Willkür oder obrigkeitshörig?
N 71°07’18.4’’ E 025°42’32.8’’Datum:
10.10.2020
Tag: 069
Land:
Norwegen
Ort:
Trail Parkplatz
Tageskilometer:
6 km
Gesamtkilometer:
6565 km
Sonnenaufgang:
07:05 Uhr
Sonnenuntergang:
17:03 Uhr
Temperatur Tag max:
4°
Temperatur Nacht min:
0°
(Fotos zum Tagebucheintrag finden Sie am Ende des Textes.)
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„Fühle mich wie gerädert“, beklage ich mich am Morgen. „Kein Wunder, du bist gestern lange gefahren, hast die Räder für unsere Tour hier aufgebaut, abends Bilder bearbeitet und bis heute Morgen um 3:00 Uhr Polarlichter gejagt. Ist doch normal, dass du müde bist. Da wir hier ein paar Tage bleiben wollen, denke ich, dass wir uns heute ausruhen sollten. Lass uns später mal zur Nordkaphalle gehen. Da trinken wir einen leckeren Cappuccino und genießen die Aussicht aufs Kap. Die angekündigte Schlechtwetterfront lässt anscheinend noch auf sich warten. Wir haben demnach weiterhin Glück und können die hier selten gute Sicht noch ein wenig genießen“, schlägt Tanja vor. „So machen wir es“, bin ich einverstanden. Während Tanja unser Frühstück zubereitet, drehe ich mit Ajaci auf dem riesigen Parkplatz eine Runde. Aus der Entfernung sehe ich, wie Peter sich mit Tanja unterhält. Guten Mutes laufe ich ihm entgegen. „Guten Morgen Peter“, begrüße ich ihn bestens gelaunt. „Guten Morgen Denis. Nimm bitte deinen Hund an die Leine. Hier könnten Rentiere herumlaufen.“ „Rentiere auf dem Parkplatz?“, wundere ich mich. „Ja.“ „Okay“, antworte ich und klicke die Leine an Ajacis Halsband. „Und macht euren Generator aus“, fordert er mich mit strenger Stimme auf. „Mache ich aber es ist doch kein Mensch hier. Wen soll das Motorengeräusch stören?“, möchte ich wissen. „Der Parkplatz ist kein Campingplatz. Also mach ihn einfach aus.“ „Kein Problem“, antworte ich und wundere mich, was dem gestern noch überaus freundlichen Menschen über die Leber gelaufen ist. „Wie lange wollt ihr eigentlich bleiben?“, haut er seine nächste Frage raus. „Hm, wie gestern schon erwähnt, würden wir hier gerne ein paar Tage verweilen. Wir möchten das WLAN in der Nordkaphalle nutzen, um ein paar Updates zu versenden und weiter an unserer Berichterstattung über Norwegen zu arbeiten“, antworte ich weiterhin freundlich. „Ihr dürft euch hier nur eine Nacht aufhalten“, höre ich erschrocken. „Was? Warum denn?“ „Das sind die Bestimmungen.“ „Wir waren letztes Jahr im Sommer schon mal für ein paar Tage hier. Da war der Platz mit Hunderten von Fahrzeugen vollgeparkt und es ging absolut in Ordnung. Warum müssen wir jetzt gehen, wo doch alles leer ist?“ „Wie ich schon sagt, das sind die Bestimmungen.“ „Die du kontrollierst?“ „Ja.“ „Bitte lass uns noch ein paar Tage hierbleiben. Ich bin müde und würde es gerne vermeiden, heute noch aufbrechen zu müssen.“ „Ihr könnt euch ja auf einen Campingplatz einbuchen.“ „Auf welchen Campingplatz denn? Der Nächste ist 15 Kilometer von hier entfernt und der hat zu dieser Jahreszeit geschlossen“, entgegne ich. „Bitte lass uns noch ein wenig hierbleiben.“ „Gleiches Recht für alle. Mir wäre es lieb, wenn ihr heute noch aufbrecht“, erwidert er unerbittlich. „Wie du wünscht“, gebe ich nach und kann nicht glauben, was ich da höre, denn nach seiner gestrigen Aussage hat die Geschäftsleitung des Besucherzentrums wegen ausbleibender Touristen nahezu das gesamte Personal entlassen. Ich kann mir nur vorstellen, dass der Mann Freude daran hat, seine Macht auszuspielen, egal ob es seinem Unternehmen schadet oder nicht. Alleine, dass wir während unseres Aufenthaltes im Restaurant des Besucherzentrums öfter gegessen und in unseren Veröffentlichungen positiv über den Platz geschrieben hätten, scheint keine Rolle zu spielen. Hauptsache gleiches Recht für alle. Fragt sich nur, für wen, wenn kaum jemand vorbeikommt. Geknickt und kopfschüttelnd laufe ich weiter. „Wenn ihr noch bleibt, werde ich euch nicht mit dem Stock vertreiben, aber du weißt, was ich wünsche!“, ruft er mir hinterher. Wieder in der Terra berichte ich Tanja von meinem unangenehmen Erlebnis. „Ist doch egal. Wenn Peter uns hier nicht länger duldet, fahren wir wieder zurück. Es soll sowieso bald schneien und wir wissen nicht, für was es gut ist, wenn wir früher als geplant weiterfahren“, findet sie trötende Worte. „Klar, du hast wie so oft recht. Hatte mir jedoch vorgestellt, an diesem außergewöhnlichen Platz ein wenig zu verweilen, auszuruhen, die unterschiedlichen Wetterstimmungen zu erfahren und weiter an unserem Buch zu schreiben. Aber ja, dann lass uns von hier wieder verschwinden. Wo man uns nicht mag oder duldet, möchte ich auch nicht bleiben. Die haben es offensichtlich nicht nötig, ihre Gäste gut zu behandeln“, antworte ich. „Ist nur ein Mann, der so stur ist, vergiss das nicht.“ „Ich weiß. Manchmal sind es eben Einzelpersonen wie zum Beispiel verrückte Präsidenten, die über das Schicksal ganzer Völker entscheiden“, bleibe ich trotzig und ein wenig angefressen…