Panzer, ihre Flugzeuge, ihre Artillerie und wir hätten nichts. Sie haben uns unterschätzt“, sagte er. „Also war die Aktion eine geniale Idee und logistische Glanzleistung des Generals?“ „Eine unvergleichliche sogar. Die gewonnene Schlacht ging in die Geschichte ein, hatte weltweit politische Folgen und wird wegen ihrer strategischen Meisterleistung noch immer von Militärhistorikern auf der ganzen Welt studiert. In einer seiner letzten Pressekonferenzen hatte der General gesagt, dass die Schlacht gezeigt habe wie stark eine Nation ist wenn sie sich entschlossen hat aufzustehen. Er sprach davon wie stolz sein Volk ist, dass Vietnam die erste Kolonie war, die mit dem Sieg von Điện Biên Phủ ihre Unabhängigkeit aus eigener Kraft erlangen konnte. Viele seiner Soldaten waren Helden, einige gingen in die Geschichte ein. Be Van Dan zum Beispiel, griff eine französische Stellung an indem er sich eine Kanone auf die Schulter lud. Oder Phan Dinh Giot opferte sich selbst in dem er die Schießscharten der Franzosen mit seinem eigenen Körper versperrte.

General Giap wird übrigens bis heute verehrt und gilt aufgrund seiner taktischen und strategischen Brillanz als der „Napoleon des Ostens. Er besiegte nicht nur die Großmacht Frankreich, sondern auch die Weltmacht Amerika und trieb die Chinesische Armee wieder zurück in ihr Land. Er starb erst im Oktober 2013 im biblischen Alter von 102 Jahren.“

Wir sitzen noch immer auf den Stufen unterhalb des Kriegerdenkmals, welches zum Gedenken an die vielen vietnamesischen Gefallenen errichtet wurde und blicken auf das Tal, in dem es damals nicht mehr als 24 Häuser gab. Im heutigen quirligen Điện Biên Phủ, indem es Hotels, Restaurants, Karaokebars und ein modernes Kaufhaus gibt, leben ca. 70.000 Menschen und angeblich noch 300 Veteranen.

Wir blicken auf viele saftige Reisfelder, umringt von den Bergen, auf denen vor über 60 Jahren die Rebellen saßen und auf ihren Einsatzbefehl warteten. Der für die Vietnamesen erfolgreiche Ausgang der Schlacht leitete das Ende des achtjährigen Indochinakrieges ein, der wiederum erst der Auftakt zum Vietnamkrieg war, der gleich darauf, also von 1955 bis 1973 wütete, und das nach Abzug der amerikanischen Truppen der Bruderkrieg zwischen Nord- und Südvietnam ausbrach, der erst im Mai 1975, also nach insgesamt 30 Jahren Krieg sein Ende fand. Man könnte meinen, das dass vom Krieg gepeinigte vietnamesische Volk endlich zur Ruhe gekommen ist, jedoch wurde Vietnam am 17. Februar 1979 um 3:30 Uhr, auf Grund von jahrelanger Grenzstreitigkeiten mit China von der chinesischen Volksarmee angegriffen. Offiziell wurde dieser erneute verlustreiche Konflikt erst im Jahre 2001 beigelegt. Wenn man bedenkt das bereits im Jahre 1858 französische Kanonenboote den Hafen Đà Nẵng und das Mekongdelta angriffen, das Land seither unter der Knute einer ausländisch Macht litt und seine letzten Gefechte offiziell erst im Jahre 2001 beendete, sind das 143 Jahre Unterdrückung und Kampf.

Wüssten wir nicht welch menschliche Tragödien sich in diesem gepeinigtem Land abgespielt haben, wäre der Besuch von Điện Biên Phủ für uns nur ein Ausflug in eines der außergewöhnlichen schönen Täler Nordvietnams gewesen. Jedoch wissen wir zu welchen Taten die menschliche Rasse in der Lage ist und sind jedes Mal, wenn wir davon erfahren, zutiefst betroffen. In der Hoffnung, dass wir Menschen irgendwann in der Zukunft es vielleicht doch einmal schaffen in Frieden, Harmonie und Einklang miteinander zu leben, schreiten wir schweigend die vielen Stufen zur Stadt hinunter. Und obwohl es für uns nicht erbaulich ist ehemalige Kriegsschauplätze, Soldatenfriedhöfe und Kriegsmuseen aufzusuchen, gehört auch dieser traurige Teil einer Landesgeschichte zu unserer Reise. Nur wenn man beide Seiten einer Münze kennt beginnt man Zusammenhänge zu verstehen. Und genau das ist es worauf es uns ankommt. Verstehen, Begreifen, Lernen, Mitgefühl, Verzeihen, Wachsen, Wissen, Energie, Liebe, denn als Botschafter von Mutter Erde ist es für uns wichtig eine Reise, ein Land, seine Gesellschaft und Religion von verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und darüber zu berichten. Sicherlich eine große Aufgabe, eine Aufgabe die wir in einem einzigen Leben nie umfassend erfüllen können, aber gewillt sind das Meiste was wir erfahren und erleben in Bild und Text festzuhalten…

Wer mehr über unsere Abenteuer erfahren möchte, findet unsere Bücher unter diesem Link.

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