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RED EARTH EXPEDITION - Etappe 2

Wir werden angegriffen

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    Tag: 56 Etappe Zwei

    Sonnenaufgang:
    06:18

    Sonnenuntergang:
    17:38

    Temperatur - Tag (Maximum):
    35 Grad

Drei wilde Kamelbullen-Camp — 10.08.2001

Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb! „Wir werden angegriffen!“, rufe ich bis zum Mark meiner Knochen erschrocken und schieße in die Höhe. „Oh nein, nein, nein! Nichts wie raus!“ entgegnet Tanja zutiefst geschockt. Ein flüchtiger Blick auf meine Uhr verrät mir das es drei Uhr morgens ist. Durch eine gewaltige Adrenalinausschüttung hellwach reiße ich den Reißverschluss unseres Moskitozeltes auf und stürze Hals über Kopf in die finstere Nacht. „Das Gewehr! Ich brauche das Gewehr!“ ,brülle ich und rase barfüßig, ohne mich nur umzusehen zu Sebastians Sattel. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…dröhnt es direkt neben mir das ich vor nackter Angst fast in die Hosen mache. „Uuuaaahhh! Uuuaaahhh!“, vernehme ich in der Finsternis Tanjas geistesgegenwärtigen Uhrschrei die auf diese Weise versucht die Bullen zu vertreiben. „Zeit, oh Gott gib mir genug Zeit,“ sprudeln mir die Worte aus dem Mund. Ohne die stark gespannten Gummibänder zu öffnen zerre ich mit roher Kraft die Gewehrhülle vom Sattel, fetze wiederum den Reißverschluss auf und hole die Marlin heraus. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… „Uuuaaahhh! Uuuaaahhh!“ ,nehme ich das Inferno der Geräusche war. „Greif sie an Rufus! Greif sie an!“, zerreißt kurz darauf Tanjas Befehl die von den Geräuschen gepeinigte Nacht als ich mit dem Gewehr in den Händen zum Zelt zurückjage. „Die Munition ist an meinem Gürtel. Schnell gib sie her!“ feuere ich die Worte. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… donnert der tiefe Brunftruf der wilden Kamelbullen wie ein Gewitter direkt neben uns. Tanja bückt sich und gibt mir die kleine Patronentasche. Mit zittrigen Fingern lade ich die Marlin, immer noch nicht wissend wo genau sich die kampfbereiten Tiere befinden. „Es sind zwei Denis! Zwei! Sie sind dort drüben direkt neben dem Funkgerät!“, informiert mich Tanja während Rufus wie vom Teufel gebissen in unser Schlafzelt jagt und auf absolut alles pinkelt was er nur erwischen kann. Ich bücke mich um eine heruntergefallene Patrone aufzuheben und sehe eine Lache auf dem Kopfende meines heiligen Schlafsacks. „Bist du wahnsinnig! Mach das du da rauskommst!“ brülle ich ihn an doch er versteckt sich unter dem Fußende im hintersten Winkel des Zeltes. Obwohl mir die Bullen im Nacken sitzen kann ich nicht anders, greife Rufus an seinem Halsband und werfe ihm unter tierischem Fluchen in hohen Bogen aus dem Zelt. Sekundenbruchteile später wirble ich mit dem Gewehr in den Händen um die eigene Achse um jeden Angreifer eine Kugel zu verpassen. „Wo sind sie? Ich sehe sie nicht rufe ich als ich den Strahl der Stirnlampe in Richtung Funkgerät richte. „Ich glaube sie sind abgehauen. Du hast Rufus so schrecklich angebrüllt das sie Hals über Kopf davongerannt sind.“ „Wohin sind sie?“ Dort, diese Richtung habe ich sie im Dunkeln verschwinden sehen,“ sagt Tanja und deutet in die Nacht. Wir können es kaum glauben das mein Geschrei sie vertrieben hat sind aber erleichtert. Mir fällt ein Stein vom Herzen und ich atme auf. „Ob sie zurückkommen werden?“ fragt Tanja.. „Das wäre für Kamelbullen recht untypisch sich von so ein bisschen Geschrei vertreiben zu lassen,“ antworte ich mich am Bart kratzend. Wir stehen eine Weile da und lauschen. Nichts, absolut nichts verrät wo sie sich im Augenblick befinden. „Soll ich deinen Schlafsack abputzen?“, unterbricht Tanja die Stille. „Ja bitte. Am besten du nimmst die Dettolseife.“ „Klar,“ antwortet sie und geht zum Zelt zurück. Ich bleibe noch ein paar Minuten am Rande unseres Lagers stehen und versuche die fremdartigen Geräusche der Wüstennacht zu analysieren, doch von blubbernden Kamelen ist nichts zu hören. Als ich zurückkomme ist Tanja gerade damit beschäftigt mit einem ausrangierten Küchenschwamm meinen Schlafsack von dem Hundeurin zu reinigen. Ich stehe mit der geladenen Marlin da, schiebe den Sicherungshebel wieder auf sicher und lege sie fröstelnd vor Kälte neben das Zelt.

Sie kommen zurück

Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…Reißt es uns beide in eine Realität zurück die wir niemals für möglich gehalten hätten. Klar haben wir darüber gesprochen, dass es möglich sein kann uns vor wilden Kamelbullen verteidigen zu müssen, aber die Wirklichkeit ist erschreckend. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…“ Sie kommen aus dieser Richtung sagt Tanja den Schwamm wegwerfend. Während ich sofort das Gewehr aufhebe nimmt sie das große Plastikrohr und ein Reizgas in ihre Hände. Gemeinsam gehe wir dem Blubbern entgegen und plötzlich entdecken wir im Strahl unserer Stirnlampen zwei Bullen. Wieder kommt mir die Szene so geisterhaft vor, dass ich glaube zu träumen oder mich selbst in einem spannenden Abenteuerfilm zu sehen. Langsam bewegen sich die Schatten ihrer riesigen Körper um das Camp und kommen immer näher. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…Lässt es und erschauern. „Sie werden schneller,“ stellt Tanja fest. „Ja ich kann es sehen.“ „Der erste ist der dominante Bulle. Wenn du schisst ziele zuerst auf ihn,“ klärt mich Tanja auf während ich versuche den Schatten ins Visier zu nehmen. „Ich kann ihn nicht sehen. Es ist zu finster. Komm schnell her und leuchte mit deiner Lampe über Kimme und Korn direkt auf seinen Kopf, schnell,“ rufe ich und bemerke wie meine Hände feucht werden. „Ja gut so. Nein etwas tiefer. Du musst tiefer halten. Fokussiere den Strahl mehr, ja so,“ gebe ich eine Anweisung nach der anderen. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…Dröhnt es als der erste Bulle Geschwindigkeit aufnimmt. „Ich muss ihn erwischen bevor er rennt. Ja halte den Schein auf seinen Kopf. Okay, jetzt.“…Wuuummm zerreißt der Schuss die Nacht und wieder sieht es so aus als würde sich unter dem mächtigen Tier die Erde spalten. Mit einem dumpfen Schlag fällt der Körper auf den Wüstenboden. Sofort schwenke ich die Waffe auf den zweiten Bullen, doch sucht er sein Heil in der Flucht. Eine kaum vorstellbare Ereleichterung durchströmt mich in diesem Augenblick. Die Marlin im Anschlag nähern wir uns vorsichtig dem Opfer. Ich weiß nicht wie gut ich getroffen habe und da wir bis Jos eintreffen nur noch 10 Kugeln besitzen muss ich jede einzelne wie einen Schatz des Überlebens behandeln. Befreit entdecken wir den Einschuss ein paar Zentimeter oberhalb seiner Augen. Die Kugel hat das Gehirn durchdrungen, ist an der Rückwand der Schädeldecke wieder ausgetreten und in seinen Körper eingeschlagen. Als ich nach einer weiteren Untersuchung die Austrittstelle an seinem Hinterteil bemerke wundere ich mich wieder über die Durchschlagskraft der Waffe. „Das war ein absoluter Glückstreffer. Er hat den Tod nicht gespürt,“ sage ich leise und zeige Tanja wo das Profil wieder ausgetreten ist. Fassungslos stehen wir eine Weile vor dem Tier. Dann, nachdem die erste Lähmung nachlässt gehen wir zum Lager zurück. „Ob der andere zurückkommt?“ ,frage ich frierend, denn ich bin nur mit einer kurzen Unterhose und meinem leichten Schlaf-T-Shirt bekleidet. Tanja die eine Thermounterhose und Hemd an hat friert ebenfalls. „Ich weiß nicht,“ antwortet sie schlotternd. „Lass uns ins Zelt gehen. Er hat bestimmt genug,“ meine ich und öffne den nach Rufus-Urin stinkenden Zelteingang. „Oh nein, hier riecht es schrecklich,“ jammere ich. Tanja lacht, doch ich kann ihren Humor in diesem Augenblick nicht teilen.

Mir zerreißt es fast das Herz vor Mitleid

Ich liege auf dem Rücken und denke darüber nach was gerade geschehen ist. Immer noch kommt mir diese Nacht wie ein Alptraum vor und ich kann nicht verstehen, dass ich als Tierliebhaber gezwungen bin solche stolzen Kreaturen zu töten. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…“Es geht weiter!“, brülle ich aus meinen Gedanken gerissen und schieße gleichzeitig mit Tanja aus dem Moskitozelt. Ich schlüpfe in meine Schlappen, greife die Marlin und sause mit Tanja über das Spinfexgras in Richtung des Brunftgeblubber. „Er ist direkt hinter Sebastian!“ ,rufe ich im Laufen. „Schieß ihn bloß nicht ab,“ Bringt Tanja stoßweise hervor. „Was für ein schrecklicher Gedanke,“ erwidere ich und lege das Gewehr an. „Ich sehe ihn nicht gut genug. Da sind Büsche dazwischen.“ „Er kommt auf uns zu, mach schnell.“ Ja aber ich kann ihn nicht richtig sehen.“ „Die Batterien der Taschenlampen lassen nach. Ich kann ihn nicht besser anleuchten.“ „Wir müssen näher ran.“ „Nicht zu nahe.“ „Jetzt von hier könnte es klappen,“ sage ich als der Bulle durch die Büsche tritt und seinen Kopf zu Seite dreht. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…“Die Batterien lassen nach,“ sagt Tanja ängstlich. Im diffusen Licht ziele ich auf seinem Kopf der sich ständig bewegt. Noch 40 Meter. Noch 35 Meter. Wuuummm brüllt das tödliche Gewehr und der Angreifer kracht mit einem tiefen Dröhnen auf den felsigen Untergrund. „Du hast ihn getroffen. Sehr gut,“ sagt Tanja mit bebender Stimme. „Lass uns schnell hingehen und sehen wie ich ihn erwischt habe,“ antworte ich und laufe los als das riesige Tier plötzlich wie ein grauenhafter Spuk wieder nach oben explodiert und auf uns zukommt. Unsere Kamele die nur 10 oder 15 Meter von diesem Geschehen an Büschen gebunden sind erschrecken im selben Moment derart, dass sie in wilder Panik die Flucht versuchen. Im Augenwinkel sehe ich wie Sebastian kopfüber auf den Boden knallt, denn er hat in seiner Bestürzung vergessen mit den Vorderbeinen angebunden zu sein. Auch die anderen fallen oder zerren an den Beinseilen das Äste knacken und krachen und ich mich durch den hinter mir entstandenen Tumult und Chaos kaum auf das angeschossene Tier konzentrieren kann. „Licht, ich brauche Licht!“ ,brülle ich Tanja zu die versucht unsere Boys zu beruhigen. Wuuummm, überdröhnt es das Wirrwarr und Durcheinander. Der Schuss muss ihn offensichtlich getroffen haben denn er bricht den Angriff ab, ändert wie vom Blitz getroffen seine Richtung und stürmt in die Nacht. „Mein Gott, ich habe ihn nicht richtig erwischt!“ ,rufe ich entsetzt, denn ich kann mir trotz der abgewendeten Gefahr nichts Schrecklicheres vorstellen als ein Tier angeschossen zu haben. In meiner Unterhose und kurzem T-Shirt bekleidet hetze ich ihm hinterher. Weil ich nur Schlappen anhabe muss ich trotz der Jagd auf jeden Tritt achten, um mir auf den steinigen Untergrund nicht die Füße zu brechen. Tanja folgt mir und so eilen wir in der finsteren Nacht einem angeschossenen Kamelbullen hinterher, um ihm den Gnadenschuss geben zu können. Etwa 50 Meter vor mir sehe ich ihn ihm schemenhaften Licht meiner zu schwachen Stirnlampe. Ich lege an, ziele so gut es geht und sende ihm eine weitere der für uns überlebensnotwendigen und knappen Kugeln hinterher. Ich treffe ihn. Er strauchelt, fängt sich aber und läuft weiter. „Verdammt! Verdammt das darf mir doch nicht passieren!“ ,rufe ich verzweifelt. „Denis! Denis wir dürfen uns nicht so weit vom Camp entfernen. Wir finden doch nie mehr zurück!“ ,ruft mir Tanja hinterher. „Stimmt. Du bleibst wo du bist damit du mir im Notfall mit deine Lampe die Richtung angeben kannst. Ich folge ihm noch ein paar Minuten,“ rufe ich zurück und setze meine Jagd fort. Schnaufend bleibe ich stehen und lausche. Ich höre etwa zweihundert Meter vor mir wie das Tier durch das Unterholz bricht. Es knackt und kracht und wieder vernehme ich wie er stürzt. Mir zerreißt es fast das Herz vor Mitleid und ich hetze weiter. Wieder bleibe ich stehen und bemerke plötzlich ca. zweihundert Meter rechts von mir ein lautes Fauchen. Mir stehen die Haare zu Berge denn ich habe so etwas noch nie gehört. Ob es der Bulle ist? Kann er seine Richtung geändert haben? Nach kurzer Überlegung laufe ich mit dem Gewehr in Anschlag in die Richtung des gruseligen Lautes. Spinifex-Stacheln bohren sich in meine Zehen und erinnern mich daran wo ich mich befinde. Ich drehe mich um und erkenne erst jetzt wie weit ich mich vom Lager entfernt habe. Es kann nicht angehen einen höchstwahrscheinlich tödlich getroffenen Kamelbullen das Sterben zu erleichtern und dadurch meines und damit Tanjas Leben aufs Spiel zu setzen. Aufgeregt schnaufend stehe ich mitten in der nächtlichen Wildnis Australiens und überlege meine nächsten Schritte. Auf einmal höre ich rechts von mir wieder die schweren Schritte des Kamelbullen und zur fast gleichen Zeit das unangenehm fauchende Geräusch etwa zweihundert Meter links von mir. So ein Mist, es hat mich in eine andere Richtung geführt. Was ist wenn in der Zwischenzeit ein weiterer Bulle unser Camp angreift? Du musst umkehren Denis. Lass deine Emotionen aus dem Spiel und kehre um sage ich mir selbst oder ist es mein Unterbewusstsein welches so deutlich zu mir spricht? Schweren Herzens breche ich dann meine Verfolgung ab und stapfe durch das bösartige Gras zum Lager zurück. „Gut das du umgekehrt bist. Stell dir vor ein anderer Bulle hätte uns während deiner Abwesenheit angegriffen.“ „Ja, das habe ich mir auch gedacht,“ antworte ich entkräftet. „Hast du auch das gruselige Fauchen gehört?“ fragt Tanja mit bewegter und ängstlicher Stimme. „Ja, klingt wirklich angsteinflößend.“ „Was kann das nur gewesen sein?“ „Keine Ahnung aber am Ende des Fauchlautes kam immer ein dumpfer Ton. Hast du den ebenfalls vernommen?“ „Ja, eigenartig nicht?“ „Ich könnte mir vorstellen das es ein Emu war aber ich habe keine Ahnung ob die auch fauchen. Unvorstellbar was die ersten Entdecker des Outback geleistet haben. Keiner von ihnen hat gewusst mit welchen gefährlich wilden Tieren sie hier draußen rechnen mussten.“ „Sie haben bestimmt in ständiger Angst gelebt.“ „Glaube ich auch und keiner hat geahnt was vor ihnen liegt. Das wissen wir zwar auch nicht aber zumindest besitzen wir Karten und wissen das dieses Fauchen von keinem Ungeheuer kommen kann.“ Sage ich und laufe mit Tanja zu unserem Zelt zurück.

Noch vier Wochen müssen wir mit angreifenden Kamelbullen rechnen

Ausgefroren schlüpfe ich in den jetzt stinkenden Schlafsack und versuche wieder warm zu werden. Obwohl die Tage schon richtig heiß sind kühlt es in den Nächten noch auf 10 bis 15 Grad ab. Zu kalt für eine kurze Unterhose und ein kurzes T-Shirt. Nach 1 ¾ Stunden da draußen dauert es eine Weile bis mir wieder warm wird. Wach liege ich da und lausche dem Wiederkäuen der Kamele. Jedes mal wenn sie ihren Mageninhalt nach oben würgen fährt es mir siedend heiß durch den Körper und mein Adrenalinspiegel ist auf 180, denn der erste Ton klingt ähnlich wie der Beginn des brunftigen Blubbergeräusches. Um sechs Uhr gebe ich den Versuch auf Schlaf zu finden und verlasse das Zelt. „Gehst du den Kamelbullen suchen?“ ,fragt Tanja im Halbschlaf. „Ja,“ antworte ich. Bleib nicht zu lange du musst in der Nähe sein falls andere Bullen ins Lager kommen.“ „Mach dir keine sorgen, ich bin in spätestens einer Stunde zurück,“ beruhige ich sie, ziehe mich an, stecke das GPS in meine Brusttasche und nehme das Gewehr mit. Meine Augen auf den Boden gerichtet versuch ich dir Spur des Bullen aufzunehmen doch ich kann sie auf dem felsigen Untergrund nicht finden. Ich zieh einen großen Kreis durch das Gelände unterhalb unseres Lagers und laufe in die tiefer gelegene Ebene. Die Sonne geht in einem riesig glühend roten Ball auf und taucht die grüne Wüste in ein sanftes friedliches Licht. Nach einer Stunde gebe ich meine Suche auf und begebe mich geknickt zum Camp zurück. „Und hast du ihn gefunden,“ Will Tanja wissen die noch immer im Zelt liegt, um sich von der erlebnisreichen Nacht zu erholen. „Nein.“ „Mach dir keine Gedanken. Du hast ihn dreimal getroffen. Er ist bestimmt schon lange tot. Außerdem blieb dir bei den schlechten Lichtverhältnissen nichts anderes übrig,“ tröstet sie mich. „Du hast recht,“ antworte ich und mach mich daran den Sattel von Jasper zu reparieren. Später findet Tanja in der Seiltasche eine weitere Packung mit 20 Schuss Munition an die ich nicht mehr gedacht hatte. Obwohl ich das Töten dieser Tiere aufs äußerste ablehne kommen mir diese Patronen vor wie ein Geschenk des Himmels. Nach der nächtlichen Aktion hatten wir nur noch 7 Kugeln. Wenn uns weitere Kamelbullen in den nächsten Tagen angreifen kann das bis Jos eintreffen sehr knapp werden. Jo weiß von der Munitionsknappheit und wird mit Max 60 Schuss an Nachschub bringen. Das dürfte und muss langen bis die Brunftzeit der Kamele vorüber ist. Die Brunftzeit der Kamele nimmt mit der zunehmenden Wärme ab und hört Ende August oder Mitte September auf. Dann sind Kamelbullen nicht mehr so gefährlich und diese Herausforderung wird hoffentlich ein Ende haben. Trotzdem, in den nächsten vier Wochen müssen wir weiterhin mit angreifenden Bullen rechnen.Nachdem ich den Sattel von Jasper repariert habe suche ich mir hinter der gestern aufgespannten Plane Schatten, um über unsere Erlebnisse schreiben zu können. Kaum sitze ich in meinem wackeligen Klappstuhl beginne ich fürchterlich zu schwitzen. Die Sonnenstrahlen hämmern regelrecht durch die Plane, dass ich es vor Hitze kaum noch aushalte. Meine Nerven sind von den Erlebnissen wiedereinmal aufs äußerste strapaziert und ich bekommen keinen Gedanken zusammen. „Wie soll ich bei dieser Hitze über unsere Erlebnissen schreiben? Ich habe das Gefühl mein Hirn wird gekocht,“ jammere ich und würde mich am liebsten in einen Kühlschrank verziehen. Tanja sieht mich besorgt an. „Warum spannen wir keine Decke als Dach über uns?“ „Ach das ist doch viel zu warm,“ entgegne ich entnervt und verzweifelt, denn ich weiß wirklich nicht wie es machbar ist unter solchen Belastungen zu schreiben. Fliegen schwirren um mich herum als wäre ich ein guter bayrischer Misthaufen. Mein Hemd ist absolut nassgeschwitzt und der Computer auf meinem Schoß strahlt durch die Batterieladung soviel Wärme ab das mir das Wasser die Beine herunter rinnt. Ich könnte einfach weinen. Am liebsten würde ich mich unter den Schatten einer der wenigen Büsche kauern und den ganzen Tag nicht mehr herauskommen. Nur wenn das Satellitentelefon klingelt gehe ich ran und jammere den Radiosendern und ihren Zuhörern etwas vor, sage ich mir und könnte in diesem Moment den Laptop in den Sand werfen. „Wir sollten eine der Rettungsdecken über die Plane spannen, das hilft bestimmt um die Hitze zu reflektieren,“ schlägt Tanja vor. Sie steht auf holt zwei der Silberfolien und spannt sie über unsere Köpfe. Augenblicklich fällt die Temperatur auf 34 Grad herab. „Ein Wunder. Das ist wie ein Wunder. Du bist genial mein Schatz,“ frohlock ich. Wenig später beginne ich in die Tasten zu hauen. Ich schwitze zwar immer noch wie ein Stier aber irgend wie ist es auszuhalten. Gegen Mittag hören wir Motorengeräusche. „Das klingt ja nach einem Motorrad,“ meine ich. „Das ist ein Motorrad,“ sagt Tanja die sich aus ihrem Stuhl erhebt und auf den Weg sieht. „Er hält an,“ sagt sie und verlässt unseren Unterschlupf, um den Mann zu begrüßen. Es stellt sich heraus, dass es ein Spezialreiseveranstalter ist der eine Gruppe Japaner durch die Wüste führt. Er berichtet uns von einer fürchterlichen Moskitoplage etwa 200 Kilometer von hier. „Es waren soviel Moskitos, dass sie unsere Brillengläser bedeckten. So etwas habe ich noch nie erlebt. Sie brüten im Lake Auld. Die Strecke ist mindestens auf 60 Kilometer verseucht. Wir konnten dort nicht anhalten. Wenn ihr da durch müsst dann gnade euch Gott. Aber vielleicht hat sich die Situation bis dahin verbessert,“ meint er. Kurze Zeit später kommen seine japanischen Gäste angedonnert. Es sind 10 Motorräder die sich ihren Weg über die Erhöhung bahnen. Wieder glaube ich in einem Film zu sein und kann erst nicht begreifen was ich da sehe. Alle Männer halten an, begrüßen uns sehr freundlich, schießen einige Bilder von uns, betrachten sich den toten Kamelbullen vor dem Camp und brausen wieder davon. Als sie im Wüstenstaub verschwinden glauben wir eine Fatahmorgana gesehen zu haben. „War das ein Traum?“ ,frage ich Tanja. „Sie hatten alle eine gute Ausstrahlung,“ stellt sie fest. „Ja stimmt, sie haben gute Energie dagelassen.

Ich lasse ihn maximal auf 30 Meter heran!

Am späten Nachmittag bin ich immer noch damit beschäftigt diese Zeilen zu formulieren. Ich denke gerade nach und lausche den schwirrenden Fliegen als mich das Blubbern eines Kamelbullen fast aus den Stuhl heben lässt. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…Dröhnt es an mein Ohr. „Denis Kamelbullen!“ erreicht mich fast gleichzeitig Tanjas Warnruf die wie so oft die Tiere hütet. „Ich komme,“ antworte ich, klappe den Laptop zusammen, lege ihn auf den Stuhl, greife die Marlin die direkt daneben liegt und rase los. „Da vorne, da ist er,“ ruft Tanja und deutet auf den Track. Tatsächlich steht er wie ein großer Krieger auf den Bergrücken und kündigt sein Kommen mit lautem Gebrüll an. Mit dem Gewehr über der Schulter warte ich etwa 30 Meter vor unseren Kamelen auf seinen Angriff. Er lässt nicht lange auf sich warten und läuft zielstrebig auf uns zu. Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!… Bullluuubullluuubbb!…“ Dröhnt es bedrohlich und wieder fühle ich die Angst. Was ist wenn ich nicht richtig treffe? Wie nah soll ich ihn an uns heranlassen? Meine Gedanken überschlagen sich und durch das nächtliche Erlebnis ist mein Selbstvertrauen angeschlagen. „Ich habe Angst,“ sage ich zu Tanja. „Du bist ein hervorragender Schütze Denis. Du konntest den Bullen gestern nicht besser treffen. Außerdem hast du jetzt gutes Tageslicht,“ bestärkt sie mich. „Er läuft direkt auf dem Weg. Wenn ich ihn da erschieße könnte ein Fahrzeug einer Jeepsafari mit dem Kadaver zusammenstoßen. Ich kann ihn doch nicht in letzter Sekunde vom Weg locken?“ sage ich und hebe das Gewehr. „Noch 60 Meter!…Noch 50 Meter. Ich lasse ihn maximal bis auf 30 Meter an unsere Kamele heran, rufe ich als der Bulle in Angriffsgeschwindigkeit verfällt. „Jetzt, warne ich Tanja, hole Luft, konzentriere mich und drücke ab. Der Schuss löst sich und im selben Augenblick bricht das angreifende Tier zusammen. Ohne eine Sekunde verstreichen zu lassen rase ich los, um im Notfall einen zweiten Schuss nachsetzen zu können. Fünf Meter vor dem Bullen verlangsame ich meine Geschwindigkeit und sehe den Einschuss direkt über seinem linken Auge. „Er war sofort tot,“ meine ich erleichtert. Tanja und ich stehen wieder da und wollen nicht glauben was hier geschieht. „Wenn so viele Einzelgänger herumlaufen muss es unendlich viele Kamele geben. Ich denke durch die Regenfälle der letzten Jahre haben sie sich gewaltig vermehrt.“ „Was sollen wir mit ihm jetzt tun. Er liegt mitten auf dem Track?“ ,fragt Tanja. „Nun, ich denke das die Menschen die mit ihren Allradfahrzeugen die Wüste durchqueren wissen was sie tun und nicht in der Nacht mit überhöhter Geschwindigkeit herumbrausen. Ich denke, dass der Bulle keine Gefahr für irgend jemanden bedeutet.“ „Du hast recht, es könnten ja auch lebende Tiere auf der Piste sitzen oder sonst etwas Unvorhergesehenes vorkommen,“ antwortet Tanja. Auf dem Weg zum Camp finde ich einen roten Lappen der aus einem der Fahrzeuge gefallen sein muss. Sicherheitshalber hänge ich ihn in einen der Büsche am Wegrand. „Es wird zwar nicht viel helfen aber es ist besser als gar nichts,“ meine ich.

Um 18 Uhr 45 habe ich Kontakt mit Jo und Tom. Ich berichte von den Kamelbullen und ihrer Gefährlichkeit. Da Jo und Tom beide expeditionserfahren sind kennen sie dieses Problem. „Ja Denis, ich weiß, so gern wir Kamele mögen aber ein Bulle in der Brunft scheint sein Hirn nicht einzusetzen und greift definitiv an.“ Im weiteren Verlauf des Gespräches erfahre ich das sie morgen früh aufbrechen und spätestens am Montag bei uns sein wollen. „Wir freuen uns euch wiederzusehen,“ sagt Jo. „Wir auch,“ antworte ich. Danach spreche ich noch mit Colin. „Ich habe dem Gespräch zugehört Denis. Ihr habt ja eine spannende Zeit da draußen.“ „Das kann man wohl sagen. Mehr als spannend. Für meinen Geschmack ein bisschen zu spannend,“ entgegne ich. „Ja das glaube ich dir. Wir hatten übrigens kürzlich ein paar Gäste hier die auf dem Kidson Track von einem Kamelbullen angegriffen wurden.“ „Waren die auch auf einer Kamelexpedition?“ „Nein sie waren mit dem Geländewagen unterwegs. Der Bulle hat den Jeep angegriffen und sie konnten sich nur wären in dem sie ihn mit dem Rammschutz angefahren haben.“ „Unglaublich und ich dachte diese Angriffe haben ausschließlich nur mit unseren Kamelen zu tun.“ Wir unterhalten uns noch eine Weile und vereinbaren für morgen um die gleiche Zeit einen weiteren Kontakt.

Später liegen wir wieder hellwach in unseren Schlafsäcken und lauschen in die Nacht. „Ob wieder einer kommen wird?“ „Ich weiß nicht aber wir sollten jetzt trotzdem versuchen zu schlafen. Die Waffe liegt geladen direkt neben mir. Uns kann nichts passieren, beruhige ich Tanja und falle tatsächlich seit Tagen endlich ein mal wieder in einen tiefen Schlaf.

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