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N 48°13'20.3'' E 106°17'52.6''Tag: 101
Sonnenaufgang:
06:42 Uhr
Sonnenuntergang:
18:51 Uhr
Luftlinie:
37.56 Km
Tageskilometer:
51.40 Km
Gesamtkilometer:
14205.77 Km
Bodenbeschaffenheit:
Asphalt
Temperatur – Tag (Maximum):
17 °C
Temperatur – Tag (Minimum):
11 °C
Temperatur – Nacht:
0 °C
Breitengrad:
48°13’20.3“
Längengrad:
106°17’52.6“
Maximale Höhe:
1289 m über dem Meer
Maximale Tiefe:
1100 m über dem Meer
Aufbruchzeit:
10.15 Uhr
Ankunftszeit:
16.30 Uhr
Durchschnittsgeschwindigkeit:
12,61 Km/h
Das Personal des Hotels hat uns geholfen die vielen Taschen nach unten zu tragen. Hier in der Mongolei ist das normal. In Russland wird einem Gast nur in ausgesprochen seltenen Fällen beim Tragen des Gepäcks geholfen. Selbst als wir vor Kraftlosigkeit kaum noch sprechen konnten mussten wir unter den oftmals neugierigen Augen des Personals unsere gesamte Ausrüstung inklusive Räder eigenhändig bis in den vierten Stock und wieder hinunter tragen. Wir sind gerade dabei unsere Roadtrains zu beladen als zwei schwere, teure Jeeps vorfahren. “Das ist der amerikanische Botschafter und sein Personal”, sagt die Managerin, ihm entgegeneilend. “Ach schau dir das an. Ist ja interessant. Woher kommen sie denn?”, fragt der Botschafter als er auf dem Weg zum Haupteingang neben uns stehen bleibt. Wir berichten von unserer Reise. “Unglaublich. Das muss ich fotografieren. Wenn ich wieder im Büro bin werde ich mir eure Website mal ansehen. Was habt ihr eigentlich gemacht als kürzlich der Schneesturm über das Land hereingebrochen ist? Ihr müsst doch halb erfroren sein? Vor allem die glatten Straßen waren bestimmt ein großes Problem?” fragt er. “Wir hatten Glück. Wir verbrachten die kritische Zeit in einem kleinen Hotel in Darhan”, antworte ich. “Ja auf so einer Reise kann man bestimmt viel Glück und Schutz gebrauchen.” “Wie lange sind sie eigentlich schon in der Mongolei?”, frage ich höflich. “Seit zwei Jahre.” “Und gefällt es ihnen?” “Aber ja, ein interessantes Land. Vor allem bin ich froh mal aus Ulan Bator herauszukommen. Ist eine hektische Stadt. Viel Lärm und eine ungeheure Luftverschmutzung. Da tut einem diese Luft und Ruhe hier draußen richtig gut. Ich genieße es mal für ein Wochenende dem Stress zu entfliehen”, erzählt der freundliche Mann. “Auf ihren weiteren Reisen wünsche ich ihnen viel Glück”, sagt der Botschafter zum Abschied uns die Hände schüttelnd. “Wenn ihr Hilfe benötigt, ruft mich in Ulan Bator an”, bietet uns Daria, eine angestellte des Botschafters an. “Machen wir gerne”, antworte ich und nehme ihre Visitenkarte entgegen. Dann verabschieden wir uns noch von der Managerin des Hotels und lassen unsere Räder den steilen Berg hinunterrollen, den wir uns so schwer erkämpft hatten. Fünf Kilometer später erreichen wir wieder die Bundesstraße und strampeln, diesmal dem Meister im Gesicht, einen Höhenzug nach oben, der sich bis auf knapp 1.300 Meter erhebt. “Gut dass wir unserem Körper ein Tag Pause gegönnt haben!”, rufe ich Tanja zu.
“Schau mal! Dort drüben! Sind das nicht Yaks?”, fragt Tanja. “Tatsächlich, die hätte ich in dieser Gegend nicht erwartet”, antworte ich und stoppe mein Rad. Fasziniert beobachten wir die Tiere die am Fuße eines Felsen friedlich grasen. Der massige Körper eines Wildyaks wiegt bis zu 800 Kilogramm und kann eine Kopfrumpflänge von über drei Meter erreichen. Wegen der Schwarzweißen oder grauen Färbung erkennen wir dass diese Tiere domestiziert sind. Das tibetanische Hochlandrind hat in der Regel eine schwarzbraune Färbung. Während unserer 1.600 Kilometer langen Mongoleidurchquerung im Jahre 1996, mussten wir öfter Yaks einsetzen, um unseren Pferdewagen über die hohen Pässe zu bringen. Es sind ungeheure kraftvolle Tiere die auch heute noch als Last- und Reittiere eingesetzt werden. Vor allem aus der fettreichen Milch wird Butter und Quark hergestellt. Das Fleisch wird gebraten oder zu wertvollen Trockenfleisch verarbeitet, welches ewig gelagert werden kann und auch in Notzeiten reichhaltige Nahrung bietet. Nach unserer eigenen Erfahrung schmeckt es nach langem Kauen gar nicht so schlecht. Viele der Nomaden nutzen das langhaarige Fell, um daraus Seile zu spinnen oder Tücher zu weben. Auch die Haut des Nutztieres wird zu Leder verarbeitet, um alle nur erdenklichen Gebrauchgegenstände daraus zu fertigen. Ich fotografiere die imposanten Tiere noch mit unserer Leica, dann setzen wir unsere Bergfahrten fort.
Wegen dem sehr guten Wetter und erfreulichen Temperaturen von 22 in der Sonne, kommen wir trotz der hohen Berge gut voran. Das Wetter erlaubt uns sogar ein Picknick auf dem Steppegras. Wir genießen das letzte Studentenfutter von Rapunzel, welches Tanja so lange aufgehoben hat, und essen eine gefriergetrocknete Fertignahrung von Travellunch. Im Bewusstsein auf dieser Etappe voraussichtlich zum letzten Mal im Freien zu speisen, ist dieser Moment ein besonderer für uns. Wenig später überqueren wir einen weiteren 1.300 Meter hohen Pass. Oben angelangt, werden wir wie immer in der Mongolei von einer Opferstelle, dem Obul empfangen. Viele der Reisenden halten hier an, um einen Stein auf den rituellen Steinhaufen zu legen, ihn dreimal zu umrunden und sich Gesundheit und Glück zu wünschen. Manche Menschen opfern den Göttern Geld, andere Tiere und vieles mehr. An diesem Obul entdecke ich ein paar Kuriositäten wie Gehilfen, Krücken, Porzellanfiguren und wie so oft viele ausgetrunkene Wodkaflaschen. Nicht selten sieht es um den heiligen Obul aus wie auf einer kleinen Müllhalte. Aber vielleicht liegt es auch daran den Wert, des zum Teil hier niedergelegten Mülls, nicht zu erkennen.
Es ist 16:00 Uhr als wir unsere starken Bikes ein lang gezogenes Gefälle herunter gleiten lassen und den kleinen Ort Ihsuuj erreichen. Nach vielen Fragen und zweifachem hin- und Herfahren stehen wir vor einem völlig kaputten und abweisenden Haus. Ein Betrunkener führt mich durch den Hinterhof hinein. Er spricht pausenlos auf mich ein und sagt, dass man hier ein Zimmer bekommt. Eine unfreundliche Mongolin scheint über mein Auftauchen nicht erfreut zu sein. Es dauert eine Weile bis sie mich in den ersten Stock führt und mir ein Zimmer zeigt, in dem es nur zwei verlorene Betten gibt, deren Matratze aus purem Holz bestehen. “Können wir bleiben?”, frage ich, weil es auf den kommenden 60 Kilometern von hier bis nach Ulan Bator keine Übernachtungsmöglichkeiten mehr gibt. Als Antwort bekomme ich ein freudloses Kopfnicken. “Können wir unsere Räder ins Haus bringen?”, möchte ich wissen, worauf die Frau in den Gastraum einer heruntergekommenen Kneipe deutet.
“Und? Bleiben wir?”, fragt Tanja als ich wieder draußen stehe. “Keine Ahnung. Weiß nicht ob das ein guter Platz ist. So wie es aussieht allerdings der Einzige. “Und unsere Räder?” “Dürfen in der Kneipe nächtigen.” “Keine gute Idee. Was ist wenn die Männer hier abends trinken? Da können unsere Bikes nicht bleiben.” “Ja ich weiß. Am besten du siehst dir das Zimmer auch mal an und lässt dein Gefühl sprechen”, schlage ich vor. “Und? Was ist dein Gefühl?”, frage ich Tanja wenig später als sie aus dem kaputten Haus kommt. “Weiß nicht. Wir müssten unsere Räder in den ersten Stock tragen. Da wären sie einigermaßen sicher. Am besten aber stellen wir sie ins Zimmer.” “Wird eng da drin.” “Was soll’s. Ist nur eine Nacht. Morgen erreichen wir Ulan Bator.” “Hm, stimmt.” “Hast du mal nach dem Preis gefragt?”, möchte Tanja wissen. “Nach dem Preis? Nein. Das kann hier nicht viel kosten.” “Trotzdem ist es besser nachzufragen.” “Okay, dann frag mal”, sage ich. “30.000 Tugrik”, (14,40 Euro) hat ihr Mann verlangt”, sagt Tanja als sie wieder vor der Tür steht. “Ist ja nicht zu fassen. Die wollen uns eiskalt über den Tisch ziehen.” “Ja. Ich war auch entsetzt. Sie ging dann sofort auf 20.000 Tugrik (9,60 Euro) runter.” “Noch immer absoluter Wucher”, meine ich und entscheide weiterzufahren, obwohl es keine Unterkunft mehr gibt. “Hast Recht. Die Energie in dem Haus ist schlecht. Die Menschen sind auch nicht gut. Es fühlt sich so an wie in der Gastiniza wo man uns bestohlen hat. Besser wir fahren weiter und suchen uns einen Zeltplatz für die Nacht”, meint Tanja.
Der Meister hat wieder sein eisiges Gewand angezogen, um es über uns zu stülpen. Müde lassen wir unsere Drahtesel durch den Ort rollen an dessen Ende bereits ein weiterer Pass auf uns wartet. “Schau dir das dort drüben an! Sieht doch wie ein kleines Gasthaus aus! Zumindest das Werbeplakat ist viel versprechend!” rufe ich und lenke meinen Bock von der Straße zu dem neu gebauten Häuschen. “Ich frage mal. Kann ja nicht schaden!”, sage ich, das Lebensmittelgeschäft betretend, über dem das ansprechende Schild hängt. Cafe, Karaoke, Viproom und Hotel ist darauf zu in prahlerischer Schrift zu lesen. Weil das neue Plakat aussieht wie die Werbung eines Luxushotels in Ulan Bator, frage ich etwas verunsichert in mehreren Sprachen: “Ist das ein Hotel?” “Tii”, (ja) sagt die Frau. “Tatsächlich ein Hotel. Das einfache, saubere Zimmer ist groß, die Betten mit frischen Laken bezogen, es kostet nur 10.000 Tugrik (4,80 Euro) und wir dürfen unsere Räder mit in den Raum nehmen”, bringe ich die freudige Nachricht. “War wieder einmal sehr gut auf unser Gefühl zu hören und uns nicht von der Angst leiten zu lassen heute keine Unterkunft mehr zu finden”, antwortet Tanja lachend.
Wieder mit der Hilfe der gesamten Familie ist unsere Ausrüstung inklusive Räder wenig später im Zimmer, durch das sogar ein warmes Heizungsrohr führt. Im Restaurantraum sind wir die einzigen Gäste. Wir kaufen Kartoffeln, Nudeln, Salat aus dem Glas und ein paar Flaschen Bier im Lebensmittelgeschäft nebenan. Die freundliche Hotelbesitzerin kocht uns daraus ein schmackhaftes und sehr günstiges Mahl. Mit gesättigten Bäuchen und müde lassen wir uns danach auf die harten Matratzen sinken und fallen in einen Schlaf der Erschöpfung.